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Skandalon weiblicher Autorschaft : über Schriftstellerinnen und Künstlerinnen von Karoline von Günderrode bis Madonna

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Academic year: 2022

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ie Literatur kennt offensicht- lich kein Geschlecht, und doch ist die Geschichte der Literatur eine, die von Männern geschrieben wur- de«, heißt es in »Skandalgeschich- ten«, einem Band zu Aspekten der Frauenliteraturgeschichte, dessen Autorin, die Komparatistin Carola Hilmes, in Frankfurt Literaturwis- senschaft lehrt. Doch an der asym- metrischen Präsenz von Männern und Frauen hat sich – so Hilmes – in den vergangenen Jahrzehnten einiges geändert. Das gelte für die literarische Produktion, wo Frauen zusehends in neuen Genres wie Sciencefiction oder dem feministi- schen Kriminalroman vertreten sei- en, aber auch für die wissenschaftli- che Beschäftigung mit dem

Phänomen des weiblichen Schrei- bens. Die Frauenforschung sei längst keine rebellische Geste mehr, sondern eine anerkannte akademi- sche Disziplin.

men« umfasst. Diesen metho- dischen Zugang hat Hilmes an

»ausgewählten Fällen« exempla- risch erprobt. Herausgekommen ist dabei ein historisch und thematisch breit angelegtes Spektrum von Ein- zelstudien, die in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Beitrag zur umfas- senden Reformulierung der deut- schen Literaturgeschichte aus der Sicht der Geschlechterforschung er- geben.

In »Vom Skandal weiblicher Au- torschaft« geht die Verfasserin den Publikationsbedingungen von Frau- en in der Goethezeit nach und be- schreibt, welch vielfältiger Anpas- sungsstrategien sie sich bedienen mussten, um sich als Schriftstelle- rinnen zu etablieren. Ein weiterer Aufsatz behandelt den Reisebericht, ein bei Frauen beliebtes und ver- breitetes Genre. Anhand von drei Beispielen aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert untersucht Hilmes den besonderen weiblichen Blick der Europäerinnen auf ihre Ge- schlechtsgenossinnen im Orient.

Denn selbstverständlich stand bei jeder der Abenteurerinnen auch ein Besuch im Harem auf dem Reise- programm.

Mit den Untersuchungen zu Elsa von Freytag-Loringhoven, 1874 geboren, und Unica Zürn, 1916 ge- boren, werden zwei wenig bekann- te Avantgardistinnen neu beleuch- tet. Hilmes zeigt, wie Lebenspraxis und Kunst – typisch für die Grenz- überschreitungen der Avantgarde – zu einer Einheit verschmelzen. Bei der französischen Surrealistin Unica Zürn stehen in den 1950er Jahren in Paris entstandene Erzählungen im Mittelpunkt, in denen Leben und Schreiben so ineinander ver- schränkt sind, dass sich die Grenze zwischen Realität und Fiktionalität verwischt. Bei der exzentrischen Baronesse Freytag-Loringhoven, die in Berlin als Nackttänzerin Furore machte und von 1913 bis 1923 in New York der Dada-Szene um Marcel Duchamps angehörte, ist das Leben als Ganzes eine unab- lässige künstlerische Selbstinszenie- rung. Heute fänden ihre teils schril- len Aktionen vermutlich als

selbstbewusste Performance und Body Art großen Anklang.

Mehrere motivgeschichtliche Un- tersuchungen sind den Weiblich- keitsentwürfen in unterschiedlichen Genres und Medien gewidmet. In

»Wiederkehr und Verwandlung«

verfolgt Hilmes die Spur der Medea in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Die mythologi- sche Frauengestalt ist zwiespältig;

sie ist Kindsmörderin und zugleich Göttin und Heilige. Dabei stehen Medea-Texte von Hans Henny Jahnn, Marie Luise Kaschnitz, Christa Wolf und Heiner Müller im Vordergrund. »Die neue Eva – Überlegungen zu Literatur, Weib- lichkeit und Technik« ist eine pro- blemorientierte Studie, in der Uto- pien aus drei Jahrhunderten zum Thema des künstlichen Menschen behandelt werden. Eine genderori- entierte Lektüre der verschiedenen Konzepte des Androiden, des tech- nisch manipulierten Menschen, wie er in der Science-Fiction geschaffen wird, macht deutlich, dass die Ent- würfe der Menschmaschine keines- wegs geschlechterneutral sind: Dem künstlichen Idealweib, wie es in der Literatur seit dem 19. Jahrhundert auftaucht, steht als monströses männliches Analogon Mary Shellys Frankenstein gegenüber.

Hilmes schließt ihre Reflexionen zu den Weiblichkeitsbildern mit einer Analyse der Musikvideos der Pop-Ikone Madonna ab. Vielfältige Maskeraden des Weiblichen und ein unablässiges Verwirrspiel um Geschlechteridentitäten machen ih- re Videoclips für die feministische Forschung interessant. Bezüge zu den Geschlechterinszenierungen um 1900 wie der Femme Fatale las- sen sich aufzeigen. Hilmes sieht in Madonnas skandalösen Inszenie- rungen »Zwitter aus Konsum, Kommerz und Provokation, die re- bellische Momente enthalten«.

Hilmes’ vielfältige Studien erwei- tern den literarischen Kanon. Sie be- leuchten wenig Bekanntes, eröffnen neue Perspektiven und sind durch den lakonischen Tonfall, mit dem sich die Verfasserin ihrem Gegen- stand oft nähert, auch kurzweilig. ◆ G u t e B ü c h e r

84 F o r s c h u n g F r a n k f u r t 1 / 2 0 0 5

Skandalon weiblicher Autorschaft

Über Schriftstellerinnen und Künstlerinnen von Karoline von Günderrode bis Madonna

Carola Hilmes Skandalgeschich- ten – Aspekte einer Frauenlitera- turgeschichte Verlag Ulrike Helmer, König- stein/Taunus, 2004, ISBN 3-89741-154-7, 245 Seiten, 22,90 Euro.

Die Autorin Dr. Gudrun Jäger ist Germanistin und wissenschaft- liche Mitarbeiterin im Fachbereich Neuere Philolo- gien der Universi- tät Frankfurt.

Hilmes verwendet den Begriff der Frauenliteratur nicht im Sinne einer »Gattung«, die als Trivial- und Unterhaltungsliteratur häufig ge- nug abgewertet wurde, sondern als umfassende Kategorie: Was Frauen- literatur ausmacht, ist für sie der

»spezifische Blick auf Literatur«, der nicht nur die Literatur von und für Frauen, sondern auch die »Prä- sentationsformen des Weiblichen in der Literatur sowie gendersensible Lektürestrategien und Stellungnah-

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