Pharmageschäft von Hoechst
Die Töchter sollen enger zusammenrücken
Der Frankfurter Hoechst-Konzern ist mit dem bisherigen Geschäftsverlauf im Pharmabereich zufrieden. Weltweit erhöhte sich der Umsatz im ersten Halbjahr 1994 auf gut 5 Milliarden DM, das heißt um 11,5 Prozent gegenüber dem Vor- jahreszeitraum. Die gemeinsame HIV-Forschung
mit Bayer erbrachte offenbar erste Ergebnisse.
Etliche Medikamente befinden sich im Stadium der klinischen Erprobung. Allerdings hat die Ge- schäftsführung umfangreiche Sparmaßnahmen beschlossen, um den gesundheitspolitischen Rah- menbedingungen Rechnung zu tragen.
VARIA WIRTSCHAFT
Zur Umsatzsteigerung von Hoechst Pharma im er- sten Halbjahr 1994 haben die Geschäfte im Ausland mit 13,4 Prozent beigetragen.
Schwierig bleibt die Situation in Frankreich, Italien und Spanien, wo derzeit ebenfalls gesundheitspolitische Spar- maßnahmen umgesetzt wer- den. Das Pharmageschäft in Deutschland hat sich leicht erholt (+ 3,8 Prozent). Insge- samt rechnet man bei Hoechst für 1994 mit einem Gewinn von 14 Prozent.
Bei der Pressekonferenz in Frankfurt äußerte sich Vorstandsmitglied Dr. rer.
nat. Karl-Gerhard Seifert kritisch zur Gesundheitspoli- tik in Deutschland. Man kön- ne es sich eigentlich nicht lei- sten, eine der letzten wettbe- werbsfähigen und zukunftssi- cheren Branchen aus Deutschland zu vergraulen.
„Wenn ich allerdings unsere Zahlen der neueingestellten Naturwissenschaftler in den letzten Jahren betrachte, dann sind wir auf dem besten Weg dazu: 1992 waren es 54, 1993 nur noch 34, und dieses Jahr wird Hoechst Pharma nur noch 12 Naturwissen- schaftler einstellen."
Die Anpassung an die ge- sundheitspolitischen Verhält- nisse erfordert noch sehr viel weitergehende Maßnahmen.
Jean-Pierre Godard, Leiter des Geschäftsbereichs Phar- ma, erläuterte, daß Hoechst weltweit Kostensenkungen anstrebe. So sollen beispiels- weise Produkte vermehrt nur noch an einem Ort herge-
stellt werden und nicht län- ger an mehreren. Würde ei- ner der wichtigsten Grund- stoffe beispielsweise nur noch in Hoechst produziert, ließen sich 25 bis 30 Millio- nen DM pro Jahr sparen.
Weiterhin ist geplant, er- hebliche Teile des Konzerns stärker zu vernetzen. So sol- len die Aktivitäten von Hoechst und Roussel Uclaf in Europa stärker gebündelt werden. Außerdem werden sie in einigen Ländern Euro- pas zu Gemeinschaftsunter- nehmen vereinigt. Die unter- schiedlichen Marken sollen allerdings beibehalten wer- den.
Insgesamt will Hoechst 1994 und 1995 rund 200 Mi- lionen DM einsparen. Des- halb werden auch 800 Stellen
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Anteil am Gesamtexport
gestrichen. Das Unterneh- men hat andererseits nach den Ausführungen von Go- dard zahlreiche Projekte ge- startet, um seine Geschäfte auszubauen, beispielsweise Kooperationen in Osteuropa und China oder die Auswei- tung des Generikageschäfts.
Von den Sparmaßnahmen im Pharmabereich sind auch Projekte in Forschung und Entwicklung betroffen. Die klinische Forschung wird derzeit optimiert, um die Er- probungszeit für neue Medi- kamente um bis zu 40 Pro- zent zu verkürzen. In diesem Bereich investiert Hoechst ein Drittel der Gesamtkosten für die Pharmaforschung und -entwicklung. Im vergange- nen Jahr waren es rund 500 Millionen DM.
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Insgesamt stellte Hoechst zahlreiche neue Wirkstoffe und Produkte in Aussicht. So verwies Vorstandsmitglied Dr. rer. nat. Karl-Gerhard Seifert auf die Substanz HOE 490, für die man gera- de die Zulassung beantragt habe. Mit diesem Medika- ment sollen Diabetiker des Typs II behandelt werden.
Einen umfassenderen Einblick in die weltweite kli- nische Forschung von Hoechst gab ihre Leiterin, Dr. med. Rotraut Labs. In der klinischen Erprobung be- finden sich demnach zur Zeit unter anderem
— Pirsidomin, nach den Worten von Dr. Labs „der einzige direkte Stickoxid- Donor weltweit". Durch die Freisetzung von NO werden krankhaft verengte Herz- kranzgefäße entspannt und erweitert;
—Hirudin, eine gentechni- sche Nachahmung des Stof- fes, mit dem Blutegel bei ih- rer Tätigkeit die Gerinnung des Blutes verhindern. Die Substanz soll bei Herzer- krankungen und Thrombo- sen eingesetzt werden;
— Besipirdin gegen die Auswirkungen der Alzhei- merschen Krankheit sowie Propentofyllin, das gegen verschiedenste Formen der Demenz helfen soll.
Zwei weitere Substanzen dienen der Behandlung von Leberzirrhosen und rheuma- tischen Erkrankungen.
Über Wirkstoffe, die noch nicht klinisch erprobt wer- den, berichtete Dr. rer. nat.
Jürgen Reden, Leiter der Pharma-Forschung. Er ver- wies darauf, daß keine Phar- mafirma mehr in der Lage sei, alle wichtigen Indikati- onsgebiete alleine zu bear- beiten. Entweder müsse man Gebiete aufgeben oder Alli- anzen bilden. Hoechst ko- operiert zur Zeit, besonders intensiv mit Unternehmen der Bio- und Gentechnolo- gie. Außerdem wurde ge- meinsam mit Bayer ein HIV- Programm aufgelegt, dessen erste Forschungsergebnisse zum Jahresende veröffent- licht werden. Sabine Dauth
Quelle BPI
Im vergangenen Jahr steigerte die deutsche Pharmaindustrie den Gesamt- exportwert um 8,1 Prozent auf 13,9 Milliarden DM. Mit Abstand der wich- tigste Markt für deutsche Arzneimittel ist — neben dem Inlandsmarkt — Westeuropa. In diese Region gehen mehr als 60 Prozent aller deutschen Ex- porte, allein in die Schweiz über 11 Prozent. Quelle: BPI
Deutsche Pharma-Exporte 1993
— die wichtigsten Abnehmerländer —
4.9% 6 2% 6.5% 6.5% 6 5% 6,7% 10,1% 11 3%
Ösen.. Großbrtt Frankr. Italien
94 09 300 ©imu
A-2696 (80) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 40, 7. Oktober 1994