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Archiv "Hilfe für Gewaltopfer: Schneller Therapiebeginn" (29.10.2010)

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undesweit werden jährlich mehr als 600 000 Menschen Opfer von kriminellen Handlungen wie Nötigung, Raub, Vergewalti- gung oder Stalking. Die Taten füh- ren in vielen Fällen zu langandau- ernden körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen. Gewaltopfer haben nach dem Opferentschädi- gungsgesetz (OEG) Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesversor- gungsgesetz. Dies umfasst sowohl finanzielle Hilfen als auch therapeu- tische Unterstützung. Für den An- spruch auf eine staatlich finanzierte psychologische Heilbehandlung nach dem OEG müssen die Gewalt- opfer allerdings glaubhaft machen, dass die gesundheitliche Störung Folge eines vorsätzlichen, rechts- widrigen Angriffs ist.

„Dies ist im Einzelfall mitunter schwierig“, weiß Barbara Wüsten, Leiterin des Referats Opferhilfe/

Recht beim Weißen Ring, einem gemeinnützigen Verein zur Unter- stützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten.

Ein Grund hierfür sei, dass die gel- tende Versorgungsmedizin-Verord- nung nicht die aktuellen medizini-

schen Erkenntnisse der durch psy- chische Traumata bedingten Stö- rungen beinhaltet. Eine Anpassung sei daher dringend notwendig. Nur die wenigsten Geschädigten wüss- ten, dass ihnen Leistungen nach dem OEG zustehen. 90 Prozent al- ler Gewaltopfer stellen nach einer Statistik des Vereins keinen Antrag auf Entschädigungsleistungen. „Die Bilanz ist skandalös“, so Helmut Rüster, Sprecher des Weißen Rings.

Doch selbst wenn Ansprüche nach dem OEG gestellt würden, führten die Dauer und Ausgestaltung der Verfahren in Einzelfällen dazu, dass Gewaltopfer nicht zeitnah drin- gend benötigte Leistungen erhalten.

In einer auf einem interdisziplinären Forum zum Thema „Moderne Op- ferentschädigung“ verfassten Reso- lution fordert der Weiße Ring daher, Opfern von Gewalt bei Bedarf sofor- tige Hilfe durch fachkundige Thera-

peuten zur Verfügung zu stellen und eine schnelle Leistungsgewährung zu garantieren. „Eine Therapie ist umso effektiver, je früher sie an- setzt“, betonte Dr. Brigitte Bosse, Psychotherapeutin aus Mainz. Auch hänge der Heilungserfolg davon ab, ob die Schädigung als Folge einer Gewalttat anerkannt wird. „Eine professionelle Opferhilfe kann nur greifen, wenn der Patient sich im Sinne des Gesetzes als Opfer begrei- fen kann“, argumentierte Bosse.

Eine Traumatisierung könne bei den Betroffenen zu vielerlei Be- schwerden führen – von einfachen Störungen bis hin zu multiplen dis- soziativen Identitätsstörungen, deren Behandlung besondere Anforderun- gen an den Therapeuten stellten. Die Ausprägung eines Traumas hänge von der Dauer und Häufigkeit sowie von der Schwere der Tat ab, erläuter- te Bosse. Schwere frühkindliche Ge- waltanwendungen und extreme sa- distische Erfahrungen könnten zu ei- ner schweren Traumatisierung füh- ren. Die Zahl der Patienten mit mul- tiplen Störungen bezifferte Bosse auf 0,5 bis 1 Prozent der Bevölke- rung. Bosse bedauerte, dass es noch zu wenig Therapeuten gebe, die auf die Behandlung traumatisierter Kin- der spezialisiert seien.

In Anlehnung an die guten Er- fahrungen mit dem Durchgangsarzt der gesetzlichen Unfallversiche- rung sollten für alle Gewaltopfer Ärzte zur Verfügung stehen, die be- sondere Erfahrungen in der Erstbe- handlung und Betreuung von Op- fern von Gewalttaten haben, lautet eine weitere Forderung des Weißen Rings. Staatliche Stellen und Ärzte sollten außerdem verpflichtet wer- den, Gewaltopfer auf ihre Rechte nach dem OEG hinzuweisen.

Prof. Dr. Reinhard Böttcher, Bundesvorsitzender des Hilfsnetz- werks, bedauerte, dass Stalkingop- fer derzeit keine gesicherten An- sprüche nach dem OEG haben.

Stalking, mittlerweile eine Straftat, führe oft zu schweren seelischen Belastungen und Erkrankungen.

„Der Kreis der Anspruchsberechtig- ten nach dem OEG sollte daher auf diese Personengruppe ausgeweitet werden“, forderte Böttcher. ■

Petra Spielberg

HILFE FÜR GEWALTOPFER

Schneller Therapiebeginn

Leiden Patienten aufgrund einer Gewalttat unter gesundheitlichen Schäden, haben sie Anspruch auf eine staatlich finanzierte Heilbe- handlung. Viele erhalten die Leistungen jedoch spät oder gar nicht.

Der Weiße Ring wurde 1976 gegründet. Derzeit umfasst das Hilfsnetz bundesweit 420 Anlaufstellen und mehr als 3 000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Weitere Informationen:

www.weisser-ring.de

OPFERHILFE

Foto: vario-images

A 2090 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 43

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29. Oktober 2010

P O L I T I K

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