Dr. Nicola Beindorff
Fachbereich Veterinärmedizin, Institut für Veterinär-Physiologie
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Reproduktion III
Gravidität, Geburt und Puerperium
https://www.soolide.com/de/9356/23
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Reproduktion – Gravidität, Geburt und Puerperium
1) Befruchtung der Eizelle 2) Entstehung der Blastozyste 3) Implantation
4) Materno-feto-placentare Einheit 5) Geburt
6) Puerperium
7) Keimruhe
Gliederung
3 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Befruchtung der Eizelle
Tier-Biotechnologie, Geldermann (2005)
Fertilisation einer Eizelle des Rindes
Der Ablauf der Befruchtung beinhaltet Wechselwirkungen zwischen Spermium und Oozyte, so dass nur je ein Spermium und eine Oozyte verschmelzen.
Bei der Penetration des Spermiums kommt es zu einer Depolarisation der Membran, die dazu führt, dass kleinste Vesikel, die sich auf der Innenseite der Eizellmembran befinden, ihren Inhalt in den perivitellinen Spalt ausschütten. Die Zona pellucida wird dadurch "gehärtet". Sie lässt Spermien nicht mehr passieren und bietet fortan dem sich in den nächsten Tagen innerhalb der Zona pellucida entwickelnden Embryo "Polyspermieschutz".
Nach der Befruchtung dekondensiert der Spermiumkopf, und es bildet sich der männliche Vorkern. Gleichzeitig wird die Meiose II abgeschlossen und der weibliche Vorkern gebildet. In der befruchteten Eizelle (Zygote) ist zunächst der weibliche (aus der Eizelle) und männliche (aus der Samenzelle) Vorkern erkennbar.
Befruchtung der Eizelle
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Entstehung der Blastozyste Die Furchungsteilungen
Zygote Zweizellstadium Vierzellstadium
Achtzellstadium Morula Blastozyste
1.Embryoblast 2.Zona pellucida 3.Trophoblast
4.Blastozystenhöhle
http://www.embryology.ch/
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Ca. 24 h nach der Insemination beginnt die imprägnierte Eizelle mit der ersten Furchungsteilung.
Nach 96 h entsteht die "Morula", eine Ansammlung von etwa 30 Zellen (Blastomere).
Ihren Namen verdankt die Morula ihrer Ähnlichkeit mit einer Brombeere.
Am 4. Tag nach der Insemination bilden sich zwischen den äußersten Zellen der Morula Schlussleistenkomplexe, welche diese Zellen zu einer epithelartigen Hülle zusammenfügen. Im Inneren der Blastozyste formiert sich eine Höhle, in die Flüssigkeit einströmt (sog. Blastozystenhöhle).
Die zwei bis vier innersten Zellen der früheren Morula entwickeln sich zur sog.
inneren Zellmasse der Blastozyste. Alleine aus dieser inneren Zellmasse (Embryoblast) heraus wird sich der eigentliche Embryo entwickeln.
Entstanden ist also eine äußere Zellmasse (Trophoblast), die aus sehr vielen Zellen besteht, und der aus nur wenigen Zellen bestehende Embryoblast.
Aus dem Trophoblasten werden später die Eihäute und die kindlichen Anteile der Placenta entstehen.
Entstehung der Blastozyste
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Frühembryonale Entwick- lung von der Befruchtung der Oozyte bis zum Ein- nisten des Embryos in den Uterus
Verbleibt die Zygote im Eileiter kann dort eine Einnistung (Implantation) stattfinden. Ein chirurgischer Eingriff zur Entfernung des Embryos/Fetus ist zwingend notwendig, um das Platzen des Eileiters durch die heranwachsende Frucht zu verhindern. Die sonst ein- tretenden schwersten inneren Blutungen können tödlich verlaufen.
Tier-Biotechnologie, Geldermann (2005)
Entstehung der Blastozyste
Implantation
Beim Menschen erfolgt die Implantation der Blastozyte um Tag 5-6.
Bei Schwein, Schaf, Ziege, Rind und Hund nimmt der Embryo erst relativ spät, zwischen dem 16. und 18. Tag nach der Ovulation, durch Anlagerung an das Endometrium zellulären Kontakt zur maternalen Umwelt auf.
In der Frühgravidität der Stute ist diese Phase bis zum 35. Tag (post ovulationem) besonders lang.
Das uterine Signal zur Luteolyse erfolgt etwa 14-16 Tage nach der Ovulation, also vor der ersten physischen Kontaktaufnahme zwischen Embryo und Endometrium beim Tier.
Die wichtigste Aufgabe, die der Embryo zunächst für sein Überleben zu bewältigen hat, liegt demnach in der Verhinderung der Luteolyse, so dass sich die Lebensspanne des Gelbkörpers verlängert.
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Implantation
Das "Hatching"
1. Zona pellucida 2. Trophoblast 3. Hypoblast
4. Blastozystenhöhle 5. Epiblast
http://www.embryology.ch/
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Der Trophoblast teilt sich bald in den äußeren Synzytiotrophoblast und den inneren Zytotrophoblast.
Ungefähr am 5. Tag (Mensch) nach der Befruchtung kommt es zum sog. "Hatching", bei dem die sich vermehrenden Zellen erstmals die Zona pellucida durchbrechen.
Nach dem Ausschlüpfen der Blastozyste folgt die Anheftung an das Endometrium.
Man erkennt die Zellen der zukünftigen Placenta, des Synzytiotrophoblasten, die zwischen die Zellen des Uterusepithels einwachsen.
Implantation
Das "Hatching"
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Implantation
Entstehung der Placenta
Amnionhöhle Nabelbläschen Epiblast
Ektoderm
Hypoblast
Entoderm
Syncytiotrophoblast Cytotrophoblast
In Anlehnung an: http://www.embryology.ch/
Am Ende der 2. Woche (Mensch), wenn die Implantation beendet ist, besteht die embryonale Anlage schematisch aus zwei aufeinander liegenden Bläschen: die Amnionhöhle (dorsal) und das Nabelbläschen (ventral).
Der Boden der Amnionhöhle wird durch den Epiblasten oder dem Ektoderm gebildet, und das Dach des Nabelbläschens durch den Hypoblasten oder Entoderm. Diese beiden aneinander liegenden Keimblätter bilden den Embryo oder die zweiblättrige Keimscheibe.
Die Ernährung des Embryos erfolgt durch den Trophoblasten, der ebenfalls zweigliedrig aufgebaut ist und zunehmend in das Endometrium einwächst.
Um den 13. Tag (Mensch) entsteht der primitive utero-placentare Kreislauf.
Implantation
Entstehung der Placenta
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Implantation
Entstehung der Placenta
http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/12388/
Speziesspezifisch unterschiedliche Ausbildung der Plazenta
¾ Placenta epitheliochorialis: Schwein, Wiederkäuer, Pferd
¾ Placenta endotheliochorialis: Hund, Katze
¾ Placenta haemochorialis: Primaten
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Implantation
Antiluteolytische Faktoren
PGFD
oxytocin Progesteron
- -
+ +
Antiluteolytische Faktoren:
Mensch: hCG Schaf: oTP (ovines Trophoblastin) Rind: bTP
Schwein: Östrogen Pferd: ?
Katze, Hund: keine Luteolyse!
https://de.wikipedia.org/wiki/Hysterektomie#/media/File:Gray589.png
Embryo
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Jetzt geht es darum, den drohenden Abbruch der Trächtigkeit durch die steigende PGF2D Produktion des Endometriumgewebes zu verhindern.
Der Trophoblast sezerniert zu diesem Zweck antiluteolytische Faktoren, die von der Spezies abhängen.
Beim Rind produziert der Trophoblast bovines Trophoblastin (bTP), welches die Produktion von Prostglandinen in der Uterusschleimhaut hemmt. Beim Schaf wird bereits vor der Implantation ovines Trophoblastin (oTP) sezerniert, welches die Oxytocinproduktion und somit auch die Prostaglandinproduktion hemmt.
Beim Schwein ist es der Embryo selbst, der durch seine starke Östrogenproduktion (ab Tag 10-12) bewirkt, dass das vom Endometrium produzierte Prostaglandin in die Uterushöhle sezerniert wird und so nicht das Corpus luteum erreicht.
Beim Pferd konnte die molekulare Struktur des verantwortlichen Faktors noch nicht geklärt werden; sein Vorhandensein gilt jedoch als gesichert.
Hund und Katze stellen einen Sonderfall dar; bei ihnen kommt es zu keiner Luteolyse.
Darum werden offenbar auch keine antiluteolytischen Faktoren benötigt.
Beim Menschen ist es das humane Choriongonadotropin (hCG), das die Prostaglandin- synthese des Endometriums hemmt. Dieses Hormon wird in so hohen Mengen mit dem Urin ausgeschieden, dass es für den Nachweis einer Frühgravidität verwandt werden kann.
Implantation
Antiluteolytische Faktoren
Embryo (Rind) mit Fruchthüllen
Beim Rind produziert der Trophoblast bovines Trophoblastin (bTP), welches die Produktion von Prostglandinen (PGF2α) in der Uterusschleimhaut hemmt.
Das Trophobastin wird auch als Interferon Tau (IFNτ) bezeichnet.
Tag 25
Implantation
Antiluteolytische Faktoren
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Materno-feto-placentare Einheit
DHEA-S Produktion
Mutter
Trophoblast Trophoblast
DHEA Androstendion
Testosteron
Östrogen DHEA-S Embryo
DHEA-S
In Anlehnung an : http://www.embryology.ch/
hCG = humanes Choriongonadotropin DHEA-S = Dehydroepiandrosteron-Sulfat
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Der Begriff dabei bezieht sich auf eine gegenseitige Abhängigkeit in der Bereitstellung von Steroidhormonen.
Die vom Trophoblasten ausgesandten hormonellen Stimuli haben entscheidende Bedeutung für die Hormonproduktion des Embryos und der Mutter.
So wird durch das vom menschlichen Trophoblasten gebildete hCG die Produktion von Progesteron und Östradiol des mütterlichen Gelbkörpers stimuliert. Gleichzeitig wird unter der Wirkung von hCG vom Embryo Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEA- S) gebildet. Das DHEA-S wird vom Trophoblasten benötigt, um Östrogen zu produzieren, welches wiederum für seine Ausreifung zur Plazenta von entscheidender Bedeutung ist. Die Mitwirkung des Embryos bei der Ausreifung der Plazenta stellt sicher, dass die Plazenta nur so lange weiterwächst, wie der Embryo lebensfähig ist.
In der klinischen Diagnostik kann DHEA-S auch zur Beurteilung der Frucht eingesetzt werden.
Das vom Embryo und dem Trophoblasten gebildete Östrogen gelangt in den mütterlichen Organismus und spielt dort eine wesentliche Rolle zur Deckung des steigenden Östrogenbedarfes für die endokrine Regulation der Implantation, für die Entwicklung der Milchdrüse, bei der Geburt und bei der Laktation.
Auf diese Weise stellen der Embryo, der Trophoblast und der mütterliche Organismus einen Komplex dar, der als „Materno-feto-placentare Einheit" bezeichnet wird.
Materno-feto-placentare Einheit
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Materno-feto-placentare Einheit
Progesteron und Östrogen
Östrogen
Acetat
Cholesterin Cholesterin
Pregnenolon
Progesteron Cholesterin
Acetat
Pregnenolon Bedarf an Hormonen
übersteigt Synthesekapazität
DHEA-S DHEA
Androstendion Testosteron
Block Block
Progesteron Progesteron
Östrogen Placenta
Fetus Mutter
In Anlehnung an: Engelhardt-Breves: Physiologie der Haustiere
z.B. Mammogenese Kann kein Cholesterin
synthetisieren
Bedarf an Hormonen übersteigt Synthesekapazität
Östrogen
Der Trophoblast bzw. die Placenta ist nicht in der Lage, Cholesterin zu bilden.
Cholesterin für die Progesteronsynthese der Placenta muss also entweder vom Fetus oder von der Mutter stammen.
Von Bedeutung ist ferner, dass der Fetus nicht in der Lage ist, Progesteron zu produzieren, aber zunehmend zur gesamten Produktion von Östrogen im mütterlichen Organismus beiträgt. Im Laufe der Trächtigkeit verschiebt sich also das Östrogen/Progesteron Verhältnis zugunsten der Östrogene.
Die Zahl der Embryonen bestimmt wesentlich den Östrogenspiegel des mütterlichen Organismus. Aus diesem Grunde wird die Mammogenese – also die Entwicklung der Milchdrüse – an die zu erwartende Laktationsleistung angepasst. Bei Schweinen können durch diese Rückkopplung selbst große Würfe direkt nach der Geburt in der Regel optimal mit Milch versorgt werden; umgekehrt ist bei einem kleinen Wurf kein Milchstau zu befürchten.
Materno-feto-placentare Einheit
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Materno-feto-placentare Einheit
Funktionen der Placenta
http://cmapspublic3.ihmc.us/rid=1JBC0GX94-1RKN0N-VRQ/embri%C3%B3n-placenta-umbilical.png
Endokrine Funktion Austauschfunktion Thermoregulation
Funktionen der Placenta
O2
CO2 Glukose
Harnstoff Aminosäuren
Ca2+
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Neben der endokrinen Funktion der Placenta hat diese natürlich essentielle Aufgaben beim Gasaustausch, bei der Zufuhr von Nährstoffen, bei der Entsorgung von Stoffwechselprodukten, und bei der fetalen Thermoregulation.
Wasser, Elektrolyte und Spurenelemente können die Placenta ungehindert passieren. Wasserlösliche Vitamine kommen ebenfalls durch die Barriere. Von der Placentagängigkeit niedermolekularer Hormone wie Östrogene oder Gestagene war bereits die Rede; Peptidhormone (z.B. GnRH, Insulin, ACTH etc.) sind nicht placentagängig.
Die meisten Proteine, Lipide und Phospholipide werden in der Placenta enzymatisch gespalten und gelangen als niedermolekulare Substanzen in den fetalen Kreislauf.
Der Pferdetrophoblast synthetisiert ab dem 35. bis zum 120.-150. Tag das equine Choriongonadotropin (eCG). Im Ggs. zu hCG dient es nicht der Aufrechterhaltung des Corpus luteum, denn die Sekretion beginnt erst, nachdem die Regression des Corpus luteum verhindert worden ist. Es spielt vielmehr eine Rolle bei der Immunregulation während der Implantation (Tag 35) und der Ausbildung akzessorischer Corpora lutea.
Materno-feto-placentare Einheit
Funktionen der Placenta
23 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Materno-feto-placentare Einheit Placenta und IgG
Nur Placentae vom hämochorialen Typ (z.B. Mensch, Maus) oder des endotheliochorialen Typs (z.B. Hund, Katze)!
Im allgemeinen können komplexe Moleküle wie Immunglobuline die Placenta nicht überqueren.
Eine Ausnahme stellen die Immunglobuline dar, für die es an Placentae vom hämochorialen Typ (z.B. Mensch, Maus) oder des endotheliochorialen Typs (z.B.
Hund, Katze) spezifische Transportmechanismen gibt.
Beim Menschen ist nur IgG placentagängig.
Beim Wiederkäuer, Pferd und Schwein findet kein Transfer von Immunglobulinen über die Placenta statt. Bei dieser Spezies ist die erste Muttermilch (Kolostrum) von großer Wichtigkeit, um eine normale Immunkompetenz des neugeborenen Tieres sicherzustellen. Die im Kolostrum reichlich enthaltenen Immunglobuline können nicht nur beim Wiederkäuer, sondern auch bei anderen Spezies, vom Gastrointestinaltrakt des Neonaten gut resorbiert werden.
Materno-feto-placentare Einheit
Placenta und IgG
25 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Embryonal- und Fetalperiode
Embryonalperiode:
¾ Beginn mit Befruchtung der Eizelle
¾ Aus den drei Keimblättern (Ektoderm, Mesoderm, Entoderm) entwickeln sich die Organanlagen. Am Ende sind alle wichtigen Organsysteme angelegt.
¾ Katze bis 4. Woche
¾ Pferd, Rind bis zur 6. Woche
¾ Mensch bis 8. Woche (10. Schwangerschaftswoche) Fetalperiode:
¾ Beginn nach Ausbildung der Organe (Organogenese) bis zur Geburt
¾ Ausdifferenzierung vieler Organe und schnelles Wachstum der Frucht
Menschl. Embryo in der 7. Woche p.c. (9. SSW). Scheitelsteißlänge ca. 16-18 mm
https://de.wikipedia.org/wiki/Embryo
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Trächtigkeitsdauer
Trächtigkeitsdauer (Tage)
Esel Pferd Rind Schaf Schwein Hund Katze Maus
360 329-345 278-290 147-155 115 62-63 60-63 20-23
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Geburt
Progesteron, Östrogen und Oxytocin
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0004366.g014.png
Geburt
Der Wechsel des Progesteron-Östrogen-Verhältnis stellt die bedeutendste hormonelle Veränderung im Zusammenhang mit der Geburt dar.
Progesteron bewirkt eine Relaxation der glatten Muskulatur des Uterus, so dass dieser während der Trächtigkeit oder Schwangerschaft ruhiggestellt wird.
Mit zunehmender Dehnung des Uterus kommt es immer wieder zu Kontraktilitätserhöhung durch "stretch" Effekte (mechanosensitive Kanäle; Bayliss- Effekt). Vermutlich hierdurch werden im Verlaufe der Schwangerschaft in zunehmendem Maße sogenannte "wilde Wehen", "Übungswehen" oder Braxton- Hicks-Kontraktionen ausgelöst, die im Gegensatz zu echten Wehen oder echten Vorwehen etwas unangenehm sein können, aber nicht wirklich schmerzhaft sind.
Diese Kontraktionen bewirken vermutlich eine Art "Training" der Uterusmuskulatur;
auch wird durch diese Kontraktionen bei noch nicht voll gespanntem Uterus der Fetus in die für die Geburt optimale Stellung gebracht.
29 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Geburt
Progesteron, Östrogen und Oxytocin
Östrogenn Progesteron
Gap junctions n Oxytocin
Rezeptoren n Embryo wächst
Muskelmasse n Calciumkanäle n
Stimulation der Zervix
"Kuschelhormon"
Nestbautrieb n
Milchdrüsengeweben
Braxton-Hicks-Kontraktionen n
PGFD
Oxytocin n
Uterus Dehnung n Prostaglandinsynthesen
Uteruskontraktionen n
positive
Rückkopplungsschleife
Mutter
- -
+ + + +
Hemmung
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Geburt
Mit dem Heranwachsen des Fetus steigen die Östrogenspiegel und fördern die Bildung von Gap junctions zwischen den Muskelzellen des Uterus, so dass sich Erregungen über das gesamte Organ ausbreiten können. Östrogen steigert die Zellteilungsrate und darüber auch die Muskelmasse. Die Anzahl der Calciumkanäle, deren Öffnung den für die Kontraktionskraft entscheidenden Calciumeinstrom bewirkt, nimmt zu. Östrogen stimuliert auch den Einbau von Oxytocinrezeptoren. Die Uteruskontraktionen werden stärker.
Durch die zunehmenden "Übungswehen" kommt es zur Reizung der Cervix. Über das Rückenmark kommt es zur Reizübertragung in den Hypothalamus der Mutter. Aus dem Hypophysenhinterlappen wird jetzt Oxytocin sezerniert.
Oxytocin ist als sogenanntes "Kuschelhormon" bezeichnet worden und löst bei Mensch und Tier zentrale Verhaltensänderungen aus, die als "Nestbautrieb" oder Brutpflegeinstinkt bezeichnet werden. Umgekehrt löst "Kuscheln" wieder Oxytocinausschüttung aus. Vieles spricht dafür, dass die Oxytocinausschüttung beim weiblichen Tier – vermutlich über Pheromone oder über die runde Form des Bauches – entsprechende Oxytocinausschüttung beim männlichen Tier auslöst.
Oxytocin ist Ihnen bereits als Hormon des Corpus luteum bekannt. Auch das aus der Hypophyse stammende Oxytocin steigert die Prostaglandinsynthese des Endometriums.
Allerdings wird die Abstoßung des Epithels u.a. von der Progesteronsynthese des Embryos verhindert. Solange die Progesteronsynthese der fetoplanzentaren Einheit intakt ist, kann also bedenkenlos auch in der Schwangerschaft gekuschelt werden.
Prostaglandine bewirken aber ebenfalls Uteruskontraktionen, die jetzt zum Ende der Schwangerschaft oder Trächtigkeit immer stärker werden.
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Geburt
Oxytocin
http://bilder2.n-tv.de/img/incoming/crop11793001/9461326254-cImg_16_9-w1200/40372769.jpg
CRH n Fetus Placenta
ACTH n CRH n
Cortisol n
Östrogen Progesteron
17D-Hydroxylase
Gap junctions n Oxytocin
Rezeptoren n Muskelmasse n Calciumkanäle n Uterus Dehnung n
Östrogen nnn Progesteron
ppp
Stimulation der Zervix n Kontraktionen n
Oxytocin n Mutter
PGFD
+ +
- - Hemmung entfällt
Surfactantn
Vorwehen, Wehen, Geburt CRH = Corticotropes Releasing Hormon; ACTH = Adrenocorticotropin
Geburt
Der entscheidende Wendepunkt, ab dem aus "Übungswehen" echte "Vorwehen" und schließlich "Wehen" entstehen, kommt nicht durch steigende Oxytocinausschüttung, sondern vom Abfall der Progesteronkonzentration.
Die Placenta und/oder der Fetus beginnen aufgrund weit fortgeschrittener Reifungsprozesse mit der Synthese von Corticotropem Releasing Hormon (CRH), welches zur Ausschüttung von Adrenocorticotropin (ACTH) durch den Vorderlappen der Hypophyse führt. Dieses Hormon wiederum bewirkt die Cortisolausschüttung durch die Nebenniere des Feten.
Jetzt passieren zwei Dinge: Erstens bewirkt das Cortisol im Feten eine beschleunigte Reifung. Insbesondere die Lungenreifung wird induziert, indem Surfactant gebildet wird.
Zweitens kommt es zur Induktion eines Enzyms in der Placenta, welches die Verstoffwechselung von Progesteron zu Östrogen ermöglicht. Der Progesteron- spiegel fällt dramatisch und die hemmende Wirkung des Progesterons auf die Kontraktilität des Uterus lässt nach. Die Übungswehen werden zu echten Vorwehen mit zerrender, schmerzhafter Dehnung der Zervix und Auslösung des "echten"
33 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Geburt
Das "Kuschelhormon" Oxytocin
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Es folgen unkontrollierbare "echte" Wehen, die schneller und schneller anfluten und schließlich zur Austreibung der Frucht führen.
Erreicht die Frucht die dorsale Vagina, wird durch dort sitzende Rezeptoren reflektorisch die Bauchpresse ausgelöst; es folgt die Austreibungsphase. Schließlich wird die Nachgeburtsphase eingeleitet und die Placenta löst sich und wird ausgetrieben.
Geburt
35 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Geburt
Placentainsuffizienz
Progesteron ppp
Placentainsuffizienz
http://www.womens-health-advice.com/pregnancy-complications/intrauterine-growth-restriction.html
Hier kommt es ebenfalls zu einem Abfall der Progesteronkonzentration vor dem errechneten Termin, weil die Placenta nicht in der Lage ist, bedarfsgerecht mitzuwachsen und genügend Progesteron zu produzieren. Eine sehr typische Ursache ist starkes mütterliches Rauchen, welches in der Placenta sehr leicht zu Infarkten mit anschließenden Nekrosen führen kann.
Calciumantagonisten, Prostaglandinsynthesehemmer und Oxytocinrezeptorantagonisten können die Wehentätigkeit hemmen (Tokolyse), und dieses ist auch in Fällen in denen der Uterus übererregbar ist, sehr hilfreich. Leider ist ein Abfall der Progesteronkonzentration oft symptomatisch für einen globalen Ausfall der gesamten Placentafunktion. Der Embryo wird also intrauterin verhungern, wenn er nicht vorher geboren wird. Die vorzeitigen Wehen, die in diesen Fällen auftreten, stellen also eine letzte Rettungschance für das Neugeborene dar.
Deuten die Ultraschall- und andere Untersuchungen (z.B. Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEA-S) Produktion) darauf hin, dass der Fetus nicht mehr gedeiht, kann es besser sein, die Geburt einzuleiten. Vorher wird durch Gabe von Cortisol die Lungenreifung des Frühgeborenen induziert. Nach der Geburt erfolgen dann intensivmedizinische Maßnahmen.
Die Mutter wird nach der Geburt in der Regel Oxytocin erhalten, um die Lösung der Placenta zu unterstützen, Nachblutungen zu verhindern, und die Produktion von Kolostrum zu erleichtern.
Dieses wird dann abgepumpt und dem Säugling zur Unterstützung der Abwehrkräfte zugeführt.
Geburt
Placentainsuffizienz
37 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Geburt
Geburtsstadien
Öffnungsstadium:
Beginnt nach Abfall des Progesteronspiegels mit dem Öffnen des inneren Muttermundes infolge Tonussenkung (passive Phase) der zervikalen Ringmuskulatur und endet mit dem Sprung der 1. Fruchtblase
Austreibungsstadium:
Beginnt mit Auslösung des Ferguson-Reflexes, d.h. mit der Freigabe von Oxytocin aus dem Hypophysenhinterlappen. Beim Rind nimmt die Austreibung infolge der Engpässe Zervix, Hymenalring und Vulva eine längere Zeit in Anspruch (Aufweitungsstadium).
¾ Rind: Aufweitungsstadium 1-3 h, Färsen 4-6 h; Austreibungsphase 5-10 min
¾ Pferd: bis 60 min, durchschnittlich 20 min
¾ Schwein: 1-5 h, vereinzelt 8 h
¾ Hund: 3-6 h, max. 12 h Nachgeburtsstadium:
Die Geburt ist erst mit der Austreibung der Nachgeburt beendet.
¾ Rind: innerhalb 6 h
¾ Pferd: 15-90 min
¾ Schwein: entweder nach der Geburt einiger Ferkel oder bis zu durchschnittl. 4 h nach der Geburt des letzten Ferkels
¾ Hund: mit den Welpen oder post partum einiger Welpen einzeln oder mehrere zusammen
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Puerperium
Nachgeburt (Rind)
Normaler Abgang der Nachgeburt, Ausstoßung des invertierten Allantochorionsacks, i. a. innerhalb von 6 h, bei verzögertem Abgang bis spätestens 12 h post partum
Schematische Darstellung des physiologischen Nachgeburtsabgangs nach Einstülpung der Eihautsäcke
Tiergeburtshilfe, Richter und Götze (1993)
39 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Puerperium
Mütterliche Phase unmittelbar im Anschluss an eine Geburt (post partum) bei Säugetieren (Nachgeburtsphase, Mensch: Wochenbett)
Innerhalb der ersten 4-5 Tage post partum verringert sich die Uterusmasse um ca.
60 %. Die weitere Gewichtsabnahme bis zum normalen ingraviden Zustand erfolgt innerhalb der folgenden 10-50 Tage.
Im Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) kommt es zu Abbauvorgängen. Der Gewebeabbau führt zur Bildung von Lochien. Die Menge der Lochien ist tierartlich verschieden. Die zunächst wässrige Konsistenz wird innerhalb weniger Tage schleimig. Normale Lochien sind geruchlos oder riechen nach frischem Fisch. Die Lochien werden aus dem Uterus ausgepresst (Lochialfluss) oder vom Endometrium resorbiert.
Die Rückbildung des Geburtskanals und der Vulva sowie die Festigung der Gelenke und Bänder im Beckenbereich erfolgt innerhalb weniger Tage.
Puerperium
Postpartale Stadien beim Rind
Tiergeburtshilfe, Richter und Götze (1993)
41 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Bei dieser Haltungsform wird eine mehrere Wochen andauernde Azyklie post partum beobachtet.
Im Vergleich zu 2x täglich gemolkenen Kühen tritt die erste Corpus luteum Bildung durchschnittlich 17 Tage später auf.
36 Tage
53 Tage
Puerperium
Mutterkuhhaltung und Ovaraktivität
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Puerperium
Bei polyöstrischen Tieren wird das Puerperium durch den schon während der Involution wieder anlaufenden Zyklus positiv beeinflusst.
Bei Schaf und Schwein, z.T. Pferd, wird der Zyklus durch die Laktation gehemmt, ohne dass ein negativer Einfluss auf das Puerperium zu erkennen ist.
Pferd
¾ Häufig nach 10-14 Tagen vollendet
¾ Der Zyklus beginnt schon 8-20 Tage post partum mit der„Fohlenrosse“.
Kleine Wiederkäuer
¾ Verlauf analog zum Rind
¾ Die Laktation hemmt den Zyklus bei den Rassen mit nicht saisonal gebundenem Zyklus (z.B. Merino).
Schwein
¾ Rascher Verlauf
¾ Die nach dem Absetzen der Ferkel eintretende Rausche ermöglicht normalerweise eine erneute Gravidität.
Hund
¾ Der während der Austreibungsphase dunkelgrün-wässrige Ausfluss wird durch das Pigment Uteroverdin dunkelgrün-schwarz und schleimig. Kurze Zeit später erfolgt ein weiterer Farbumschlag in schwarzrot. Lochialfluss beobachtet man 10-21 Tage, wobei das Lochialsekret zunächst dunkelrot-schwarz, dann rostfarben-rötlich und schließlich klar wird.
¾ Die Involution dauert ca. 4-5 Wochen.
43 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Ein gestörtes Puerperium führt zu Fertilitätsstörungen!
Keimruhe / Eiruhe
Embryonale Diapause: Der Embryo (Blastozyste) verweilt frei im Uterus, es kommt vorläufig nicht zur Implantation.
Kommt bei > 100 Arten vor (z.B. Reh, Baummarder, Steinmarder, Dachs, Otter, Braunbär)
Phänomen, bei dem eine Blastozyste eines Säugetiers sich nicht sofort kontinuierlich weiterentwickelt (Entwicklungsverzögerung). Erst nach der Keimruhe beginnt die weitere Entwicklung. Die dadurch verlängerte Tragzeit ermöglicht die Geburt während einer für die Aufzucht günstigen Jahreszeit z.B.
Beim Reh erfolgt die Befruchtung während der Blattzeit Ende Juli. Aber erst Ende November beginnt das embryonale Wachstum. Dadurch werden die Kitze im vegetationsreichen Frühjahr (etwa Mai) gesetzt.
Besonders lang im Verhältnis zur eigentlichen Tragzeit ist die Keimruhe bei Beuteltieren.
45 Dr. Nicola Beindorff - Biologie der Tiere - Reproduktion III: Gravidität, Geburt und Puerperium
Rotes Riesenkänguruh
Zyklusdauer: ca. 35 Tage Gestationsdauer: ca. 33 Tage
Die Geburt erfolgt 1-2 Tage vor dem nächsten Östrus.
Der Fetus misst ca. 2,5 cm und wiegt 0,8 g. Er krabbelt nach der Geburt innerhalb von 3 min selbstständig vom Geburtskanal in den Beutel und hängt sich für die nächsten 2-3 Monate permanent an eine Zitze. 8 Monate verbleibt das Jungtier im Beutel.
Eine erneute Paarung und Befruchtung kann 1-2 Tage nach der Geburt erfolgen.
Wenn kein Jungtier im Beutel der Mutter gesäugt wird, wird die Progesteronsekretion des Corpus luteum die Weiterentwicklung der Blastozyste im Uterus fördern. Wenn ein Jungtier gesäugt wird, verhindert die Laktation durch das Hormon Prolaktin die Corpus luteum Entwicklung und die Blastozyste verweilt in der embryonalen Diapause. Bei Verlust des Jungtiers im Beutel oder verminderter Laktation beginnt die Progesteronsekretion des Corpus luteum und somit endet die Keimruhe.
Kangaroos, Biologyofthelargestmarsupials, Dawson (1998)
ca. 2 Wochen altes Westliches Graues Riesenkänguruh