34 Innovation
Haustech Januar/Februar 2011, Nr. 1-2 Januar/Februar 2011, Nr. 1-2 HaustechInnovation 35
Im Niedrigenergiehaus hat Abwasser Energiepotenzial
Warmes Haushaltsabwasser besitzt Energiepotenzial, das bisher vernachlässigt wurde. Eine ETH-Studie zeigt auf, dass die Wärmerückgewinnung möglich ist und mit einer Wärmepumpe zur erneuten Warmwasserbereitung dienen kann.
Die Effi zienz einer Rückgewinnung von Abwasserwärme konnte mit Exergie-Analysen bestätigt werden.
Text Jürg Wellstein¢ Der Heizwärmebedarf von Häusern wurde in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt verringert. Anspruchsvolle Ge- bäudestandards, geeignete Planungswerk- zeuge und neu entwickelte Bauelemente haben zu diesem Erfolg beigetragen. Gleich geblieben ist hingegen der Energieaufwand für die Warmwasserbereitung. In heutigen Niedrigenergiehäusern weist diese bereits einen Anteil von 50 Prozent am gesamten Energieeinsatz auf. Dem damit verbun- denen Effi zienzpotenzial ging Forrest Meggers, Doktorand an der ETH Zürich, intensiv nach und hat wegweisende Mo- dellrechnungen gemacht.
Wärmerückgewinnung auch beim Abwasser
Die Frage ist berechtigt: Weshalb wird bei- spielsweise beim modernen Gebäude jeder mögliche Wärmeverlust vermieden und bei der kontrollierten Wohnungslüftung stets auf eine wirksame Wärmerückgewinnung
geachtet? Im Bereich des Warmwassersys- tems fehlen jedoch solche Überlegungen.
Einzig Wärmetauscher in der Kanalisation und ein Wärmeentzug bei der Abwasserrei- nigungsanlage (ARA) sind heute akzep- tierte Themen.
Weil geeignete Grundlagen zur Berech- nung und Systemauslegung der Wär- merückgewinnung von Brauchwasseranla- gen fehlen und wenig konkrete konstruktive Lösungen auf dem Markt sind, wird dieser verlorenen Energie die nötige Beachtung geschenkt. Forrest Meggers hält fest: «Aus- gangspunkt unserer Studien war die Frage, ob die aus dem warmen Hausabwasser ge- wonnene Energie mit Hilfe von Wärme- pumpen zur Warmwasserbereitung einge- setzt werden könnte?»
Internationale Forschungszusammen- arbeit mit gemeinsamen Zielen Dieser Thematik ist Meggers an der ETH Zürich von 2006 bis 2010 im Rahmen eines
international abgestützten Projekts, mit Unterstützung des Bundesamts für Energie (BFE), nachgegangen. Die Schweiz hat mit diesem Projekt einen Beitrag zum Annex 49 des Programms für «Energieeffi zienzmass- nahmen in Gebäuden und Gemeinden (ECBCS)» der Internationalen Energie- Agentur (IEA) geleistet. Es stellt also einen Teilaspekt eines umfassenden Konzepts von integrativen Niedrig-Exergie-Gebäu- den dar, bei welchen die Analyse und Opti- mierung des Exergiebedarfs von Heiz- und Kühlsystemen sowie Wärmespeicher- und Wärmerückgewinnungskonzepte unter- sucht wurden. Weil heute noch oft hoch- exergetische Energieträger (Erdgas, Elek- trizität usw.) für niederexergetische Anwendungen (Niedertemperatur-Wär- me) im Gebäude eingesetzt werden, sind Effi zienzsteigerungen schwierig zu errei- chen. Die Nutzung von qualitativ minder- wertigen Energiequellen (LowEx) ist im Gebäudebereich jedoch für verschiedene Nutzungen wirtschaftlich umsetzbar und technologisch sinnvoll.
Werden beispielsweise die unterschied- lich eingesetzten Systeme, wie Heizung,
Warmwasser, Abwasser, Lüftung, kombi- niert, vermindert sich die Exergie-Nach- frage, indem tiefere Temperaturen genutzt werden können. Der Einsatz von zusätzlich erzeugter Energie wird damit vermindert.
Dominanter Anteil des Warmwassers
Während vor 50 Jahren der Heizwärmebe- darf einen dominanten Anteil des Energie- verbrauchs im Gebäude darstellte, erreicht die Warmwasserbereitung in heutigen Niedrigenergiehäusern bereits 50 Prozent.
Teilt man diesen Bereich weiter auf, so ste- hen Baden/Duschen im Vordergrund des Exergie-Einsatzes, gefolgt von Waschma- schine, Geschirrspüler und Spültrog. Das Toilettenabwasser wird aufgrund der zu niedrigen Temperatur nicht berücksichtigt.
Hierbei ist erwähnenswert, dass dieser Ab- wasseranteil natürlich durch ökologische Anlagen reduziert oder sogar rezykliert werden kann.
«Mit einer Exergie-Analyse waren wir in der Lage, die Wärmerückgewinnung des warmen häuslichen Abwassers in einen en- ergetischen Zusammenhang mit einem Wärmepumpen-System zur Wassererwär- mung zu bringen», sagt Forrest Meggers.
Die weiteren Untersuchungen basierten auf dem anzustrebenden Ziel, einen möglichst kleinen Temperaturhub erreichen zu kön- nen, damit man den Wärmepumpen-Be- trieb möglichst effi zient realisieren kann.
Durch die Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Technik & Architektur
in Horw wurden diese Arbeiten soweit er- gänzt, dass auf der Grundlage der Carnot- Leistungskurve, welche einen exponentiellen Verlauf bei vermindertem Temperaturhub aufweist, mit einer Niederhubwärmepumpe experimentell ein COP von 12 erreicht werden konnte. Wärmepumpen mit dieser Kurven-Charakteristik sind für die Abwär- menutzung im Niedrigenergiehaus eine viel- versprechende Perspektive.
Wärmepotenzial vorhanden – Industriepartner gesucht
Mit Hilfe von statistischen Daten aus Deutschland und den USA konnten bei den Simulationsrechnungen an der ETH Zürich das Nutzerverhalten einfl iessen und damit die wahrscheinlich zur Verfügung stehenden Energiemengen und Tempera- turen ermittelt werden. Forrest Meggers:
«Wir erkannten dabei, dass sowohl im Einfamilienhaus als auch in Mehrfamilien- häusern, aber auch in spezifi schen Infra- strukturgebäuden, ein Potenzial für die Nutzung des warmen Abwassers besteht.»
Die Simulationen haben ergeben, dass zunehmende Durchfl ussraten im Wärme- tauscher und vergrössertes Tankvolumen beim Speichergefäss zwar eine teilweise wachsende Energierückgewinnung bewir- ken, die Wärmerückgewinnung jedoch bei beiden Parametern ein Optimum aufweist.
Dies deutet darauf hin, dass eine Limitie- rung von Durchfl ussrate und Volumen in Zusammenarbeit mit einer Wärmepumpe eine maximale Wirkung erzielt. Je höher die
Wärmerückgewinnung ausfällt, umso bes- ser ist die Effi zienz der Wärmepumpe bei der Warmwasserbereitung.
Die am Anfang des Projekts eingeleitete Zusammenarbeit mit einem Industriepart- ner und das damit initiierte KTI-Vorhaben konnten leider nicht realisiert werden, so dass die Studie der ETH Zürich ohne in- dustrielle Umsetzungsaktivitäten beendet werden musste. Daher ist man weiter auf der Suche nach einem interessierten In- dustriepartner, der die ermittelten Werte in konstruktive Lösungen einfl iessen lassen kann. Sowohl mit klein dimensionierten als auch grösseren Systemen ermöglicht ein Speichertank die Rückgewinnung der vor- handen Wärme als Input für eine Wärme- pumpe, mit welcher Warmwasser bereitet wird. Die Idee eines geschlossenen Ener- giekreises mit möglichst geringem Einsatz von Exergie ist so umsetzbar.
Energiebilanzen: a) Anteil des Warmwasserbedarfs am gesamten Energieverbrauch; b) der Exergie-Inhalt des Abwassers wächst mit gesteigerter Leistung des Wassersystems im Gebäude. Grafi k Annex 49
Die jährlich mögliche Exergie-Rückgewinnung weist sowohl beim Wärmetauscher (links) als auch beim
Tankvolumen ein Optimum auf. Grafi k Annex 49
Annex 49: Niedrig-Exergie-Systeme für hocheffi ziente Gebäude und Gemeinden
Leistungszahl in Abhängigkeit vom Temperaturhub für typische Carnot-Wirkungsgrade. Grafi k HSLU
Heizung 100 kW/m2/a 40 – 50%
Standard Energiebedarf bei
Wohngebäude-Typen
Niedrigenergiehaus
Minergie-P Passivhaus
Je besser das Gebäude umso grösser wird der Energieanteil für die Warmwasserbereitung Geräte
40 – 80 kW/m2/a 20 – 40%
Warmwasser 20 – 40 kW/m2/a 10 – 20%
Heizung halbiert 50 kW/m2/a 30 – 40%
Bessere Geräte 30 – 60 kW/m2/a 20 – 40%
Warmwasser 20 – 40 kW/m2/a 20 – 30%
Minimal 15 kW/m2/a 20%
Warmwasser verbessert 20 – 30%
Eff.-Geräte 30 – 40 kW/m2/a
Standard Eco-
Abwasser Grauwasser- Recycling Toilette
Lababo Geschirr Kleider Bad
Geschirr Kleider Bad
Geschirr Kleider Bad Toilette Lababo Lababo
Bessere Gebäude bieten einen höheren Nutzungsanteil an warmem Abwasser
Abwasserzusammensetzung bei unterschiedlichen Gebäuden
COP
Temperaturhub [Kelvin]
Keine Anwendung
LowEx Wärmepumpe
Konventionelle Wärmepumpe
40 35 30 25 20 15 10 5 0
Fliessrate [L/min]
Exergie Energie
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 90
80
70
60
50
40
30
Exergie [kWh/a]
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
Energe [kWh/a]
Fliessrate [L/min]
Exergie Energie
100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 90
89 88 86 85 84 83 82 81 80
Exergie [kWh/a]
3100 3050 3000 2950 2900 2850 2800 2750 2700 2650 2600
Energe [kWh/a]
Forrest Meggers: «Unsere Frage war, ob das warme Abwasser in Niedrigenergiehäusern zur Wär- merückgewinnung eingesetzt werden kann.»
Foto zvg
Beim Annex 49, der im Rahmen des IEA-Programms für Energieef- fi zienz-Massnahmen in Gebäuden und Gemeinden (ECBCS) durchge- führt wurde, sind 17 Forschungs- institutionen, Universitäten und Firmen aus 12 Ländern involviert.
Das primäre Ziel dieses Projektes
ist die Entwicklung von Kon- zepten zur Reduktion des Exergie- Bedarfs, also des Bedarfs an hoch- wertigen Energieträgern, in Gebäuden und deren Versorgungs- systemen. Die Nutzung von quali- tativ minderwertigen Energiequel- len (LowEx) ist hingegen im
Gebäudebereich für verschiedene Anwendungen möglich und wirt- schaftlich. Damit werden qualita- tiv hochwertige Energieressourcen für Anwendungen und Prozesse geschont, die auf diese Ressour- cen wirklich angewiesen sind.
www.annex49.com
Kontakte
Forrest Meggers
ETH Zürich / Department Architektur 8093 Zürich
meggers@arch.ethz.ch IEA-Programm für
«Energieeffi zienzmassnahmen in Gebäuden und Gemeinden(ECBCS)»
www.annex49.com BFE-Energieforschung:
www.bfe.admin.ch/forschunggebaeude BFE-Bereichsleiter: Andreas Eckmanns Programmleiter: Dr. Charles Filleux