• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hartmannbund: Kampf gegen die „Programm-Medizin“" (11.11.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hartmannbund: Kampf gegen die „Programm-Medizin“" (11.11.2005)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

F

ür den Hartmannbund (HB) sind vier zentrale Grundforderungen unverzichtbar: Erhaltung und Stär- kung der Freiberuflichkeit der Heilbe- rufe, ärztliche Therapiefreiheit und Unabhängigkeit, eine ausreichende wirtschaftliche Basis für die Ärzte und die freie Arztwahl. Daran dürfe bei der geforderten grundlegenden Re- form und einer langfristigen Neuju- stierung des Gesundheitssicherungs- systems nicht gerüttelt werden. Schließ- lich sei das Gesundheitswesen mit mehr als 4,2 Millionen Erwerbstätigen (13 Prozent) ein arbeitsmarktpolitisch unverzichtbarer „Beschäftigungsmotor“, der den medizinischen Fortschritt um- setzen und im internationalen Ver- gleich eine Vorbildfunktion behalten müsse. Durch die starre Budgetdek- kelung und eine sektorale Abschot- tung dürfe nicht ausgerechnet der Dienstleistungssektor abgewürgt wer-

den, der mehr als 13 Prozent zum Brut- tosozialprodukt beisteuert.

Der neue Bundesvorsitzende des Hartmannbundes (HB), der Hannove- raner Allgemeinarzt Dr.

med. Kuno Winn (60) MdL, versicherte, dass der Verband eine Chance ha- be, alle Kräfte zu bündeln und die Schlagkraft zu er- höhen, wenn realistische Forderungen und Projek- te an die Politik herange- tragen werden und sich der HB seiner Rolle als „Kampfverband“ und Interessenwahrer wirt- schaftlicher Anliegen be- sinne.

Nach Überzeugung Winns kann der Verband

in das Vakuum stoßen, das durch die permanente Schwächung der Kas- senärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, teilweise auch der Ärztekammern, als

„mittelbare Staatsgewalt“ entstanden sei. Jedenfalls ließen sich die Ärzte nicht länger als Erfüllungsgehilfen und Vollzugsorgane einer politisch gewoll- ten Budgetierung missbrauchen.

Alle Akteure im Gesundheitswesen müssten sich den Herausforderungen der modernen Medizin und ihrer Finanzie- rung stellen. Die Verschiebungen im Al- tersaufbau der Bevölkerung (Demogra- phiekomponente), der medizinische Fortschritt und die Nachwuchsprobleme müssten mit adäquaten Mitteln angegan- gen werden. Eine „Lösung der demogra- phischen Herausforderungen“ allein durch Reformen könne nicht gelingen.

Der Arzt dürfe nicht zur „Mangelwa- re“ werden. Schließlich sei der Arzt Trä- ger einer „authentischen Medizin“, auf

die kein hochstehendes Gesundheits- wesen verzichten könne, so der aus dem Amt scheidende Hartmannbundvorsit- zende,Dr.med.Hans-Jürgen Thomas (66), Allgemeinarzt in Erwitte/Westfalen.

Mit einer kurzfristigen Kehrtwende in der Gesundheitspolitik rechnet der Hartmannbund offenbar nicht. Vieles deute darauf hin, dass in einer großen Koalition auch faule Kompromisse ge- schlossen werden und solange mit dem alten System weiterlaviert werde, bis es kollabiert. Allerdings unterschätze die Politik die Duldsamkeit der Ärzte.

Wie zu den Zeiten des ersten Nach- kriegsvorsitzenden des Verbandes, Dr.

med. Friedrich Thieding, will der Hart- mannbund den Unmut der Ärzteschaft nutzen, um die Politik und den Gesetzgeber dazu zu be- wegen, endlich die „Fes- seln einer staatsbürokra- tischen Medizin“ vom Freiberufler Arzt abzu- nehmen. So organisierte der HB-Landesverband Nordrhein auf Inititative von Dr. med. Arnold Schüller, Düsseldorf, für den 9. November, einen

„Nationalen Protesttag“.

An diesem Tag sollten die Arztpraxen geschlossen bleiben und auf der Kölner Domplatte eine Zentralkundgebung gegen die Kas- sen- und Klassenmedizin stattfinden.

Der Ärztemangel, vor allem in den neuen Bundesländern, die inhumanen Arbeitsbedingungen in den Kliniken, die Ausdünnung der hausärztlichen Versorgung und die drohende Konkur- renz durch poliklinische Strukturen be- reiten den Mandatsträgern des HB Sor- ge. Die Politik und die Krankenkassen dürften sich nicht wundern, wenn das Interesse zur Niederlassung schwinde.

Thomas betonte: „Möglicherweise war es ein Fehler, bei der Wiederverei- nigung die in der damaligen DDR vor- handenen poliklinischen Strukturen fast völlig zu zerschlagen. Besser wäre es gewesen, diese Einrichtungen behut- sam aus den staatlichen Institutionen herauszulösen und in von Ärzten selbstverwaltete kooperative Struktu- ren überzuführen“. Überhaupt plädiert der HB für moderne Leistungsstruktu- P O L I T I K

A

A3062 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 45⏐⏐11. November 2005

Hartmannbund

Kampf gegen die

„Programm-Medizin“

Hartmannbund befürwortet Leistungs- und Qualitätswettbewerb in einem offenen System.

Hans-Jürgen Thomas: „Das Heil liegt nicht in der Programm-Medizin.“

Fotos (2):Kerstin van Ark/Hartmannbund

Kuno Winn: „Die Stärkung der Solidarität ist so wichtig wie die enge Kooperation.“

Foto:Claudia Buhmann/Hartmannbund

(2)

ren bei einem angemessenen finanziel- len Rahmen. Dazu sei eine Reform der Organisation der Leistungserbringung erforderlich. Vielgestaltigkeit und sich ergänzende Versorgungsstufen, die Therapiefreiheit aller Ärzte dürften aber nicht mit Beliebigkeit und ungezü- gelter Medizin verwechselt werden.

Der HB will ein Teamarztmodell als Gegenmodell zum Kasseneinkaufsmo- dell entwickeln, dem sich Hausärzte, niedergelassene Fachärzte und Klinik- fachärzte in einer Vertragsoption ver- traglich anschließen können. Dadurch könnte über die Sektorengrenzen hin- weg eine Teamarztleistung indikations- gerecht angeboten werden. Dies sei je- denfalls besser als eine „Fraktionie- rung“ der ärztlichen Leistung und eine Verlängerung der Behandlungskette.

Der Verband unterstützt den Trend zu mehr Wettbewerb. Neue Formen der sektorenübergreifenden Gesundheits- versorgung könnten erprobt und durch Öffnungsklauseln gesetzlich verankert werden. Allerdings dürfen weder Pseu- dowettbewerb noch eine Definitions- und Vertragsdominanz zugunsten der Krankenkassen inszeniert werden. Bei Budgetdeckelung und einer zentralen Zulassungssteuerung sowie einer ge- setzlich limitierten Berufszugangsgren- ze bis zum vollendeten 56. Lebensjahr und einer Zwangsausscheidegrenze für Vertragsärzte (ab vollendetem 68. Le- bensjahr) lasse sich kein effizienter Lei- stungswettbewerb entwickeln. Der Hartmannbund will die Krankenkassen entlarven, wenn sie einseitig Preise dik- tieren, statt qualitativ hochwertige Lei- stungen angemessen zu vergüten.

Nur bei einer Aufhebung der sekto- ralen Grenzen und jedweder Budgets könnten die Potenziale des Marktes ge- nutzt werden. Neben einer ausreichen- den gesetzlichen Absicherung eines qualitativ hochstehenden Pflichtlei- stungskatalogs müssten die Versicher- ten Wahloptionen erhalten, um indivi- duelle Leistungen zu ordern. Dies böte die Chance, gesetzliche und private Krankenversicherungen nebeneinan- der und als substitutive Sicherungsein- richtungen zu erhalten. Bei Wegfall der Budgetdeckelung könnte das Kostener- stattungsverfahren anstelle des Sach- leistungsprinzips für alle gesetzlich Ver- sicherten endlich realisiert werden.

Um eine flächendeckende, bevölke- rungsnahe Versorgung zu gewährlei- sten, müsse das moderne kooperative Belegarztsystem gestärkt werden. Nicht hingenommen werden könne, dass die als belegärztlich tätigen Fachärzte bei ambulanten Operationen um bis zu 40 Prozent finanziell schlechter gestellt werden als niedergelassene Kollegen bei vergleichbaren Operationen. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab EBM 2000plus müssten deshalb sachge- rechte Neukalkulationen der Leistungs- bewertungen im Kapitel 31.2 erfolgen.

Der HB streitet für eine bessere Ab- sicherung der Pflege. Nicht nur mit mehr Geld müsse eine ausreichend ho- he Zahl kompetenter Fachkräfte ausge- bildet werden, um die schwieriger wer- denden Aufgaben der Pflege alter und sterbenskranker Menschen zu überneh- men. Unterstützen will der HB die In- itiative des Bundesgesundheitsministe-

riums, mehr palliativmedizinische Ein- heiten zur errichten und auszubauen.

Der HB plädiert für die Erhaltung der privaten Krankenversicherung (PKV). Die Privatmedizin garantiere (noch) Therapiefreiheit, ermögliche ei- ne Umsetzung von Innovationen und lasse Wahlentscheidungen zu. Würde die PKV mit der Gesetzlichen Kran- kenversicherung gleichgeschaltet wer- den, so entfiele jede Vergleichsmöglich- keit. Die Bürgerversicherung ohne Al- ternativfunktion der PKV könne einem ständigen Verfall von Leistungsqualität Tür und Tor öffnen (Thomas). Der HB plädiert für eine rasche Reform der

GOÄ, insbesondere eine Aktualisie- rung des hoffnungslos veralterten Lei- stungsverzeichnisses.

Im „Aktionsplan gegen Ärzteman- gel“ fordert der HB die Beschränkung der DRG-Fallpauschalen und Disease- Management-Programme auf „geeig- nete Krankheitsbilder“ bei Abbau der Bürokratie. In der vertragsärztlichen Versorgung müsse die Honorierung vom floatenden Punktwert auf feste Sätze in Euro umgestellt werden.

Der HB streitet auch für die Interes- sen der angestellten Krankenhausärzte.

Der Weg in die Niederlassung dürfe nicht durch eine starre Altersgrenze versperrt werden, zumal die Klinikärzte vor beruf- lichen Aus stünden, wenn Krankenhäu- ser geschlossen werden. Der Überstun- denstress im Krankenhaus müsse been- det werden.

Trotz der Bekundung, die Kräfte aller Ärzteverbände zu bündeln, will der HB

durch eine eigenständige Sektion („Se- quester“) in das Gehege des Marburger Bundes eindringen. Schon bis Ende No- vember soll der Vorstand die rechtlichen und organisatorischen Schritte einlei- ten, um unter Führung des HB eine Sek- tion Öffentlicher Dienst und Kranken- haus zu starten. Mit der angestrebten Tariffähigkeit will der Verband zugleich die Rechtsberatung verstärken und sich für eine starke tarifvertragliche Vertre- tung der Mitglieder einsetzen. Insge- heim hofft die Krankenhausfraktion im HB, dadurch die Zahl von 12 000 ange- stellten Mitgliedern (insgesamt: 34 000) zu vervielfachen. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 45⏐⏐11. November 2005 AA3063

52. Hauptversammlung des Hartmannbundes, 28. – 30. Oktober in Potsdam: „Gesundheitsstand- ort Deutschland“ – der Titel des einstimmig beschlossenen Leitantrages

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für die zurückliegenden Fortbildungsbeiträge können die erworbenen Punkte nicht mehr nachgetragen werden.. Das Deut- sche Ärzteblatt dokumentiert aber auch weiterhin die

IBM 1620 ELECTRONIC CIRCUIT ANALYSIS The Electronic Circuit Analysis system is a series of programs to help electronic engineers greatly extend their design

Lemma 25.1 (a) defines an additive group structure on the formal scheme W c , making it a “group formal scheme”, that is, a group object in the category of formal schemes.. One way

Klaus Reinhardt, der scheidenden Bun- desregierung ein eher bescheidenes Zeugnis ausgestellt: „Im Fazit stellen wir fest, dass die Regierung in der Summe ein umgänglicher