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28. September 2021

MDS/MPN-Overlap-Erkrankungen: Molekularpathologie der CMML und aCML

Die myelodysplastischen und myeloproliferativen Erkrankungen (MDS, MPN) wie die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) und die atypische chronische myeloische Leukämie (aCML), zählen zu den phänotypisch und klinisch komplexesten Entitäten in der Gruppe der myeloischen Neoplasien. Beide Erkrankungen vereinen Eigenschaften myelodysplastischer und myeloproliferativer Neoplasien, was zu einem heterogenen klinischen Erscheinungsbild führt.

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Dank der Entwicklung neuer Technologien wie des Next Generation Sequencing (NGS) ist das Verständnis über die Zusammenhänge der komplexen molekularen Signalwege und der Pathogenese der

myeloischen Neoplasien stark gewachsen und wird zukünftig wesentlich zur Entwicklung neuer

molekularer Therapieansätze beitragen. Die Molekulargenetik ermöglicht es zudem durch den Nachweis funktioneller Mutationen, einen reaktiven Prozess von einer Neoplasie zu unterscheiden, was in Kombination mit der Zytomorphologie und der Immunphänotypisierung zu einem deutlichen Gewinn an Sicherheit in der Diagnostik der MDS/MPN führt.

Die CMML und die aCML gehören nach der aktuellen WHO-Klassifikation aus 2016 zu der Gruppe der ­­

MDS/MPN-Overlap-Erkrankungen. Sie zeich­nen sich dadurch aus, dass sie sowohl die charakteristischen Merkmale der MDS – also Zytopenien unterschiedlicher Ausprägung – als auch der MPN, nämlich Zytosen, Hepato- und Splenomegalie, tragen. MDS/MPN-Overlap-Erkrankungen sind mit einer Inzidenz von jährlich 1/100.000 Einwohner selten und umfassen neben der CMML und der aCML, die im Folgenden näher beleuchtet werden, auch die juvenile chronische myelomonozytäre Leukämie (JMML), die MDS/MPN mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (MDS/MPN-RS-T) sowie die MDS/MPN-Unklassifizierbar (

MDS/MPN-U). Die MDS/MPN-Overlap-Erkrankungen müssen von den Philadelphia-negativen chronischen myeloproliferativen Neoplasien, der chronischen myeloischen Leukämie (CML) sowie den

myelodysplastischen Syndromen (MDS) abgegrenzt werden, weil für die prognostische Beurteilung eine exakte diagnostische Zuordnung die Voraussetzung

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ist. Allein laborchemische und zytomorphologische Kriterien sind nicht ausreichend, um die MDS/MPN sicher voneinander zu unterscheiden. Deshalb wurden molekulare Merkmale in die WHO-Kriterien aufgenommen, und molekulargenetische Untersuchungen sind neben der Zytomorphologie und der Immunphänotypisierung für die Diagnostik und die Prädiktion der MDS/MPN mittlerweile etablierter Standard (1).

Die CMML

Die CMML bezeichnet eine mit einer Inzidenz von 1/100.000 seltene klonale hämatopoetische

Erkrankung, die sowohl myeloproliferative als auch myelodysplastische Merkmale in sich vereint. Das durchschnittliche Alter der Patienten bei Diagnose einer CMML ist 65 bis 75 Jahre, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen (Ratio 1,5-3:1) (1, 2). Die Diagnosekriterien für die klassische CMML sind eine für mind. 3 Monate persistierende Monozytose (≥ 1x 109/L) mit einem relativen Monozytenanteil von ≥ 10% der Leukozyten und einem Blasten-Promonozytenanteil von < 20% im peripheren Blut und im Knochenmark. Darüber hinaus müssen nach den Kriterien der WHO 2016 ein BCR-ABL-Rearrangement, ein PDGFRA-, PDGFRB-, FGFR1- und ein PCM1-JAK2-Rearrangement sowie alle akute myeloische Leukämie (AML)-definierenden molekularen und zytogenetischen Marker ausgeschlossen sein. Zusätzlich muss mind. eine Zellreihe signifikante, also mind. 10% der Megakaryozyten, erythrozytären Vorläufer oder der Granulozytopoese, Dysplasiezeichen aufweisen. Der fehlende Nachweis einer Dysplasie schließt eine CMML aber nicht aus, wenn eine passende klonale zytogenetische oder molekulare Aberration

nachgewiesen oder eine Persistenz der Monozytose aus anderen Ursachen ausgeschlossen werden kann.

Eine besondere Herausforderung stellt es dar, wenn die diagnostischen Kriterien einer klassischen CMML nicht vollständig erfüllt werden oder neben einer CMML eine begleitende myeloische oder lymphatische Neoplasie nachgewiesen werden kann. Von einer internationalen Arbeitsgruppe wurde ein Vorschlag zur Einordnung solcher spezieller CMML-Varianten erarbeitet. Neben der oligomonozytären CMML mit einem Monozytenanteil von ≥ 10%, aber einer Absolutzahl der Monozyten im peripheren Blut von < 1x 109 /L werden die Systemische Mas­tozytose mit assoziierter CMML, die CMML mit begleitender chronischer myeloproliferativer Neoplasie (MPN), die CMML mit einer klassischen MPN-Treibermutation und die CMML mit begleitender lymphoproliferativer Neo­plasie als spezielle CMML-Varianten genannt (3).

 

Basierend auf der Anzahl der Leukozyten wird die Gruppe der CMML bereits seit den 80er Jahren anhand der FAB-Klassifikation in zwei Untergruppen geteilt, die dysplastische CMML-MD (Leukozyten < 13x 109 /L) und die myeloproliferative CMML-MP (Leukozyten ≥ 13x 109/L), von denen im Vergleich die

proliferative Untergruppe ein signifikant kürzeres Gesamtüber­leben (OS) und ein höheres

Transformationsrisiko zu einer AML aufweist (4, 5). Generell ist die Prognose von CMML-Patienten mit einem durchschnittlichen OS von 24 (CMML-2) bis 38 (CMML-1) Monaten und einem Risiko von 20 bis 30%

für eine AML-Transformation als ungünstig zu bezeichnen, aufgrund der Diversität innerhalb der Entität allerdings auch von Fall zu Fall sehr unterschiedlich und im klinischen Kontext individuell zu bewerten (1).

Nach der WHO-Klassifikation von 2001 und 2008 war die CMML anhand der Anzahl an

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Blasten/Promonozyten in CMML-1 (Blasten im peripheren Blut (PB) < 5%, Knochenmarkblasten (KMB) <

10%) und CMML-2 (PB 6-19%, KMB 10-19%) unterteilt. In der überarbeiteten WHO-Klassifikation von 2017 wird hingegen ein neues, 3-stufiges Schema zur Subklassifizierung der CMML eingeführt, das zusätzlich zu den vorhandenen Untergruppen CMML-1 und CMML-2 die Kategorie CMML-0 (Blasten/Promonozyten PB < 2%, KMB < 5%, keine Auerstäbchen) einführt (Tab. 1). Wie hoch der prognostische Wert dieser neuen Unterteilung ist, wird sich in zukünftigen Studien zeigen (6).

 

Tab. 1: WHO-Kriterien für die Diagnose der CMML und aCML (mod. nach (1)).

Da das IPSS (International Scoring Prognosis System) und das überarbeitete System IPSS-R die

myeloproliferative Untergruppe CMML-MP ausschließt, kann es nicht auf die CMML übertragen werden.

Es gibt einige für die CMML angepasste prognostische Scoring-Systeme, die v.a. klinische und

hämatologische Kriterien berücksichtigen. Darüber hinaus gibt es aber auch Systeme, die genetische Aberrationen einbeziehen (7, 8). Insbesondere Mutationen im epigenetischen Regulatorgen ASXL1 sind mit einer ungüns­tigen Prognose assoziiert und werden in den Modellen CPSS-Mol, GFM (Groupe

Francophone des Myélodysplasies)-Risiko-Score (Tab. 2) und Mayo-molecular model in die Bewertung mit erfasst. In über 90% der CMML-Patienten treten molekulargenetische Veränderungen auf, die sowohl für die Differentialdiagnose als auch für die individuelle Prognoseeinschätzung von großer Bedeutung sind (2, 3, 9).

 

Tab. 2: GFM (Groupe Francophone des Myélodysplasies)-Risiko-Score (mod. nach (8)).

Mit Hilfe der Immunphänotypisierung können bei CMML-Patienten die Zellpopulationen quantifiziert und die aberrante Expression von Antigenen auf Monozyten, Granulozyten und Blasten nachgewiesen

werden. Bei einer CMML ist der Anteil der Blasten, Monozyten und Promonozyten erhöht und der Anteil der Granulozyten in der Immunphänotypisierung reduziert. Die myeloischen Vorläuferzellen zeichnen sich durch veränderte Expressionsstärken verschiedener Antigene wie CD117 oder CD13 aus und die

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Monozyten zeigen häufig eine intensive CD56-Koexpression. Es konnte gezeigt werden, dass die

aberrante CD56-Koexpression mit dem Nachweis von TET2-Mutationen assoziiert ist (10, 11). Außerdem liegt der Anteil von Monozyten mit dem Immunphänotyp CD14+/CD16- an den Gesamtmonozyten bei einer CMML bei > 94%; dieser Befund ist für die Diagnose einer CMML in Abgrenzung zu einer reaktiven Monozytose hoch spezifisch und sensitiv (12).

Variabel exprimiert werden darüber hinaus die Antigene CD14, CD68 und CD64. Ein verändertes Expressionsmus­ter ist jedoch nicht CMML-spezifisch, da auch bei Patienten mit reaktiver Monozytose, nach Granoluzyten-Kolonie-stimulierendem Wachstumsfaktor (G-CSF)- oder Glucocorticoid-Therapie eine aberrante Marker-Expression auf Monozyten und anderen Zellen der myeloischen Reihe nachgewiesen werden kann. Monozyten mit aberrantem Immunphänotyp sind somit keine für eine CMML spezifische Veränderung. Folglich kann die Durchflusszytometrie nicht allein zur sicheren Abgrenzung zwischen einer reaktiven Monozytose und einer CMML herangezogen werden (1, 13, 14).

 

Auch zytogenetische Veränderungen, wie sie bei 20-40% aller CMML-Patienten gefunden werden können, sind nicht eindeutig, da sie nicht entitätsspezifisch sind. Am häufigsten werden eine Trisomie 8,

Monosomie 7/Deletion 7q sowie strukturelle Veränderungen von Chromosom 12p bei CMML-Patienten nachgewiesen (15).

Um die Diagnose einer CMML zu sichern, insbesondere um eine Abgrenzung zu reaktiven Veränderungen zu erreichen, muss die Diagnostik die Immunphänotypisierung, Zytomorphologie, Zytogenetik und Molekulargenetik beinhalten.

Die Molekulargenetik ermöglicht durch den Nachweis somatischer Mutationen in relevanten Genen eine sichere Differenzierung zwischen reaktiven und neoplastischen Veränderungen und kann die

Diagnosestellung deutlich vereinfachen. Die in der CMML am häufigsten mutierten Gene sind TET2 (Mutationshäufigkeit 50-60%), SRSF2 (40-50%), ASXL1 (30-40%), NRAS (10-15%) und RUNX1 (10-15%), Gene, die in die epigenetische Regulation, das Spleißen, die Signaltransduktion und die Regulation der

Transkription involviert sind (Abb. 1A) (3, 16). Betrachtet man beispielsweise das TET2-Gen, das für ein epigenetisches Regulatorprotein kodiert, so fällt auf, dass es mit einer kodierenden Region von über 6.000 Basenpaaren verteilt auf 11 Exone eine beachtliche Größe hat, die es für einen Mutationsnachweis zu sequenzieren gilt. Mutationen können zufällig über das gesamte Gen verteilt auftreten, sodass der Mutationsnachweis mit Hilfe des bisherigen Goldstandards der Molekularbiologie, der Sanger-

Sequenzierung, für Gene dieser Größe weder zeit- noch kosteneffizient ist. Anstatt einer Einzelgentestung ist der Einsatz des NGS wesentlich sinnvoller, besonders mit dem Wissen, dass bei der CMML Mutationen in mehreren diagnostisch und prognostisch relevanten Genen auftreten können. Durch die Anwendung eines Multi-Gen-Panels wird es möglich, die Patienten-DNA parallel auf genetische Aberrationen in einigen 10 bis einigen 100 Genen zu untersuchen. Die je nach zugrunde liegender Methode deutlich höhere Sensitivität von 0,1-5% beim NGS ist ein weiterer Vorteil im Vergleich zur Sanger-Sequenzierung (Nachweisgrenze 15-20%) und ermöglicht die Detektion sehr geringer Mutationsraten. Das NGS kann dazu beitragen, die Diagnose einer CMML in einem frühen Stadium zu stellen oder subklonale

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Veränderungen, die möglicherweise mit einem Progress assoziiert sind, zu detektieren. Mit dem Einsatz der neuen molekularbiologischen Technologie kann die Diagnose einer CMML im Vergleich zu einem konventionellen Vorgehen mit einem langwierigen mitunter jahrelangen Monitoring des Patienten nun deutlich früher erfolgen.

 

Abb. 1: CMML und aCML: häufig mutierte Gene;

die 5 häufigsten Genmutationen bei CMML (A) und aCML (B) mit Genfunktionen und

prozentualer Verteilung; C) Die Mutationsprofile der CMML und aCML zeigen Überschneidungen – die 3 am häufigsten mutierten Gene können sowohl bei der CMML als auch der aCML gefunden werden, sie sind also nicht spezifisch für die Diagnose. NGS-Befunde sind deshalb nur im Kontext mit dem Differentialblutbild, der Zytomorphologie und der

Immunphänotypisierung zu bewerten.

 

Die BCR-ABL-negative aCML

Die aCML ist eine Rarität; es wird geschätzt, dass auf 100 BCR-ABL-positive CML-Fälle 1 bis 2 Fälle von aCML kommen (17). Sie tritt überwiegend bei älteren Personen auf, wobei sich keine

geschlechtsspezifische Prädisposition abzeichnet. Die aCML ist mit einer ungünstigen Prognose und der erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Leukämie-Transformation assoziiert. Die mediane Überlebenszeit beträgt 22 Monate. Bis zu 40% der Patienten erleiden eine Transformation in eine sekundäre (s)AML (17- 19).

Patienten mit einer aCML zeigen als myeloproliferative Komponente eine Leukozytose mit einer

Linksverschiebung mit ≥ 10% neutrophilen Vorstufen und haben eine signifikant dysplastisch veränderte

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Granulozyto­poese. Eine Basophilie (> 2%) im peripheren Blut und eine Blastenvermehrung (≥ 20% im PB und KM) müssen ausgeschlossen sein. Zytomorphologisch gelingt die Abgrenzung der aCML zur

chronischen neutrophilen Leukämie (CNL) durch den Nachweis von dysplastischen Veränderungen der neutrophilen Granulozyten und im Gegensatz zur CMML wird bei der aCML keine Monozytose

beobachtet. Bestätigt wird die Diagnose einer aCML durch den Ausschluss eines BCR-ABL-Rearrangements sowie Gen­rearrangements unter der Beteiligung der Gene PDGFRA, PDGFRB, FGFR1 sowie PCM1-JAK2 (1).

Da die aCML der CML morphologisch sehr ähnlich ist, hat sich die irreführende Bezeichnung der atypischen CML eingebürgert.

Ohne NGS ist die Diagnose einer aCML nur schwer zu stellen und oftmals nur über eine langwierige Ausschlussdiagnostik zu bestätigen, was vielleicht eine Teilursache der bisher geringen Zahl der beschriebenen Fälle ist. Die stetige Weiterentwicklung der molekulargenetischen Methoden und die Etablierung des NGS haben entschieden zu der Entdeckung neuer molekularer Marker beigetragen und die Diagnostik bei seltenen Entitäten wie der aCML vereinfacht. Die moderne molekulare Diagnostik hat einen enormen Wissensgewinn über seltene hämatologische Neoplasien wie die aCML ermöglicht. Die Mutationsprofile der seltenen Entitäten können immer detaillierter und umfangreicher erfasst werden.

In neueren Arbeiten konnte gezeigt werden, dass die aCML ein reproduzierbares Mutationsprofil hat: So sind bei der aCML die Gene ASXL1 (Mutationshäufigkeit 60-75%), SRSF2 (40-50%) und TET2 (30-40%) am häufigsten mutiert (Abb. 1B), sie sind aber weder einzeln noch in Kombination entitätsspezifisch (Abb. 1C) (20). Sie spielen allerdings als Marker zur Differenzierung von klonalen gegenüber reaktiven Prozessen sowie zur molekulargenetischen Sicherung der Diagnose einer myeloischen Neoplasie eine wichtige Rolle und können als molekulargenetische Marker für Verlaufskontrollen dienen.

Dank der NGS-Technologie und der effizienten parallelen Sequenzierung von mehreren Genen in einem Multi-Gen-Panel konnten in den letzten 6 Jahren weitere molekulare Marker in seltenen Entitäten wie der aCML nachgewiesen werden. Sie untermauern in Zusammenschau mit den Blutwerten

molekulargenetisch die Diagnose einer aCML (21, 22).

Unsere eigenen Beobachtungen stützen die aktuelle Literaturlage, nach der die Gene SETBP1, CSF3R und ETNK1 bei aCML-Patienten häufig mutiert sind (Abb. 1B). Auch wenngleich die genannten Gene nicht entitätsspezifisch sind, liegt mit einer Mutationshäufigkeit von 10-30% eine Assoziation mit der aCML vor, wobei SETBP1-Mutationen oftmals mit einer ungünstigen Prognose für aCML-Patienten verbunden sind (20, 23-25). Vice versa ist der Ausschluss bestimmter genetischer Aberrationen wie der für CML

entitätsspezifischen BCR-ABL-Genfusion und der für die chronischen MPN charakteristischen Mutationen von JAK2, MPL und CALR für die Sicherung der Diagnose einer aCML erforderlich (19, 26). Auch

zytogenetisch ist die Differential­diagnose einer aCML nicht deutlich gegenüber anderen myeloischen Neo­plasien abgrenzbar. Es konnten zwar mit einer hohen Frequenz von bis zu 80% zytogenetische Aberrationen wie z.B. Trisomie 8 oder Deletion 20q nachgewiesen werden, diese sind jedoch ebenfalls nicht entitätsspezifisch (18). Die aCML ist auch immunphänotypisch nicht charakteristisch zu

diagnostizieren. Die Immunphänotypisierung dient v.a. zum Ausschluss einer Monozytose (< 10%),

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Basophilie (< 2%) und dem Ausschluss von Blasten (< 20%).

 

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Kurzkasuistik CMML

Bei einem 81-jährigen Patienten wurde eine persistierende, unklare, absolute Monozytose von 2,9x 103/µl mit einer relativen Monozytose von 30,9% im peripheren Blut nachgewiesen (Abb. 2A).

Die Durchflusszytometrie zeigt keine abgrenzbare periphere

Blastenpopulation und eine normale CD4/CD8-Ratio. Auffällig ist eine

deutliche Vermehrung reifer Monozyten mit atypischer CD56-Koexpression (Abb.

2B). Da die Ergebnisse der Immunphänotypisierung und

Zytomorphologie dringend verdächtig auf das Vorliegen einer

myelodysplastischen/myeloproliferativen Neoplasie vom Typ der chronischen myelomonozytären Leukämie (CMML-0) sind, wurden weiterführende

molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt. In der NGS-Analyse konnten Mutationen im TET2-Gen, das für ein epigenetisches Regulatorprotein kodiert, gefunden werden. Dabei handelte es sich um Frameshift- sowie Nonsense-Mutationen, die zu einem verfrühten Translationsabbruch führen, sodass das entstehende Protein sehr wahrscheinlich nicht funktionsfähig ist.

Mutationen im TET2-Gen sind nicht entitätsspezifisch, treten jedoch bei CMML-Patienten mit einer Häufigkeit von 50-60% auf (Abb. 1A) und sind bei entsprechender Symptomatik

beweisend für das Vorliegen einer myeloischen Neoplasie. In

Zusammenschau mit der Mikroskopie und der Durchflusszytometrie konnte hier somit 12 Werktage nach

Einsendung des peripheren Blutes eindeutig die Diagnose einer CMML-1 gestellt werden.

Schauen Sie sich den peripheren Blutausstrich des Patienten im digitalen Mikroskop an (linkes Bild, S29):

www.med4u.org/19375  

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Kurzkasuistik aCML

Die in Abbildung 2B gezeigten

Ergebnisse der Durchflusszytometrie gehören zu einer 78-jährigen Patientin, die mit dem Verdacht auf eine akute Leukämie untersucht worden ist.

Neben einer Leukozytose wurde eine atypische Population von CD56- positiven myelomonozytären Zellen sowie eine ungewöhnliche Verteilung in der CD13/CD16-Darstellung

nachgewiesen. Zudem wurde eine kleine myeloische Blastenpopulation (1,6%; rot) detektiert. Eine Basophilie konnte nicht nachgewiesen werden (Abb. 2A und B). Die Untersuchungen deuten auf eine

myeloproliferative/myelodysplastische Neo­plasie im Sinne einer atypischen chronischen myeloischen Leukämie (aCML) hin, zur Bestätigung wurden molekulargenetische Analysen initiiert.

Ein BRC-ABL-Fusionstransskript konnte ausgeschlossen werden. Der Verdacht auf eine aCML blieb bestehen.

Mutationen in den bei

myeloproliferativen Neoplasien häufig mutierten Genen JAK2, CALR und MPL sowie Gen-Rearrangements unter Beteiligung von PDGFRA, PDGFRB, FGFR1 und PCM-JAK2 konnten ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Allerdings wurden für die Diagnose relevante Mutationen in den Genen ASXL1, CSF3R, SETBP1 und SRSF2 detektiert, die zu den bei der aCML am häufigsten mutierten Genen zählen (Abb. 1B).

Die Diagnose einer aCML konnte bei dieser Patientin mit Hilfe der NGS- Untersuchung innerhalb von wenigen Wochen gestellt werden.

Schauen Sie sich den peripheren Blutausstrich der Patientin im digitalen Mikroskop an (rechtes Bild, S30):

www.med4u.org/19375  

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Abb. 2: A) CMML: peripherer Blutausstrich mit einer Monozytose, zu erkennen sind mehrere reife Monozyten (linke Bildhälfte und Bildmitte), rechte Bildhälfte Lymphozyt; aCML: peripherer Blutausstrich mit Leukozytose mit

Linksverschiebung, die Neutrophilen sind

­hypogranuliert, linke Bildhälfte Mitte: Myelozyt.

B) obere Reihe ausgewählte Dot-Plots der FACS- Analyse zum Fall CMML: große Monozyten- Population (orange) mit einer CD4-Positivität und einer CD56-Koexpression (Bild 2), nur ein geringer Teil der Monozyten ist CD16-positiv (Bild 3), kein Verlust der monozytären Antigene CD300e und CD14 (Bild 4); untere Reihe ausgewählte Dot-Plots der FACS-Analyse zum Fall aCML: geringer Monozyten-Anteil (orange), große Population Granulozyten (grün) mit veränderten Streulichteigenschaften und Nachweis einer kleinen Blastenpopulation (rot). Auch die

neutrophilen Granulozyten sind CD56-positiv (Bild 2), Bild 3 mit Darstellung der Linksverschiebung (CD16 wird nur auf einem Teil der Zellen der Granulozyto­poese exprimiert), vergleiche die kleine Monozyten-Population (orange) bei der aCML mit der CMML (Bild 4). Link zur digitalen Mikroskopie: www.med4u.org/19375 (links (S29)=CMML, rechts (S30)=aCML)

 

Aufgrund der geringen Fallzahlen gibt es für die aCML noch kein etabliertes Scoring-System wie bei der CMML. Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Mutationskonstellationen (ASXL1- und SETBP1-

Mutationen) und Blutbildparameter wie eine sehr hohe Leukozytenzahl (> 50x 109/L) und eine Anämie (Hämoglobin < 10 g/dL) sowie ein fortgeschrittenes Patientenalter (> 65 Jahre) prognostisch ungünstig sind (17, 27).

Für aCML-Patienten gibt es bisher keine Standardtherapie. Die einzige kurative Therapieoption stellt die allogene Stammzelltransplantation dar. Um zukünftig eine molekular stratifizierte Therapie zu

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ermöglichen, spielt der Wissensgewinn über entitäts­typische Mutationsprofile und die Entdeckung neuer molekularer Marker eine sehr wichtige Rolle. Die NGS-Methode bietet die Möglichkeit, auch seltene Ereignisse bei der Differentialdiagnose einer aCML, wie z.B. CSF3R-Mutationen, welche den Januskinase (JAK)- und SRC-Tyrosinkinase-Signalweg aktivieren, nachzuweisen. Die Mutation bietet einen möglichen Therapieansatz mit z.B. JAK- oder SRC-Inhibitoren (28).

Es besteht kein Interessenkonflikt.

Zu diesem Artikel ist auch ein CME-Test verfügbar.

Hier kommen Sie direkt zur Teilnahme (verfügbar bis zum 27.09.2022)  

Dr. med. Holger Hauspurg

Fachärzte Dres. Tiemann & Schulte Partnerschaft Institut für Hämatopathologie

Fangdieckstraße 75 B 22547 Hamburg

Tel.: 040/707085-227

E-Mail: hauspurg@hp-hamburg.de

Dr. rer. nat. Stefanie Schmidt

Fachärzte Dres. Tiemann & Schulte Partnerschaft Institut für Hämatopathologie

Fangdieckstraße 75 B 22547 Hamburg Tel.: 040/707085-200

(15)

E-Mail: schmidt@hp-hamburg.de

Dr. rer. nat. Judith Pirngruber

Fachärzte Dres. Tiemann & Schulte Partnerschaft Institut für Hämatopathologie

Fangdieckstraße 75 B 22547 Hamburg

Tel.: 040/707085-200

E-Mail: pirngruber@hp-hamburg.de

ABSTRACT

H. Hauspurg, S. Schmidt, J. Pirngruber, Institut für Hämatopathologie Hamburg, Hamburg.

 

Chronic myelomonocytic leukemia (CMML) and atypical chronic myeloid leukemia (aCML) are distinct but related clonal hematopoietic malignancies that share features of myelodysplastic and myeloproliferative neoplasms (MDS/MPN). They are characterized by hematopoietic dysplasia with increased proliferation of monocytes or neutrophils, respectively. Due to novel techniques such as next generation sequencing (NGS) the understanding of the molecular pathogenesis of CMML and aCML has increased during the last years. Knowledge of the mutational profile enables the differentiation between a reactive event and the existence of a neoplasia. Thus, in combination with cytomorphology and flow cytometry NGS is the new standard diagnostic tool for rare hematologic malignancies like MDS/MPN.

 

Keywords: Chronic myelomonocytic leukemia, atypical chronic myeloid leukemia, mutational profile, NGS Literatur:

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Referenzen

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