Zu den Nominalpraefixen m (-a, -i, -U) und n (-a, -i, -u) im Assyrischen.
Von P. Jeugen.
In der Zeitschrift für Assyriologie II. III ff. ver¬
öffentlichte Barth einen Anfsatz , in welchem er auf Grund einer
hinreichenden Menge von Beispielen die bis dahin unbekannte That¬
sache feststellte, dass das Praefix n- im Assyrischen auf gemein¬
semitisches «i- zurückgeht und durch Dissimilation in solchen
Wörtem hervorgerafen worden ist, welche als einen der Radicale einen Lippenlaut, m, b oder p, haben-, und dass in solchen Substantiven
dieser Lautwandel obligatoriscii ist. Barth erwähnt als Aus¬
nahmen von dieser Regel nur einerseits nannaru (= Leuchte),
andererseits mamitu (= Schwur, Beschwömng) und müSabu
(= Wohnung), indem er in Bezug auf naSaddu (= Liebling) die
Möglichkeit gelten lässt, dass das Wort ein Niphalderivat ist (siehe
1. c. pag. 116, Text und Anm. 1). Nim sind aber diese Ausnahmen,
■wie wir sie insgesammt vor der Hand nennen müssen , doch weit
häufiger, als Barth andeutet. Es dürfte sich daher der Mühe
verlohnen , anf Gmnd eines umfangreicheren Materials zu unter¬
suchen, ob wir es hier mit lauter wirklichen unerklärlichen Aus¬
nahmen zn thvm haben oder ob wir auch in diesem Falle im All¬
gemeinen die Unfehlbarkeit der Lautgesetze werden beweisen können,
Wir müssen bei dieser üntersuchung zwischen 2 Fällen unter¬
scbeiden, nämlich zwischen solchen, in denen trotz eines Lippenlauts
im Stamme doch scheinbar oder wirklich ein Praefix m zu Tage
tritt, und solchen, in denen wir ein Praefix n finden, trotzdem sich
kein Lippenlaut im Stamm des Wortes vorfindet.
I.
1) Mamitu = ,Eid, Beschwömng etc." wird gewöhnlich von
einem praebistorischen *'cemü abgeleitet, demselben, welches sich in
amätu — „Wort" findet, und von dem auch eine T-bildung tamü
= .sprechen' vorhanden ist. Dieser letztere Umstand beweist ziem-
Jensen, Zu den Nomindipraefixen im Assyrischen. 193 ip 1^
lieh sicher, dass *amü eine urspr. primae s ist, was durch syr. pa*
und jNxMiX» (cf. dazu Hoffmann in der Z. D. M. G. 32, 572,
de Lagarde, Orientalia 2, 9) aufs Beste bestätigt wird. Eine
Bildung tiiafilatu davon würde {*maumitu =) mümltu lauten, eiu
Wort, das sich als Name der Stadtgöttin von Kis (II R. ') 60, 3a)
findet, ohne dass sich indes erweisen liesse, dass dieser Name auf
die Wurzel *iamü zurückginge. Mamitu, aber lässt sich von diesem
Verbalstamm nicht ableiten. Es kann demnach nur daran gedacbt
werden, das Wort auf ein Verbum *mamü zurückzuführen, das sich
zu *(i)amü verhielte, wie babälu (bringen) zu {i)abälu (bringen)
und lillidu (Kind, Sohn) (cf. Delitzsch, Studien I, 143) zu
(i)alädu (erzeugen), und zu tamü (= sprechen) wie babälu zu
tahälu {= fortbringen etc.). Mamitu spricht also nicht gegen das
Barth'sehe Gesetz.
2) Mamlu ist ein Synonym von ra'abu, ummulu und dakru
(II R 35, 33 ef fif.), von allalu, karradu und urSünu etc. (cf. V R.
41, 21 ab flf.; Lötz, Tiglathpileser, S. 89, Z. 23), bedeutet
also „stark, gewaltig etc." Nun heisst nimilu Stärke (cf dazu
Zimmern, Babyloniscbe Busspsalmen p, 17), auch wird
IV R. 62, 10a muammilat la'üti zu übersetzen sein: „die da stärkt
die Schwachen", und nach Zimmern bedeutet amilu (= der
Mensch) eigentlich „der Starke". Wenn demnach mamlu = „stark"
direkt = ummulu gesetzt wird, welches von amälu — „stark sein"
abzuleiten ist, so scheint darin ein Fingerzeig zu hegen, marnlu als
Form maf aiu oder maf ilu auf die Radix zurückzuführen. Dem
steht nun aber u. A. entgegen, dass das Praefix ma im Assyrischen wenigstens Adjectiva und Substantiva mit urspr. activer Bedeutung
nicht bildet. Allerdings fasst Zimmern (was er jetzt nicht mehr
thut) in seinen Babyl. Busspsalmen (S. 43) als Wörter dieser
Art marhitu (= Gattin), magrü und müdü (= kundig, weise)
auf Aber marhitu ist eine Form ntaf ülatu von demselben Stamme,
von dem auch tirhütu (= Mitgift[?] , urspr. wohl = „Kaufpreis
für die Braut" = „Geschenk an den Vater der Braut'; so wenig¬
stens im 15. Jahrhundert im Munde eines Mitannäers: siehe dazu
Proceedings of the Society of Biblical Archaeology,
.lune 5, 1888 Z. 48 u. 58 auf S. 561) abzuleiten ist, bedentet
also eigentlich „die durch das tirlmtu Erworbene" ; magrü *) kann
1) Ich bezeichne rait K. die unter Rawlinson's Auspicien heraus¬
gegebenen Western Asia Inseriptions.
1) In Bezug auf dieses magrur-magrü hat man die mannichfaltigsten Ver¬
muthungen geäussert, die alle mehr oder weniger unbrauchbar sind. Die ver¬
hältnissmässig reellste derselben gehört Haupt an, der magru in dem Monats¬
namen arhu magru sa Adari mit „hörig" übersetzt. Aber der Merkur als Planet heisst auch magrü (allerdings mit langem u). Warum der Planet als
„hörig" bezeichnet werden konnte, ist einigermassen schwer nachweisbar. Sind
Bd. XUU. 13
schon deshalb nicht als M-bildnng aufgefasst werden, weil es augen¬
scheinlich mit magru (mit kurzem Endvocal) wechselt, also wohl
eine Nisbe-bildung ist, müdü endlich kann ans dem Grunde nicht
als eine Form mit urspr. Praefix ma- betrachtet werden, weil es,
wie das Assjfriscbe selbst und das Aethiopische beweisen, auf ein
Verbum primae zurückgeht, von dem eine A/ix-bildung nur *m{dü
heissen könnte.
Es giebt demnach, soweit wir bis jetzt wissen, im Assyrischen
keine Adjectiva oder Substantiva mit activer Bedeutung, die durcb
das Praefix ma- vom Stamme abgeleitet wären, und demnacb lässt
sich auch mamlu nicht für ein Wort der Art erklären. Es bleibt
demnach nur übrig, mamlu von einem Stamme *m-m-l abzuleiten.
Dieser müsste nun allerdings und könnte auch auf *'-m-l zurück¬
geführt werden , da die Annabme einer Secundärbildung absolut
nicbts Auffallendes enthält ■). Wollte man kühn sein und gegen
Haupt(Z. für Assyriologie II, 282 ff.) mit Zimmern (Bab.
demnach magru und magrü {— sumer. si-sa) verwandt oder identisch, dann heisseu magru (im Monatsnamen) und magrü (als Name des Planeten) jeden¬
falls kaum „hörig". Es dürfte zur Sache gehören, darauf aufmerksam zu machen , dass magritum II R. 35, 43 — 44gh = ul ul-la-tum gesetzt wird, dieses aber 11 R. 35, 40— 41gh = migirtum. Ul ullatum ist sicher = „un¬
günstig, unheilvoll" (z. B. II R. 17, 27 cd, wo eine Krankheit so bezeichnet wird) und wird II R. 35, 43 gh (wie ebendort Z 44 magritum! !) durch la ha-afp-pij (s. Z. 31, wo nach meiner Collation la ha-ap-pi zu lesen) erklärt, welclies doch wohl = la ka-ab-hi = „nicht auszusprechen". Strassmaier (Alph. Verzeichniss No. 4999, S. 621) hat sogar II, 35, 43 gh la-ka-bi- [ also la kabi, wie zu lesen auch meine Collation erlaubt. Dass es also ein Wort (magrü, Fem.) magritum giebt mit der Bedeutung nefastum, ist sicher und es dürfte magrü als Name des Planeten Merkur so zu erklären sein. Wird doch dieser oft in den Inschriften als „der Böse" bezeichnet. Nicht so sicber möchte ich eine Deutung des Wortes magru in dem Monatsnamen in diesem Sinne nennen. Man bedenke indess, dass dieser ein Schaltmonat ist, an den sich leicht allerlei Aberglaube knüpfen konnte. Ob nun magrü (magrltu, migirtu) =
„nefastus" mit g oder k oder k zu lesen ist, lässt sich vor der Hand nicht entscheiden. Der Umstand , dass magru oin ganz gewöhnliches Wort für
„günstig" (z. B. einen günstigen Tag) ist , während magrü (magru 1) = „un¬
günstig", in Verbindung damit, dass letzteres Wort nur (soweit bekannt) von den Planeten Mercur und Jupiter (im Monat Ab: III R. 53, 6b) und Tagen (s. III K. 52, 49b) gebraucht wird, lässt es als nicht unmöglich erscheinen, dass magrü (und magru"!), urspr. = „günstig", unter gewissen Umständen in der Bedeutung „ungünstig" verwandt wurde, wenn man sich scbeute, etwas mit dem Gegentbeile zu benenuen. Vgl. meiue Kosmologie, S. 121 f
1; Dieser Stamm m-m-l hätte sich dann von einem Substantiv aus neu¬
gebildet, das trotz eines m im Stamme doch das Praefix m nicht in n ver¬
wandelte, weil diese Dissimilation erst später gesetzlich ward. So finden wir denn ein von einer urspr. Af-bildung abgeleitetes Adjeetiv mamlu neben ni¬
milu, genau so wie masartu, das von Tnassaru (|/^~L£r) secandär abgeleitet ist , neben nassaru , welcbes später aus eben diesem massaru sich entwickelt hat (cf zu masartu Delitzsch iu der Zeitschrift für Assyriologie II, 292 ff.).
Jensen, Zu den Nominalpraefixen im Assyrischen. 195
B u s sp s aim en p. 17), wie Jeaimänu (kaiwänu?) mit känu (.jli'),
namäru (= *nawäru?) mit Jü und amäru (= *awäru?) mit
"nN , Ji etc. , so amÜu , nimilu (u. ummulu) mit einer }/ —
»stark sein" zusammenstellen, so liesse sich die weitere Gleichung
wagen: amälu: *mamälu = : bl7:.
3) Zu einer deutlich zusammengehörigen Gruppe sehliessen sich
zusammen: mudbaru (I B. 13, 45) und mudabim (I R. 24, 37)
= Wüste = 1317;, muzibbu (II R. 45, lld: irgend ein Instrument;
statt z kann auch s, statt b auch p gelesen werden), Muklim (ein
Eigenname; s. Strassmaier, Alphab. Verzeichniss No. 5462;
vgl. damit den Namen Mukallim 1. c. No. 5454), mummu (Sb. 90,
wohl wegen des Ideogramms = „Kunstfertigkeit" von der ]/ '-\-m-\-m,
gegen meine Ausführungen in der Z. für Assyriologie 1,256;
s. auch V R. 65, I, 33), mummu, Name der Tiämat (wohl wahr¬
scheinlich wegen Muvfiig bei Damascius mämu [möumu] zu lesen
f .
und etymologisch = g nach allg. Annahme, mummu = biltum
(VR., 28, 63gh) (= Schrecken, Bestürzung) wohl = (vielleicht
sind mummu — Tiämat = müp und mummu = „Schrecken,
Bestürzung" identisch und entweder beide auf m~ oder beide auf ciart
zurückzuführen), mumlü (V R. 41, 33g) wohl von m-l- , aber ev.
auch von m-m-l, munämatu (V R., 28, 34a = mimattum für *mu-
nämtum) , müiabu = , Wohnung " und muspalu = „Tiefe".
Hierzu ist wohl auch mur-baiu zu rechnen, wofern eben murbaSu
und nicht Imrbasu zu lesen ist. Ich kenne keine Stelle, die die
Aussprache sicher stellte. Verschiedene dieser Wörter sind urspr.
Bildungen mit dem Praefix nia. MüSabu dürfte wegen des hebr.
auf *mauSabu zurückgehen; mummu = Tiämat uud = biltum
können aus *mahümu oder aus i^mahammu —) *mamtnu hervor¬
gegangen sein; ebenso ist mummu = „Kunst" wohl eine Form
*ma'ammu (= *mammu) und mummu also in diesen Wörtern aus
*mamniu geworden, wie mumma = „irgend Jemand' für *mamma
(= manma) vorkommt. Muklim ist eine Porm , wie man sie als
Participium eines Hiphil im Assyrischen erwarten würde, und da
neben dem Namen Muklim der Name Mukallim vorkommt und
das noch erhaltene Schaphel von kalämu in der Bedeutung mit dem
Piel des Verbums übereinstimmt, stehe ich nicht an, in Muklim
einen Rest einer untergegangenen Hij^thil-Aphel-hilinng zu sehen.
(Dass das Assyrische eine solche Form gehabt haben muss, braucht
wohl kaum bewiesen zu werden.) Ebenso möchte ich muzibbu
*muzbibu) axiSasaen Diese 2 Formen gehören also gar nicht hierher.
Da die übrigen Formen nun sSmmtUch das (theilweise ur¬
sprüngliche , theilweise erst secundäre) Praefix mu aufweisen und,
wie hier gleich bemerkt werden mag, Wörter mit ma- und rni- als
Praefix nnd einem Lippenlaut im Stamme im Assyrischen nicht vor¬
kommen, so ist es selbstverständhch, dass der Grund dieser an den
genannten Wörtem wahrzunehmenden Unregelmässigkeit in der
Vocahsierung der Vorsilbe zu suchen ist^). Dieselbe kann auf dreierlei
Weisen genügend oder ziemhch genügend erklärt werden. Ich führe
alle drei an , obgleich ich allerdings der zuletzt zu nennenden bei
Weitem den Vorzug geben möchte.
a) ist es eine Thatsache, dass neben dem Stamme a'äru, dessen
Piel u'-u-rw (= „senden") heisst und von dem verschiedene Derivata
vorkommen , auch ein Piel uma'ir erscbeint {— er sandte) , von
dem ausser einem mu'ur geschrieben?,'n Infinitiv und einem davon (?)
abgeleiteten mu'u Q) rütu^) (Tiglathpileser I, Col. I, 37) Deri¬
vata nicht vorhanden sind (cf hierzu Z. für Assyriologie I, 195
Anm. 1), dass sich ferner neben einem Piel umaisir (ich Uess los etc.) eine Form uisir findet und als Infinitiv nicht nur uJi&uru, sondern
anch mu.i-wru , welches kaum eine andere Ableitung des Stammes
(I R. 27, 38 a). Aus solcben Nebenformen dürfte sich ergeben, dass
wenigstens in gewissen FäUen mu im Anfange des Wortes u oder
wu oder vu oder ähnlieh gesprochen wurde. Dafür spricht durchaus,
dass V R. 31, 43 cd als Nebenform von müdä üdu erscheint. Wür¬
den wir diese Erscheinung auf unsere oben genannten Substantiva
mit dem Praefix mu ausdehnen, so wäre erklärt, warum dieses
nicht zu nu wurde : Das in der SUbe selbst liegende Gesetz des
Lautwandels war stärker, als das von einem folgenden Laute dictirte.
Müiiabu konnte zu nfiiabu und wüsabu (geschr. mü.iabu) werden
und zog Letzteres vor. Aber hiergegen spricbt die Wiedergabe von
anlautendem mu babylonisch-assyrischer Wörter im Griechischen und
Syrischen. Babyl. {*Mu'allidtu =) Mulittu erscheint bei Herodot als
MvXiTxa, babyl. mummu oder mämu bei Damascius als Muv/üg,
sum. midubabar bei Hesychius als Mo/.oßoßag und sum. mul-ma.s-
(= Stera des Thierkreises) als J^<i\ y> im Syrischen (vgl. hierzu meine
im Drack befindliche Kosmologie der Babylonier S. 56). Nun
ll Es dürfte ebensowenig zu kühn sein, miidii = , .kundig" als einen letzten Rest einer ursprünglichen Hophalbildung zu betrachten. Eine andere Erklärung des u nach dem Praefi.x m kenne ich nicht. Müdü würde formell hebr. r~TO entsprechen und urspr. die Bedeutung „belehrt" haben.
i) In dem Sinne äusserte sich mir gegenüber Zimmern, allerdiugs mit alleiniger Bezugnahme auf musahu und muOpalu. Dadurch Tühlte ich mich veranlasst, die Sache weiter zu verfolgen.
Da nach Zimmern eine Bildung auf ütu von einem Inf. aus hedenk¬
lich ist, lese ich mu'irütu ala Abi. von mu'ir „Befehlshaber" fPart. von uuru).
1 7
Jensen, Zu den Nominalpraefixen im Astyriecken. 197
könnte man allerdmgs sagen, dass nnzweifelhaftes assyr.-babyl.»(siehe
hierzn H anpt in der Zeitschrift für Assyriologie II, 259 flF.)
der späteren Zeit dnrch hebräisches oder griechisches m wieder¬
gegeben wird (cf. assyr. argamänu [gespr. argauMnu] = hebr.
^njlN und SJT. "iiiic*, Äm{w)il-Maruduk = 'AfitXuccgovdoxog bei
Ensebius Chronic, aber 'jnicb-'iN [b-^MH mit w könnte an und für
sich seinen Gmnd in einer Volksetymologie haben] im A. T. und 'Evei-
XaS Magoöajf bei Syncellus (cf. hierzu zuletzt Schräder in den
Sitzungsberichten der B_. Akad. der Wissenschaften
vom 23. Juni 1887, S. 606), iSamaisumukin = Sammughes bei
Alexander Polyhistor nnd .Saosdov](ivos bei Ptolemaens.) Allein,
da alle oben angeführten Wörter mit mu im Anfange in anderen
Sprachen mit m und folgendem Vokal erscheinen, so scheint es
mir anch wahrscheinlich, dass in den Wörtem mit dem Praefix mu,
die wir hier näher besprechen, das mu nie anders denn mu ge¬
sprochen wurde, folglich auch der oben als mögUch berührte Grund
der Abweichung vom Bartb'schen Lautgesetze nicht annehmbar
ist. b) könnte man vermuthen, dass das u nach m an und fiir
sich dieses vor dem Uebergange in n geschützt hat Das ist auch
die Annahme Barth's, dem ich brieflich eine Reihe von Aus¬
nahmen von seinem Gesetze mittheilte. Diese Annahme hätte viel
WahrscheinUchkeit für sich, wenn nicht c) die dritte noch ein¬
leuchtender wäre, die nämlich, dass die Participien mit dem Praefix
mu, die dem Bartb'schen Gesetze nicht unterfiegen, die übrigen
Bildungen mit mu beeinflusst haben. — Es giebt sehr wenige (wenn
überhaupt?) Wörter mit dem Praefix nu, und diese sind, soweit ich
sehe, zweifelhafter Natur. Nubalu (z. B.Tiglathpileser I, Xll, 57)
könnte allerdings von N abülu als Aw-bUdung abgeleitet werden, aber
anch als iViz-büdung von {y)ahalu nnd i'w'ä^-bildung von nabülu.
Nu-b t-tu (wie man in der Regel liest) (Name eines gottgeweihten
Tages und = Neumondstag !) könnte ja insbesondere auf Grund der
letzteren Bedeutung von abätu (nabutu) abgeleitet werden , aber
undenkbar ist die Lesung nu-ziz-tu (von nazäzu) nicht und über¬
haupt sind bei diesem Worte verschiedene Lesungen denkbar. Ueber
das in der Regel nuggat gelesene und von agägu abgeleitete Sub¬
stantivum werde ich unten (S. 201 f.) reden und begründen, dass statt
nuggat nukicum zu lesen ist, welches Wort von der y nakümu ab¬
zuleiten ist. Nuka-rt'bCi)bu (II R. 38, 71 No. 3 Rev. und V R. 40,
No. 1 Rev. 3), falls für *mukar,bbu und weiter *mukarbibu stehend,
würde ganz einzig dastehen, da die Participien sonst nie mu- in nu-
verwandeln. Nunz(§^)ahäti endlich im sog. Nimrodepos 51, 14
könnte für nuzzabäti stehen. Ein irgendwie sicheres Beispiel eines
Praefixes nu giebt es also, soweit ich sehe, im Assyrischen nicht.
Nachdem so eine weitere Reihe von Ausnahmen auf einen
plausiblen Grand zurückgeführt sind, können uns einige fernere
nicht stören. Es sind dies die Wörter Mami (Name der Bilit),
mammä (V R. 22, 27 d, vieUeicht = „Hagel" oder „Schnee"^ und
mÜammu (= majestätischer, furchtbarer Glanz). Wir werden von vome herein sagen, dass diese Wörter, da sie sich dem Bartb'schen Gesetze nicht fügen , entweder assyrische Wörter sind , aber keine
Derivata mit dem Praefix ma- , oder überhaupt keine assyrische,
sondem wahrscheinUch sumerische Wörter. Und dies ist für solche,
die nicht der H ale vy-Delitzsch'scben noch nicht bewiesenen
Ansicht folgen, leicht erweislich. Mami erscheint II R. 51, 55a
in dem Kanalnamen När-Mami-iarrat d. i. = „Kanal der Königin
Mami", ebenso Z. ööa ib. in den Kanalnamen Tabbi-Mami.
II R. 55, 39— 41 a werden nach einem unveröffentlichten Texte,
der mir in Dr. Winckler's Abschrift zugänglich war, Äma,
Mama und Mami als (wohl original-) sumerische Namen der
Btlit-iläni d. i. der J>ilit (der Herrin der Götter) genannt (cf.
III R. 67, 13—14 cd). Da diese sehr oft den Beinamen „Mutter"
bekommt = sumerisch - akkadiscbem ama , so werden nicht nur
Ama, sondern auch Mama und Mami als sumerische Wörter für
„Mutter" betracbtet werden dürfen (cf dazu sum. baba (papa) =
Vater: Z. £ Assyriologie I, 403 f.). Ebenso giebt sich als
sumerisch mammä, welches V R. 22, 27a durch ma-am-mi (im
Sumeriscben) übersetzt wird. Endlich hatte Haupt schon längst
milammu für ein sumerisches Lehnwort gebalten , bis eine Glosse
zu dem sumerischen Ideogramm dieses Wortes , welche demselben
die Aussprache milam giebt, zeigte, wie richtig er vermuthet hatte
(cf. V R. 40, 37 cd). So ist das Barth'sche Gesetz im Stande,
fremde BestandtheUe in der assyrischen Sprache als solche er¬
kennen zu lassen.
II.
Von Wörtem mit n als Praefix ohne Lippenlaut im Stamme
finde ich folgende zweifelhafte und sichere Beispiele, die ich zunächst
in alphabetischer Reihenfolge aufführe, indem ich zugleich einige
nicht hierher gehörige FäUe als solche ausscheide.
1) II R. 23, 4 cd wird na-du-su als Synonym von pirhu
(= Schössling) unmittelbar nach QSum {= pirhu) erwähnt. Issu
gebt sicher (wie !ii5u = neu) auf die Wurzel -iin zurück. Es
scheint daher , dass auch nadusu als Form naf'ul von dieser ab¬
zuleiten ist. Wenn das, dürfte schwerhch eine NipbalbUdung vor¬
liegen, wie dies Delitzsch (Assyr. Wörterbuch S. 202) ver¬
muthet. Unter dieser Annahme wäre die Bedeutung des Wortes
unerklärlich. Vielmehr müssto dann naduiu auf *maduiu zurück¬
gehen. Aber wir kennen die assyr. Sprache zu wenig, als dass wir
wissen könnten, ob nicht das Wort ev. von einer Y n-d-s herstammt.
Ausserdem ist, falls dasselbe von -inn abzuleiten ist, der Vokal a
in der ersten Silbe auffaUend (wir würden t erwarten).
2) ni'la (Strassmaier, Alph. Verzeichniss No. 6203;
cf Brünnow, Classified list No. 3305; AL^ 81, 58 und
Jensen, Zu den Nominalpraefixen im Assyrischen. 199
Zimmern, Bab. Bnsspsalmen p. 103) = TIK-LAL scheint
hierzn zu gehören, da es ein Inf. des Niphals nicht sein kann.
Denn in diesem Falle wäre na(')lü oder n{(i)ln zu erwarten. Die
Etymologie und das dem Worte entsprechende Ideogramm führen
auf etwas wie ,Fessel' als Bedeutung.
3) nallütu (V R. 15, 48 d) kann, weil ein Concretum (bez.
ein Kleidungsstück oder irgend etwas aus Wolle oder Pflanzenfasern
Gemachtes), keine Abstractbildung auf -ütu sein, kommt demnach
von einer Wurzel tertiae i her (so ist minütu = „Zahl" aus *Tni-
'naiUu und hidütu = Freude aus *Mdaubi monophthongisirt). Die
Form fa'alu ist für urspr. Adjectiva und Substantiva agentia ge¬
bräucblich, aber sonst nicht. Folglich kann nallütu wohl nur auf
eine Form *na'lautu, oder *nanlautu zurückgeführt werden. Da
der Zusammenhang, in dem nallütu sich findet, auf eine Bedeutung
wie „Strick" hinweist ivorhergehen mak[saru] = etwas Bindendes,
Icannu, womit man kalbu kunnunu = „angebundener Hund" in
der Sintfluthserzählung vgl., und es folgen kannu und kü = hebr.
-ip ), so ist es unabweislich , ni'lü und nallütu auf dieselbe Radix
zurückzuführen und für ni'lü als Grundform *m'lawu und nallütu
als Gr. *na'lautu anzunehmen.
4) nannu (oder nannü?) (I R. 36, 56a; siehe dazu Lyon,
Sargontexte S 72) könnte ja gewiss auf eine Wurzel
hindeuten. Auch sonst giebt es Wörter mit 3 gleichen Radicalen
(cf z. B. arab. j^). Zur Noth könnte auch nänu gelesen werden.
Aber da die Bedeutung „Gnade, Wohlwollen" aus verschiedenen
Gründen sich für das Wort empfiehlt, so liegt es nahe, nannu als
eine Ableitung der Wurzel "n anzusehen (= na'annu) und dann
das erste n als Repräsentanten eines älteren m.
5) IV R. 14 No. 3, 8 wird Nabü als einer bezeichnet, der das
nindanaku (= Messrohr) handhabt. Das Wort geht uns hier Nichts
an, da es gemäss S''. 197 wohl sumerischen Ursprungs ist. S.
V R. 32, 43 de!
6) II R. 7, 27—28 f finden wir ein assyr. Wort nindanu.
Allein auch dieses ist auszuscheiden, da demselben gemäss II, 7, 28 e
sumerisches [ yda-na, also wohl nindana, entspricht, dasselbe dem¬
nach sumerischen Ursprungs zum Mindesten sein könnte. Dasselbe
Wort treflen wir beiSargon, Khorsabadinschrift 158, wo eine
Bedeutung „Abgabe" nicht sicher, weshalb eine Ableitung desselben von nadänu = „geben" sehr bedenklich ist.
7) nannaru wird meist = *mannaru gesetzt. Ich weiss, dass
Haupt es von der Wurzel n-rn-r ableitet. Aber *nanmaru musste
*naiii'inara werden. Ein assyr. Lautgesetz, nach dem nm zu nn
werden könnte, kenne ich nicht. Demnach bleibt die alle Etymologie (von -—:) die wahrscheinliche.
17«
8) nassaru kann IV R. 8, 24a (cf. dazu meine §nrbu p. 16 nnd 89 f.) nur heissen „Schutz", nicht „Beschützer", kann demnach
keine Form fa'alu sein, sondem muss = *nansaru = *man.mru sein.
9) nasaddu — Liebhng soll von *sadädu herkommen, vyelches
ev. erst von südadu secundär abgeleitet ist, indem dies, eigentUch eine
Form Saf'aiu von *,adädu = jj , als i^w'aZ-form aufgefasst wurde.
Dies letzte Wort erfordert eine besondere Beachtung. Von einem
anderen Stamme s-d-d (— ziehen) abgeleitet findet sich nämüch
ein Substantivum masaddu. Wäre nasaddu = „Liebling" auf
*masaddu als ältere Form zurückzuführen, so wäre es einigermassen
aufiallig, warum nicht auch aus masaddu (von sadädu — ziehen)
nasaddu wurde. Eine Analogiebildung nach narämu = Liebling
mit gesetzmässigem n für ursprüngliches m ist doch kaum anzu¬
nehmen, imd daher würde die von Barth iu Bezug auf nasaddu
gehegte Vermuthung (s. oben pag. 192), dass es eine NipbalbUdung
ist mit ursprünglichem Praefix n-, viel für sicb haben, wenn sich
nur sonst solche BUdungen aufweisen liessen. Dazu bin ich indes
wenigstens nicht im Stande, uud es müsste daher vor der Hand
nasaddu = „LiebUng" auf ein älteres ^masaddu zurückgeführt
werden. Warum das eine masaddu masaddu geblieben und das
andere zu naSaddu geworden, bhebe unerklärt. Nun hat aber
Amiaud bei Scheil (Inscription Assyrienne de Samsi-
Rammän p. 33 f) die Ansicht ausgesprochen, dass die Gruppen
na-.sAD-du und na-sAD na-wad-du und na-wad zu lesen sind und
dass den Wörtem ein Stamm zu Grnnde Uegt. Obwohl dies nuu
durch 1. 18 der von ihm bebandelten Inschrift nicht bewiesen wird,
(wo nach Ami au d's Ansicht na-ad = na-ioad na'ad; denn III R.
38, 3a: bu(!)hur Ku-tu-sar «ar-ra[-<M«i] zeigt klar, dass 1. c. zu verbinden ist: Ku-tu-.nar sarratum si-na-ad (t, t)), so ist doch eine
Form na-mad-du (zu lesen nawaddu) von einem gemeinsem. Tn
durchaus nicht unmöglich ') und , da Ä m i a u d ' s Annahme die
1) Trotz Haupt (Zeitschrift f Assyriologie II, 272 fr.), der, da sich thatsächlich Wörter im Assyrischen finden, in denen ein m (resp. ein Laut, der durch dieselben Zeichen ausgedrückt wird, wie gemeinsemitisches mi einem 1 in anderen semitischen Sprachen entspricht, um der Annahme eines urspr. consonantischen T im Assyrischen zu entgehen, jene Wörter für Lehn¬
wörter aus dem Assyrischen oder Babylonischen erklärt. So will Haupt hebr.
niI3 = „spinnen" für ein Ijehnwort aus dem Babyl. gehalten wissen, wo tamü (tawü) = „spinnen", ,, drehen". Aber im Arabischen sowohl wie im Aethiopisehen drückt die Vt'^- J Bogriff des Drehens und Wendens aus!
1 7 «
Jensen, Zu den Nominalpraefixen im Assyrischen. 201
Schwierigkeit lösen würde, dass masaddu von sadädu = „ziehen*
musaddu bheb, masaddu = „Liebling" aber zn nasaddu wurde,
so acceptire ich Am ian d's Lesung mit Vergnügen, bis eine deut¬
liche Schreibung des Wortes ev. doch noch erweisen sollte, dass
bei der alten Lesnng zu verharren ist. Bis dahin macht das in
Rede stehende Wort keine Ausnahme. Denn mawaddu (mamaddu)
wnrde regelrecht zu nawaddu. — Nach Eliminirung der ganz zweifel¬
haften und nicht hierher gehörigen Pälle bleiben demnach als sichere
rmd ziemhch sichere Fälle eines üebergangs des Praefixes »n in n in
Wörtem ohne Lippenlaut im Stamme folgende :
1) naduSui^), 2) ni'lü, 3) nallütu, 4) nannu(J), h) nannaru,
6) nassaru. Diese Zusammenstellung genügt, um den Grund des
Lautvorganges aufzudecken. In allen FäUen (auch in den eben nicht
genannten oben erwähnten No. 6 und 9) folgen auf das Praefix n-,
also folgten auf das Praefix m- (nur in einem der genannten Fälle
durch den Hauchlaut ' davon getrennt) Laute, die zum TheU lingualer
Natur waren, und auch die übrigen in diesen Wörtern vorhandenen
Consonanten sind dieser Art (* und t, ebenso r; denn, dass r im
Assyrischen jedenfalls auch das Zungen-r ist, sieht man daran, dass
aus üdudu irdudu werden konnte, während andere Lautvorgänge
anf das Vorhandensein auch eines gutturalen r im Assyrischen hin¬
weisen). Das n in diesen Wörtem verdankt also augenscheinlich
dem Streben nach AssimUation des m an die folgenden Consonanten
seinen Ursprung.
Nachdem auf diese Weise eine ganze Reihe auf den ersten
Blick unerklärlicher Fälle auf einen gemeinsamen Grund zurück¬
geführt worden sind, kann es für uns keinem Zweifel unterliegen,
dass sich auch für ein bisher nicht von uns untersuchtes Wort, das
scheinbar ausserhalb der Lautgesetze steht, ein Grund für diese
Thatsache wird finden lassen. Wir meinen das Wort nu-ug-gat —
Also ist das assyr. tamv ftawüj mit zwingender Nothwendigkeit auf eine Kadix mediae T zurückzuführen. — Wonn Assurnasirpal passim z. B. I R. 22, 104—
105 erzählt, dass eine Stadt gewaltig widerstandsfähig war, nämlich „2 diirüni läbi (la-a bi)" d. i. „2 Mauern läbi", so muss geradezu läbi hedeuten: „war nmgeben mit". Sonst heisst aber „umgeben mit" lamü. Wir werden doch läbi (Permansiv mit langem Vokal des ersten Radicals wie bei ba-a-ri!) nicht von lamii trennen dürfen. Aber sonst wechselt m nicht mit b. Folglich wird in diesen Wörtern weder ein wirkliches b noch auch ein wirkliches m, sondern etwa w (v) vorliegen. Es verdient Erwähnung, dass für läbi auch la-pi er¬
scheint u. zw. auf R"> 122 (Strassmaier, Alph. Verzeichniss No. 4305):
ildu kikkisu la-pi d. i. „ein Feld von — Rohr umgeben". Es ist bekannt, dass pi auch einen bis jotzt einigermassen undefinirbaren Laut ausdrückt, der, soviel ich sehe, nur dort erscheint, wo andere semitische Sprachen ein 1 aufweisen. Damach wird wohl auch nicht daran gezweifelt werden können, dass lamit = „umgeben" kein eigentl. m hat, sondern statt dessen ein ic oder V und demnach wohl sicher hebr. etc. !llV entspricht etc.
„Zorn*, welches man meist mit tJtggat = ,Zom' zusammenstellt und von agägu = „zürnen" ableitet. Aber unter dieser Voraussetzung
wäre das Wort nach aller und jeder Richtung hin ein Ungethüm,
auch falls es eine Niphalbüdung (von nangugu = *na'gugu) wäre.
Denn das u des Praefixes wäre vollständig unmotivirt. Diese An¬
sicht ist daher aufzugeben. Zur Erklämng der Form bleiben dann
(falls man dasselbe nicht für sumerisch erklären will , was man in
früherer Zeit oft als die ultima ratio betrachtete) nnr zwei Wege:
1) das Wort von nagägu als Form fu'latu abzuleiten. Nagögu
heisst „rufen, schreien, brüllen". Da issari/i kabitti etc. (d. i. es
meine Leber — ich ergrimmte) gewiss mit Recht mit sarähu =
schreien = zusammengestellt wird, so wäre nuggat = „Zorn"
als Ableitimg von nagägu — „schreien" allerdings nicht ohne
Analogie.
2) aber konnte an der Lesung nu-ug-gat gezweifelt und dafür
nu-uk-lcum (resp. nu-ug-gum oder nu-uk-kum) zu lesen vorgeschlagen
werden als Form fu'ul von der Radix n-k (k, g) -m (cf die Substan¬
tiva huhhulu , ukkumu und die Adjectiva ummulu , duklcuku und
kudduSu) oder, was sehr schlecht zu rechtfertigen wäre, als Form
(m)nuf'ulu von einer Radix '-k (k, g) -m. Dass in der That nuggat
nicht die richtige Lesung ist, scheint schon daraus geschlossen
werden zu dürfen, dass II R. 20, 24—38 d, wo die Verben nagägu,
nigü und agägu nebst resp. oder Derivata derselben aufgezählt
werden, dieses in Rede stehende Wort nicbt genannt wird. Ein
Wort nakümu wird II R. 8, 7 cd angetroffen mit dem sumerischen
resp. ideographischen Aequivalent ka-'gul-dug-fja (d. i. : Mund -f-
Böses -f- reden). Assurbanipal nennt sich V R. 4, 38a lä küsir
ik-ki-mu päsisu hitäti d. i. „der nicht im Sinne hegt . . . ., der da
Sünden vergiebt' in einem Zusammenhange, der fast mit Noth¬
wendigkeit dem Worte ikkimu die Bedeutung „Zom, Rachsucht"
sichert. Dies Wort kann aber doch kaum von nakümu und
weiter von nukkum (falls eben so zu lesen) getrennt werden. Aber
wie verknüpft man dieselben? Zu diesem Zwecke muss ich hier
eine auf das Praefix ni- = mi- bezügliche Erörterung einschalten.
Bekannt ist das Wort ih-ibu (= Gebet) als Derivat von karübu
(cf. Delitzsch bei Zimmern, Bab. Busspsalmen S. 114,
Text und Anmerkung 1), iptinu (= Speise) als solcbes von patänu,
iptiru (= Loslösung, Loskaufung) als solches von patäru. Die
allgemeine Annahme ist , dass diese Formen Bildungen mit dem
Piaefix i = (urspr. ja-?) sind. Deren giebt es im Assyrischen
noch einige mebr. Ich habe in Z. f. Assyriologie I, 13 die An¬
sicht ausgesprochen, dass das assyr. Wort ikkibu aus dem ihm ent¬
sprechenden akkadischen im-gib hervorgegangen sei. Zimmern
aber hat in seinen Bab. Busspsalmen S. 67 ikkibu von der
y abgeleitet. .letzt , da ich einen Erklärungsgrund für das
Jensen, Zu den Nominalpraefixen im Assyrischen. 203
Praefix i im Assyrischen gefunden habe, bin ich geneigt, meine Mei¬
nung aufzugeben und Zimmern beizupflichten. Zu solchen Pormen
gehört ferner vielleicht immiru = „Sohn" und immirtu = „Tochter"
(n R. 30, 51c; II R. 36, 53c). Es ist jetzt wohl als allgemein
angenommen zu betrachten, dass, wie müru = „Sohn", so auch märu und miru, nicht wie früher vermuthet, auf die W. (.^ (siehe Delitzsch,
Studien I, 36), sondem auf einezurückgehen (cf. Haupt
bei Schräder, K. A. T.^ 508 und Delitzsch, Assyr. Lese¬
stücke, 3. Aufl., S. 142). Dies zugegeben ist immiru eine regel¬
rechte Form ifilu (= *imhfru). Wir haben demnach fünf solcher
scheinbaren /-bildungen, nämlich: ikkibu, ikribu, immiru, iptiru
und iptinu. Bekanntlich verlieren die Verba primae im Assy¬
rischen im Imperativ des Kal das ], ebenso im Infin. des Iphteal,
wie auch das regelmässige Verbum im Infinitiv des Ittaphal, wo
man ni- im Anfange des Wortes erwarten würde. Die Elision des
71 beschränkt sich im Assyrischen vielleicht nicht auf diese Fälle.
Uzüzu mit der Bedeutung „sich niederlassen" könnte, wie rukub
= „reiten, fahren, vehi", als Fu'ül-form. (wie Sy>^, etc. *)
aufgefasst werden, demnach für nuzuzu stehen. Nebmen wir nun
mit diesen Thatsachen die weitere zusammen, dass das Praefix
m- im Assyrischen in Wörtera mit Lippenlaut im Stamme zu n
wird, und weiter mit der, dass in allen fünf oben angeführten Wörtern
ein solcher gefunden wird, so darf als sicher angenommen wer¬
den, dass ikkibu, ikribu, immiru, iptinu und iptiru auf urspr.
*nikkibu, *nikribu, *nimmiru, *niptinu und *niptiru und noch
älteres *mikkibu (cf 31N372), *tiiilcribu, *mimm(ru *miptinu und
*m>ptiru zurückgehen. Und so muss dann wohl auch (als 6. -) Form
der Art) das oben besprochene Wort ikkimu aufgefasst werden
(= älterem *nikkimu aus urspr. *minkimu). Es dürfte daraus
weiter folgen, dass nukkum wirkUch von einer Radix n-k-m herzu-
1) Einem babyl.-assyr. rukub entspricht entweder ^^-^j oder ar"! und mit falls = *nMZz7zM, darf wenigstens jjj J von ^jü verglichen werden.
Diese bis jetzt kaum beachtete Infinitivform des Assyrischen ist wegen der arab. resp. hebr. Infinitivform höchst interessant und verdient eine ganz be¬
sondere Aufmerksamkeit .schon doshalb, weil sie zeigt, dass es für das Kal nicht nur die Infinitivform fa'ül gab. Es scheinen noch andero urspr. Infinitiv¬
formen vorhanden zu sein. Uzüzu könnte übrigens auch für eine Neubildung von dem Inf. des Schapfel (usuzu oder usuzzu) aus gehalten werden (s.
Delitzsch, Assyr. Grammatik p. 'ilG).
2) Warum gerade in Wörtern mit dem Vocal / in 2. Silbo das Praefix ni zu * wurde, ist auffallend. Ich habe mich vergebens nach einer Erklärung dieser eigenthümlichen Erscheinung umgesehen. Doch dürfte diese damit zu¬
sammenhängen , dass überhaupt gerade ni (z. B. im Ittaphal des Verbums) oft daa n verliert, während der Infinitiv (naptusu) des Niphals das n vor a behält.
leiten nnd die Lesnng nuggat zu den Todten zu legen ist. Das
hebr. Dp: (= arab. ^) wird sich (mit seinem k) zn diesem
Stamme n-k-m verhalten wie a"ip zu kirbu und J»»j5, icuemäl,
Knbp zu kalmatu. Delitzsch bei Zimmern, Bab. Bnss¬
psalmen liest: nu-uk-kum'i
Andere Ausnahmen von dem Bartb'schen Gesetze kenne ich
nicht. Ich mache aber nicht im Entfemtesten darauf Anspmch,
oben eine vollständige Liste derselben gegeben zn haben. Mir kam
es nur daranf an, zu zeigen, dass die als Ausnahmen bekannten
Fälle entweder keine Ausnahmen sind oder anf gute Grunde zurück¬
zuführen.
Vorstehende Erörterung über das Praefix m (-a, -i, -u) wurde
der Bedaction dieser Zeitschrift im November 1888 übersandt,
nachdem ich Haupt's Artikel darüber in den Beiträgen zur
Assyriologie und vergleichenden semitischen Sprach¬
wissenschaft I, 1—20 (der mir durch Güte in die Hände kam)
gelesen. Weil der Aufsatz noch nicht erschienen uud mir nicht
vom Verfasser selbst übersandt worden war, glaubte ich mich uicht
auf denselben beziehen zu dürfen. Seitdem ist einerseits Delitzsch's
Assyr. Grammatik erschienen, andererseits ein zweiter Artikel
Haupt's über dasselbe Praefix für die oben genannte Zeitschrift
gedruckt worden, den mir Herr Prof Delitzsch gütigst über¬
mittelte. Die Ausführangen der beiden Gelebrten über den in Rede
stehenden Gegenstand veranlassen mich zu ein paar ergänzenden
Nachträgen.
I. Zu Delitzsch, Grammatik p. 170—171. D. führt dort
eine längere Reihe von Wörtem mit vermeintlichem Praeformativ
K (a und i) an. In der Wiener Zeitschrift für die Kunde
des Morgenlandes 1889 Heft III weise ich darauf hin, dass
fast alle diese Wörter ohne Etymologie im Assyrischen sind , also
dass sich nicht entscheiden lässt, ob in ibnen das N der ersten
Sylbe zum Stamme gehört oder wirklich Praeformativ ist, dass eine
grössere Anzahl derselben mit Vokal u. Zischlaut beginnt, also dieser Vokal, statt eigentliches Praeformativ zu sein, mit J in Jb»*,/ etc.
verglichen werden könnte, dass eine Form ii-dihu = ,Weg" (von
der Radix ä-d-h) nach dem eben Bemerkten erklärt , aber dafür
aucb mil-di-hu (= mis-di-hu) gelesen werden könnte. Ausser
diesen Wörtem führt Delitzsch noch an iptinu, iptiru, ikribu
(die oben p. 203 f. besprochen wurden) und ins(z)abtu = „Ohr¬
gehänge" (nebeu ans(z)abtu). Da auch dieses, wie die oben be¬
sprochenen Wörter, einen Lippenlaut entbält, so wäre es möglich,
dass es auf *nins(z)aitu zurückgeht. Als Wörter mit gesichertem
Jenten, Za den Nominalpraefixen im Assyrischen. 205
(späterem) Praefix i sind also nnr die oben erörterten zn betrachten,
die alle einen Lippenlaut enthalten, wodnrch nnsere Erklärnng der¬
selben bestätigt werden dürfte.
n. Zu Haupt's letztem Artikel.
Zu p. 171. Haupt liest MAD-baru — „Steppe" mad-baru.
Dann müsste sich dies aus mudbaru entwickelt haben. Denn
nach dem oben p. 196 Bemerkten hält sich das Praefix ma in
Wörtem mit Lippenlaut sonst nie. Aber man kann ja auch
nadrbaru lesen.
Zu p. 172. Ebenso stände mitpänu = „Bogen" gänzlich ver¬
einzelt da, während Delitzsch's püpänu (als Porm kitsädu von
der Yp-p-n eine mögliche Form wäre. Darf man bat-pänu lesen?
(cf. sum pan = Bogen und assyr. battu - Waflfe?).
Elija Levita's wissenschaftliche Leistungen, Von
Vf. Bacher.
I.
Vorbemerkung.
Während das Leben und die schriftstellerische Thätigkeit Le¬
vita's in neuerer Zeit öfters dargestellt wurden '), fehlt es noch
immer an einer in den Inhalt seiner Werke näher eingehenden
Würdigung seiner wissenschaftlichen Leistungen. Wie gering man
immer auch den Werth dieser Leistungen anschlagen möge, wie
wenig auch die heutige Wissenschaft aus ibnen lernen kann, wie sehr
auch seine Arbeiten den Stempel des Epigonenthums an sich tragen
und wie abhängig sie auch von den Werken der Vorgänger sein
mögen : immerhin verdient es eine in der Geschichte der hebräischen Studien und der Bibelforsebung an so hervorragendem Platze stehende Persönlichkeit, wie die Levita's es anerkanntermaassen ist, dass man seiner wissenschaftlichen Thätigkeit gerecht werde und im Zusammen¬
hange zur Anschauung bringe , was er auf den verschiedenen Ge¬
bieten, welche er mit seinen Arbeiten umfasst hat, anstrebte und
leistete. In den nachfolgenden Capiteln habe ich versucht , diese
Aufgabe zu lösen. Das erste derselben gestattet einen Einblick in
den litterariscben Apparat der Stndien Levita's; dann wird nach¬
einander gezeigt, was er in der Erläuterung und Kritik seiner Vor¬
gänger, was er als Grammatiker und als Lexikograph, als Targum-
forscher und Massoraforscher geleistet hat. Den Schluss macht eine
kleine Uebersicht seiner zur Bibelexegese im engeren Sinne ge¬
börenden Bemerkungen.
Diesen Capiteln über Levita's wissenschaftliche Arbeiten einen
Abriss seines Lebens vorauszusenden, halte ich umso eher für ent¬
behrlich, als ich ausser den im Eingange erwäbnten Biographien
auf meinen eigenen, demnächst in der Allgemeinen Encyclopädie
(von Ersch und Gruber) erscheinenden Artikel verweisen kann. Hier
sei nur zur Orientirung über die im Nachfolgenden zu behandelnden oder zu citirenden Schriften Levita's eine Uebersicbt derselben nach der Zeitfolge ihrer Entstehung geboten.