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Archiv "Knöchel-Arm-Index: Ein wegweisender Risikomarker für die hausärztliche Praxis" (29.08.2005)

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K

ardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in den industrialisierten Ländern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren in Deutschland im Jahr 2003 10,7 Prozent aller Sterbefälle auf die chroni- sche ischämische Herzkrankheit, 7,5 Prozent auf den akuten Myokardinfarkt und 4,4 Prozent auf den Schlaganfall zurückzuführen (36). Außerdem sind kardiovaskuläre Erkrankungen häufig Ursache von Invalidität, und sie sind mit einem hohen Leidensdruck für die Pati- enten verbunden.

Um Hochrisikopatienten zu erken- nen und gezielt zu behandeln, versucht man oftmals, das individuelle Risiko die- ser Patienten mithilfe von Bewertungs- skalen zu bestimmen. Damit gelingt es aber nur, etwa die Hälfte der Patienten mit einem späteren Ereignis zu identifi- zieren (4). Vor diesem Hintergrund er- scheint ein direktes Screening auf Athe- rosklerose sinnvoll. Ein noch weithin unbekannter und ungenutzter, aber effi- zienter Ansatz ist die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ABI, „ankle bra- chial index“). Ein erniedrigter Wert kor- reliert sehr eng mit einer peripheren ar- teriellen Verschlusskrankheit (PAVK).

Bestimmung des Knöchel-Arm-Index

Im Kasten werden die Vorbereitung und der Ablauf der ABI-Bestimmung beschrieben. Die Untersuchung ist ein-

fach zu erlernen; sie erfordert keine be- sonderen Vorbereitungen und dauert nur etwa 10 min (2, 11).

Üblicherweise entspricht beim lie- genden Patienten der systolische Blut- druck (SBD) in den unteren Extre- mitäten dem der A. brachialis, oder er ist etwas höher. Folglich berechnet sich bei gefäßgesunden Patienten ein Quotient von 1 aus dem SBD am Knöchel geteilt durch den SBD am Arm (Grafik 1). Andererseits ist bei verengten Unterschenkelarterien und vermindertem SBD am Knöchel der ABI erniedrigt. Ein Wert unter 0,9 gilt nach üblicher Konvention als patholo- gisch (7, 9).

Prognostische Bedeutung

Die PAVK ist nur selten eine isolierte Erkrankung und viel häufiger die Ma- nifestation einer generalisierten Athe- rosklerose, bei der sich progredient auch das Lumen der peripheren Bein- arterien durch atherosklerotische Pla- ques verschließt. Etwa 60 Prozent der Patienten mit einer PAVK wiesen auch eine signifikante Erkrankung der kardialen oder zerebralen Zirkulation auf (9).

Während die Ärzte nach der vor- herrschenden Einschätzung eine PA- VK vor allem mit einem hohen Ampu- tationsrisiko verknüpfen (welches tat- sächlich nur zwei Prozent binnen fünf Jahren beträgt [9]), liegt die tatsächli- che Gefährdung dieser Patienten in dem drastisch erhöhten kardiovas- kulären Risiko.

Gezeigt wurde dies in einer Reihe von Studien mit der Bestimmung des ABI, der – nach seiner erstmaligen Be- schreibung in den 1950er-Jahren – vor allem in den letzten 15 Jahren in um- fangreichen epidemiologischen Erhe- bungen verwendet und mit verschie- denen klinischen Endpunkten korre- liert wurde. In mehreren Studien wird über die erhöhte kombinierte Inzi-

Knöchel-Arm-Index

Ein wegweisender Risikomarker für die hausärztliche Praxis

Zusammenfassung

Zahlreiche Studien belegen einen Zusammen- hang zwischen der peripheren arteriellen Ver- schlusskrankheit (PAVK) und einem deutlich er- höhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.

Patienten mit PAVK haben eine dramatisch ver- kürzte Lebenserwartung, die unter der von Pa- tienten mit Brustkrebs oder Morbus Hodgkin liegt. Dennoch ist die PAVK bislang unterdia- gnostiziert, weil nur ein Drittel der betroffenen Patienten identifiziert wird. Die Krankheit wird, wie neuere Studien zeigen, auch nicht ausreichend therapiert. Mit der Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ABI, „ankle brachial index“) kann die PAVK als aussagekräftiger Marker für die generalisierte Atherosklerose einfach und zuverlässig diagnostiziert werden, auch wenn sie noch nicht symptomatisch ist.

Deshalb sollte der ABI als Screeninguntersu- chung einen festen Platz in der hausärztlichen Routine finden.

Schlüsselwörter: hausärztliche Versorgung, Knöchel-Arm-Index, periphere arterielle Ver- schlusskrankheit, kardiovaskuläres Risiko, Mor- talität

Summary

Ankle Brachial Index: a Pathbreaking Risk Marker for Peripheral Arterial Disease in Primary Care

Numerous studies confirm the association between peripheral arterial disease (PAD) and a substantially increased cardiovascular risk.

The life expectancy of PAD patients is drama- tically reduced and is lower than that of pa- tients with breast cancer or Hodgkin´s dis- ease. However, PAD is being underdiagnosed, as only a third of all patients are identified. In addition, the disease is also undertreated, as current studies have shown. The ankle brachi- al index (ABI) can be used to diagnose PAD as a strong marker for generalised atherosclero- sis, even in asymptomatic patients. Thus, the ABI should be implemented as a screening tool into daily practice.

Key words: primary care, ankle brachial index, peripheral arterial disease, cardiovascular risk, mortality

1Klinikum Karlsbad-Langensteinbach (Direktor: Prof. Dr.

med. Curt Diehm), Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg

2Klinik für Innere Medizin, -Kardiologie und konservati- ve Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Harald Dari- us), Vivants Klinikum Berlin-Neukölln

3Institut für Klinische Pharmakologie, Forschungsver- bund Public Health, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Wilhelm Kirch), Technische Universität Dresden

4Abteilung für Gefäßchirurgie, Chirurgische Univer- sitätsklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Jens R. Allenberg), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Curt Diehm1, Harald Darius2 David Pittrow3, Jens R. Allenberg4

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denz der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität berichtet, die mit ei- nem erniedrigten ABI assoziiert war (30–32). Weitere Studien belegten, dass ein niedriger ABI einen hohen prädiktiven Wert für eine erhöhte Mortalität insgesamt sowie für die Mortalität von koronaren und zere- brovaskulären Ursachen besitzt (6, 27, 39).

Um dies zu veranschaulichen, gibt die Tabelle einen Überblick über die nach Auffassung der Autoren wichtig- sten Studien zum erhöhten Morta- litätsrisiko, das mit einer (mit ABI be- stimmten) PAVK einhergeht. Diese Erhöhungen sind dramatisch, wie die American Heart Association betont (11): So ermittelten Criqui et al. bei Personen mit einem mittleren Alter von 66 Jahren ein über sechsfach er- höhtes relatives Risiko, an einer KHK

oder einem Schlaganfall zu sterben, beziehungsweise ein dreifach erhöhtes Sterberisiko insgesamt (6). Damit sterben etwa 55 Prozent der Patienten an einer KHK, 10 Prozent am Schlag- anfall, weniger als 10 Prozent an vas- kulären Ursachen wie einem ruptu- rierten Aortenaneurysma und 25 Pro- zent an nichtvaskulären Ursachen (9).

Es ist hervorzuheben, dass ein erhöh- tes Risiko selbst dann bestehen bleibt, wenn man aus der Analyse die Patien- ten mit bekannten kardio- und ze- rebrovaskulären Erkrankungen aus- schließt beziehungsweise nach den bekannten üblichen Risikofaktoren wie Blutdruck, Cholesterin, Rauchen und Übergewicht statistisch adjustiert.

Die Lebenserwartung der Patienten sinkt mit dem zunehmenden Schwere- grad der PAVK drastisch. Die Todes- ursachenstatistik belegt, dass Patien-

ten mit PAVK eine niedrigere 5-Jah- res-Überlebensrate haben als solche mit Brustkrebs oder Morbus Hodgkin (20).

Situation in der hausärztlichen Praxis

Die Aussagen zur Prävalenz der PAVK und zum Ausmaß der Risikoerhöhung der betroffenen Patienten basieren vielfach auf Studien mit ausgewählten Patienten. Da die Patienten mit PAVK aber vorrangig vom Hausarzt betreut werden, sind Daten aus dem primär- ärztlichen Bereich besonders interes- sant. Die von den Autoren derzeit durchgeführte „German Epidemiolo- gical Trial on Ankle Brachial Index“- Studie (getABI) schließt diese Lücke.

Das Design und die Zielsetzung dieser Versorgungsforschungsstudie wurden bereits ausführlich dargestellt (8, 37, 38). Seit Oktober 2001 wurden insge- samt 6 880 unselektierte Patienten (einziges Ausschlusskriterium war eine Lebenserwartung von weniger als 6 Monaten) im Alter von 65 Jahren von 344 Hausärzten bundesweit unter- sucht. Zur Qualitätssicherung wird ein Abgleich zwischen den Studiendaten und den Aufzeichnungen in der Kran- kenakte durch Studienmonitore vorge- nommen. Die Hauptziele dieser Studie sind die Bestimmung der Prävalenz der asymptomatischen und symptomati- schen PAVK, des Riskofaktorenprofils der betroffenen Patienten sowie des re- lativen Risikos für Tod und vaskuläre Ereignisse. Die Hausärzte wurden im Vorfeld der Studie bei 34 regionalen Prüfarzttreffen von Angiologen in der Bestimmung des ABI eingehend ge- schult und führten dann im Studien- verlauf die Messungen selbstständig durch. Die Patienten waren bei Studi- enbeginn im Mittel 72,9 Jahre alt, zu 42 Prozent männlich und zu 25,3 Prozent Diabetiker. Die Ergebnisse sind alar- mierend: etwa jeder fünfte ältere Pati- ent hatte einen ABI < 0,9 und damit ei- ne PAVK (insgesamt: 18,0 Prozent, Männer: 19,8 Prozent, Frauen: 16,8 Pro- zent) (8). Bei Diabetikern beträgt die Prävalenz sogar 26,3 Prozent (22). Zu beachten ist, dass diese Prävalenzanga- ben durch die konservative Berech-

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Prinzipien und Ablauf der Bestimmung des ABI

>>Benötigte Ausstattung: übliche

Blutdruckmanschette (zur Messung an allen 4 Extremitäten), Doppler- Sonde 8–10 MHz

>>Patient in liegender Position (Kopf

kann mit Kissen unterstützt wer- den), ruht circa 10 min.

>>Dopplersonographische Messung

des systolischen Blutdrucks über den Knöchelarterien: Messungen über A. tibialis posterior und der A.

tibialis anterior, jeweils beidseits.

Den höheren der beiden Drucke am selben Bein verwenden.

>>Dopplersonographische Messung

des systolischen Blutdrucks über der A. brachialis, wiederum beid- seits. Hier den Mittelwert verwen- den. Ausnahme ist ein Druckunter- schied von 10 mm Hg, dann den höheren Druck verwenden.

>>Separate Berechnung für jedes

Bein: höchster Knöcheldruck geteilt durch mittleren (bzw. höheren, wie bereits beschrieben) Armdruck

>>Interpretation: Falls der ABI < 0,9 in

einem Bein beträgt, besteht eine periphere arterielle Verschlus- skrankheit.*

*Schweregrade (6): 0,90 – 0,71 leichte PAVK; 0,70 – 0,41 mittelschwere PAVK;

0,40 schwere PAVK Kasten

Beispiel für die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index;

Die Vorbereitung und der Ablauf der Untersuchung wer- den im Kasten beschrieben. Der niedrigere ABI-Wert im Seitenvergleich ist die Grundlage für die Diagnose. Die Zahlen beziehen sich auf den systolischen Blutdruck (mm Hg).

Grafik 1

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nungsmethode niedrig ausfallen (21).

Nur ein Drittel der Patienten mit nied- rigem ABI hat die Symptome einer PAVK (Grafik 2). Die deutliche Risiko- erhöhung für diese Patienten wurde in der getABI-Studie – allerdings noch mit kurzer Nachuntersuchungszeit – bestätigt: Das Sterberisiko, unabhängig von der Todesursache, war nach ein und drei Jahren für die Patienten mit einer PAVK gegenüber denen ohne diese Er- krankung etwa dreifach erhöht. Auch nach Adjustierung für die bekannten Risikofaktoren war das Risiko für die PAVK-Patienten noch verdoppelt. Das Risiko für koronare Todesfälle war so- gar fast verfünffacht (23).

Vorteile und

Einschränkungen der ABI-Bestimmung

Ein ABI-Wert < 0,9 weist im Vergleich mit dem Angiogramm als Goldstan- dard mit einer Sensitivität von bis zu 95 Prozent auf eine PAVK hin und schließt umgekehrt die Erkrankung mit nahezu 100 Prozent Spezifität bei gesunden Personen aus (5, 9). Im Ver- gleich zu anderen bereits etablierten Screeningmaßnahmen, wie beispiels- weise dem Papanicolaou-Test (Spezi- fität 30 bis 87 Prozent; Sensitivität 86

bis 100 Prozent) (29), dem Hämoccult- Test (37 bis 78 Prozent; 87 bis 98 Pro- zent) (1) oder der Mammographie (75 bis 90 Prozent; 90 bis 95 Prozent) (10), sind die Spezifität und die Sensitivität des ABI höher (2). Bei gut geschulten Untersuchern ist die intraindividuelle Reproduzierbarkeit der Messergeb- nisse gut (19). Allerdings müssen die Einschränkungen des Verfahrens be- rücksichtigt werden: Beim Vorliegen von kalzifizierten Arterien, insbeson- dere bei Diabetikern (Mönckeberg- Mediasklerose) oder sehr alten Pati- enten werden wegen der Inkompressi- bilität der Arterien sehr hohe und da- mit irreführende ABI-Werte bestimmt (> 1,5) (26, 28). Hiervon sind in der hausärztlichen Praxis aber nur weni- ger als ein Prozent der Patienten be- troffen (8).

Patienten mit hochgradigen aorto- iliakalen Stenosen oder Verschlüssen können sich durch verzweigte Kollate- ralen mit einem normalen ABI präsen- tieren. Auch bei Patienten, die wegen bilateraler Stenosen der A. subclavia einen verminderten Druck in der A.

brachialis haben (manchmal bei Dia- betikern oder Patienten mit fortge- schrittener vaskulärer Erkrankung), ist der ABI irreführend und muss durch andere angiologische Untersu- chungen ersetzt werden.

Anwendbarkeit als Screeningmaßnahme

Zur Durchführung der ABI-Untersu- chung sind einfache und preiswerte Doppler-Ultraschallgeräte geeignet und oftmals bereits in den Praxen vorhan- den. Die ABI-Untersuchung ist nichtin- vasiv, kann ohne Vorbereitung des Pati- enten durchgeführt werden, und ist ko- stengünstig. Dabei ist zu beachten, dass derzeit noch keine spezifische Abrech- nungsziffer vergeben wurde. Wenn eine PAVK besteht, ermöglicht das Doppler- Ultraschallgerät bei einiger Übung auch die Lokalisation der Stenose, wobei die farbkodierte Duplexsonographie als nichtinvasive Alternative präzisere Aus- sagen zu Lokalisation, Schweregrad und Morphologie liefern kann (9).

Die ABI-Untersuchung kann pro- blemlos als zentrales Screeninginstru- ment für die Atherosklerose in der hausärztlichen Praxis, im fachärztli- chen Bereich sowie in der Klinik, im- plementiert werden, wie eine Reihe von PAVK-Screeninginitiativen in den USA etwa PARTNERS (15), Legs for Life, und das American Vascular Asso- ciation Screening Program (16), aber auch die deutsche getABI Studie oder das INVADE-Programm zeigen.

Die Patienten profitieren von der Diagnose, weil sie dann frühzeitiger

´ Tabelle 1

Assoziation zwischen PAVK (mit ABI bestimmt) und Mortalität jeglicher Ursache

Ort (Studie) Follow-up Studienteilnehmer Risikoerhöhung für Adjustierte Risikoerhöhung für

Publikationsjahr (Jahre) Tod bei Patienten mit Tod bei Patienten mit PAVK vs.

PAVK vs. ohne PAVK*1 ohne PAVK*1

USA, 1992 (11) 10 565 Personen (mittleres Alter 66 J.) Männer: RR 3,3 (KI: 1,9 – 6,0) gesamt: RR 3,1 (KI: 1,9 – 4,9) aus Allgemeinbevölkerung Frauen: RR 2,2 (KI: 1,2 – 5,9)

USA, 1993 (12) 13 1 027 Frauen und 903 Männer Männer: RR 2,2 (KI: 2,0 – 2,5) Männer: RR 1,8 (KI: 1,5 – 1,9) (> 50 J.) aus Angiologieambulanzen Frauen: RR 2,6 (KI: 2,3 – 2,9) Frauen: RR 1,3 (KI: 1,2 – 2,0) UK (Edinburg Artery 5 1 592 Personen (55 – 74 J.) aus RR 1,8 (KI: 1,3 – 2,4) RR 1,6 (KI: 1,1 – 2,2) Study), 1996 (36, 37) 11 Allgemeinarztpraxen

USA (SHEP-Substudy), 4 1 267 Studienteilnehmer (mittleres RR 2,8 (KI: 1,9 – 4,1) RR 2,8 (KI: 2,3 – 3,2)

1997 (9) Alter ca. 74 J.)

USA (Strong Heart 8 4 393 Amerikaner indianischer k. A. MR 2,3 (KI: 1,9 – 2,9)

Study), 2004 (38) Abstammung

Niederlande (Limburg 7 3 649 Hausarztpatienten k. A. HR 1,4 (KI: 1,1 – 1,8)

PAOD Study), 2004 (39) (40 – 78 J.)

Deutschland (getABI) 1*2 6 880 Hausarztpatienten ≥65 J. OR 2,7 (KI: 1,7 – 4,2) OR 2,0 (KI: 1,3 – 3,3) 2005 (16, 19)

KI, 95-Prozent-Konfidenzintervall; k.A., keine Angabe; RR, relatives Risiko; MR, Mortalitätsrisiko; HR, Hazard Ratio; OR, Odds ratio (adjustiert nach Alter und Geschlecht); J., Jahre;

*1Adjustierung nach weiteren bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren;*2 Studie läuft noch

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und gezielter behandelt werden kön- nen (9, 12). Mehr als 95 Prozent der Pa- tienten mit PAVK haben einen oder mehrere Risikofaktoren, die als Thera- pieziel infrage kommen (35). Aktuelle Daten zeigen, dass eine therapeutische Intervention bei PAVK die Ereignisra- ten senken kann, die Lebensqualität verbessert und auch Amputationen vorbeugt. Die Thrombozytenfunkti- onshemmung mit Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel (3), Senkung erhöh- ter Blutfette (13), Blutdruckkontrolle und weitere Maßnahmen (14) können die Ereignisraten verringern, wie es auch bei den anderen Manifestationen der Atherothrombose der Fall ist. Hier besteht aktueller Handlungsbedarf, weil die Patienten mit PAVK im Ver- gleich zu denen mit KHK deutlich sel- tener eine Sekundärprävention erhal- ten (15, 22, 33).

In den USA wird die Fachwelt und die Öffentlichkeit durch umfangreiche Programme (beispielsweise von Natio- nal Heart, Lung and Blood Institute) (16) über die Bedeutung der PAVK auf- geklärt. In Deutschland verfolgen In- itiativen wie die getABI-Studie oder

das INVADE-Programm (18) eine ähn- liche Zielsetzung, weil sie neben validen Daten auch eine Schulungskomponen- te beinhalten. Die Umsetzung der Stu- dienergebnisse in umfassende Screen- ingprogramme unter Verwendung des ABI, insbesondere für ältere Patienten oder Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren, ist eine vorrangige Auf- gabe zur Verbesserung der Gesund- heitsvorsorge.

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskript eingereicht: 24. 9. 2004, revidierte Fassung angenommen: 20. 12. 2004

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2310–2313 [Heft 34–35]

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 34–35⏐⏐29. August 2005 AA2313

Prävalenz der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit in der hausärztlichen Praxis, n = 6 880 Patienten (8). Quelle: German epidemiological trial on Ankle Brachial Index (getABI) 2001, mit freundlicher Genehmigung: Urban & Vogel GmbH, München

Grafik 2

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3405 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Curt Diehm SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach Guttmannstraße 1

76307 Karlsbad

E-Mail: Curt.Diehm@kkl.srh.de

MEDIZINGESCHICHTE(N) )

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

Elektrizität

Therapie der Vollblütigkeit

Zitat: „Nach unserem stahliani- schen [1] Lehrgebäude ist die Voll- blütigkeit die Mutter derer mehre- sten Kranckheiten. Wenn man die- selbe vermindern will, so muß man das überflüssige Blut durch den Schweiß oder Aderlassen [2] her- ausjagen. Jenes ist den mehresten beschwerlich und dieses fürchter- lich. Beydes aber kan man durch die Electrification überhoben seyn.

Durch diese wird eine grosse Men- ge schweflichter und saltziger Theil- chen aus unserm Cörper herausge- trieben. Weil nun das Blut meistens aus Schwefeltheilchen, welche mit einem alcalischen Saltze vermischt sind, besteht, so muß auch die Men- ge des Bluts nothwendig durch die Electrifiation vermindert werden.

[...] Man darf nicht befürchten, daß dieser Orgasmus des Bluts unserm Cörper Schaden zufügen könne, weil kein Schweiß darauf erfolget.

Denn bey der Electrification wer- den die Dämpfe [3] allzu geschwind aus unserm Cörper getrieben, und sind nicht mit so vielen wässerich- ten Theilen vermischt, welche sich auf der Haut anlegen und den Schweiß verursachen könten.“

Christian Gottlieb Kratzenstein: Abhandlung von dem Nutzen der Electricität in der Arzneywissen- schaft. In einem Schreiben an D.G.F.F. 2. vermehrte Auflage. Halle 1745, Seite 11. – Kratzenstein (1723–1795) promovierte in Halle. Er war dort un- ter anderem Schüler von Johann Gottlob Krüger (1715–1759), der als einer der ersten Ärzte die the- rapeutische Anwendung der Elektrizität, die in die- ser Zeit erstmals künstlich erzeugt werden konnte, zu Heilzwecken vorschlug. Kratzenstein war später Professor der Physik in Sankt Petersburg und ab 1753 Professor für Experimentalphysik und schließlich für Medizin der Universität in Kopenha- gen. – [1] Georg Ernst Stahl (1659–1734) war ein Vertreter des „Animismus“ (Seele als regulieren- des Prinzip) und eine Leitfigur der Halleschen Fa- kultät. [2] Als klassische Ausleitungsverfahren im Sinne der Humoralpathologie (Säftelehre). [3]

„Dämpfe“ (lateinisch: vapores; französisch: va- peurs) spielen im pathophysiologischen Denken der frühneuzeitlichen Medizin eine wichtige Rolle.

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Literaturverzeichnis Heft 34–35/2005, zu:

Knöchel-Arm-Index

Ein wegweisender Risikomarker für die hausärztliche Praxis

Curt Diehm1, Harald Darius2 David Pittrow3, Jens R. Allenberg4

Referenzen

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