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Z¨ahltheorie Teil1

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Teil 1

Z¨ahltheorie

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KAPITEL 1

Zahlen und Rechenstrukturen

Eine klassische Aufgabe der diskreten Mathematik (Kombinatorik) besteht darin zu ermitteln, wieviele

”Konfigurationen“ (d.h. diskrete Objekte von einem gewissen Typ) es gibt. Zu diesem Zweck wurden die

”Zahlen“ ent- wickelt. Wir gehen hier (aus Gr¨unden praktischer Zweckm¨assigkeit) den umgekehrten Weg und diskutieren zuerst kurz die Zahlen, bevor wir unter- suchen, wie man damit z¨ahlen kann.

Wir gehen von den nat¨urlichen Zahlen als gegeben aus. Alle anderen

”Zah- len“ sind mathematische Konzepte, die einem das logische Verst¨andnis von mathematischen Strukturen erleichtern k¨onnen. Praktisches Rechnen wird aberimmerauf das Rechnen mit nat¨urlichen Zahlen zur¨uckgef¨uhrt!

1. Die nat ¨urlichen Zahlen Die nat¨urlichen Zahlen bilden die Menge

N={0,1,2, . . . , n, n+ 1, . . .}.

Charakteristisch f¨ur sie ist, dass sie mit einem Element0beginnen und dann jedes Elementn ∈ Ngenau einen Nachfolgern+ 1 ∈ Nbesitzt. Dadurch kann man Elementemeiner MengeM

”der Reihe nach“ abz¨ahlen:

m0, m1, m2, . . .

Dies ist ein algorithmischer Prozess, den man so pr¨azisieren kann:

(0) Setzen:= 0.

(i) IstM =∅, stop mit der Ausgabe

”M hatnElemente“.

IstM 6=∅, w¨ahlem ∈M und setze n :=n+ 1undM :=M \ {m}

und iteriere.

Endliche und unendliche Mengen. Wenn dieser Z¨ahlalgorithmus nach endlich vielen Schritten stoppt, dann istM endlichund hat |M| = n Ele- mente. Ansonsten heisstM unendlich, was mit|M|=∞ausgedr¨uckt wird.

5

(4)

1.1. Induktion und rekursive Definition. Die Konstruierbarkeit jeder nat¨urlichen Zahl n als

”Nachfolger von Nachfolger von .... von Nachfol- ger von0“ f¨uhrt auf das fundamentale Beweis- und Definitionsprinzip der mathematischen Induktion.

Man geht von einer Reihe von

”Aussagen“ An aus, die jeweils von einem Parametern∈Nabh¨angen. Das Schlussprinzip ist nun:

A0 ist wahr

wennAnwahr ist, dann auchAn+1

=⇒ Anist f¨ur allen∈Nwahr.

Nach diesem Prinzip kann man algebraische Operationen aufNdefinieren.

Die Addition erh¨alt man z.B. so:

(0) m+ 0 :=m

(n) m+n := (m+ (n−1)) + 1.

Die Multiplikation ist so definiert:

(0) m·0 := 0

(n) m·n:=m·(n−1) +m.

Es ist dann Routine, die G¨ultigkeit der folgenden Rechenregeln (per Induk- tion!) zu beweisen:

a+ (b+c) = (a+b) +c a+b = b+a a·(b·c) = (a·b)·c

a·b = b·a

a·(b+c) = (a·b) + (a·c)

Nach dem gleichen Prinzip lassen sich auch mathematische Ausdr¨ucke de- finieren. Zum Beispiel kann mann!so definieren:

(0) 0! := 1

(n) n! :=n·(n−1)!.

Eine solche Definition (per Induktion) heisst auchrekursiv.

MAN BEACHTE: Eine Definition per Rekursion beinhaltet immer einen Al- gorithmus zur praktischen Berechnung des Ausdrucks!

1.2. Die fundamentalen Z¨ahlprinzipien. Das Abz¨ahlprinzip der na- t¨urlichen Zahlen ergibt das grunds¨atzlichste aller Z¨ahlprinzipen. Sind M undN endliche Mengen, dann gilt dieSummenregel:

|M ∪N| = |M|+|N| wennM ∩N =∅

(5)

1. DIE NAT ¨URLICHEN ZAHLEN 7

Daraus folgt

”per Induktion“ sofort f¨ur die paarweise disjunkten Mengen M1, . . . , Mn:

|M1∪. . .∪Mn|=

n

X

i=1

|Mi| (wennMi ∩Mj =∅f¨ur allei6=j.) Daraus wieder folgt die allgemeine Formel

|M|+|N|=|M ∪N|+|M ∩N|,

wie man durch Zerlegung in paarweise disjunkte Mengen sofort sieht:

M = (M \N)∪(M ∩N) N = (N \M)∪(M ∩N)

M ∪N = (M \N)∪(M ∩N)∪(N \M).

PARTITIONEN. Eine Partitionder Menge M ist eine Zerlegung von M in paarweise disjunkte TeilmengenM1, . . . , Mk (den sog.Bl¨ockender Partiti- on):

M =

k

[

i=1

Mi mitMi∩Mj =∅f¨ur allei6=j.

Das zweite fundamentale Z¨ahlprinzip leitet sich aus dem ersten ab. Wir betrachten die MengeM ×N aller Paare (m, n)von Elementen m ∈ M undn ∈N. Dann gilt dieProduktregel

|M ×N| = |M| · |N|

Um die Produktregel einzusehen, nehmen wir M = {m1, . . . , mk} und N ={n1, . . . , n`}an.M×N l¨asst sich dann partitionieren in diekBl¨ocke

M1 = {(m1, n1),(m1, n2), . . . ,(m1, n`)}

M2 = {(m2, n1),(m2, n2), . . . ,(m2, n`)}

...

Mk = {(mk, n1),(mk, n2), . . . ,(mk, n`)}

Jeder BlockMiumfasst`Elmente. Also ist|M×N|=k·`.

1.3. Kombinationen und Permutationen. SeiMeine Menge mit|M|= mElementen undkeine nat¨urliche Zahl. Eine(m, k)-Kombinationist eine Anordnung vonkverschiedenen Elementen vonM:

(m1, m2, . . . , mk) (mi ∈M \ {m1, . . . , mi−1}, i= 2, . . . , k.}

SeiC(m, k)die Anzahl aller m¨oglichen (m, k)-Kombinationen. Dann gilt offenbar

(6)

(0) C(m, k) = 0, wennm6≥k.

(i) C(m,1) =m, wennm ≥1.

(ii) C(m, k) =m·C(m−1, k−1), wennm≥k ≥2.

Die Rekursion (ii) folgt aus der Summenregel, wenn wir die Kombinationen nach dem ersten Element geordnet in m Bl¨ocke partitionieren. Induktion ergibt somit f¨urm≥k ≥1:

(1) C(m, k) =m(m−1)· · ·(m−(k−1)) = m!

(m−k)!

Definieren wir zus¨atzlich C(0,0) := 1, dann gilt die Formel (1) f¨ur alle nat¨urlichen Zahlenm ≥k≥0.

Im Fall m = k heisst eine(m, k)−Kombination auch Permutationvon M. Also ist die Anzahl der Permutationen vonM:

C(m, m) = m! (m∈N)

1.4. Teilmengen. SeiM wieder eine Menge mit|M| =mElementen undk∈N. Wir bezeichnen die Anzahl allerk-elementigen Teilmengen von M mit dem Symbol mk

. Dieser Parameter heisst auchBinomialkoeffizient.

(Woher diese Bezeichnung kommt, wird sp¨ater aus dem sog.

”Binomial- satz“ klar werden.)

Um eine Formel f¨ur diese Anzahl zu bekommen, ¨uberlegt man sich: aus jederk-Teilmenge vonM lassen sichk!Kombinationen bilden. Ausserdem f¨uhren verschiedene k-Teilmengen zu verschiedenen Kombinationen. Die Summenregel ergibt deshalb:

(2) C(m, k) = m

k

k! bzw.

m k

= m!

k!(m−k)! (m≥k ≥0)

1.4.1. Das Pascalsche Dreieck. Auch f¨ur die Binomialkoeffizienten l¨asst sich ¨uber die Summenregel leicht eine Rekursion aufstellen. Dazu ¨uberlegt man sich zun¨achst:

m k

= 0 (m6≥k) und m

0

= m

m

= 1 (m∈N), wobei die zweite Formel die Wahl der leeren Menge als einziger Teilmenge mit 0 Elementen bzw. der Wahl von M als Teilmenge mit m Elementen entspricht. Im Fallm ≥k ≥1beobachten wir die Relation

(3)

m k

=

m−1 k−1

+

m−1 k

,

(7)

1. DIE NAT ¨URLICHEN ZAHLEN 9

wenn wir diek-Teilmengen vonM danach unterteilen, ob sie ein fest gew¨ahl- tes Elementa ∈ M enthalten oder nicht enthalten. Diese Relation, aus der man die Binomialkoeffizienten nach einem rekursiven Schema berechnen kann, ist alsPascalsches Dreieckbekannt.

SeiP ot(M)die Potenzmenge vonM. Der gleiche rekursive Ansatz zeigt

|P ot(∅)|= 1 und |P ot(M)|= 2· |P ot(M \ {a})|.

Also schliessen wir:

|P ot(M)|= 2|M| bzw.

m 0

+

m 1

+. . .+ m

m

= 2m

1.5. Beschreibung durch Funktionen. Die oben eingef¨uhrten kombi- natorischen Grundstrukturen k¨onnen auch in der Sprache von Abbildungen verstanden werden. Zum Beispiel kann man sich eine Teilmenge S ⊆ M als durch eine FunktionfS :M → {0,1}

”gegeben“ vorstellen, wobei S ={m∈M |fS(m) = 1}.

Mit diesem Verst¨andnis w¨arefSetwa als eine

”Messapparatur“ aufzufassen, in die Elementem∈M eingegeben werden k¨onnen. Genau im Fallm∈S wird der Wert

”1“ angezeigt:

m∈S −→ fS −→ 1, m /∈S −→ fS −→ 0.

Eine(m, k)-Kombination w¨are in diesem Rahmen einfach eine injektive(!) Abbildung

f :{1, . . . , k} →M, die wir durch ihre Wertetafel angeben:

1 2 . . . k

f m1 m2 . . . mk ←→ (m1, m2, . . . , mk).

Um Partitionen zu beschreiben, definieren wir zuerst einegeordnete Parti- tionvonM inknichtleere Bl¨ocke als eine surjektive Abbildung

f :M → {1, . . . , k}.

Die zugeh¨origen k Bl¨ocke M1 = f−1(1), . . . , Mk = f−1(k) bilden dann eineungeordnetePartition vonM.

BEMERKUNG.Der Unterschied zwischen

”ungeordneten“ und

”geordneten“ Par- titionen ist wie der Unterschied zwischen

”Teilmengen“ und

”Kombinationen“.

(8)

2. Allgemeinere Zahlen, Gruppen, Ringe und K¨orper In der algebraischen Struktur(N,+)kann man eine Gleichung vom Typ

a+x= 0 (a∈N\ {0})

nicht l¨osen. Deshalb definiert man neue Zahlenxaals ideelle Gr¨ossen vom Typ

xa =−a (a∈N\ {0})

und rechnet mit diesen neuen wie mit nat¨urlichen Zahlen unter Beachtung der Zusatzregel

a+ (−a) = 0 (a∈N).

MitZ={. . . ,−n, . . . ,−1,0, . . . , n, . . .}kommt man damit zu der Rechen- struktur(Z,+,·)der ganzen Zahlen mit der eindeutigen L¨osbarkeitseigen- schaft

a+x= 0 =⇒ x=−a (a∈Z).

In(Z,+,·)kann man jedoch keine Gleichungen der Form a·x= 1 (a6= 0,1)

l¨osen. Also erweitert man Zmit wieder neuen Zahlen vom Typxa = a−1 (wenna 6= 0) und rechnet wie in(Z,+,·)mit der Zusatzregel

a·a−1 = 1 (a6= 0).

Damit kommen wir zur Menge der rationalen Zahlen Q={b·a−1 |a, b∈Z, a6= 0}

mit den ¨ublichen Rechenregeln. In Q sind nun beliebige Gleichungen der Form

p·x=q (p, q ∈Q) l¨osbar.

BEMERKUNG.Sinda, b, c∈Zbeliebige ganze Zahlen6= 0, so sind die rationalen Zahlenb·a−1und(b·c)(a·c)−1 ¨aquivalent. Man schreibt dies kurz als Gleichung

b

a = b·c a·c

und interpretiert diese als K¨urzungsregel. Streng genommen ist eine

”rationale Zahl“ also eine ¨Aquivalenzklasse von Ausdr¨ucken der Formb·a−1. F¨ur den

”Ma- thematiker“ erscheint dies als selbstverst¨andlich. Im

”richtigen Leben“ macht es jedoch einen gewaltigen Unterschied aus, ob man z.B.1 ganzes Ei oder 2 halbe Eier hat!

(9)

2. ALLGEMEINERE ZAHLEN, GRUPPEN, RINGE UND K ¨ORPER 11

2.1. Reelle und komplexe Zahlen. Anschaulich gesprochen ist eine reelle Zahlein Ausdruck der Form

r =a+

X

i=1

ai

10i mit a∈Z, ai ∈ {0,1,2,3,4,5,6,7,9}.

Genauer aber ist r eine Folge (rn) von rationalen Zahlen der speziellen Form

rn=a+

n

X

i=1

ai

10i,

als deren Limes man sich r denkt. Auch hier muss man eigentlich noch pr¨aziser sein und sichrals eine ¨Aquivalenzklasse von Folgen(r0n)rationaler Zahlenrn0 denken, mit der Eigenschaft

n→∞lim(rn−r0n) = 0.

EX. 1.1. Jede rationale Zahl q ist eine reelle Zahl. Um das einzusehen, nehmen wir0 ≤ q <1an und definierenanrekursiv als die gr¨osste ganze Zahl mit der Eigenschaft

an 10n +

n−1

X

i=1

ai

10i ≤ q.

Dann gilt

q= lim

n→∞

n

X

i=1

ai 10i.

Man kann sich alsoQals Teilmenge der MengeRaller reellen Zahlen vor- stellen. In diesem Sinn gilt:

N⊆Z⊆Q⊆R.

InRkann man nicht nur Gleichungen der Forma·x=bsondern auch der Form

ax =b (a, b >0)

l¨osen, deren L¨osung man alsx= logabnotiert. Ausserdem kann man Wur- zeln (aus nichtnegativen) reellen Zahlen ziehen. D.h. die Gleichung

xn−r= 0

ist f¨ur aller ≥ 0l¨osbar. Allerdings existieren schon keine Quadratwurzeln negativer Zahlen. Z.B. ist die folgende Gleichung inRunl¨osbar:

x2+ 1 = 0.

(10)

Man nimmt sich deshalb eine fiktive (

”imagin¨are“) neue

”Zahl“izur Hand, die man sich als L¨osung der obigen Gleichung vorstellt,

i2 =−1, bildet die MengeCaller Ausdr¨uckezder Form

z =a+ ib (a, b∈R)

und rechnet mit diesen nach den ¨ublichen Rechenregeln. Es stellt sich nun heraus, dass in der Rechenstruktur(C,+,·)die Gleichung

a0+a1x+. . .+an−1xn−1 = 0 (a0, . . . , an−1 ∈C)

immer l¨osbar ist, sofern ai 6= 0f¨ur mindestens ein i ≥ 1gilt. Diese Fest- stellung ist als der sog.Fundamentalsatz der Algebrabekannt.

BEMERKUNG.Die obigen

”Konstruktionen“ von Zahlen haben bislang zu keinem erkennbaren Widerspruch im Rahmen unseres menschlichen Verst¨andnisses von

”logisch“ gef¨uhrt. Daraus folgern manche Leute, dass es tats¨achlich ein irgendwie

”absolutes“ Universum gibt, in dem es rein logisch zugeht und in dem diese fiktiven gedanklichen Einheiten echt existieren. (Bei solchen ¨Uberlegungen bewegt man sich aber schon im Bereich von Philosophie und Religion.)

2.2. Gruppen, Ringe und K¨orper. In Verallgemeinerung der alge- braischen Rechenstruktur von (N,+,·) verstehen wir unter einerkommu- tativen Halbgruppe eine algebraische Rechenstruktur (H,⊕) mit bin¨arer Verkn¨upfung⊕undNeutralelemente ∈H derart, dass f¨ur allea, b, c ∈H gilt:

a⊕(b⊕c) = (a⊕b)⊕c a⊕e = e⊕a = a

Der Halbring (H,⊕)heisst kommutativ (oder abelsch), wenn die Reihen- folge bei der Summenbildung keine Rolle spielt, d.h.

a⊕b =b⊕a f¨ur allea, b∈H.

So ist(N,+)eine (abelsche) Halbgruppe mit Neutralelemente = 0. Ebenso ist aber auch (N\ {0},·) eine (ablesche) Halbgruppe mit Neutralelement e= 1.

TERMINOLOGIE. Schreibt man die Halbgruppe mit Additionszeichen, so heisst das Neutralelement meistNullelement und wird mit

”0“ notiert. Bei multiplikati- ver Notation, heisst das Neutralelement entsprechend Einselement und wird mit

”1“ bezeichnet.

Unter einem Halbring versteht man eine algebraische Struktur (H,⊕,) derart, dass

(HR1) (H,⊕)ist eine kommutative additive Halbgruppe.

(11)

3. DER BINOMIALSATZ 13

(HR2) (H\ {0},)ist eine multiplikative Halbgruppe.

(HR3) F¨ur allea, b, c∈Hgilt

a0 = 0a = 0 a(b⊕c) = (ab)⊕(ac) (a⊕b)c = (ac)⊕(bc).

Der Halbring (H,⊕,) heisst kommutativ, wenn auch die Multiplikation inH kommutativ ist.

Die Halbgruppe(G,⊕)mit NeutralelementeheisstGruppe, wenn die Glei- chung

a⊕x=e

immer l¨osbar ist. Die L¨osungxa ∈ G heisstInverses vona. Im additiven Fall schreibt manxa=−aund im multiplikativen Fallxa=a−1.

Der Halbring(R,⊕,)heisstRing, wenn(R,⊕)eine Gruppe ist. EinK¨orper ist ein Ring(K,⊕,), bei dem auch(K\{0},)eine kommutative Gruppe ist.

So ist (Z,+,·) ein kommutativer Ring (aber kein K¨orper). Q,R,C sind (unter den ¨ublichen Rechenregeln mit

”+“ und

”·“) K¨orper.

Ganz allgemein k¨onnen wir die Elemente jeder algebraischen Struktur als

”Zahlen“ interpretieren (weil wir mit diesen in einem vern¨unftigen Sinn

”rechnen“ k¨onnen). F¨ur die Zwecke dieser Vorlesung werden wir uns dabei aber auf Halbringe beschr¨anken.

3. Der Binomialsatz

SeiR = (R,+,·)ein beliebiger kommutativer Halbring undN ={1, . . . , n}

einen-elementige Menge. Wir betrachten beliebige Elementex1, . . . , xn, y1. . . , yn∈ Rund setzen f¨ur jede TeilmengeS ⊆N abk¨urzend

x := 1 ∈ R und xS :=Y

s∈S

xs (S 6=∅).

(ySist nat¨urlich analog definiert.) Dann ergeben die Rechenregeln inR:

SATZ1.1 (Binomialsatz).

n

Y

i=1

(xi+yi) = X

S⊆N

xS·yN\S

Beweis. Wir argumentieren (nat¨urlich) per Induktion. Im Falln= 1haben wir x1+y1 =xy1+x1y,

(12)

wie behauptet. F¨urn≥2schliessen wir deshalb

n

Y

i=1

(xi+yi) = (xn+yn)

n−1

Y

i=1

(xi+yi)

= xn X

S⊆N\{n}

xSy(N\{n}\S)+yn X

S⊆N\{n}

xSy(N\{n}\S)

= X

S3n

xSyN\S+X

S63n

xSyN\S

= X

S

xSyN\S.

3.1. Ein paar klassische Formeln f ¨ur Binomialkoeffizienten. Durch spezielle Wahl derxi und yi erh¨alt man nun sofort neue Formeln. Nimmt man z.B.x1 =. . .=xn=xundy1 =. . .=yn=y, dann erh¨alt man

(x+y)n= X

S⊆N

x|S|yn−|S|=

n

X

k=0

X

|S|=k

xkyn−k.

Im FallR=Nhaben wir X

|S|=k

xkyn−k= n

k

xkyn−k

und erhalten somit die Identit¨at (x+y)n =

n

X

k=0

n k

xkyn−k

Daraus wiederum folgen die Summenformeln der Binomialkoeffizienten 0 =

n

X

k=0

(−1)n−k n

k

(x= 1, y =−1)

2n =

n

X

k=0

n k

(x=y= 1)

4. Boolesche Algebra und Funktionenr¨aume

Auf der zweielementigen MengeB={0,1}betrachten wir die Operationen

∨ 0 1 0 0 1 1 1 1

∧ 0 1 0 0 0 1 0 1

0 1 1 0

(13)

4. BOOLESCHE ALGEBRA UND FUNKTIONENR ¨AUME 15

Mit diesen Operationen istBein Halbring. Insbesondere haben wir z.B.

a∨b =a∧b.

Sei nunM eine beliebige Menge. Wir betrachten die Menge aller Funktio- nen

BM ={χ:M → B}

Jedemχ∈ BM entspricht eine eindeutige Teilmenge trχ={m∈M |χ(m)6= 0}.

Im Fall trχ = A benutzen wir deshalb auch die Notation χA (statt nur χ). Die oben eingef¨uhrte algebraische Struktur auf Bmacht BM selber zu einem Halbring und es gelten die Regeln

χA∨χB = χA∪B

χA∧χB = χA∩B

χA = χM\A

χA∨(χB∧χC) = (χA∨χB)∧(χA∨χC) χA∨χB = χA∧χB.

Die Rechenregeln des Halbrings BM ¨ubersetzen sich in die Sprache der Teilmengen vonM als die sog.de MorganschenGesetze:

A∪(B∩C) = (A∩B)∪(A∩C) M \(A∪B) = (M \A)∩(M \B)

(BM,∨,∧,) ist eine sog. boolesche Algebra. Im Fall M = {1, . . . , n}

benutzt man auch die Notation

Bn=B{1,2,...,n}

=Bn.

4.1. Boolesche Funktionen. Eine Funktion ϕ : {0,1}n → {0,1} ist eine sog.boolesche Funktion. MitM ={0,1}nbildet die Menge aller boo- leschen Funktionen die boolesche AlgebraBM. Seiϕ eine feste boolesche Funktion. Wir setzen

C =trϕ ={x∈ {0,1}n |ϕ(x) = 1}

und erhalten dann die Darstellung ϕ(x) = _

c∈C

ϕc(x) mit ϕc(x) =

1 (x=c) 0 (x6=c)

(14)

Betrachten wir weiterhin die Tr¨agermengen trc= {i |ci = 1}, so k¨onnen wirϕc als Produkt von booleschen Variablenxi und xj (mit Werten in B) ausdr¨ucken:

ϕc(x) = ( ^

i∈trc

xi)∧( ^

j /trc

xj)

In dieser Form ausgedr¨uckt istϕc(x)eine sog.Klausel. Insgesamt erhalten wirϕ(x) als boolesche Summe von Klauseln, die selber nur Produkte von (m¨oglicherweise negierten) booleschen Variablen sind:

(4) ϕ(x) = _

c∈C

[ ^

i∈trc

xi)∧ ^

j /trc xj]

Diese Darstellung ist die sog.disjunktive Normalformder booleschen Funk- tionϕ. Analog erh¨alt man die konjuktive Normalform, n¨amlich ein boole- sches Produkt von Klauseln, die jeweils nur boolesche Summen von boole- schen Variablen sind:

(5) ϕ(x) = ^

c /∈C

ϕc(x).

Denn wir haben nach den booleschen Rechenregeln:

ϕc(x) = _

i∈trc

xi∨ _

j /trc xj.

4.2. Bin¨are Vektorr¨aume. Man kann auf der zweielementigen Menge Z2 ={0,1}auch die folgende Rechenstruktur definieren:

+ 0 1 0 0 1 1 1 0

· 0 1 0 0 0 1 0 1

Damit istZ2ein K¨orper und die FunktionenmengeZM2 (die aus dengleichen Funktionen besteht wieBM) ist ein Vektorraum. Hier sind die Rechenregeln

χAB = χA∆B

χA·χB = χA∩B,

wobei die sog.symmetrische Differenzvon Teilmengen definiert ist als A∆B = (A∪B)\(A∩B).

4.3. Funktionenr¨aume. Sei(R,⊕,)ein beliebiger Halbring. Dann ist

RM ={f :M → R}

ein Halbring unter den Operationen

f ⊕g ←→ (f ⊕g)(m) =f(m)⊕g(m) f g ←→ (f g)(m) =f(m)g(m)

(15)

4. BOOLESCHE ALGEBRA UND FUNKTIONENR ¨AUME 17

Im speziellen Fall einer konstanten Funktionχm(x) = m k¨onnen wirm ∈ M mitχm(x)∈ RM identifizieren. In diesem Sinn gilt

M ⊆ RM.

IstRein K¨orper, dann istRM ein Vektorraum mit derSkalarmultiplikation mf =χmf ←→ (mf)(x) =mf(x),

die sich als Spezialfall einer allgemeineren Multiplikation von Vektoren(!) erweist.

4.4. Matrizen. MatrizenA= [aij]mit Koeffizientenaijin einem Halb- ring(R,⊕,)k¨onnen nach den ¨ublichen Regeln des Matrixkalk¨uls addiert und multipliziert werden. Damit wird beispielsweise die MengeRn×naller (n×n)-Matrizen ¨uberRzu einem (bzgl. der Multiplikation nichtkommu- tativen!) Halbring.

4.4.1. K¨urzeste Wege. Als Beispiel betrachen wirR = R∪ {∞} mit den Operationen

a⊕b = min{a, b}

ab = a+b

(R,⊕,)ist ein Halbring mit Nullelement(!)∞und Einselement(!)0:

a⊕ ∞=a und a0 =a.

SeiD= [dij] ∈R

n×neine Matrix, wobei wirdij als die (k¨urzeste)Distanz von i nach j interpretieren, wenn wir j von i in einem Schritt erreichen wollen. Die k¨urzeste Distanz mit genau einem Zwischenschritt ist

d(2)ij = min

k {dik+dkj}=M

k

(dikdkj) Also finden wir

[d(2)ij ] =DD=D2.

Allgemeiner erhalten wir die k¨urzesten Distanzen d(m)ij mit genau m −1 Zwischenschritten aus der Matrixpotenz:

[d(m)ij ] =Dm−1·D=Dm.

FOLGERUNG: K¨urzeste Abst¨ande k¨onnen also mit simplen Matrixmultipli- kationen ermittelt werden.

BEMERKUNG. Im Falldii = 0f¨ur allei, istd(m)ij nat¨urlich die k¨urzeste Distanz voninachjmith¨ochstensm−1Zwischenschritten.

(16)

5. Polynomfunktionen

Eine Funktion p : R → R heisst Polynomfunktion, wenn p die folgende Darstellung erlaubt:

p(x) = a0+a1x+. . .+an−1xn (ai ∈ R).

(Der Einfachheit halber schreiben wir hier

”+“ statt des allgemeinen

”⊕“ usw.) PR bezeichnet die Menge aller Polynomfunktionen. Istq mit der Darstel- lung

q(x) = b0+b1x+. . .+bm−1xm

eine weitere Polynomfunktion, so ist das Produkth = p·qeine Polynom- funktion, wobei

(6) h(x) =

n+m

X

k=0

ckxk mit ck= X

i+j=k

aibj,

wie man durch Ausmultiplizieren vonp(x)q(x)und Zusammenfassen nach Potenzenxksofort sieht. Ist Rein Ring, dann ist auchPR ein Ring. Denn die Polynomfunktion−pmit−p(x) =Pn

i=0(−ai)xi l¨ost die Gleichung p+X = 0.

Im FallR=Csieht man leicht sup

x∈N

|

n

X

k=0

akxk|=∞ wennan6= 0undn ≥1.

Daraus folgt, dass das Nullpolynomp0 ≡0inPCnur die Darstellung p(x) = 0

gestattet. Damit findet man

LEMMA 1.1 (Eindeutigkeitslemma). Seien a0, . . . , an, b0, . . . , bn ∈ Cder- art, dass

n

X

k=0

akxk =

n

X

k=0

bkxk f¨ur allex∈N.

Dann giltak =bkf¨ur allek= 0, . . . , n.

Beweis. Sein≥1. Wir betrachten die Polynomfunktionp(x) =

n

X

k=0

(ak−bk)xk. Nach Voraussetzung haben wirsupx∈N|p(x)| = 0 und folglichak−bk = 0 f¨ur allek.

WegenZ⊆Q ⊆R ⊆Cfinden wir, dass auch z.B. f¨ur jede Polynomfunk- tionp∈ PZgilt:

(17)

6. DOPPELTES Z ¨AHLEN UND DAS SCHUBFACHPRINZIP 19

• entweder istp≡0oder es gibt eindeutig bestimmte Koeffizienten a0, . . . , anmitan6= 0und der Eigenschaft

p(x) =a0+a1x+a2x2+. . .+anxn.

EX. 1.2 (Vandermondsche Identit¨at). Wir w¨ahlenR=Nund substituieren xi =xundy = 1in der binomischen Formel. Sind nuna, b∈ Nbeliebige nat¨urliche Zahlen, so erhalten wir

a+b

X

k=0

a+b k

xk = (x+ 1)a+b = (x+ 1)a(x+ 1)b

=

a

X

i=0

a i

xi

·

b

X

j=0

b j

xj

Polynommultiplikation und Koeffizientenvergleich liefert

(7)

a+b k

= X

i+j=k

a i

b j

=

k

X

i=0

a i

b k−i

.

6. Doppeltes Z¨ahlen und das Schubfachprinzip

DasPrinzip des doppelten Z¨ahlens (in Bezug auf eine kommutative Halb- gruppeH) beruht auf der Tatsache, dass man die Koeffezientensumme einer Matrix

A =

a11 a12 a13 . . . a1n

a21 a22 a23 . . . a2n

... ... ... ... am1 am2 am3 . . . amn

auf zwei Weisen berechnen kann:

• Addition der Spaltensummen vonAoder Addition der Zeilensum- men vonA:

n

X

j=1 m

X

i=1

aij =

m

X

i=1 n

X

j=1

aij.

Die Reihenfolge der Summanden in einer endlichen Summe inHist n¨amlich f¨ur den Summationswert irrelevant.

EX. 1.3 (Harmonische Zahlen). Relativ zu H = Ndefinieren wir f¨ur alle 1≤i, j ≤ndie Koeffizienten

aij =

(1 iteiltj, 0 iteiltj nicht.

(18)

Damit erhalten wir tj =

n

X

i=1

aij = Anzahl der Teiler vonj

vi =

n

X

j=1

aij = Anzahl der Vielfachen≤nvoni, d.h. vi = bn/ic, wobeibacdie gr¨osste ganze Zahl≤ abezeichne. Wir interessieren uns f¨ur denDurchschnittswertt(n)der Teileranzahlentj:

t(n) := t1+t2+. . .+tn

n = 1

n

n

X

i=1 n

X

j=1

aij .

Das Prinzip des doppelten Z¨ahlens f¨uhrt auf t(n) = v1+v2+. . . vn

n = 1

n(bn/1c+bn/2c+. . .+bn/nc). Wegenbn/ic ≤n/i≤ bn/ic+ 1finden wir

t(n)∼Hn bzw. |t(n)−Hn| ≤1,

wobeiHn= 1 + 1/2 + 1/3 +. . .+ 1/ndie sog.n-teharmonische Zahlist.

BEMERKUNG. Aus der Ann¨aherung des Integrals durch Riemannsche Sum- men gewinnt man in der vorliegenden Situation die Approximation:

Hn ∼ Z n

1

1

xdx = logn . In diesem Sinn k¨onnte man deshalb sagen:

”Im Durchschnitt“ hat eine nat¨urliche Zahlnetwalognviele Teiler.

Das Schubfachprinzip ist die Formulierung der folgenden trivialen Beob- achtung:

• WennnGegenst¨ande aufr >0Schubf¨acher verteilt werden, so enth¨alt mindestens ein Fachn/r(oder mehr) der Gegenst¨ande.

Mit dem Schubfachprinzip kann man keine genauen Anzahlen von Konfi- gurationen ableiten. Aber es liefert oft ¨uberraschend einfache Beweise der Existenzbestimmter Konfigurationen. Wir illustrieren dies am Beispiel des Satzes von Ramsey f¨ur GraphenKn(s.u.).

Der (sog.vollst¨andige) Graph Knhat als Knotendie Elemente der Menge N = {1,2, . . . , n} und alsKantenalle2-elementigen Teilmengene ⊆ N. Wir schreiben abk¨urzend

En= N

2

:={e⊆N |eist2-elementig}.

(19)

6. DOPPELTES Z ¨AHLEN UND DAS SCHUBFACHPRINZIP 21

Die Knoten u und v heissen die Endpunkteder Kante e = {u, v}. Unter einer (rot/blau)-F¨arbungvonEnverstehen wir eine Abbildung

c: N

2

→ {r, b}

und nennen die Kantee ∈ En

”rot“ bzw.

”blau“ je nach dem, obc(e) = r oderc(e) =bgilt.

EX. 1.4 (Satz von Ramsey). Man sagt, Kn habe die Ramseyeigenschaft R(p, q), falls folgende Aussage richtig ist:

R(p, q): Zu jeder F¨arbungc : En → {r, b}existiert entweder ein U ⊆ N mit|U|=pderart, dass

c(e) = r f¨ur allee∈ U2 ,

oder es existiert einV ⊆N mit|V|=qderart, dass c(e) =b f¨ur allee∈ V2

.

Wir wollen nun f¨ur allep, q ≥2beweisen: Es gibt eine kleinste Zahlr(p, q) mit der Eigenschaft

n ≥ r(p, q) =⇒ Knbesitzt die EigenschaftR(p, q).

Man ¨uberzeugt sich leicht (wennp, q ≥2):

r(p,2) =p und r(2, q) = q .

F¨ur den allgemeinen Fall nehmen wir nun an, dassr(p−1, q)undr(p, q−1) existieren und betrachten

n ≥ 2·max{r(p−1, q), r(p, q−1)}

und einen festen Knotena∈N ={1,2, . . . , n}. Nach dem Schubfachprin- zip sind mindestensn/2der Kanten mit Endpunktaz.B.

”rot“ gef¨arbt (bei

”blau“ w¨urden wir v¨ollig analog argumentieren). Sei N0 ={u∈N \ {a} |c({a, u}) =r}.

Wegen |N0| ≥ r(p−1, q)gibt es entweder eine Teilmenge V ⊆ N0 von q Knoten mit ausschliesslich blauen Kanten oder es gibt eine TeilmengeU0 ⊆ N0vonp−1Knoten mit ausschliesslich roten Kanten (sodassU =U0∪{a}

einep-Teilmenge vonN mit ausschliesslich roten Kanten ist).

Auf jeden Fall haben wir somit erkannt:

r(p, q) ≤ 2·max{r(p−1, q), r(p, q −1)}.

(20)

BEMERKUNG.Man sieht leicht ein:r(3,3) = 6. Im allgemeinen sind die exakten Werte der

”Ramseyzahlen“ r(p, q)nur in ganz wenigen F¨allen bekannt.

Referenzen

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