Einer finnischen Studie zu- folge schätzen Ärzte den Schmerz ihrer Patienten häu- fig falsch ein. Dies gilt umso mehr, je stärker die Schmer- zen sind. Bei Patienten, die ihre Schmerzen auf der 10 Zentimeter langen visu- ellen Analogskala (VAS) zwi- schen 8,1 und 10 Zentime- ter einstuften (Grad 5 = stärk- ster vorstellbarer Schmerz), schätzten 44 Prozent der Hausärzte die Beschwerden um mindestens zwei Grade geringer ein (Mäntyselka et al.: British Journal of General Practice 2001; 51: 995).
Die fatale Konsequenz: Die Schmerztherapie ist oft unzu- reichend, sodass sich aus Akutschmerzen ein chroni- sches Schmerzsyndrom ent- wickeln kann. „Nur wer den Schmerz misst, kann ihn auch richtig behandeln“, kon- statierte Dr. Gerhard Mül- ler-Schwefe (Oberursel); er forderte die routinemäßige Schmerzmessung in Praxen, Pflegeheimen und Kranken- häusern.
Die Wirklichkeit in Deutsch- land sieht jedoch anders aus, wie eine Befragung von 150 Allgemeinärzten und 100 Or- thopäden mit hohem Anteil von Schmerzpatienten in ih- rer Praxis verdeutlicht: Zwar kannten neun von zehn Ärz- ten die VAS, und drei Viertel hielten sie auch geeignet für eine akkurate Erfassung der Schmerzintensität. Dennoch setzten 43 Prozent der befrag- ten Ärzte ein solches Instru- ment nicht ein. Immerhin hät- ten 42 Prozent der Ärzte an- gegeben, Schmerzskalen zur Therapiekontrolle zu verwen- den, berichtete Prof. Bernd Tischer (Pullach).
Auch bei der Erstanamnese kommen diese Skalen äußerst selten zum Einsatz – nämlich nur bei einem knappen Viertel der befragten Ärzte (23 Pro-
zent). Diese vertrauen eher auf das Gespräch mit dem Pa- tienten über seine Schmerz- geschichte; auch körperliche Untersuchungen und bildge- bende Verfahren – wie zum Beispiel Röntgen und die Computertomographie – ha- ben einen hohen Stellenwert.
Schmerzskalen werden jedoch nur selten eingesetzt.
„Die Schmerzmessung mit- hilfe von Skalen muss Stan- dard werden, um Patienten besser helfen zu können“, for-
derte Dr. Marianne Koch, Präsidentin der Deutschen Schmerzliga. Daher starten diese Patientenvereinigung und das Schmerztherapeuti- sche Kolloquium – Deutsche Schmerzgesellschaft bundes- weit die Aufklärungsaktion
„Schmerz messen“. Die Akti- on wendet sich an Ärzte, Mit- arbeiter von Heilberufen und Patienten mit dem Ziel, die Schmerzmessung mit der in zahlreichen Studien validier- ten VAS routinemäßig in Pra- xen anzuwenden.
Nach einer repräsentativen Umfrage von EMNID im Mai 2002 an mehr als 3 000 Perso- nen ab 14 Jahren: Es leidet im Mittel fast ein Viertel der Deutschen (24 Prozent) an chronischen, das heißt dauer- haften oder immer wieder-
kehrenden und seit minde- stens sechs Monaten bestehen- den, Schmerzen, wobei Kopf- schmerzen bei der Befragung ausdrücklich ausgeschlossen waren. Besonders Ältere sind betroffen: Bei den 50- bis 59- Jährigen sind es 29 Prozent, bei den über 60-Jährigen sogar 38 Prozent, die über dauerhaf- te Schmerzen klagen.
Dr. Katharina Arnheim
Informationen über die Initiative
„Schmerz messen“, die von Mundiphar- ma unterstützt wird, sind im Internet unter www.schmerzmessen.de abruf- bar. Außerdem kann unter „Initiative Schmerz messen“ (Postfach 13 50, 65533 Limburg oder über Fax: 0 64 31/
70 12 92) ein Aktionspaket angefordert werden. Es enthält Schmerzskalen und Schmerztagebücher, die Broschüre
„Schmerz messen“ und ein Plakat für das Wartezimmer.
V A R I A
A
A2270 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002
Optimierte Analgesie
Schmerzmessung sollte Standard werden
Unternehmen
Die negativen Symptome ei- ner Schizophrenie, wie zum Beispiel affektive Verarmung und Rückzug und die kogniti- ven Probleme, bestimmen die soziale Integrationsfähigkeit und die Langzeitprognose des Patienten viel entscheidender als die positiven Symptome.
Sie müssen deshalb ebenfalls behandelt werden. Möglich ist dies erst mit den modernen atypischen Neuroleptika ge- worden. Diese Substanzen er- füllen auch die Forderung ei- ner guten Verträglichkeit – die Voraussetzung dafür, dass der Patient eine Langzeit- therapie überhaupt ertragen kann.
„Die Modernität in der Schizophrenie-Therapie be- gann mit Clozapin“, erinner- te Prof. Hans-Jürgen Möller (München). Auch heute noch sei Clozapin für den Patien- ten vorteilhaft, weil unter der Behandlung keine extrapy- ramidalmotorischen Sympto- me auftreten. Die breite Wir- kung gegen das Symptomen- spektrum der Schizophrenie
und die gute Verträglichkeit haben Clozapin auch nach Erkenntnis von Dr. Albert Zacher (Watmarkt) zu einem Praxisfavoriten gemacht, ob- wohl dem einige Hürden im Wege stehen. Zu Beginn hät- te das Risiko für Agranulozy- tosen fast dazu geführt, dass Clozapin wieder vom Markt verschwand.
Durch Einführung einer Sonderregelung für eine kon- trollierte Anwendung 1974 konnte die Substanz für die Psychiatrie erhalten werden.
Folgende Vorgaben sind zu erfüllen: Die Verordnung muss an die Herstellerfirma gemel- det werden. Der Patient muss aufgeklärt werden und ein- willigen. Blutbildkontrollen, zu denen der Arzt sich schrift- lich verpflichten muss, be- gleiten die Therapie. Die Er- gebnisse müssen dokumen- tiert und Nebenwirkungen gemeldet werden. Die Apo- theke muss das Medikament über einen Sondervertriebs- weg bestellen. Die Sonderre- gelung für Clozapin ist vor
dem Hintergrund zu verste- hen, dass es damals noch kei- ne allgemeinen gesetzlichen Regelungen zur Arzneimit- telsicherheit gab. Das gülti- ge Arzneimittelgesetz hat ei- nige Punkte der Sonderrege- lung eigentlich überflüssig ge- macht.
Für Clozapin-Hexal® er- hielt die Firma Hexal vom BfArM die Genehmigung, den Sondervertriebsweg, die Verpflichtungserklärung des Arztes und die Anmeldung der Verordnung beim Her- steller entfallen zu lassen.
Clozapin-Hexal kann als er- stes Clozapin-Präparat – wie jedes andere Medikament – vom Arzt rezeptiert und von der Apotheke abgegeben werden. Blutbildkontrollen, Meldung von auftretenden Nebenwirkungen und Doku- mentation bleiben weiterhin erforderlich.
Dr. med. Angelika Bischoff
Pressegespräch „Clozapin – bewährte Substanz auf neuem Weg“ der Neuro He- xal AG in München