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Wenn der ganze Körper schmerzt

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74 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2013 | www.pta-aktuell.de

Häufig als „Psychofälle“ oder gar als Simulanten abgestempelt, ist die Erkrankung für die Betroffenen aber ein reales Problem –

mit der Aussicht auf ein Leben unter Schmerzen ohne Heilung. F

ibromyalgie bedeutet „Fa- ser-Muskel-Schmerz“. Da- mit ist das Hauptsymp- tom der geheimnisvollen Krankheit umrissen: Die Patienten haben starke Muskel-, aber auch Gelenkschmerzen, die an verschie- denen Körperstellen auftreten kön- nen. Hinzu können ständige Abge- schlagenheit, Schlafstörungen und Kopfschmerzen kommen, was alles letztlich dazu führt, dass die Betrof- fenen ihre Lebensqualität als sehr eingeschränkt einstufen. Häufig tre- ten auch psychische Probleme wie depressive Verstimmungen auf. Ob sie jedoch die Folge oder womöglich sogar die Ursache der Fibromyalgie sind, ist bisher nicht geklärt. Die Krankheit ist nicht wirklich zu fas- sen, was es für die Patienten noch schwieriger macht, damit umzuge- hen. Es handelt sich hierbei nicht um eine organische Krankheit, sondern eine funktionelle Störung. Sie ist nicht tödlich, kann aber unter Um- ständen die Lebensqualität so stark beeinträchtigen, dass die Betroffe- nen suizidgefährdet sind. Viele wer- den darüber hinaus arbeitsunfähig, was zusätzlich zum Leidensdruck beiträgt. Umso wichtiger ist es, diese Schmerzpatienten ernst zu nehmen und ihnen Möglichkeiten des Krank- heitsmanagements aufzuzeigen.

Ursache geklärt? Bisher war nicht genau klar, warum sich eine Fibro- myalgie entwickelt. Einige sehen in ihr sogar eine eingebildete Krank- heit, vor allen Dingen, weil sie oft mit Depressionen einhergeht. Über- durchschnittlich viele Patienten leiden unter psychischen Erkran-

Wenn der ganze

Körper schmerzt

© michaklootwijk / fotolia.com

PRAXIS Fibromyalgie

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2013 | www.pta-aktuell.de

kungen, einige haben zudem sexuel- len Missbrauch erlebt. Daher wurde häufig diskutiert, inwieweit es sich bei der Fibromyalgie um eine psy- chosomatische Erkrankung handelt, zumal sich für die Schmerzen keine organischen Gründe finden ließen.

Doch ein Würzburger Forscherteam um die Neurologin Claudia Sommer hat nun eine solche Ursache gefun- den: Unter dem Mikroskop konnten die Ärzte eindeutige Schädigungen kleiner schmerzleitender Nervenfa- sern nachweisen. Die Annahme, dass eine Fibromyalgie durch eine fehler- hafte Schmerzverarbeitung und eine unnatürlich niedrige Schmerztole- ranzgrenze ausgelöst wird, scheint nun gesichert. Möglicherweise ist die Entstehung der Krankheit aber mul- tifaktoriell. Es wird angenommen, dass die Patienten auch zu wenig Serotonin produzieren, einen Boten- stoff, der die Schmerzverarbeitung im Gehirn reguliert. Ebenso wird ein Mangel an Substanz P vermutet, eines weiteren hieran beteiligten Bo- tenstoffs. Fibromyalgie tritt zudem häufig familiär gehäuft auf, sodass auch eine genetische Prädisposition möglich ist. Neuere Studien konn- ten im Urin von Patienten darüber hinaus einen auffallend geringen Spiegel des Stresshormons Cortisol nachweisen, das im Körper vielfäl- tige Aufgaben übernimmt.

Schleichender Beginn Zuerst ha- ben die Betroffenen Schlafstörungen, fühlen sich müde und abgeschlagen.

Meist wird das noch ignoriert oder auf den stressigen Alltag geschoben.

Dann kommen immer häufiger gastrointestinale Störungen hinzu.

Auffallend sind schließlich Schmer- zen im Lendenbereich, manchmal auch in der Halswirbelsäule, die da- nach in Arme und Beine wandern.

Dies ist meist der Punkt, an dem Be- troffene den Arzt aufsuchen. Doch bis eine Fibromyalgie zu ihrer vollen Ausprägung gelangt, können Jahre vergehen, wobei Phasen der Ruhe mit neuen Schüben abwechseln.

Es gibt keine Methoden, mit denen die Erkrankung sicher diagnosti-

ziert werden könnte. Bildgebende Verfahren geben keine Hinweise, da die Muskeln, Gelenke und Knochen nicht wie etwa bei einer rheumatoi- den Arthritis verändert sind. Auch die Laborwerte sind unauffällig, bis auf den verminderten Kortisolspie- gel, der aber noch erforscht wird und dadurch in der klinischen Diag- nostik noch nicht überall angekom- men ist. Aufgrund der unauffälligen Blutwerte können Krankheiten mit ähnlichen Symptomen differenzi- aldiagnostisch zumindest schnell ausgeschlossen werden, so Hyper- kalzämie (erhöhter Kalziumwert), Hypothyreose (Schilddrüsenunter- funktion) oder Muskelerkrankungen (erhöhter Kreatininwert).

Diagnose auf Verdacht Sie wird daher meist nach eingehender kör- perlicher Untersuchung und Anam- nese gestellt. Patienten weisen eine hohe Druckempfindlichkeit der Haut auf. Kann der Arzt mindes- tens 11 von 18 definierten Druck- schmerzpunkten ausmachen, kann das auf die Erkrankung hinweisen.

Klagen die Betroffenen dazu über immer wiederkehrende Schmerzen an verschiedenen Körperstellen, an- haltende Schlafstörungen, ständige Abgeschlagenheit oder auch eine de- pressive Verstimmung, sollte man an die Verdachtsdiagnose Fibromyalgie denken.

Antidepressiva mit guten Er- gebnissen Bisher wurden verschie- dene Psychopharmaka in der Behand- lung der Fibromyalgie eingesetzt, wobei es die meisten Erfahrungen mit dem trizyklischen Antidepres- sivum Amitriptylin gibt. Duloxetin, das ebenfalls als Serotonin-Signal- verstärker wirkt, wird seit einiger Zeit ebenfalls verschrieben. Aller- dings gibt es auch gute Erfolge mit dem Antiemetikum Tropisetron, das häufig in der Chemotherapie einge- setzt wird und auf den Schmerz- sinn wirkt. In einer Studie zeigte die Hälfte der Patienten einen Rückgang der Schmerzen um bis zu 50 Prozent.

Diese Wirkung hielt nach einmali- ger Einnahme von Tropisetron neun

Monate lang an. Ebenfalls zugelassen sind die Antiepileptika Pregabalin und Gabapentin. Sie regulieren die Kalziumversorgung der Nervenen- den und bewirken so eine erhöhte Ausschüttung von schmerzregulie- renden Neurotransmittern wie Subs- tanz P. Die medikamentöse Therapie wird immer nur zeitlich begrenzt eingesetzt, zum einen, um das Risiko von Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, zum anderen, um einer Sucht vorzubeugen, denn ge- rade chronische Schmerzpatienten laufen Gefahr, von Schmerzmitteln abhängig zu werden. ■

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist Schmerzmanagement iSt daS a und O

ursächlich heilen kann man die Fibromyalgie nicht. die Patienten müssen also lernen, ihre Krankheit in den griff zu bekommen. da sich die Symptome unter Stress verschlimmern, ist Stabilität im alltag das Wichtigste. die Schmerzen, die unsicherheit über die entwicklung der Krankheit und der andauernde Schlafentzug lösen ebenfalls Stress aus – dieser teufelskreis muss durchbrochen werden. dazu sind entspannungstechniken von elementarer Bedeutung. die Psychosomatik spielt ebenfalls eine wichtige rolle, um tech- niken zur Krankheitsbewältigung zu erlernen und eventuell zugrunde liegende oder durch die Krankheit entstandene psychischen Störungen zu behandeln.

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