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Archiv "Healthcare Compliance: Klare Regeln schaffen" (23.10.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 43

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23. Oktober 2009 A 2145 HEALTHCARE COMPLIANCE

Klare Regeln schaffen

Die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Ärzten und Industrie ermöglicht medizinischen Fortschritt, birgt aber auch Risiken. Transparenz ist oberstes Gebot.

K

orruption ist kein realitätsfer- nes Konstrukt, sondern eine reale Herausforderung“, betonte Ull- rich Ograbeck, Leiter der Stabsstelle Interne Revision und Antikorrupti- onsbeauftragter der Universitätskli- nik Göttingen bei der ersten Med- Tech-Kompass-Konferenz, ausge- richtet vom Bundesverband Medi- zintechnik (BVMed) in Berlin. Zwei Jahre intensiver Diskussionen habe es gedauert, bis für die Universität Göttingen, eine Stiftung des öffentli- chen Rechts, im Jahr 2007 eine Anti- korruptionsrichtlinie beschlossen worden sei, berichtete Ograbeck.

Aus seiner Sicht sind in der Uni- versitätsmedizin nahezu sämtliche

„Risikobereiche“ vereint: Einkauf, Großgerätebeschaffung, Medizin- technik, Pharmazeutika, Bauen und Technik, Drittmittel, Auftragsfor- schung, Spenden und Sponsoring.

„Ein jährliches Umsatzvolumen von mehr als 800 Millionen Euro weckt durchaus Begehrlichkeiten“, meinte Ograbeck. Er versteht sich als ein

„früher Netzwerker“, der nicht nur reagiert, sondern versucht, durch ein dichtes Netz der Früherkennung pro- aktiv zu intervenieren und über Be- ratung für das Thema Korruption und Vorteilsannahme zu sensibilisie- ren. Es gehe darum, „Beinahezwi- schenfälle“ zu erkennen und Risiko- konstellationen konstruktiv aufzuar- beiten, indem man die potenziell involvierten Bereiche an einen Tisch hole, darunter die Finanz-, die Per- sonal- und die Rechtsabteilung, die Universitätsförderung und das Insti- tut für klinische Studien.

In Veranstaltungen, bei Dienst- besprechungen und durch Vorträge wendet sich Ogra beck direkt an die Mitarbeiter und informiert über die Antikorruptionsrichtlinie. „Eine Berufsgruppe erreichen wir bisher aber leider nicht, zumindest nicht direkt: den ärztlichen Dienst, also

die Chef- und Oberärzte“, erklärte der Compliance-Experte. Hier gebe es eine erhebliche Zurückhaltung.

Trotzdem nähmen auch die medizi- nischen Abteilungen das Bera- tungsangebot an, indem sie den Kontakt auf eher informellem, indi- rektem Wege suchten.

Kein Unrechtsbewusstsein Problemfelder sieht der Experte vor allem in der fehlenden straf- und dienstrechtlichen Aufklärung und im häufig fehlenden Unrechtsbewusst- sein und Risikoempfinden. Beispiel Drittmitteleinwerbung: Diese sei ei- nerseits ein Erfolgsindikator, ande- rererseits bewege man sich immer wieder innerhalb von Grauzonen.

„Vielen ist nicht bewusst, welche Risiken sie durch ihr Verhalten für die Organisation auslösen“, sagte Ograbeck. Gerechtfertigt werde das Ausnutzen von Grauzonen etwa mit der Begründung „alles nur für die Forschung“.

Die Richtlinie kann jedoch Ogra - beck zufolge nur den Rahmen vor- geben, es müssen konkrete Aus - führungsbestimmungen für die Ar- beitsebenen folgen. Dennoch: „Ein Fehlverhalten oder auch das be- wusste Umgehen von Vorgaben und Regeln kann nicht gänzlich verhin- dert werden. Ein Beauftragter allein verändert noch lange nicht die ,Kul- tur‘ einer Organisation. Dafür ist Zeit nötig.“ Sein Fazit: Korrupti- onsprävention bestehe aus vielen gezielten Maßnahmen und erforde- re ein Netzwerk.

Für ein breites Netzwerk von Healthcare-Compliance-Experten in Krankenhäusern und Unterneh- men setzt sich der BVMed seit Län- gerem ein. Oberstes Ziel müsse es sein zu vermeiden, dass Mitarbei- ter von medizinischen Einrichtun- gen oder von Unternehmen unter Korruptionsverdacht gerieten, be- lange. Sie fragten sich: „Haben wir

denn bisher alles falsch gemacht?

Haben wir nicht schon immer mo- ralisch verantwortlich gehandelt?“

Wenn man dann aber sieht, dass die Last auf alle Schultern verteilt wer- de und dass es für alle Patienten und Mitarbeiter vorteilhaft sei, spreche sich der Nutzen der ethi- schen Fallbesprechung schnell he- rum, und sie werde immer häufiger nachgefragt.

Patientenverfügungen

Ob durch Patientenverfügungen, die seit September gesetzlich geregelt sind, die Ethikberatung in Kranken- häusern und damit auch die ethi- schen Fallbesprechungen häufiger durchgeführt werden, bleibt fraglich.

Otten stellt fest, dass das Interesse an Patientenverfügungen größer gewor- den sei. „In Deutschland haben zehn Prozent der Bevölkerung eine Pa- tientenverfügung. Rund 30 Prozent wollen ein solches Dokument nicht erstellen. Auch das muss man akzep- tieren“, sagt Kobert. Er selbst hält ei- ne gute Patientenverfügung für eine Entscheidungshilfe. Sie kann seiner Ansicht nach jedoch nur dann wirk- lich gut sein, wenn sie nach einer vorherigen Beratung abgefasst wur- de. Er bedauert es, dass das soge- nannte Patientenverfügungsgesetz keinen Beratungsanspruch vorsieht.

„Es bedeutet eben mehr, als nur drei Felder ankreuzen“, meint auch Ot- ten. „Man weiß einfach, dass sich der Patient in irgendeiner Form mit dem Sterben beschäftigt hat. Das ist schon hilfreich“, ergänzt Ethikbera- terin Kurdts. Der Ethikarbeitskreis setze sich regelmäßig mit der Frage auseinander, wie man den Patienten- willen besser ermitteln könne: „Wir ermutigen dann die Menschen, sich damit auseinanderzusetzen und dies dann schriftlich festzuhalten.“

Auch Vollmann hält die Patien- tenverfügung für ein wichtiges In- strument zur Ermittlung des Patien- tenwillens. Aber sie müsse eben im Einzelfall immer interpretiert wer- den. Er hält deshalb eine medizini- sche Beratungspflicht für unver- zichtbar. Das bedeute aber auch die Notwendigkeit einer entsprechen- den Fortbildung der Ärzte. ■ Gisela Klinkhammer

T H E M E N D E R Z E I T

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23. Oktober 2009 tonte Joachim M. Schmitt, BVMed-

Geschäftsführer und Vorstandsmit- glied. Bereits Anfang 2008 hat der Verband daher die Initiative „Med- Tech-Kompass“ gestartet (www.

medtech-kompass.de). Ziel dieser

„Präventionskampagne“ ist es, dar- über aufzuklären, wie Kooperatio- nen zwischen Industrie, Ärzten und Krankenhäusern gestaltet werden sollten, damit sie regelkonform, si- cher und transparent für alle Betei- ligten sind. Inzwischen beteiligen sich rund 120 Experten an dem Healthcare-Compliance-Netzwerk.

Weitere Mitglieder sind indes er- wünscht, denn noch immer gibt es bei vielen Beteiligten Unsicherheit.

Sie bewegen sich in einem Span- nungsfeld, das von der notwendi- gen intensiven Zusammenarbeit für die Entwicklung, sachgerechte Anwendung und Optimierung der Medizinprodukte einerseits bis zur unsachgemäßen Einflussnahme auf Verordnungs- und Therapieent- scheidungen andererseits reicht.

Vier Grundprinzipien

Die Grundlagen einer guten und transparenten Zusammenarbeit sind im „Kodex Medizinprodukte“ und im „Gemeinsamen Standpunkt zur strafrechtlichen Bewertung der Zu- sammenarbeit zwischen Industrie, medizinischen Einrichtungen und deren Mitarbeitern“ niedergelegt.

Die daraus abgeleiteten wichtigsten Grundprinzipien bei allen Koopera- tionsformen sind das Trennungs- prinzip, das Transparenzprinzip, das Äquivalenzprinzip und das Do- kumentationsprinzip (Kasten).

Vor dem Hintergrund dieser Prin- zipien wird im Umkehrschluss klar, woran es in der Praxis häufig hapert:

Charakteristika von Korruptionsfäl- len sind vor allem die fehlende Trans- parenz im Hinblick auf vertragliche Verbindungen, Leistung und Gegen- leistung, Zahlungsströme und Zu- wendungen, mangelnde Dokumenta- tion und fehlende Kontrollmöglich- keiten. Wenn klar sei, wer mit wem über was vertragliche Regelungen getroffen habe, dann seien Kontrolle und Risikominimierung für die Kran- kenhäuser möglich, meinte Dr. Ursu- la Reucher vom Klinikum Ludwigs- hafen. Sie verwies auf die Musterver-

träge, die der Verband der Kranken- hausdirektoren in Zusammenarbeit mit dem BVMed veröffenlicht hat (www.bvmed.de/stepone/data/down loads/c3/a9/00/mustervertraege_mai 06.pdf). Der Leitfaden enthält Bei- spiele für unterschiedliche Vertrags- typen, so etwa für Referenten- und Beraterverträge, für die Unterstüt- zung der Teilnahme an Weiter- und Fortbildungen, für Sponsorenverträge sowie für Spenden.

Zur Umsetzung der im Kodex Medizinprodukte festgelegten Grund - sätze hat man etwa in Ludwigs - hafen die Gesellschaft für Klinische Forschung (GKF) gegründet, die unter anderem für die Prüfung und Überwachung der Forschungsver- träge zuständig ist und die internen Richtlinien für Forschungsvorha- ben festlegt. So müssen der GFK sämtliche Forschungsverträge an- gezeigt und von ihr genehmigt wer- den. Außerdem wurden projekt - bezogene Forschungskonten einge- führt. Die Rechnungsfreigabe und die Mittelverwendung erfolgen nach dem Vieraugenprinzip. Die Empfehlungen Reuchers: Die Kran- kenhausleitung sollte sich klar zu den Grundsätzen der Zusammen - arbeit bekennen, hauseigene Richt-

linien und Abläufe definieren und eine eigene Koordinationsstelle für klinische Forschung einrichten.

In einem Boot

„Bei der Innovationsentwicklung, der Innovationsbewertung und beim In- novationstransfer sitzen wir alle in ei- nem Boot und müssen eng zusam- menarbeiten“, erklärte Prof. Dr. med.

Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirur- gie, Berlin. Gemeinsame Ziele gebe es auch bei der Prozessoptimierung, der Qualifizierung, der Steigerung der Versorgungsqualität und der Ver- besserung der Patientensicherheit.

Die Zusammenarbeit für den medizi- nisch-technischen Fortschritt brauche daher klare Regeln.

Bauer verwies darauf, dass die Arbeitsgemeinschaft der Wissen- schaftlichen Medizinischen Fach- gesellschaften derzeit an Empfeh- lungen zu Interessenkonflikten ar- beitet, um die Ärzte stärker für das Thema zu sensibilisieren. Auch bei der Weiterbildung der Ärzte sollten die vier Prinzipien der Zusammen- arbeit künftig eine Rolle spielen und deren Kenntnis nachgewiesen werden, forderte Bauer. ■

Heike E. Krüger-Brand

Die vier Grundprinzipien

Trennungsprinzip: Entgeltliche und unentgeltliche Zuwendungen müssen unabhängig von Beschaf- fungsentscheidungen beziehungs- weise Umsatzgeschäften sein.

Transparenzprinzip: Jede Zuwen- dung oder Vergütung muss offen- gelegt werden. Sämtliche Leistun- gen an eine medizinische Einrich- tung oder an einen Arzt müssen dem Arbeitgeber mitgeteilt, schrift- lich fixiert und genehmigt werden (Einhaltung dienst- und berufs- rechtlicher Anforderungen).

Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung müssen in einem gleichwertigen Verhältnis stehen.

Wenn beispielsweise ein Arzt eine medizintechnisch relevante Studie fertigt, muss das Honorar seinem

Aufwand angemessen und markt- üblich sein.

Dokumentationsprinzip: Sämtli- che Leistungen müssen schriftlich dokumentiert werden. So ist etwa detailliert festzulegen, welcher Art die Zuwendung ist, welchen Zweck sie hat und welche Leistungen konkret erbracht werden.

Elektronisches Lernprogramm Der BVMed hat ein interaktives elek- tronisches Lernprogramm zum Thema Healthcare Compliance im Gesund- heitsmarkt aufgelegt. Die E-Learning- CD umfasst eine Erläuterung der Grundprinzipien der Zusammenarbeit im Gesundheitsmarkt und enthält Fall- beispiele sowie einen abschließenden Test mit zehn Fragen, um ein Zertifikat zu erwerben.

KODEX MEDIZINPRODUKTE

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

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