KURZBESPRECHUNGEN
Verfasser der Kurzbesprechungen: D.P.: Dorothee Pielow, Göttingen; F.C.R.:
Florian C. Reiter, Berhn; G.H.: Gottfried Herrmann, Göttingen; H.E.: Her¬
bert Eisenstein, Wien; J.P. : Jürgen Paul, Halle/Saale; L.P.: Ludwig Paul, Göt¬
tingen; L.R.-B.: Lutz Richter-Bernburg, Leipzig; N.O.: Norbert Oettinger,
Augsburg; P.S.: Paul Sander, Hannover; R.L.: Rüdiger Lohlker, Göttingen;
T.N.: Tilman Nagel, Göttingen; U.S.: Uwe Seibert, Frankfurt/Main.
Helmut Waldmann: Aufsätze zu Religionsgeschichte und Theologie. Tübin¬
gen 1996: Verlag der Tübinger Gesellschaft. 224 Seiten mit 2 Abb. u. 8 Taf
mit 12 Abb. (Wissenschaftliche Reihe Bd. VI.). ISBN 3-928096-10-9.
Ein reiches Spektrum an Themen religionsgeschichtlichen und theologischen
Inhalts bieten die 18 erstmals zusammengefaßten Aufsätze und Vorträge Wald¬
manns in dem vorliegenden Band Aufsätze zu ReHgionsgeschichte und Theologie.
In dem breitgefächerten Themenkatalog finden sich Untersuchungen sowohl
zur zarathustrischen Religion, dem Königreich Kommagene im 1. Jahrhundert
vor bzw. nach Chr., als auch zu Mani oder dem Mazdaismus.
Religionssoziologische Perspektiven werden beispielsweise in Themen wie
„Projektentwurf Männerbünde" und „Religion in the Service of an Elite: a Socio¬
logically Definded Imposture. The Case of Ancient Sparta" behandelt.
In dem Aufsatz „Neuere Ergebnisse von Palaioontologie, Humangenetik und Lin¬
guistik und daraus erwachsene theologisch/ethische Problemfelder" spricht
Waldmann aktuelle, für die Theologie neue und richtungsweisende Forschungs¬
ergebnisse an.
Schließlich behandelt Waldmann Themen aus der Ämtertheologie (wie z.B. der
Aufsatz: „Zur Entstehung des Diakonenamtes und seiner Geschichte").
Der Aufsatz: „Satanische Verse? Eine theologische Interpretation der Beru¬
fungsvision Mohammeds" wendet sich der Frage nach der Berufung ins Prophe¬
tenamt zu. D. P.
Kurzbesprechungen 441
Hans Daiber: Naturwissenschaften hei den Arabern im 10. Jahrhundert
n. Chr.: Briefe des Abü l-Fadl ibn al-'Amld (gest. 360/970) an 'Adudaddaula
mit Einleitung, kommentierter Übersetzung und Glossar hrsg. Leiden etc.:
E. J. Brill 1993. i u. 243 S. (Islamic philosophy, theology and science, vol.
13).
Nach kurzei* Einleitung zu Leben und Werk des b. al-'Amid .senior (pp. 1-16), des¬
sen Verfasserschaft mit H. D. als gesichert gelten kann, bilden den Hauptteil des
vorliegenden Bandes (pp. 20-119) auf gegenüberliegenden Seiten arabischer Text
und deutsche Übersetzung von sieben Briefen zu naturwissenschaftlichen Themen
(naeh jeweils einem unicum [I-VI bzw. VII], überwiegend in der Form von Ant¬
worten auf Fragen "Adud ad-Daulas. Weiterer Erschließung des Textes dienen
Sachkommentar (pp. 121-159), „Summary" (pp. 161-166), Bibliographie (pp. 167-
175), arabisch-deutsches Glossar (pp. 177-234) und Namen- und Sachindex (pp.
235-243). Auch wenn Joel Kraemers von H. D. aufgenommener Vergleich des
als Wissenschaftler eher klug dilettierenden Staatsmannes b. al-'Amid hinsicht¬
lich der Spannweite seiner Talente und Interessen mit Leonardo da Vinci mehr
verunklärt als erhellt, verdient H. D.s Veröffentlichung aufrichtigen Dank, denn nur aufgrund von Primärtexten können die Aussagen der - meist biobibliographi¬
schen - sekundären Quellen zum intellektuellen Leben der Buyidenzeit einiger¬
maßen zuverlässig bewertet werden. Das im Titel namhaft gemachte „Arabertum"
mag füglich bezweifelt werden. Wie angesichts der thematischen Vielfalt wohl
nur schwer vermeidbar, ist die Übersetzung nicht fehlerfrei; das Glossar kann
lexikographisch nicht überzeugen. Von Layout und - vor allem arabischer -
Typographie ist besser zu schweigen. L. R.-B.
Manfred üllmann (Hrsg.): Das Schlangenbuch des Hermes Trismegistos.
Wiesbaden: Harrassowitz 1994. 202 S. ISBN 3-447-03523-4.
M. üllmann hat sich hier einem bisher so gut wie unbekannten hermetischen
Traktat aus einer Leidener Sammel-Handschrift gewidmet, der sich als ein an
Asklepios gerichteter Sarh kitäb Hirmis al-Haklm fi ma'rifat sifat al-hayyät wa-
l-'aqärib wa-gaml' dawät as-sumüm wa-taräylqihä ausweist. Darin sind nach
einem allgemeinen Teil (dem „Programm", vgl. S. 144) in Form von „Tabellen"
i^adäwil) zwölf Schlangen (Vipern) den Tierkreiszeichen und sieben den Planeten
zugeordnet sowie zwei weitere mit ihrem Aussehen und Vorkommen, der Wir¬
kung ihrer Bisse sowie den anzuwendenden Heilmitteln beschrieben. Der Zuord¬
nung liegt zugrunde, daß diese Tiere besonders gefährlich seien, wenn die Sonne
in bestimmten Tierkreiszeichen steht, allerdings sind die Symptome nicht für
bestimmte Schlangenarten, sondern für die jeweiligen Biotope charakteristisch.
Der ausführliche Kommentar (S. 58-142), der sich dem arabischen Text und der
deutschen Übersetzung des Traktats anschließt, hat an mehreren Stellen bereits
den Charakter separater Artikel angenommen (die Diskussion des Lexems hasäS
S. 62-66, zum Gecko S. 69-85, zum Schleuderschwanz S. 88-95, zum Basilisken
S. 101-115), und in „Quellen und Vorbilder" (S. 149-158) kann M. Ullmann über¬
zeugend Parallelen aus der griechisch-lateinischen wie aus der arabischen Litera¬
tur aufzeigen. Die umfassende und in jeder Hinsicht vorbildliche Bearbeitung wird
allerdings dureh die Tatsache getrübt, daß die Publikation in Handschrift produ¬
ziert wurde. H. E.
Ekkehart & Gernot Rotter: Venus, Maria, Fatima: wie die Lust zum Teu¬
fel ging. Zürich - Düsseldorf: Artemis und Winkler 1996. 270 S. u. 20 Ab¬
bildungen. ISBN 3-7608-1125-6.
Daß die herrschenden Religionen einen großen Einfluß aufdie jeweiligen Kulturen
haben, ist ein Faktum. Gebote und Verbote, kurz Anschauungen über die Lebens¬
führungen, Vorstellungen und Praktiken werden dem jeweiligen (religiös begrün¬
deten) Wertesystem angepaßt. Sexualität und Moral sind hiervon freilich nicht
ausgenommen. Unter Ansatz einer historisch-kritischen Methode stellen die bei¬
den Autoren Ekkehart & Gernot Rotter die „Last mit der Lust" von damals
und heute in Christentum und Islam dar. Wo einst die Sexualität mit prominen¬
ten Frauengestalten gefeiert wurde (z. B. Hathor und Isis in Ägypten, Aphrodite
in Griechenland oder die Venus in Rom) und Sexualität und Fruchtbarkeit feste
Bestandteile religiöser Vorstellungen waren, vollzieht sich unter den neuen Reli¬
gionen, dem Christentum und dem Islam, allmählich ein Wandel von der Vergött¬
lichung der Sexualität bis hin zu ihrer Verteufelung. Die einst gefeierte Frau,
Symbol des Sinnlichen, tritt bald nurmehr als Verführerin auf Ekkehart & Ger¬
not Rotter haben in dem ersten Teil ihrer Untersuchung die Fundamente dieser
diametralen Entwicklung von den Anfängen der geschichtlichen Überlieferung im
Zweistromland dargestellt. Im zweiten Teil wenden sie sich Maria und Fatima zu,
die gewissermaßen als das „weibhch Göttliche" die Nachfolge der „Großen Göttin"
antreten. Kulturvergleiehend weisen die Vorstellungen über Maria wie auch
Fatima auffallende Analogien auf
Ekkehart & Gernot Rotter ist es in ihrer spannenden und nachdenklich
stimmenden Studie gelungen, die geschichtlichen Wurzeln sexueller Vorstellun¬
gen von der Antike zu beschreiben, die das bis heute andauernde Dilemma von
der Zerissenheit „sündiger Körper" contra „keusche Seele" belegen. D. P.
Frank Henderson Stewart: Honor. Chicago - London: The University of
Chicago Press 1994. 175 S. ISBN 0-226-77407-4.
,,Ehre" ist ohne Zweifel ein Begriff mit dem man bei der Begegnung mit den Kul¬
turen des Nahen Ostens und Nordafrikas immer wieder konfrontiert wird. Aber
auch in den Kulturen des sogenannten Westens konnte - und kann - man diesem
Konzept begegnen.
Stewart unternimmt es in seiner Untersuchung, die europäischen Vorstellun-
Kurzbespreehungen 443
gen von Ehre mit denen einer beduinischen Gruppe, der Ahaywät im Zentralsinai,
zu vergleiehen. Für letztere kann er auf Feldforschung aus den Jahren 1976 bis
1982 zurückgreifen. Für den europäischen Begriff der Ehre zieht er - es seien nur
einige Beispiele genannt - deutsche Juristen des 18. und 19. Jahrhunderts, spani¬
sche Dramatiker des 16. und 17. Jahrhunderts, Hartmann von Aue, englische Kri¬
minalgeschichten, isländische Sagas u. a. m. heran.
Aus diesem reichhaltigen Material zieht Stewart den Schluß, Ehre sei als ein
Recht zu verstehen. Mit diesem Begriff der Ehre versucht der Autor, das , .zen¬
trale Paradoxon der europäischen Ehre" (S. 146) aufzulösen, den Unterschied zwi¬
schen , .innerer'" und ,, äußerer" Ehre. ,, Innere Ehre" wird dabei als ,,Ehre vom Standpunkt des Rechtsinhabers" verstanden, ,, äußere Ehre" von seiten derjeni¬
gen, die die komplementären Pflichten haben.
Eine andere wichtige von Stewart getroffene Unterscheidung ist die zwischen
, .vertikaler" und ,, horizon taler" Ehre. ..Horizontale Ehre" bezeichnet die persön¬
hche Ehre eines Mensehen, zu der einige andere Rechte hinzutreten können,
..vertikale Ehre" ist das Recht auf besonderen Respekt, das denjenigen eignet, die
einen sozial höheren Rang einnehmen. Während die ..horizontale Ehre" nicht
durch Verdienst gesteigert werden kann, ist dies bei der ..vertikalen Ehre" durch¬
aus möglich.
Stewart trägt mit seiner luziden Studie wichtige Informationen zum Verständ¬
nis des Ehrbegriffes bei. aufdie niemand in Zukunft verzichten kann, der sieh mit
der ,, Ökonomie der Ehre" (Bourdieu) befaßt. Weitere Studien hätten jenseits der begrifflichen Ebene aber wohl auch die ,, Gewalt der Ehre" (Schiffauer) mit ihren
- oft desaströsen - Auswirkungen auf Subjekte und Objekte dieser Gewalt zu
berücksichtigen. R. L.
Annemarie Schimmel: Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen. Düsseldorf:
Patmos Verlag 1996. 208 S. ISBN 3-491-72359-0.
Ziel dieses Buches ist es erklärtermaßen, zur multikulturellen Begegnung beizu¬
tragen und mit tradierten Vorurteilen aufzuräumen, indem kaleidoskopartig ein
umfassendes Bild des Islams gezeichnet wird; gestaltet ist das Buch als ein fikti¬
ver Dialog zwischen zwei von den durch die Medien allgemein verbreiteten Vor¬
urteilen geprägten Personen und der behutsam argumentierenden und korrigie¬
renden Autorin. Inwieweit diese Form der Darstellung der Übersichtlichkeit
dient, bleibt allerdings fraglieh, jedenfalls wurde der Versuchung, knappe
Abschnitte mit allzuviel Informationen zu füllen, nicht überall widerstanden.
Grundsätzlicher aber ist ein anderer Einwand: der Autorin geht es - wie ja auch
die Gesamtausrichtung des Buches nahelegt - explizit darum, ..den Islam positiv
zu bewerten" (S. 12). Nun ist es selbstverständlich notwendig, mit vielen von
dumpfer Emotionalität oder schierem Nichtwissen hervorgerufenen falschen Vor¬
stellungen über den Islam aufzuräumen, ob aber eine nahezu ausschließlich aufdie positiven Aspekte des Islams fokussierte Darstellung den Informationsbedürfnis¬
sen in unserer Gesellschaft gerecht wird, darf bezweifelt werden. Zu nahe liegt
hier die Gefahr, alles Positive als den eigentlichen Islam hinzustellen, alles, was
in unseren Augen bedrückend oder abstoßend ist, dagegen als Entartungen und
Abweichungen vom wahren Islam zu bewerten. So ist es zwar richtig, daraufhin¬
zuweisen, daß der Koran mit dem Diktum „Es gibt keinen Zwang im Glauben!"
(Sure 2,256) zu einer gewissen religiösen Toleranz anhält, ein Vers, den die Auto¬
rin mehrfach zitiert. Derselbe Koran ruft die Muslime aber auch dazu auf die
Ungläubigen zu töten, wo immer man sie treffe (Sure 9,5), eine Aussage, die die
Autorin nicht erwähnt. So wird letztlich eine Form von Einseitigkeit durch eine
andere ersetzt, damit aber wird man der Religion in allen ihren Aspekten nicht
gerecht. Diese Einseitigkeit, verbunden mit einigen sachlichen Fehlern, wie z. B.
der Behauptung, die Mu'taziliten hätten die Unerschaffenheit des Korans akzep¬
tiert (S. 28; S. 122), oder der ganz allgemein gehaltenen Aussage, die Schiiten be¬
haupteten, daß im vorliegenden Korantext viele Verse des eigentlichen Korans
fehlten (S. 41), läßt dieses Buch als einführende Lektüre in die Geistes- und Phä¬
nomenwelt des Islams nur bedingt als empfehlenswert erscheinen. P.S.
Ulrich Jasper Seetzen (1767-1811), Lehen und Werk (Kolloquium am
23. /24. 9. 1994 in Gotha). Gotha: Forschungs- und Landesbibliothek Gotha
1995.
Fragt man Orientalisten aus dem deutschen Raum nach ihrem berühmtesten
Orientreisenden in früheren Jahrhunderten, so wird der Name Carsten Niebuhr
sicher oft genannt werden. Weitgehend unbekannt ist dagegen die Person Ulrich
Jasper Seetzens, dem die Forschungs- und Landesbibliothek Gotha wertvolle
orientalische Handschriften verdankt und dem sie daher 1994 ein Kolloquium
gewidmet hat. Seetzen, geboren 1767 in der Herrschaft Jever, studierte Medizin
und Naturwissenschaften in Göttingen und betätigte sich nach Abschluß seines
Studiums vor allem auf naturwissenschaftlich-technologischem Gebiet. Ab 1801
bereitet er eine Forschungsreise in den Orient vor, die er 1802 antritt. Über Istan¬
bul reist er nach Syrien, wo er sieh unter anderem zum Zwecke des Erwerbs der
arabischen Spraehe 17 Monate in Aleppo aufhält. 1807 erreieht er Kairo und
bleibt fast zwei Jahre dort; in dieser Zeit sammelt er Handschriften, aber auch
ägyptische Altertümer, die noch heute im Schloßmuseum Gotha zu besichtigen
sind. 1809 schließlich reist Seetzen weiter in den Higäz und erreicht 1810 den
Jemen. Dort erkundet er neue Reisewege und kopiert südarabische Inschriften -
in gewisser Hinsicht mag hier der Beginn der Sabäistik zu sehen sein. Unter letzt¬
lich ungeklärten Umständen kommt Seetzen 1811 im Jemen zu Tode, ein großer
Teil seiner Sammlungen und Aufzeichnungen geht verloren.
Die Beiträge dieses Sammelbandes beleuchten einzelne Aspekte des Lebens und
der Wirkung Seetzens und bringen so durchaus unterschiedliche Facetten einer
Persönlichkeit ans Tageslicht, die zu Unrecht weitgehendem Vergessen anheim¬
gefallen ist. P.S.
Kurzbesprechungen 445
Neal Robinson: Discovering the Qur'an. A Contemporary Approach to a Vei¬
led Text. London: SCM Press 1996. XIV u. 332 S. ISBN 0 334 02649 0.
Der Untertitel dieses Buches A Contemporary Approach to a Veiled Text macht
deutlich, worum es dem Autor geht: er will seinen Zeitgenossen den oft dunklen
und schwierigen Koran erläutern und damit näherbringen. Zu diesem Zweck
beschäftigt er sich zunächst mit der Bedeutung, die der Koran im (religiösen)
Leben der Muslime hat, und wie er von diesen aufgefaßt wird. In einem weiteren
Sehritt beleuchtet er die Frage der Einordnung des Korans in die Lebenszeit
Muhammads, wobei sich hier zwei Fragen wechselweise durchdringen: welehe
Informationen gibt der Koran zu den Lebensdaten Muhammads, und in welcher
Reihenfolge sind die einzelnen Abschnitte des Korans geoffenbart worden? In die¬
sem Zusammenhang erläutert und diskutiert Robinson zum einen die unkonven¬
tionellen Vorstellungen von Cook und Crone Uber die Frühzeit des Islams und
zum anderen die Versuche Nöldekes, Schwallys und Bells, eine Chronologie
der einzelnen Abschnitte des Korans zu rekonstruieren. Aufdie tatsächliche Ent¬
stehung und Redaktion des Korans geht er allerdings nicht ein. Der dritte - und
wesentliche - Teil behandelt schließlich die Inhalte, den Aufbau sowie die sprach¬
lichen Grundstrukturen der einzelnen Suren, vorgeführt an einigen Beispielen.
Robinson geht dabei grundsätzlich davon aus, daß der auf einen christlich-euro¬
päisch geprägten Leser zunächst ausgesprochen disparat wirkende Text des
Korans doch eine innere Kohärenz besitzt, zumindest innerhalb der jeweiligen
Suren. Diese Kohärenz muß nicht im inhaltlichen Bereich liegen, sie kann bei¬
spielsweise auch durch bestimmte Reime und Rhythmen, durch Wort- und Laut¬
spiele etc. erreieht werden. Hier bringt Robinson einige Beispiele, die erahnen
lassen, welche Wirkung der Koran auf die in solchen Finessen geschulten Ohren
der Zeitgenossen Muhammads und ihrer Nachfahren entfaltet hat und noch heute
entfaltet. Erfreulich ist dabei, daß der Autor mit fühlbarer Sympathie für seinen
Gegenstand spricht, gleichzeitig aber ausreichende Distanz zu den späteren ideo¬
logischen Überformungen des Korans durch die Muslime wahrt. Insgesamt ist ihm
eine Darstellung gelungen, die sowohl Laien als auch Fachleute anzusprechen ver¬
mag; allerdings ist das Buch als Einführungslektüre in den Islam dann wohl doch
zu anspruchsvoll, aber besonders für Studenten der Islamwissenschaft ist es als
grundlegende Darlegung vor allem der formalen Probleme und Phänomene des
Korans zu empfehlen. P. S.
Shmuel Tamari: Iconotextual Studies in the Muslim Ideology of Umayyad
Architeeture and Urbanism. Wiesbaden: Harrassowitz 1996. XX u. 175 S.
ISBN 3-447-03636-2.
Diese Arbeit, angelegt als Fortsetzung von Iconotextual studies in Mid-Eastern islamic religious architecture and urbanization in the early Middle Ages (Neapel 1992) desselben Autors, verfolgt einen interessanten Ansatz: die Dechiffrierung
der architektonischen Symbolsprache frühislamischer Bauten. Dieser Ansatz
wird anhand eines vom Autor entdeckten Textes aus der Zeit 'Abd al-Maliks ver¬
folgt, dessen Verfasser al-Sa'bi nach Meinung des Autors wesentliche Teile der in
den Psalmen und in anderen Teilen der Thora auf Gott angewandte Metaphern
aus dem topographischen und architektonischen Bereich (z. B. Fels, Burg etc.) in
die islamische, vor allem umayyadische Architektur-Ideologie übertragen hat.
Tamari sieht in diesem Text den entscheidenden Schlüssel zum Verständnis der
frühislamischen Architektur, und so geht er dann auch bei seinen Analysen - bei¬
spielsweise des Felsendoms in Jerusalem und seiner Tore - von einer Priorität der
Ideen und Symbole aus, die dann zu einer bestimmten architektonischen Ausfor¬
mung geführt hätten. Die Erklärung gerade des Felsendoms und seiner Architek¬
tur als durch bestimmte ideologische Absichten motiviert ist nun allerdings kei¬
neswegs etwas so revolutionierend Neues, wie der Autor zunächst glauben
machen will, und tatsächlich fördert seine Analyse hier kaum neue Erkenntnisse
zutage, die wesentlich über die von Grabar geleisteten Analysen hinausgehen.
Vor allem aber erweist sich die Einengung des Horizonts aufdie Ebene der Ideen
und Symbole und die weitgehende Ausblendung architekturhistorischer Argumen¬
tationen als das entscheidende Handikap dieser Untersuchung, die auf diese
Weise den vom Autor selbst hochgesteckten Ansprüchen nicht gerecht wird.
P.S.
George Makdisi (Hrsg.): Abü 'l-Wafa' 'All b: 'Aqil b. Muhammad Ibn 'Aqil:
al-Wädih ß usül al fiqh. Part 1. Kitäb al-Madhhab. Beirut: Franz Steiner
Verlag 1996. XXVII u. 163 S. arabischer Text (Bibliotheca Islamica. 41a).
ISBN 3-515-06990-0.
Die Bibliotheca Islamica legt mit dem vorliegenden Band - in bewährt vorbild¬
licher Weise - eine interessante Quelle zur Geschichte des islamischen Rechts
vor. Ein Glücksfall ist, daß die Edition von G. Makdisi besorgt wurde, der 1963
die große Studie zu Leben und Werk Ibn 'Aqils vorgelegt und ja auch schon einige
andere Werke dieses Autors ediert hat. Es handelt sich bei dem anzuzeigenden
Band um den ersten der Edition des nach 1086 (S. 13) entstandenen Werkes al-
Wädih fl Usül al-fiqh und ist das umfangreichste auf uns gekommene Werk des
Hanbaliten Ibn 'Aqil. Dieses Werk enthält vier unabhängige Teile, den Kitäb al-
Madhab, dessen Edition hiermit vorliegt, über Rechtstheorie und Methodologie,
den Kitäb Gadal al-usül über Dialektik (^adal) zum Gebrauch in allen Wissens¬
gebieten, den Kitäb Gadal al-fuqahä' über Dialektik zum Gebrauch der Rechts¬
gelehrten, den Kitäb al-fpiläf über strittige Fragen auf dem Gebiet der Rechts¬
theorie und -methodologie, zugleich eine Einführung in die Disputationskunst.
Die Einleitung Makdisis gibt einen Überblick über Aufteilung und Charakter
des Werkes sowie eine Beschreibung der Manuskripte.
Die Edition ist zweifelsohne künftig für die Geschichte der hanbalitischen
Rechtsschule und auch der usül al-fiqh insgesamt unverzichtbar, und wir dürfen
den weiteren Bänden mit Interesse entgegensehen.
Auch die von Makdisi geplante Studie über die Bedeutung des Wädih auf dem
Gebiet der usül al fiqh (S. 9) ist mit Interesse zu erwarten. R. L.
Kurzbesprechungen 447
Samir Abu-Absi: Chadian Arahic. München - Newcastle: LINCOM Europa
1995, 44 S. (Languages ofthe World/Materials 21). ISBN 3-89586-005-0.
Es handelt sich um eine kurze Skizze eines bisher noch wenig erforschten, im
Nord- und Zentraltschad gesprochenen Dialekts des Sudan-Arabischen, die eine
Einführung in dessen Phonologie, Morphologie und Syntax enthält. Beispiele und
ein kurzer Text mit Interlinear- und freier Übersetzung werden in phonologischer
Umschrift dargeboten. Charakteristisch für die untersuchte Sprache ist im
Bereich der Phonologie der Wegfall der „emphatischen" Konsonanten s, d, t und
5, der laryngalen Frikative h und sowie des postvelaren Verschlußlautes q. Im
Bereich der Syntax ist das Vorkommen einer Possessivpartikel hana von Inter¬
esse, die mit Possessivsuffixen verbunden oder zwischen zwei Nomina treten
kann, z. B. alkursi kanäki 'dein Stuhl' und nä.s hana janüh 'Leute des Südens'.
Trotz des geringen Umfangs (44 Seiten) der Skizze ist es dem Autor gelungen, die
wichtigsten Charakteristika des Tschad-Arabischen in aller Kürze darzustellen.
Es bleibt zu wünschen, daß irgendwann einmal eine umfangreichere Beschreibung
dieser Sprache erscheint. U.S.
Aymän Fu'äd Sayyid: Catalogue des manuscrits arahes de l'IFAO. Kairo:
Institut Fran9ais d'Archeologie Orientale 1996. III, 144 S. u. 16 Taf (TAEI
34). ISBN 2-7247-0167-4.
Das Institut Frangais d'Archeologie Orientale verfügt über eine umfangreiche
Sammlung arabischer Manuskripte, die hauptsächlich von Gaston Maspero,
Henri Masse und Gaston Wiet zusammengetragen wurde.
Der vorliegende Katalog beschreibt 95 Handschriften dieser Sammlung aus den
Gebieten Koranwissenschaften, Theologie, tasawwuf, Recht (hanafitisches und
schafi'itisches), Grammatik, Rhetorik, adah, Geschichtsschreibung (Schwerpunkt
Geschichte Ägyptens), Biographien, Geographie und Reiseliteratur, Medizin,
Veterinärmedizin und Pharmazie, Astronomie, mathematische Schriften 'ilm al-
hurüf und , .Kriegskünste".
Die Beschreibungen sind gegliedert nach Titel, bibliographischen Angaben,
Autor (mit biographischen Daten und Literatur), Angaben zum Werk, seinem Auf¬
bau und seiner Bedeutung unter Wiedergabe von incipit und explicit. Es folgt die
materielle Beschreibung des Manuskriptes. Bildtafeln und Indizes schließen die¬
sen interessanten Katalog ab. R.L.
Oscar Löfgren u. Renato Traini: Catalogue of the Arabic Manuscripts in the
Biblioteca Anibrosiana, Vol. IIL Nuovo Fondo, Series E. Vicenza 1995. II u.
242 S., 116 Tafeln.
Nach einer Pause von 14 Jahren seit Band II ist nunmehr der dritte Band des auf
vier Bände angelegten Katalogs der arabischen Handschriften der Ambrosiana
erschienen. Die lange Pause wurde sicher mitverursacht durch den Tod des Initia¬
tors dieses Katalogisierungsunternehmens: Oscar Löfgren starb 1992.
Der vorliegende Band glänzt neben seinen selbstverständlich soliden handwerk¬
lichen und wissenschaftlichen Qualitäten durch eine sehr schöne Ausstattung:
gestochen scharfer Druck, übersichtliches Layout und als willkommene Augen¬
weide einige Abbildungen von Handschriften. Der Fundus der Handschriften, der
dureh diesen Katalog erschlossen wird, enthält kaum Glanzstücke, weder was den
Inhalt noch was die Ausstattung mit Kalligraphien oder Illuminationen angeht, so
sieht es der Herausgeber selber. Die Handschriften stammen aus dem Yemen,
yemenitische Literatur und zaiditisch-religiöse Texte nehmen daher großen Raum
ein. So bietet der Katalog vor allem denjenigen, die sich mit diesen Themen
beschäftigen wollen, eine unschätzbare Hilfe, erschließt er doch wichtige Infor¬
mationsquellen, so z. B. offizielle Briefwechsel der Imame in San'ä', überliefert
von deren Sekretär für Auswärtiges, Muhammad as-§aukäni (Nr. 907 I), und von
diesem dann auch für sein biographisches Werk verwendet. Wenn dieser Katalog
also dazu verhilft, daß eine zentrale Region der arabischen Welt, die in wissen¬
schaftlichen Untersuchungen eher am Rande erscheint, stärker in den Blickpunkt des Interesses rückt, dann hat er eine seiner wesentlichen Aufgaben erfüllt.
P.S.
A. S. Melikian-Chirvani: Les Frises du Shäh näme dans VArchiteeture Ira¬
nienne sous les Ilkhän. Paris: Association pour l'Avancement des fitudes
Iraniennes 1996. 127 S. (Studia Iranica, Cahier 18). ISSN 0993-8699. ISBN
2-910640-04-3.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen etwa 50 Kacheln bzw. Kachelfragmente
persischer Herkunft, die Verse aus Ferdousis Sähnäme tragen und sich im Besitz
der verschiedensten Museen und Sammlungen befinden. Sie stammen aus der Zeit
zwischen 1280 und etwa 1335 und schmückten die Wände mongolischer Paläste,
die heute verschwunden sind. Neben der Edition und Übersetzung der nicht
immer leicht zu lesenden und zu identifizierenden Verse enthält die Arbeit eine
sorgfältige Analyse der - am Ende des Bandes in hervorragenden Reproduktionen
abgebildeten - Kacheln unter kunsthistorischen Gesichtspunkten. Der Autor
kommt zu dem Ergebnis, daß sie zu 21 verschiedenen Friesen gehören und daß die
Verse Ferdousis eine bedeutsame und bislang von niemandem vermutete Rolle im
Palastdekor Irans unter den llhänen und den nachfolgenden Regionaldynastien spielten.
Kurzbesprechungen 449
Das Werk ist ein wichtiger und höchst interessanter Beitrag zur Erforschung einer Epoche, aus der sich nur eine beschränkte Zahl von historischen und kunst¬
historischen Zeugnissen erhalten hat. Zu den wenigen Schönheitsfehlern des
Buches gehört es, daß ein Vers aus dem Vorwort zur Siyäwos-Geschichte (Mühl
II 194, Z. 10), dessen zweite Hälfte auf einer der Kacheln zu fmden ist, als Anspie¬
lung auf den Übertritt eines llhäns zum Islam gedeutet wird (S. 14). Der Vers han¬
delt indes nicht von einem Religionswechsel, sondern gibt vielmehr den Wunsch
Ferdousis wieder, noch lange am Sähnäme weiterdichten zu können. G.H.
Roberto Gusmani: Itinerari Linguistici. Scritti raccolti in occasione del 60°
compleanno. A cura di Raffaella Bombi, Guido Cifoletti, Sara
Fedalto, Fabiana Fusco, Lucia Innocente, Vincenzo Orioles. Alessan¬
dria: Edizioni dell'Orso 1995.
Diese Auswahl aus den Aufsätzen des namhaften italienischen Indogermanisten
und Anatolisten wird durch ein Foto des Jubilars, ein Vorwort von V. Orioles,
Bibliographie, Tabula Gratulatoria und Index abgerundet.
Die Artikel selbst sind auf deutsch oder italienisch abgefaßt und betreffen
hauptsächlich die Bereiche Anatolistik, (sonstige) Indogermanistik sowie sprach¬
liche Interferenz/Semantik, von denen für diese Zeitschrift der erste einschlägig
ist. Im engeren Sinne sind vor allem zwei anatolische Sprachen des 1. Jahrtau¬
sends Gegenstand der Untersuchungen, nämlich das Lydische, um dessen
Erschließung sich der Verf auch durch Monographien große Verdienste erworben
hat, und das Lykische.
Hier kann nur weniges herausgegriffen werden. Während bei dem Artikel
„Lydisch -im 'ich bin'1" das vom Verf gesetzte Fragezeichen bis heute bestehen
bleiben muß und auch „Lykisch smmati" durch seinen Anlaut nach wie vor ein
lautliches Problem darstellt, können die Ergebnisse des Verfassers, daß lykisch sidi direkt 'Mann' (= luw. ziti-; Nr. 176 der Literaturliste) bedeutet, daß lyk.
xntawata unter anderem auch die Funktion eines Abstraktums 'Herrschaft' hat
(Nr. 18) und daß lydisch käna- 'Frau' heißt (Nr. 118) und hinsichtlich des Anlauts urindogermanisches *g^on-k2 fortsetzt, als gesichert gelten. Unter ihnen ist der
Aufsatz über käna- sowohl wegen der Entlabialisierung des Labiovelars vor *o als
auch aus ablauttheoretischen Gründen wichtig. Zu Nr. 144 „Recenti apporti alla
questione delle forme , satem' nelle lingue anatoliche" sei bezüglich p. 139 ange¬
merkt, daß für eine Entwicklung von *k vor u nicht zu ItsI, sondern weiter bis zu Isl bereits im Luwischen die beiden folgenden Beispiele sprechen: erstens das aus dem Keilschriftluwischen ins Hethitische entlehnte ässussann(i)- 'Pferdetrainer' (zu idg. *h,ekwo-; F. Starke, StBoT 31, p. 502), und zweitens der Wechsel der Zei¬
chen sü/su im hieroglyphenluwisohen Ethnikon suraza 'auf phönizisch' usw. (F.
Starke, StBoT 31, A. 237, sowie in Fs für W. Röllig, 1997, p. 385). Ansonsten
jedoch gilt: *k > luw. z ItsI. N.O.
Muslim Culture in Russia and Central Asia from the 18th to the Early 20th
Centuries. Hrsg, von Michael Kemper, Anke von Kügelgen, Dmitriy
Yermakov. Berhn: Schwarz 1996. VII u. 482 S. (Islamkundhche Unter¬
suehungen: 200). ISBN 3-87997-253-2.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nimmt das Interesse an der Geschichte
der islamischen Völker derjenigen Regionen, die dazu gehörten, sowohl in den
entsprechenden Ländern wie auch im Westen sprunghaft zu. Das hängt auch
damit zusammen, daß Kontakte zu Personen und Einrichtungen und auch der
Zugang zu Bibliotheken und Archiven leichter geworden sind. Zu den neuen Mög¬
lichkeiten gehört auch, gemeinsame Projekte mit Wissenschaftlern aus den GUS-
Staaten durchzuführen. Der vorliegende Band ist aus einem solchen Projekt her¬
vorgegangen.
Der Schwerpunkt der Publikation liegt regional im Wolga-Ural-Gebiet (Tatar¬
stan und Baschkortostan); weitere Beiträge beziehen sich auf Dagestan (Kauka¬
sus) und Uzbekistan; andere Gebiete kommen nur am Rande vor. Daher über¬
rascht nicht, daß ein Hauptthema die Auseinandersetzung mit der russischen
Herrschaft ist, sowohl in dem Sinne, wie sich vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhun¬
dert (sprich: bis zur Oktoberrevolution) einzelne Muslime bzw. Bewegungen von
Muslimen mit den russischen Ansprüchen auseinandergesetzt haben, als auch in
dem Sinne, daß diese Auseinandersetzung weitergeführt wird, nun allerdings als
Kritik am sowjetischen Wissenschaftsbetrieb und den in ihm „offiziellen" Positio¬
nen. Die Kritik an .sowjetischen Lehrmeinungen erfolgt dabei ihrerseits gelegent¬
lich von einem vielleicht eher als nationalistisch zu charakterisierenden Stand¬
punkt. Wertungen von Personen und Bewegungen sind dabei durchaus einge¬
schlossen; der Band zeigt auf, wie weit es gelungen ist, sich von der sowjetischen
Tradition zu lösen, aber an manchen Stellen auch, wo man dieser durchaus ver¬
haftet bleibt.
Es können auf knappem Raum unmöglich alle 19 Beiträge gewürdigt, nieht ein¬
mal erwähnt werden; ich greife hier solche heraus, die mir besonders nützlich
oder aus einem anderen Grund erwähnenswert erschienen. M. Usmanov und A.
R. SixsAiDOV informieren über Handschriften (Sammlungstätigkeit) in Tatarstan
und Dagestan. Neue Betrachtungen bekannter Persönlichkeiten, relativierende
Kritik von Quellen ist das Anliegen zahlreicher Autoren des Bandes, darunter
I. GiLYAZov, M. Kemper, A. v. Kügelgen. A. Muminovs Beitrag besticht durch
das Feldmaterial zur Heiligenverehrung am Syr Darya; B. Babadzanov verdient
Hervorhebung, weil er mit seiner Studie zur Naqsbandiyya im 18. und 19. Jahr¬
hundert Neuland betritt.
Ein anregender Band, der über Stand und Entwicklungslinien der entsprechen¬
den Forschung in der GUS, besonders in den noch zur Russisehen Föderation
gehörenden Gebieten (Wolga-Ural, Dagestan), wertvolle Informationen bietet.
Den Herausgebern - die aueh das Gros der Beiträge ins Deutsehe und Englische
übersetzt haben - gebührt Dank für ein gelungenes Projekt. J.P.
Kurzbesprechungen 451
Fei Hsin: Hsing-ch'a sheng-lan. Translated by J. V. G. Mills, The Overall Sur¬
vey of the Star Raft. Roderich Ptak (Hrsg.). Wiesbaden: Harrassowitz
1996. 153 S. (South China and Maritime Asia. 4) ISBN 3-447-03798-9.
J. V. G. Mills war Spezialist für die Geschichte des „maritimen Asien". Im Falle Chinas stützte er sich vor allem auf mingzeitliche Quellen des historisch-geogra¬
phischen und ethnographischen Genres (li-shih ti-li), sofern sie in Verbindung ste¬
hen mit den maritimen Expeditionen Cheng Ho's und dem mingzeitlichen Seehan¬
del. Nach dem Tod von J. V. G. Mills (1987) konnte der Herausgeber, dank des
Interesses und der vorzüglichen Kooperation des Needham Research Institute
(Cambridge/UK), das unveröffentlichte Manuskript einer Übersetzung des Hsing-
ch'a sheng-lan von Fei Hsin (vmtl. 1385-1436) einsehen, bearbeiten, revidieren
und publizieren. Der Herausgeber diskutiert akribisch genau die Daten, Fakten,
Mutmaßungen und gesicherten Erkenntnisse zu den diversen Editionen des Tex¬
tes bzw. seinen bibliographischen Aspekten, zu den historischen Hintergründen,
wie z. B. der tatsächlichen oder vermuteten Teilnahme Fei Hsin's an maritimen
Expeditionen, zum Lebenslauf Fei Hsin's und der Übersetzung J. V. G. Mills' (S.
7-23). Der Hauptteil des vorliegenden Buches enthält die vollständige Überset¬
zung und detaillierte Annotierung des genannten Textes mit seinen 44 Kurzbe¬
schreibungen von Ländern und Orten im Bereich des südchinesischen Meeres und
des Pazifik, d. h. von Taiwan und den Ryükyü Inseln, von Champa (mod.: Nord-
Vietnam) bis hin nach Mekka. Die umfangreiche Bibliographie, eine chinesische
Zeichenliste sowie ein Index und eine Landkarte, aufder die beschriebenen Regio¬
nen und Orte verzeichnet sind, beschließen dieses Buch. Es besitzt einen äußerst
vielseitigen Informationswert. Vor allem wird deutlich, in welch hohem Maße
China (und das nicht nur seit der Ming-Zeit) über seine Küsten hinaus und über
den Pazifik in die angrenzenden Regionen vorzustoßen bemüht war, um Erkennt¬
nisse, ökonomische Verbindungen und Einfluß zu erlangen. Das vorliegende Buch
ist ein höchst wertvoller Beitrag zur chinesisehen Kulturgeschichte, indem das
Hsing-ch'a sheng-lan in spezifischer Weise selektiv und interpretativ über entle¬
gene, teils pazifische Kulturen Auskunft gibt. F. C. R.
Satoko Yoshie: Säri Dialeet. Tokyo: Institute for the Study of Languages and
Cultures of Asia and Africa 1996. iv u. 151 S. (Studia Culturae Islamicae No.
56, Iranian Studies No. 10). ISSN 1340-5306.
Obwohl die „Kaspischen Dialekte" (d. h. Gilaki, Mäzandaräni) zu den besser
erforschten iranischen Dialektgruppen gehören, fehlt es auch hier noch an grund¬
legenden Arbeiten zu vielen Einzeldialekten. Die Verfasserin legt die erste kurze
Grammatik zum Mäzandaräni-Dialekt von Säri in einer europäischen Sprache vor
(1995 ist auf Persisch eine Beschreibung von Sokri erschienen). Einer kurzen Ein¬
leitung (S. 1-3) folgen Phonologie (S. 5-13) und eine traditionell naeh Wortarten
gegliederte Morphologie (S. 14-52, davon allein Verben: S. 25-52), weiter 4
Schwänke bzw. kurze Märchen (S. 53-69, parallel Säri - Englisch) und schließlich
der lexikahsche Teil: ein naeh Sachgruppen geordnetes Wörterverzeichnis (S. Ti¬
ll 0, Englisch - Säri - Persisch) und zwei alphabetisch angeordnete Wortindices (Säri S. 112-136, Englisch S. 137-150).
Insgesamt bietet der grammatische Teil des Buches, trotz einiger kleiner Unge¬
reimtheiten und Lücken, einen verläßlichen ersten Überblick über Phonologie
und Morphologie des Säri. So taucht der „glottal stop" (') nicht im Phonemsystem (S. 5) auf, aber auf S. 7, wird jedoch erst auf S. 11 erklärt. Angaben zur Länge der Vokale fehlen (S. 8), und der Satz „postvoealic h is unpronounced" (S. 7) sagt eigentlich nichts über die Phonologie des Säri, sondern nur über die Aussprache
persischer {Lehn)wörter im Säri aus (und würde somit in den Abschnitt 1.3, S.
9 ff, gehören). In der Morphologie wäre es interessant gewesen, etwas mehr über
das Reflexivum se und dessen Verhältnis zu xod (S. 18) oder über die ungewöhnli¬
che funktionale Bandbreite der Postposition re (indirektes Objekt, bestimmtes
direktes Objekt, S. 22; aber S. 23: auch je für indirektes Objekt?) zu erfahren. Die
ausführlichen Tabellen zu Verbalstämmen (S. 27-29) und zur Bildung der Tem¬
pora (S. 40-48) sind sehr nützlich, wenngleich es insgesamt ein an Übersichtlich¬
keit fehlt. Sehr begrüßenswert sind die Dialekttexte, und der Dialektologe wird
auch das den Grundwortschatz abdeckende Wörterverzeichnis und die bei¬
den Indices in jedem Falle zu schätzen wissen. L. P.
Küsyär Ibn Labbän's Introduction to Astrology. Edited and Translated by
Michio Yano. Tokyo: Institute for the Study of Languages and Cultures of
Asia and Africa, 1997. XXVIII and 319 S. (Studia Culturae Islamicae. 62).
ISSN 1340-5306.
Diese Arbeit, eine 1996 von der Universität Kyoto angenommene Dissertation,
enthält eine Edition des arabisehen Textes und dessen Übersetzung ins Eng¬
lische. Küsjärs Einführung in die Astrologie wurde 1383 ins Chinesisehe über¬
setzt und fand daher schon mehrfach die Aufmerksamkeit japanischer Gelehr¬
ter. Wie M. Yano feststellt, gibt es eine Reihe inhaltlicher Abweichungen des
chinesischen (als Anhang beigegebenen) Textes vom arabischen Original. So feh¬
len geographische Namen der arabisehen Version, desgleichen ein Kapitel, das
bereits gute Kenntnisse der Mathematik voraussetzt und wohl von den chinesi¬
sehen Übersetzern Anfängern nicht zugemutet wurde; KüSjär schrieb um 1000,
die Übersetzer haben jedoch Beispiele für Horoskope in den Text aufgenommen,
die ihnen zeitlich näher lagen. Die arabische Edition basiert auf neun Hand¬
schriften. Der gesamte Fachwortschatz ist durch ein arabisch-chinesisch-eng¬
lisches Belegstellenverzeichnis erschlossen. Jedem, der sich in dieses für die
islamisehe Kultur so wichtige Sachgebiet einarbeiten möchte, gibt Yano hiermit
ein vorzügliches Werkzeug an die Hand. T. N.
453
GESCHÄFTSBERICHTE
Bericht über die Allgemeine Versammlung
der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft
am 21. April 1996 in Mainz
Der Erste Vorsitzende, Herr Professor Jungraithmayr, eröffnet um 14.10 Uhr
im Raum „Hildegard" des Erbacher Hofes in Mainz die Versammlung (Anlage 1:
Liste der Teilnehmer) und begrüßt dabei besonders das Ehepaar Roemer. Die
Anwesenden gedenken der seit der letzten Allgemeinen Versammlung verstorbe¬
nen Mitglieder: Herr Professor Alexander Böhlig, Herr Friedhelm Docken¬
dorff, Frau Professor Annelies Kammenhuber, Herr Professor Josef Kuk-
KERTZ.
Danach tritt die Allgemeine Versammlung in die Tagesordnung ein.
(1) Die Herren Dr. Hein und Dr. Muth werden zu Protokollführern bestellt.
{2a) Der Erste Geschäftsführer, Herr Hake, verhest den Geschäftsbericht
(Anlage 2). Ein leichter Mitgliederzuwachs ist zu verzeichnen. Bei den Vordruk- ken für die Mitgliedsbeiträge soll der Vermerk „gemeinnützig" wieder erschei¬
nen.
(2b) In Vertretung des abwesenden Schatzmeisters trägt der Erste Geschäfts¬
führer, Herr Hake, den vorläufigen Kassenbericht für das Jahr 1995 vor (Anlage
3). Eine Minderung des Defizits ist zu verzeichnen.
(2c) Der Erste Geschäftsführer, Herr Hake, erstattet den Bibliotheksbericht
(Anlage 4). Der Vorstand spricht im Namen der Allgemeinen Versammlung
Herrn Professor Leder seinen Dank für die Betreuung der DMG-Bibliothek in
Halle a.d. Saale aus.
(3) Das Protokoll über die vorläufige Kassenprüfung für das Jahr 1995 verliest
in Vertretung des abwesenden Schatzmeisters der Erste Geschäftsführer, Herr
Hake (Anlage 5). Da die Kassenprüfung wegen der noch ausstehenden Abrech¬
nung des Deutschen Orientalisten tages 1995 in Leipzig unvollständig ist, kann
laut Auskunft von Herrn Smets der vollständige Kassenbericht erst in etwa vier
Wochen erstellt werden.
(4) Auf Antrag von Herrn Professor Wagner erteilt die Allgemeine Versamm¬
lung dem Vorstand per Akklamation Entlastung. Im Namen des Vorstandes
dankt der Erste Vorsitzende, Herr Professor Jungraithmayr, für das entgegen¬
gebrachte Vertrauen.
(5) Dem Vorschlag des Schatzmeisters, vorgetragen dureh den Ersten
Geschäftsführer, Herrn Hake, den Mitgliedsbeitrag für das Jahr 1997 fortzu¬
schreiben, stimmt die Allgemeine Versammlung zu. Auf Anfrage werden die ein¬
zelnen Beitragssätze (Mitglieder in den alten Bundesländern 110,— DM, in den
neuen Bundesländern 80,— DM; studentische Mitglieder in den alten Bundes-