• Keine Ergebnisse gefunden

Verschärfte Toilettenvorschrift

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Verschärfte Toilettenvorschrift"

Copied!
16
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

www.berliner-behindertenzeitung.de

September 2015 · 26. Jahrgang 2015 Postvertriebsstück A 11 803

Herausgeber: Berliner Behindertenverband e.V. „Für Selbstbestimmung und Würde“ Jahres-Abonnement: 15 EURO

Das meinen wir! Nachrichten

kompakt

Postvertriebsstück A 11 803

Berliner Behindertenverband e.V. · Jägerstraße 63 D · 10117 Berlin

Berliner Behindertenverband e. V.

Ihre Interessenvertretung in Berlin Der neue alte

Begleitdienst Von Dominik Peter

a n z e i g e

Inklusive Berichterstattung und Beratung

Print · Radio · Fernsehen www.inclusio-media.de

Berlin Keine Pause für Politiker:

Das Hauptstadtportal www.berlin.de wird barrierefrei.

Seite 2

Politik Wie weiter, Herr Senator?

Interview mit dem Sozialsenator Czaja.

Seite 5

Zeitgeschehen Wenn behinderte Menschen sich wehren: Piss In in der Arminiushalle in Wedding.

Seite 6

Kultur Die Futura GmbH aus Spandau wird 15 Jahre alt und Graf Fidi gratuliert mit seinen Liedern.

Seite 7

Reisen Unsere Leser berichten über ihre Urlaubsreise und einem Ausfl ug in den Spreewald.

Seite 10

Der VBB-Begleitdienst arbeitet wieder spätabends und auch am Wochenende. Das finden wir prima, denn nur so ist vol- le Teilhabe möglich und wird nicht durch kurze Servicezei- ten konterkariert.

Senatorin Dilek Kolat (SPD) ist nunmehr voll des Lobes über das Erreichte: „Die Tätigkeit im VBB Bus&Bahn-Begleitser- vice ist ein gutes Beispiel, wie Langzeitarbeitslose wieder eine Perspektive auf den ers- ten Arbeitsmarkt bekommen.

26 Prozent der bisherigen Begleiterinnen und Begleiter konnten nach Abschluss der Beschäftigungsmaßnahme in eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden“.

Langfristige Perspektive Das Ganze hat nur einen faden Beigeschmack: Wieso hat man den Begleitdienst vor einiger Zeit ersteinmal für Monate ein- gestellt und anschließend mit absurd kurzen Servicezeiten wieder aufgenommen? Nun- mehr folgte die Kehrtwende hin zum ehemaligen Standard.

Aufmerksamen Leser mag der Gedanke aufblitzen, dass der Wahlkampf eingeläutet wur- de, denn in Berlin wird 2016 gewählt.

Klar, der Service ist nur in Ko- operation mit den Berliner Job-Centern möglich, da die Mitarbeiter des Begleitdienstes zum Großteil aus Arbeitsmark- tinstrumenten finanziert wer- den. Langfristig sollte jedoch eine Lösung herbei geführt werden, die sowohl Mitar- beitern, als auch Nutzern des Begleitdienstes dauerhaft Pla- nungssicherheit bietet. Ohne die ist echte Teilhabe nicht zu verwirklichen, Frau Kolat.

Bauordnung

Verschärfte Toilettenvorschrift

Der heiße August hat es wie- der gezeigt: Gegen hohe Tem- peraturen hilft viel trinken.

Der Getränkeverbrauch steigt deutlich an. Aber was rein- kommt, muss auch wieder he- raus. Doch wo ist sie denn, die nächste Toilette?

Hat man sie gefunden, heißt das noch lange nicht, dass sie behindertengerecht ist. Denn in Berlin gibt es im öf- fentlichen Raum lediglich rund 160 City-Toiletten, die allesamt barrierefrei sind.

Wohl dem also, der ein Einkaufszentrum in der Nähe kennt und dessen Not ihn noch bis dorthin gelangen lässt. Denn dort gibt es auf jeden Fall öffentliche Toi- letten. Auch große Super- märkte wie real, Kaufland und teilweise Edeka mit einer Verkaufsfläche über

800 Quadratmeter haben eine öffentliche Toilette. Ab dieser Größe sind sie vorge- schrieben.

Das soll sich mit der neuen Bauordnung ändern. SPD und CDU sind sich im wesentlichen darüber einig, dass zukünftig alle Geschäfte mit einer Ver- kaufsfläche von mehr als 300 Quadratmetern Verkaufsfläche eine öffentliche Toilette haben müssen. Das soll für alle Neu- bauten gelten.

Für bestehende Einzelhan- delsgeschäfte würde eine Übergangsfrist von drei Jah- ren gelten. Danach bräuchten sie aber auch nur dann eine öffentliche Toilette einbauen, wenn es baulich überhaupt möglich ist. Es lässt sich jetzt schon annehmen, dass sich viele Geschäfte auf diese Posi- tion zurückziehen werden.

Aber immerhin, die Su- permärkte wie REWE, Edeka

und Kaisers beispielsweise müssten solche Örtlichkeiten haben, sofern sie nicht schon vorhanden sind. Das wäre auch gar nicht so schwierig, der Wasseranschluss bei- spielsweise wäre ja schon vorhanden. Die Dichte der öf- fentlichen Toiletten im Stadt- bild würde auf jeden Fall deutlich zunehmen.

Zur Zeit ist die Einrichtung einer öffentlichen Toilette in Geschäften mit weniger als 800 Quadratmetern Verkaufs- fläche eine freiwillige Angele- genheit. Das wird sich ab 2016 ändern. Dann wird die neue Bauordnung in Kraft treten.

Diese Regelung wird berlin- weit gelten und hat binden- den Charakter. Aus Apellen werden dann handfeste ge- setzliche Forderungen, deren Umsetzung einklagbar sind.

Der Einzelhandelsverband legte bereits sein Veto ein.

Mit dieser Festlegung kämen riesige Kosten auf den Ein- zelhandel zu. Vielleicht sollte man den einen oder anderen Einzelhändler zu den Touristi- kern zum Praktikum schicken.

Die haben nämlich schon vor einiger Zeit erkannt, wie ge- schäftsfördernd es ist, sich auf eine zunehmend alternde Ge- sellschaft einzustellen.

Während sich hier die Vor- schriften verschärfen werden, wurden sie bereits vor einigen Jahren für die Gastronomie gelockert. Die Gaststättenver- ordnung von 2005 hob die Toilettenpflicht für Gaststätten auf, wenn sie eine Größe von maximal 50 Quadratmetern und höchstens zehn Sitzplätze haben. Diese Gastronomie- betriebe müssen lediglich ein Schild am Eingang haben, aus dem hervorgeht, dass sie keine Toilette haben. Lesen Sie dazu auch auf Seite 5.

Mehr öffentliche Toiletten sind in Berlin nötig. Darin sind sich SPD und CDU einig. Mit der neuen Bauordnung soll die Einrichtung öffentli- cher Toiletten eine gesetzliche Grundlage erhalten.

Von Siegurd Seifert

© Tatty - Fotolia

Im Elektrorolli vom Bodensee nach Berlin

Der seit einem Unfall quer- schnittsgelähmte Oliver Straub (32) möchte mit einer Fahrt im Elektrorollstuhl vom Bodensee bis Berlin auf die Notwendig- keit für ein Bundesteilhabege- setz aufmerksam machen.

Straub startete am 20. Au- gust in Ravensburg und wird Berlin am 7. September errei- chen. Er wird an diesem Tag um 13.00 Uhr am Brandenbur- ger Tor erwartet.

Bunte Syrealität 2015

Mit diesem Titel eröffnet am 9.

September um 16.30 Uhr im Babelsberger Berufsbildungs- werk Oberlinhaus eine Ausstel- lung der russisch-stämmigen Künstlerin Jenia Kusnezowa.

Kusnezowa lebt seit ihrem fünften Lebensjahr in Berlin.

Nach mehreren Transplanta- tionen fand sie den Weg zur Malerei und näherte sich der Schule Kandinskys an.

Die Ausstellung ist im Hauptgebäude des Berufsbil- dungswerkes in der Steinstra- ße 80/82/84 in 14480 Potsdam zu sehen.

Inklusionsbot- schafter trafen sich in Mainz

Im Rahmen eines von der Ak- tion Mensch geförderten und vom Behindertenverband In- teressenvertretung Selbstbe- stimmt Leben in Deutschland (ISL) durchgeführten Modell- projektes wurden insgesamt 35 Menschen mit verschie- denen Behinderungen aus- gewählt, um gezielt für die Inklusion zu werben. Anhand ihrer eigenen Erfahrungen und guter Beispiele zeigen sie in verschiedenen Regionen Deutschlands auf, wie die UN- Behindertenrechtskonvention umgesetzt und damit die In- klusion vorangetrieben wer- den kann.

Kandidaten für Bürgermedaille gesucht

Noch bis zum 15. September können Kandidaten vorge- schlagen werden, die sich durch langjähriges ehrenamt- liches Engagement in Lichten- berg verdient gemacht haben.

Vorschläge mit einer schrift- lichen Begründung können per E-Mail sabine.iglueck@

lichtenberg.de eingereicht werden.

(2)

BBZ

2 Zeitgeschehen September 2015

EINLADUNG ZUM BBV-FORUM 2015

WOHNRAUM

BEZAHLBAR UND BARRIEREFREI?

17. SEPTEMBER 2015 · 18.00 - 20.00 Uhr BÜRGERZENTRUM NEUKÖLLN WERBELLINSTRASSE 42 · 12053 BERLIN

Seit Jahren ist das BBV-Forum eine Veranstaltung, bei der Ber- liner mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft in lockerer Atmosphäre diskutieren können. Im Fokus der Veran- staltung steht das Land Berlin und seine Entwicklung zu einer barrierefreien, inklusiven Hauptstadt. In den letzten Jahren folgten hochrangige Berliner Persönlichkeiten der Einladung zum BBV-Forum.

© Siegurd Seifert, Grafi ken: fotolia mopsgrafi k, andrey Kuzim

Neues aus der Politik

Hauptstadtportal www.berlin.de barrierefrei

Teilnahme an der Politik und am Arbeitsleben: Keine Sommerpause für Politiker

Der Zugang zu den Inhalten des Hauptstadtportals Berlin.

de im Sinne der Barrierefreiheit ist insgesamt als gut einzuord- nen, so der Senat in seiner Ant- wort auf die Anfrage der Abge- ordneten Elke Breitenbach (DIE LINKE) vom 18. Juni (Drucksa- che 17/16464). Und bis Ende des Jahres sollen mit einem Projekt auch deutlich mehr Gebärdensprache-Videos so- wie Angebote in Leichter Spra- che verfügbar sein, kündigt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) an.

Jugendberufsagenturen für Jugendliche mit Behinde- rungen

In der Sitzung des Abgeord- netenhauses stimmten alle Fraktionen für den Antrag von SPD und CDU „Berliner Jugendberufsagenturen für Jugendliche mit Behinderung öffnen (Drucksache 17/2312).

Der Antrag der LINKEN „Jeder und jedem eine Chance für Ausbildung und Beruf: Wenn Jugendberufsagentur, dann richtig!“ (Drucksache 17/1724) wurde von der SPD/CDU- Koalition gegen die Stimmen

der drei Oppositionsfraktio- nen abgelehnt. Im Oktober soll nun an vier Standorten die Umsetzung des Antrages beginnen.

Seniorenwohnhäuser erhalten

Die Berliner Wohnungspolitik wird derzeit in vielerlei Hin- sicht heiß diskutiert. In der Abgeordnetenhaussitzung am 28. Mai stand der Antrag der LINKEN „Seniorenwohnhäuser erhalten und weiterentwi- ckeln“ (Drucksache 17/2257) auf der Tagesordnung. Damit soll die Privatisierung dieser preiswerten Mietwohnungen gestoppt werden. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen.

Eltern behinderter Kinder unterstützen

Die Piratenfraktion hat einen Antrag „Eltern behinderter Kin- der unterstützen. Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für bürokratische Fragen“ (Druck- sache 17/2366) ins Abgeord- netenhaus eingebracht. Darin fordern sie u.a. vom Senat, für Familien mit Kindern mit be- sonderen Versorgungs- oder Betreuungserfordernissen

eine zentrale Fach- und Bera- tungsstelle mit Lotsenfunktion in Berlin einzurichten. Damit sollen Beratung und Leistun- gen für die betroffenen Fami- lien endlich aus einer Hand und langfristig gewährleistet werden, und nicht nur in be- stimmten Lebensphasen (z.

B. Frühe Hilfen) oder lediglich punktuell (z. B. sozialmedizini- sche Nachsorge, Sozialpädiat- rische Zentren).

Bundestag diskutiert über Gute Arbeit

187.000 als schwerbehindert an- erkannte Menschen waren im Januar 2015 arbeitslos. Die Ar- beitslosenquote ist doppelt so hoch, wie die allgemeine Quote, obwohl viele Schwerbehinderte gar nicht mehr in der Arbeits-

losenstatistik geführt werden.

300.000 Menschen befinden sich derzeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen, Tendenz steigend. Deren monatlicher Durchschnittslohn beträgt 180 Euro. Und viele von denen, die einen Arbeitspatz haben, kämp- fen mit weiteren Schwierigkei- ten. So sind laut einer Studie der Gewerkschaft verdi die Hälfte aller Arbeitsplätze nicht barriere- frei. Deswegen setze die Fraktion DIE LINKE am 2. Juli ihren Antrag

„Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen“ (Drucksache 18/5227) auf die Tagesordnung im Bundestag. Einer ihrer Forde- rungen ist die deutliche Anhe- bung der Ausgleichsabgabe für Unternehmen die weniger als 5 Prozent Schwerbehinderte be- schäftigen. Inzwischen hat auch Bundesfinanzminister Wolfgang

Schäuble (CDU) über eine Ver- dopplung der Ausgleichsabga- be laut nachgedacht.

Am gleichen Tag dann noch ein TOP zum gleichen Thema – ein Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD „Integrati- onsbetriebe fördern – Neue Chancen für schwerbehin- derte Menschen auf dem ers- ten Arbeitsmarkt eröffnen“

(Drucksache 18/5377). Diesmal wurden die Reden wegen der fortgeschrittenen Zeit nur zur Protokoll gegeben. Beide An- träge werden nun in den Aus- schüssen weiter diskutiert.

Bund fördert politische Teilhabe

17 Seiten umfasst die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN „Nachhaltige Förderung des politischen und bürgerschaftlichen Engage- ments von Menschen mit Be- hinderungen“, BT-Drucksache 18/5612. Dabei geht es um die Frage, warum Menschen mit Behinderungen und ihre Orga- nisationen deutlich weniger an politischen Entscheidungspro- zessen beteiligt sind, obwohl Bund, Länder und Kommunen nach Artikel 4 und 29 der UN- Behindertenrechtskonvention

hier in der Pflicht sind. Leider gestatten die Fragen und die Antworten kein umfassendes Bild zu dem Thema. Viele Prob- leme aus dem Alltag sind aus- geblendet, aber es gibt auch interessante Details, z. B. in der Frage 18. Für Interessierte:

Diese Drucksache sowie eine weitere Drucksache zum sel- ben Thema von den LINKEN (18/4359) sind auf der Home- page der BBZ zu finden.

Barrierefreiheit hat hohe Bedeutung

Die Bundesregierung misst der Barrierefreiheit hohe Bedeu- tung zu und will sie schritt- weise vorantreiben. Dazu ge- hören auch die Erarbeitung eines Leitfadens, Änderun- gen im vergaberecht und die Mitwirkung in europäischen und internationalen Gremi- en. Die Überlegungen zur dauerhaften Einrichtung ei- ner Beratungsstelle zu Fragen der Barrierefreiheit sind noch nicht abgeschlossen, so die Parlamentarische Staatssekre- tärin Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) am 26. Juni auf drei Fra- gen der behindertenpoliti- schen Sprecherin der LINKEN, Katrin Werner (Drucksache 18/5455, S. 33-36).

Berlin

Bundessozialgericht für Auswei- tung des Blindengeldes

Deutliche Klarstellung für mehr Rechtsicherheit

Kassel (kobinet) Das Bundessozialgericht (BSG) hat am ver- gangenen Dienstag entschieden, dass auch Menschen mit schwersten Hirnschädigungen, die nicht sehen können, Anspruch auf Blindengeld haben. Anders als bisher ent- schieden, ist es hierfür nach Informationen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) nicht mehr erforderlich, dass ihre Beeinträchtigung des Sehvermögens deutlich stärker ausgeprägt ist als die Beeinträchtigung an- derer Sinneswahrnehmungen wie zum Beispiel des Hörens oder Tastens.

Wie dbsv-direkt berichtet, erlitt der heute zehnjährige Kläger bei seiner Geburt wegen einer Minderversorgung mit Sauer- stoff schwerste Hirnschäden, die unter anderem zu einer schweren mentalen Retar- dierung mit Intelligenzmin- derung geführt haben. Seine Wahrnehmungsfähigkeit ist im Bereich aller Sinne stark einge- schränkt. So verfügt der Kläger lediglich über basale visuelle Fähigkeiten, so dass er als ge- setzlich blind gilt. Die Mutter des Klägers beantragte 2006 für ihren Sohn Blindengeld nach dem Bayerischen Blin- dengeldgesetz. Der Freistaat Bayern lehnte den Antrag ab.

Zwar liege beim Kläger eine schwerste Hirnschädigung vor, jedoch sei das Sehvermö- gen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt als die übrigen Sinne. Dies aber sei nach der

Rechtsprechung des Bundes- sozialgerichts zur so genann- ten zerebralen Blindheit Vor- aussetzung für die Gewährung von Blindengeld. Das Landes- sozialgericht bestätigte diese Entscheidung.

Die obersten deutschen Sozialrichter haben mit dem aktuellen Urteil nun ihre Rechtsprechung aufgegeben und dem Kläger Blindengeld zugesprochen. Sie sehen sich hierzu einerseits aus „prozes- sualen“ Gründen veranlasst.

Vor allem aber beziehen sie sich auf den Aspekt der Gleichbehandlung behinder- ter Menschen vor dem Gesetz (Grundgesetz Artikel 3). Das BSG kann keinen Grund dafür erkennen, dass zwar derjeni- ge Blindengeld erhalten soll, der „nur“ blind ist, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich eine mindestens ebenso gra- vierende Schädigung anderer Sinnesorgane vorliegt, heißt es in dbsv-direkt.

„Mit diesem Urteil wird end- lich Gerechtigkeit geschaffen.

Es ist Schluss damit, dass es blindengeldrechtlich blinde Menschen erster und zweiter Klasse gibt“, erklärt Christiane Möller, Rechtsreferentin des DBSV. „Mit dem Rückenwind des Bundessozialgerichts dürf- ten mehrere laufende Verfah- ren zu einem guten Ende ge- bracht und den Betroffenen neue Teilhabemöglichkeiten eröffnet werden. Dass das BSG seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat, war überfällig und ist sehr zu begrüßen.“

Hintergrund Blindengeld Das Blindengeld ist eine monatliche Unterstützung für blinde Menschen, die pau- schal gewährt wird. Der Nach- teilsausgleich wird eingesetzt, um Ausgaben zu begleichen, die man aufgrund der Behin- derung hat, zum Beispiel um eine Haushaltshilfe zu bezah- len, um Texte in Blindenschrift übertragen oder aufsprechen zu lassen oder um sich Hilfs- mittel anzuschaffen. Die Höhe des Blindengeldes ist je nach Bundesland sehr unterschied- lich. Der DBSV setzt sich aktuell dafür ein, im Rahmen des Bun- desteilhabegesetzes ein bun- deseinheitliches Blindengeld zu schaffen.

Von Ottmar Miles-Paul Von André Nowak

(3)

3

BBZ September 2015 Zeitgeschehen

a n z e i g e

Interview

Wie weiter, Herr Senator?

Fragen an Senator Czaja zu Arbeitsplätze und Wohnraum für behinderte Menschen, Pflegekammer und Berliner Behindertenzeitung

Die Flüchtlingsdiskussion ist das alles beherrschende The- ma dieser Tage. Sicherlich ist das eine gewaltige Herausfor- derung für eine Verwaltung. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales hat aber noch andere Aufgaben. Wie sieht es damit aus? BBV-Vorsitzender Dominik Peter sprach mit Se- nator Czaja über diese Themen.

BBZ: Herr Senator Czaja, als Sie ihr Amt übernommen haben, haben wir mit Ihnen ein Inter- view geführt. Damals benann- ten Sie als einen Schwerpunkt ihrer Arbeit, die schrittweise Umsetzung der UN-Behinder- tenrechtskonvention. Wie sind Sie mittlerweile vorangekom- men?

Ein großes Stück. Denn der Se- nat hat inzwischen einen Akti- onsplan beschlossen, der die zehn behindertenpolitischen Leitlinien in konkrete Ziele und Maßnahmen übersetzt, mit denen das Land Berlin die UN- Behindertenrechtskonvention bis zum Jahr 2020 nachhal- tig umsetzen will. Damit sind wir – auch im bundesweiten Vergleich – auf dem richtigen Weg. Und was mir ganz wich- tig ist: Auf allen Ebenen dieses Prozesses waren und sind Men- schen mit Behinderung aktiv beteiligt. Die geplanten Maß- nahmen betreffen auch die Verwaltung selbst. Es gibt jetzt in den Senatsverwaltungen zentrale Stellen, die die Umset- zung der UN-Konvention koor- dinieren und überwachen. Ziel ist es, die Führungskräfte und Mitarbeiter für Barrierefreiheit zu sensibilisieren und Inklusi- on im Sinne eines „design for all“ in der Verwaltungsarbeit umzusetzen. Dabei verstehen wir Barrierefreiheit umfassend - von Informationsbroschüren in leichter Sprache bis zu Roll- stuhlrampen vor Wahllokalen.

Wer mehr dazu wissen will – der vollständige Aktions- plan ist nachzulesen unter:

ww.berlin.de/lb/behi/_assets/

veroeffentlichungen/aktions- plan_berlin.pdf.

Und auch das Gesetzge- bungsverfahren ist im Gange.

Das „Projekt: Monitoring-Stelle Berlin“ hat inzwischen alle Gesetze, Verordnungen und Vorschriften im Land Berlin auf die Vereinbarkeit mit der UN- Behindertenrechtskonvention überprüft. Die Ergebnisse die- ser Normenprüfung sind auf der Homepage des Projektträ- gers, des Deutschen Instituts für Menschenrechte, veröffent- licht und wurden bereits mit den jeweils zuständigen Se- natsverwaltungen diskutiert.

Auf dieser Grundlage bereitet mein Haus jetzt ein Artikelge- setz vor, in dessen Mittelpunkt die Änderung des Landes- gleichberechtigungsgesetzes (LGBG) steht.

BBZ: Seit 2003 vergibt das Land Berlin jährlich den Inklusions- preis an Berliner Arbeitgeber.

Die Arbeitslosenzahlen unter Schwerbehinderten ist in Berlin nach wie vor hoch. Was können Sie als Sozialsenator hier bewir- ken? Haben Sie Pläne?

Der Berliner Inklusionspreis ist ein wertvoller Beitrag auf dem Weg zu mehr Teilhabe schwer- behinderter Menschen am Arbeitsleben. Die Bewerber zeigen seit Jahren beispielhaft, wie die Beschäftigung schwer- behinderter Menschen gelin- gen kann und dass sie in vielen Berliner Betrieben bereits Teil des Unternehmensalltags ist.

Was mir persönlich besonders gefällt: Diese guten Beispiele zeigen anderen Unternehmen, was alles möglich ist, und regen zum Nachmachen an. Damit mehr Menschen mit Handicap sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden können, investiert Berlin aber auch in strukturelle Maßnahmen, z. B.

die Umsetzung des Bundesar- beitsmarktprogramms „Initia- tive Inklusion“. Schwerbehin- derte Beschäftigte bekommen individuelle Förderung vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und von den zuständigen Trägern der Rehabilitation. Jugendli- che mit einer geistigen oder seelischen Behinderung sowie Menschen mit einer schweren Sinnes-, Körper-, oder Mehr- fachbehinderung, die nur ge- ringe Chancen auf dem allge- meinen Arbeitsmarkt haben, werden in Berlin in vielen Inte- grationsprojekten ausgebildet, beschäftigt und arbeitsbeglei- tend betreut. Allerdings kann und muss hier noch mehr getan werden. Als Sozialsena- tor ist es mir wichtig, dass die Berliner Arbeitswelt sich noch stärker für Menschen mit Be- hinderung öffnet. Hier setzen wir auch auf bessere Aufklä- rung der Arbeitgeber. Es gibt zwar zahlreiche Fördermög-

lichkeiten für Unternehmen im Land Berlin, die behinderte Menschen beschäftigen, nur sind sie vielen Arbeitgebern oft nicht bekannt. Deshalb hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales speziell für diese Zielgruppe ein Bildungssemi- nar entwickelt, das die existie- renden Fördermöglichkeiten der Reha-Träger und des In- tegrationsamtes vorstellt und über die Rechte und Pflichten schwerbehinderter Menschen am Arbeitsplatz informiert.

BBZ: In Berlin fehlen rund 41.000 barrierefreie und barri- erearme Wohnungen. Zudem trifft uns in den kommenden Jahren der demografische Wandel. Sie kennen die Forde- rungen des Berliner Behinder- tenverbandes bezüglich der Novellierung der Berliner Bau- ordnung. Demnach fordern wir volle Barrierefreiheit und nicht irgendwelche Kompromisse.

Wie ist Ihre Haltung?

Der demografische Wandel stellt auch den Wohnungsbau vor große Herausforderungen.

Die bereits erwähnte Moni- toring-Stelle des Deutschen Institutes für Menschenrech- te hat im Rahmen ihrer Nor- menprüfung auch die Berliner Bauordnung unter die Lupe

genommen. Die Ergebnisse ha- ben wir in meiner Verwaltung zusammen mit dem Landes- beauftragten für Menschen mit Behinderung umfassend disku- tiert. Unterm Strich lautet das Ergebnis: Die Berliner Bauord- nung muss aus senioren- und behindertenpolitischer Sicht geändert und erweitert wer- den. Und natürlich brauchen wir eindeutig mehr barriere- freien Wohnraum. Darüber hi- naus sollten auch Wohnungen, die grundsätzlich barrierefrei erreichbar sind – z. B. in Erdge- schosslage oder in Gebäuden mit Aufzug – im Alter oder bei Eintritt einer Behinderung des Mieters durch einfache Um- baumaßnahmen barrierefrei hergerichtet werden können.

Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen, in der neu- en Berliner Bauordnung den verpflichtenden Anteil an barri- erefreiem Wohnraum bei Neu- bauten deutlich zu erhöhen.

Wie hoch dieser Anteil genau ausfällt – darüber führen wir derzeit noch Verhandlungen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

BBZ: Eine große Mehrheit der Pflegekräfte in Berlin befürwor- tet die Gründung einer Pflege- kammer. Wie stehen Sie als So- zialsenator dazu?

Ich bin überzeugt, dass sich eine Pflegekammer auf ver- schiedenen Ebenen positiv auf die Situation der Pflege in Berlin auswirken wird. Zum einen hätten Pflegefachkräf- te dadurch erstmals – wie bei anderen Berufsgruppen längst üblich – eine eigene fachli- che Interessenvertretung, die sich der Probleme und Her- ausforderungen in der Pflege annimmt: von der dringend nötigen Verbesserung der Ver- gütung bis hin zur fachlichen Qualifizierung. Zum anderen würde sie die Außenwahr- nehmung des Berufsstandes deutlich verbessern und dazu beitragen, die verschiedenen Berufsfelder in der Pflege at- traktiver zu machen. Dann werden sich auch in Zukunft immer mehr junge Menschen für einen Pflegeberuf ent- scheiden. In der Altenpflege verzeichnen wir in Berlin er- freulicherweise seit Jahren steigende Ausbildungszah- len. Doch wir müssen weiter dran bleiben, denn durch die demografische Entwicklung brauchen wir weiterhin viele neue Pflegekräfte, Tendenz steigend. Insofern hätte eine Pflegekammer auch aus Sicht pflegebedürftiger Menschen einen positiven Effekt. Übri- gens hält auch die Mehrheit

der Pflegekräfte in Berlin eine Pflegekammer für eine gute Sache. In einer aktuellen Stu- die, die mein Haus dazu in Auf- trag gegeben hat, haben sich fast 60 Prozent der Befragten für die Gründung einer Pflege- kammer ausgesprochen.

BBZ: Die Berliner Behinderten- zeitung feiert dieses Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. In dieser Zeit haben wir auch Ihre Tätig- keiten konstruktiv kritisch be- gleitet. Was bedeutet eine BBZ für Sie?

Gerade in der behinder- tenpolitischen Arbeit geht es immer auch darum, auszulo- ten, ob ein in der Theorie gut durchdachtes Gesetz im Alltag der Menschen auch wirklich funktioniert. Welche gesetzli- chen Regelungen haben sich bewährt und führen tatsäch- lich zu mehr Lebensqualität, Autonomie und sozialer Teilha- be? Wo hat eine Verwaltungs- vorschrift einen blinden Fleck, der sich erst im Alltag offen- bart? Hierfür brauchen wir die Berliner Behindertenzeitung als kritischen Begleiter.

BBZ: Ich bedanke mich für das Gespräch.

© E.A.JUNG-WOLFF

(4)

BBZ

4 Zeitgeschehen September 2015

Lichtenberg

Ordnungsamt online

BBZ/SE Am 17. August 2015 startete das Internetportal

“Ordnungsamt Online“ in Lich- tenberg

Im Internetportal können Bürgerinnen und Bürger im neuen berlineinheitlichen Verfahren Ordnungsamt- Online ihre Hinweise und Beschwerden aus Lichten- berg eingeben. Damit ist Lichtenberg der erste Be- zirk, der das Portal freischal- ten wird.

„Es ist Zeit, dass nun ein ber-

linweites und einheitliches In- ternetportal die Möglichkeiten bietet, Bürgeranliegen trans- parent und nachvoll¬ziehbar umzusetzen sowie den Da- tenaustausch mit externen

Beteiligten elektronisch zu erlauben“ meint der verant- wortliche Bezirksstadtrat Dr.

Andreas Prüfer (DIE LINKE). Das bewährte Ampelsystem, be- kannt aus dem Internetportal Maerker, konnte übernommen werden.

So können sich Interessierte weiter online über den Stand der Bearbeitung informieren und erfahren, wann das Prob- lem behoben wurde.

Berlin

Neuer Beirat, neue Themen?

Der Landesbeirats für Menschen mit Behinderung setzt seine Arbeit kontinuierlich fort

Sicher wird der Landesbehindertenbeirat nach seiner Neu- wahl auch neue Themen aufgreifen. Eindeutig bestätigten aber die Mitglieder, dass sie kontinuierlich die Themen wei- ter verfolgen werden, die sie vor der Wahl begonnen haben.

Staatenbericht zur Umset- zung der UN-BRK

In seiner ersten ordentlichen Sitzung in der 4. Amtsperiode am 2. Juli diesen Jahres hat sich der Landesbeirat für Men- schen mit Behinderung über die Ergebnisse der Staatenprü- fung zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention informiert und mögliche dar- aus resultierende Impulse für Berlin diskutiert.

Die Empfehlungen des Fachausschusses zur UN-Behin- dertenrechtskonvention um- fassen 62 Maßnahmen zu fast allen Artikeln der UN-Behinder- tenrechtskonvention. Es wer- den dabei staatliche Stellen auf allen Ebenen in die Verpflich- tung genommen. Ausdrücklich wird auch auf Landesebene Handlungsbedarf gesehen. U.a.

wurde eingefordert, angemes- sene Vorkehrungen als durch- setzbares Recht zu verankern, um damit dem Anspruch auf angemessene Vorkehrungen zum Durchbruch zu verhelfen.

Barrierefreiheit sollte auch im Privatsektor sowie bei Rund-

funkanstalten zum Thema ge- macht werden. Besondere Be- achtung fand auch das Verbot von Zwangsunterbringungen sowie die menschenrechtsba- sierte Überprüfung psychiatri- scher Dienstleistungen und der Gewaltschutz in Einrichtungen (Artikel 14 und 15 der UN-BRK).

Zu der Empfehlung, eine umfassende, wirksame und mit angemessenen Finanzmitteln ausgestattete Strategie auf- zustellen, um in allen öffentli- chen und privaten Umfeldern den wirksamen Gewaltschutz für Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu gewährleis- ten, wurde sogar ein Bericht zu den getroffenen Maßnahmen in einem Jahr eingefordert.

In diesem Zusammenhang wurde aus dem Gremium der Berliner Aktionsplan und sei- ne Umsetzung angesprochen.

Einen wesentlichen Teil bilden hier die “10 Behindertenpoli- tischen Leitlinien des Landes Berlin zur nachhaltigen Umset- zung der UN - BRK bis zum Jahr 2020“, die gerade eine Konkre- tisierung per Senatsbeschluss erfahren haben. Diese sollen in der nächsten Sitzung des Landesbeirates zum Thema gemacht und mit der zustän-

digen Senatsverwaltung dis- kutiert werden.

Wohnsituation schwerst- mehrfachbehinderter Menschen

Zur Thematik „Mangel an stati- onären Wohnheimplätzen für schwerstmehrfach behinder- te Menschen in Berlin“ aus der vergangenen Amtsperiode war man im Gremium über- eingekommen, schnell mit- telfristige Lösungen finden

zu wollen und zu prüfen, wie bereits vorhandene Angebo- te, die z.T. vielleicht auch nicht hinreichend bekannt sind, vernetzt werden können. Ziel ist es, eine verlässliche Über- sicht über den gegenwärti- gen Bedarf zu erhalten und eine belastbare Prognose wel- cher Bedarf zukünftig zu er- warten ist. Der Staatssekretär für Soziales, Herr Gerstle, reg- te als Idee eine von Lotse zu moderierende gemeinsamen Runde an.

In Fortführung der be- sagten Thematik war für die Sitzung im Juli nun die Fürst Donnersmarck-Stiftung gebe- ten worden, ihr Modellprojekt

„Wohnen mit Intensivbetreu- ung“ vorzustellen.

Von dieser wurde betont, dass die innovative Entwick- lung u.a. von richtungswei- senden Wohnangeboten eine bedeutende Zielsetzung in der Arbeit der Fürst Donners- marck-Stiftung sei.

Vor der Aussage des Artikel 19 der UN-BRK, dass Menschen mit Behinderung das Recht haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, fand im Gremium eine sehr kontroverse Diskussion statt.

Die Gäste sahen sich dem Vor- wurf ausgesetzt, dass die vor- gestellte Wohnsituation nicht den Vorstellungen der betrof- fenen Menschen entspricht.

Andererseits wurde eine Ver- besserung gegenüber einer stationären Unterbringung eingeräumt, und dass das vor- gestellte Projekt seine Berech- tigung als eine Übergangslö- sung findet.

Das Thema „Wohnsituation schwerstmehrfachbehinderter Menschen“ wird u.a. auch in der Arbeitsgruppe Menschen mit Behinderung der Senats- verwaltung für Gesundheit und Soziales weiter verfolgt werden.

Zusammenarbeit mit dem Landesschulbeirat

Ein wichtiges Anliegen ist dem Landesbeirat, sich mit anderen Gremien auszutauschen und zu vernetzen. So wurden und werden Mitglieder des Landes- beirats per Beschluss zur Mitar- beit in verschiedensten Berei- chen entsandt. Als ein Beispiel sei hier die Zusammenarbeit mit dem Landesschulbeirat (LSB) erwähnt, zu dem in der Sitzung im Juli über Entsen- dungen beraten wurde. Im Vorfeld gab es auf Seiten des LSB bereits einen Beschluss zur Zusammenarbeit. Zunächst soll einer Vertretung ein Gast- recht in den Sitzungen einge- räumt und dann zu gegebener Zeit eine mögliche gesetzliche Verankerung der Mitglied- schaft in den jeweiligen Gre- mien geprüft werden.

Erste Kontakte zwischen Vertretern der beiden Landes- beiräte gab es bereits durch den Beirat Inklusion sowie den jetzigen Fachbeirat Inklusion.

Durch eine Mitarbeit im LSB ist man zukünftig in einem Regelgremium kontinuierlich vertreten und könnte so das Thema Bildung für behinderte Kinder und Jugendliche nicht nur in temporären Arbeits- gruppen einbringen.

a n z e i g e

©: Gerd Altmann · pixelio

Von Heike Schwarz-Weineck

a n z e i g e

Ein schützendes Dach und ein starker Partner Die USE gGmbH bietet vielfältige berufliche Rehabilitationsmöglichkeiten für

psychisch kranke und / oder behinderte Menschen. Ihre Perspektive können Sie aus 25 Berufsfeldern von Handwerk & Medien über Dienstleistungen bis hin zu Gastronomie & Tourismus wählen.

www.u-s-e.org

i Tel.: 030 / 49 77 84 - 0

(5)

5

BBZ September 2015 Zeitgeschehen

Berlin

Jeder Mensch muss müssen dürfen!

Die Arminius-Markthalle setzt sich über Bedürfnisse hinweg

Wer die Arminius-Markthalle in Moabit kennt, wird sie sehr in- teressant finden und sich ger- ne darin aufhalten. Mehr als 30 Stände bieten ihre Waren an, es wird Kleinkunst und Theater mit Verzehr ge-boten, Gläser werden erhoben bis spät in den Abend hinein. - Aber wer etwas trinkt, wird auch irgend- wann die Toilette aufsuchen müssen. Für Menschen ohne Behinderung ist das gar kein Pro-blem, sie gehen einige Stufen hinunter und zwängen sich in die engen Kabinen mit den WC´s. Körperbehinderte Menschen können das nicht.

Sie müssen, wenn sie müssen, rechtzeitig nach Hause fahren oder sich vor dem Besuch der Arminius-Markthalle Windel anlegen (lassen), denn es gibt dort KEIN barrierefreies WC.

Diesen skandalösen Zu- stand beklagen seit vielen Monaten nicht nur die Behin- dertenbeauftragte des Bezirks Mitte, Frau Knuth, sondern auch Mitglieder der BVV, der Parteien, der Seniorenvertre- tung, des Abgeordnetenhau-

ses und viele Verbände und Vereine. In der Arminius-Markt- halle bestehen nicht die glei- chen Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Be- hinderung, es findet Ausgren- zung statt! Alle Bemühungen behördlicherseits, umfangrei- cher Schriftverkehr mit dem Betreiber der Markthalle, Herrn Kaufmann, um diese Diskrimi- nierung zu beseitigen, blieben erfolglos!

Denn er muss kein Rolli-WC bauen – und darum tut er es auch nicht! Es gibt dafür kei- ne gesetzli-che Grundlage! Er beruft sich darauf, dass 1. ihm diese Auflage bei der Übereig- nung 2001 (!) nicht gemacht wurde und 2. jede einzelne Lo- kalität (!) in der Halle weniger als 50 Plätze hat. Darum muss er auch gemäß Gaststätten-VO nichts machen. Das Bezirksamt Mitte würde ihm sogar die neue WC-Anlage bezuschus- sen, die Denkmalschutzbe- hörde würde dem Umbau zu- stimmen, aber sie wurde ja gar nicht gefragt! Er stellt ja keinen Antrag. Herrn Kaufmann ge- hört die Halle, er kann machen was er will. Die UN-BRK ist nicht einklagbar!

Wenn also Recht zu Un- recht wird, weil Barrierefreiheit rechtlich nicht herzustellen ist, unsere Grundrechte also nicht umsetzbar sind, wird Wider- stand zur Pflicht! Und so fand am 27. Juni 2015 ein „Piss-In“

in der Arminius-Markthalle statt, initiiert vom Spontanzu- sammenschluss Mobilität für Behinderte. Es war keine (an- gemeldete) Demo, wir nann- ten es Performance, die Dar- stellung unserer Probleme. Wir hatten Eimerchen, Windeln, Ente, einen Wandschirm, Klo- Papier usw. dabei, aber auch Megaphon und Flugblätter.

Es waren über 50 „Mitwirken- de“! - Mehr, als wir uns erhofft hatten. Zeitweise war der Ein- gang der Markthalle fast dicht, einfach, weil wir so viele waren.

- ca.10 Rollis, mehrere Rollato- ren, auch Mütter mit Kinder- wagen usw. - Frau Knuth, Herr Krüger (MdA), die BVV (Die Grünen), der VdK, Mitglieder des Behindertenbeirats, der SPD-Orts-gruppe Moabit, der Seniorenvertretung, des BBV und mindestens 10 Mitglieder von InterAktiv e.V. waren ge- kommen und unterstützten lautstark und vehement die

Forderung der „Spontis“ nach einem barrierefreien WC in der Arminius-Markthalle. Es war eine gelungene Aktion! Danke hier an alle, die teilgenommen haben! - Herr Kaufmann, Leiter der Arminius-Markthalle und Hardliner, rief nach der Polizei, was wir lautstark begrüßten, weil es uns noch mehr Auf- merksamkeit brachte. Diese ging äußerst milde mit uns um als sie kam, sie war offenbar auf unserer Seite. Ich gab den Ordnungshütern ein Flugblatt in die Hand damit sie wussten, warum wir diese Aktion mach- ten.

Und wir müssen weiter nerven! Immer wieder mit Flugblättern aufkreuzen, phan- tasievolle Aktionen durchfüh- ren, die Öffentlichkeit und die Medien für dieses berechtigte Anliegen gewinnen! Etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig! Denn Menschen mit Behinderungen sind rechtlos bei privaten Investoren und Betreibern! Und davon gibt es sehr viele!

Wenn nicht endlich besitz- standsbrechende Vorschriften erlassen werden, wird Berlin nie barrierefrei werden und damit auch Teilhabe weiterhin nur eingeschränkt möglich sein!

a n z e i g e

Fragen an Hildrun Knuth, Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinde- rung im BA Mitte von Berlin Was ist los in der Arminius- Markthalle? Die Arminius- Markthalle im Ortsteil Moabit gibt es seit 1891. Anfang 2010 wurde die Halle in private Nutzung übergeleitet. Der Berliner Großmarkt, in der Zu- ständigkeit des Senates von Berlin, übergab die Halle an die Zunft AG. Seitdem vollzog sich ein Wandel weg vom ty- pischen Markthallenflair und hin zur Erlebnis-Gastronomie mit Wein- und Speisenvielfalt, mit Theater und vielen Ange- boten abends und am Wo- chenende. Die Halle legte ihr

„Schmuddel-Image“ ab und ist ein wichtiger, attraktiver und viel besuchter Standort in Moabit, weit über die Be- zirksgrenzen hinaus bekannt und bereits zweimal für den

„event-location-award“ nomi- niert.

Wo ist nun das Problem?

Das Problem besteht darin, dass es in der Halle kein be- hindertengerechtes WC gibt.

Und das halte nicht nur ich für eine Diskriminierung, sondern mit mir die Behin- dertenbeiratsmitglieder, die Seniorenvertretung, Bezirks- verordnete, Mitglieder von Vereinen und Selbsthilfegrup- pen, wie z.B. InterAktiv e.V., SoVD e.V., BBV e.V. u.a. und vor allem Spontanzusam- menschluss Mobilität . Es gibt Vorschriften für die Einrich- tung von WC-Anlagen, auch für Behinderten-WC, warum wurden diese nicht angewen- det? Gute Frage, die wir an di-

verse Verantwortungsebenen gestellt haben, unter ande- rem an die Senatsverwaltung, den Bezirk (Gewerbeamt, Bauaufsicht), in der AG Bauen und Verkehr barrierefrei (Sen- Stadt). Es gab, initiiert von MdA Herrn Krüger, Anfragen des Abgeordnetenhauses, es gibt Drucksachen der BVV Mitte von Berlin, Ausschüsse hatten diesen Sachverhalt auf der Tagesordnung, Ortstermi- ne fanden statt. Die Erklärun- gen reichen von Bestands- schutz über Denkmalschutz, von baulich nicht möglich bis zu 300.000€, die eine Ein- richtung eines behinderten- gerechten WC kosten soll.

Die Betreiber lehnen rigoros den Einbau ab. Am merkwür- digsten ist die Erklärung des Gewerbeaufsicht-Amtes, in der mitgeteilt wird, dass die Markthalle fast ausschließlich aus Einzelverkaufsständen mit Sitzplatzangeboten besteht, von denen die einzelnen Flä- chen unter 50qm liegen und somit für die einzelnen Ange- bote keine Einbauverpflich- tung besteht. Es würde keine Nutzungsänderung erfolgen und der Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit ist zu beach- ten. Wie das? Die Hallenfläche umfasst mehrere hundert qm! Richtig, es ist unverständ- lich. Eine Theaterspielstätte in der Halle soll hier keine Nut- zungsänderung darstellen, die Umwidmung eines Schle- cker-Marktes in eine Gastro- nomie-Einrichtung ist hier keine Umnutzung, Veranstal- tungen mit mehreren hun- dert Gästen, das alles erfüllt hier nicht den Sachverhalt Umnutzung. Zudem bezieht sich das Amt auf eine Stel-

lungnahme von SenStadtUm aus dem Jahr 2001, in der das Fehlen eines Behinderten- WC bedauert, jedoch als hin- nehmbar bezeichnet wird, da keine Einbaumöglichkeit gefunden wurde. Die Stel- lungnahme ist von 2001? Ist das noch realistisch? Nein, es ist nicht realistisch und nicht rechtens. Das Fehlen und das Verweigern von Vorkehrun- gen zur Teilhabe von Men- schen mit Behinderung am Leben gelten, lt. UN-BRK, als Diskriminierung. Die Belange und vor allem die Rechte von Menschen mit Behinderung wurden nicht berücksichtigt.

Wie geht es weiter? Der Be- zirksbürgermeister hat dem Rechtsamt den Sachverhalt zur Prüfung übergeben. So- bald der Bericht vorliegt, wer- den wir nochmals und immer wieder an die zuständigen Fachbereiche herantreten.

Ich bedanke mich auch na- mens der Mitglieder des Be- hindertenbeirates Mitte bei den Spontis, allen voran bei Frau Ender und Frau Lichten- berg sowie bei allen Beteilig- ten für die grandiose, mutige und notwendige Aktion in der Markthalle. Dies war ein wichtiges Zeichen! Der Ver- waltungsweg scheiterte bis- her auf allen Ebenen. Allseits wurde Bedauern ausgespro- chen, aber keine rechtliche Handhabe aufgeführt bzw.

veranlasst. Über die Armi- nius-Markthalle hinaus stellt sich die Frage nach weite- ren Beispielen vorhandener Diskriminierung im privaten Bereich mit öffentlichem Zu- gang in Berlin!

Das Gespräch führte Dominik Peter.

Von Bärbel Reichelt

© Elke Schilling

Gegen die beispiellose Ignoranz der Arminius-Hallen-Betreiber richtet sich die Protestaktion äußerst wehrhafter behinderter Menschen.

Ein Preis für Nicht-Barrierefreiheit

BBZ/SE Schön, wenn gute Ta- ten belohnt werden. Deshalb werden Preise ausgelobt und besonders gute Beispiele den anderen Bewerbern und Nichtbewerbern für zukünfti- ge Arbeit anempfohlen.

Bereits zum sechten Mal verleiht die locationportale GmbH aus Hannover deshalb einen Location Award.

In diesem Jahr ist einer der Bewerber die Arminius-Halle aus Berlin. „Bei uns sind Gäste Flaneure, die immer wieder Neues entdecken und das einzigartige Ambiente genie- ßen“, heißt es in der Bewer- bung, die man auf der Web- site www.location-award.de nachlesen kann.

Eine Anfrage beim Verlei- her des Preises, welche Rolle die Barrierefreiheit bei der Be- wertung spielt, wurde nicht beantwortet.

Der Location Award wird am Abend des 27. Septem- ber und den ganzen 28. Sep- tember in andel‘s Hotel in Berlin verliehen. Dieses Hotel wirbt mit ihren barrierefreien Zimmern auch um behinder- te Gäste. Sie vermieten nicht nur die Veranstaltungsräume, andel‘s Hotel ist auch offi- zieller Partner des Location Awards. Wie passt das zusam- men, wenn jemand auszeich- net, der nichts für barrierefrei- heit tut? Die BBZ wird dieser Frage weiter nachgehen.

(6)

BBZ

6 Zeitgeschehen September 2015

a n z e i g e

Wir helfen Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen den Alltag zu meistern. 24 Stunden/365 Tage im Jahr. Damit unsere Klienten das bekommen, was ihnen zusteht: Lebensqualität im eigenen Zuhause.

Weitere Infos: www.futura-berlin.de Per E-Mail: info@futura-berlin.de

&;<IIL=<E*@<LEJ<@E=8:?8Eƹ Telefon œŖœƻƻŖŖŜŚśŚśœ

Mitten im Leben leben

Das Pflegenetzwerk in Berlin-Spandau

Berufliche Teilhabe

Und plötzlich bist Du behindert

Ein Berliner Unternehmen bietet Hilfe bei der beruflichen Rehabilitation

Im Leben geht es nicht immer bergauf. Jobverlust, eine Er- krankung, Unfall oder andere unvorhersehbare Ereignisse, die uns aus der Bahn werfen können – und plötzlich ist die Welt eine andere und vieles ist nicht mehr so wie es vorher war. Mit dieser Situation zurechtzukommen, und langsam wieder in das Leben und in den beruflichen Alltag zurück- zufinden, erfordert eine Menge Kraft und Mut von allen Be- teiligten und auch die richtige Vorgehensweise gehört dazu.

BBZ/SE Bei Anja K. kam die Behinderung nicht plötzlich, sie kündigte sich an: Mehrere Bandscheibenvorfälle, persön- liche Probleme, die die Psyche belasteten und schließlich das Aus. Es ging nicht weiter, sie konnte ihre Arbeit als Verkäu- ferin nicht mehr ausführen.

Manche Menschen zerbre- chen an solchen Situationen.

Das Leben scheint zu Ende zu sein. Es gibt keine Perspektive mehr im Leben, kein Geld, kei- ne soziale Achtung. Man sitzt zu Hause, die Tagesstruktur, an die man sich über die Jahre ge- wöhnt hat, bricht weg. Anja K.

war es gewohnt, den ganzen Tag mit Kunden zu sprechen, sie zu beraten und zu helfen.

Plötzlich braucht sie selber Hil- fe.

Zu Hause sitzten? Um- schulen? Ein kompetenter Partner kann helfen Allzuoft wird auf die Mög- lichkeit einer Werkstatt für behinderte Menschen ver-

wiesen. Oder man sucht sich einen Partner, der in der Lage ist, entsprechende Hil- fe zu leisten. Es gibt inzwi- schen mehrere Träger und Einrichtungen, die sich mit der beruflichen Rehabilita- tion beschäftigen. Die SALO Bildung und Beruf GmbH in der Prenzlauer Allee ist eine dieser Einrichtungen, die in diesen Fällen hilft.

Anja K. ist ein Beispiel ei- ner typischen beruflichen Um- und Neuorientierung in diesem Unternehmen. Die Mitarbeiter müssen für sie eine passgenaue Arbeitsstelle zu finden, die aus wechseln- der körperlicher Belastung – sitzend, laufend, stehend – besteht. Sie soll möglichst in Wohnortnähe sein. Lange Wege zur Arbeit würden den kaputten Rücken wieder un- nötig belasten. Die Arbeits- zeit sollte der Behinderung angepasst sein. Durch lang- sam steigende Stundenzahl wächst sie in die neue Tätig- keit hinein.

Geduld und Fingerspitzen- gefühl sind nötig

Es sind also reichliche Anforde- rungen, die die Mitarbeiter der SALO GmbH zu berücksichti- gen und zu gewährleisten ha- ben. Die berufliche Integration erfordert Geduld, Fingerspit- zengefühl und „letztlich auch Glück und den guten Willen der Arbeitgeber“, so die Zu- sammenfassung eines Reha- coaches bei SALO.

Anja K: hatte dieses Glück und fand mit Hilfe ihres Coa- ches den passenden Arbeitge- ber. Sie arbeitet inzwischen am Empfang und der Patientenan- nahme in einer Berliner Klinik.

Ihr Leben hat wieder Struktur und sie genießt es, am Monats- ende selbst verdientes Geld zu bekommen und nicht auf die Hilfe eines Amtes angewiesen zu sein.

Einfacher Zugang zu Bil- dungsangeboten

Der Zugang zu den Ange- boten bei SALO Bildung und Beruf ist niederschwellig. Ein Anruf genügt und Interessierte vereinbaren einen kurzfristi- gen Termin zur Beratung über die verschiedenen Angebote.

Seit 1991 ist Salo + Partner bundesweit erfolgreich im Be- reich der beruflichen Rehabi- litation und Integration tätig.

In der Berliner Niederlassung SALO Bildung und Beruf unter- stützen, beraten und begleiten verschiedene Angebote Men- schen mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigun- gen sowie Menschen aus dem Autismusspektrum bei der be- ruflichen Integration.

Kontakt: SALO Bildung und Beruf GmbH, Prenzlauer Allee 180, 10405 Berlin.

Telefon: 030 499 022 0 E-Mail: saloberlin@salo-ag.de

Wir informieren Sie gern:

Oraniendamm 10-6 | Aufgang A 13469 Berlin

Tel. (030) 40 60 58 0 amb.dienst@fdst.de www.fdst.de/ambulanter-dienst

SELBSTBESTIMMT LEBEN.WIR UNTERSTÜTZEN SIE – ZUVERLÄSSIG.

Ambulanter Dienst der Fürst Donnersmarck-Stiftung

Assistenz | Beratung | Pflege | Behandlungspflege | Hilfe im Haushalt

a n z e i g e

© Bela Hoche · fotolia

Berufliche Teilhabe

Neues Sonderprogramm stärkt Integrationsbetriebe

Mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung

Berlin (kobinet) Im Rahmen einer Pressekonferenz zur För- derung von Integrationsfirmen hat sich der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion Uwe Schummer zur Situation schwer- behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und zu den Plänen in Sachen verstärkte Förderung von Inte- grationsprojekten geäußert.

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung „die Ein- gliederung junger Menschen mit Behinderung in eine Be- rufsausbildung“ als „besonde- res Anliegen“ im Bildungsteil definiert. Leitidee der Politik ist die Inklusion in der Gesell- schaft. „Menschen mit und ohne Behinderung sollen zu- sammen spielen, lernen, le- ben, arbeiten und wohnen“, bekräftigte Uwe Schummer. In Deutschland sind seinen An- gaben zufolge 25 Prozent der Bevölkerung von gesundheitli- cher Einschränkung oder chro- nischer Erkrankung betroffen.

Mehr als 7,5 Millionen gelten als anerkannt schwerbehin- dert. 1,3 Millionen arbeiten

auf dem ersten Arbeitsmarkt, 300.000 wesentlich behinderte Menschen sind in einer Werk- statt beschäftigt.

„Mit dem Antrag zur Förde- rung von Integrationsunter- nehmen leisten wir aus dem Parlament heraus einen Bei- trag, um der Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt näher zu kommen. Bundesweit existie- ren 800 Integrationsunterneh- men mit 25.000 Arbeitnehmer, 11.000 sind schwerbehindert.

Im Schnitt beschäftigt eine Integrationsfirma 23 Arbeit- nehmer. Es sind Kleinunter- nehmen in der Dienstleistung, aber auch in der Produkti-

on oder im Gartenbau. Die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Mitarbei- tern liegt zwischen 25 und 40 Prozent; Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es muss der Mindestlohn gezahlt werden. Integrationsfirmen sind Lotsenboote, die innova- tive Konzepte zur Förderung behinderter Menschen in der Arbeitswelt umsetzen. Sie sind wichtige Perspektiven für die Träger der Werkstätten. Viele werden aus Werkstätten heraus gegründet. Gleichzeitig zeigen sie anderen Unternehmen, dass es auch mit einer hohen Zahl anerkannt schwerbehin- derter Arbeitnehmer möglich ist, marktfähige Konzepte um- zusetzen. Nach Aussage der BAG Integrationsfirmen, ist die Zahl der Insolvenzen bei Inte-

grationsfirmen niedriger als in der übrigen Wirtschaft“, erklär- te Uwe Schummer.

Mit einem Sonderpro- gramm von 150 Millionen Euro in drei Jahren aus den überregionalen Mitteln des Bundes bei der Ausgleichsab- gabe soll die Zahl der Integ- rationsfirmen in den nächsten Jahren verdoppelt werden.

„Sie sollen zu Inklusionsun- ternehmen weiterentwickelt werden. Unternehmen mit in- teressanten Gesundheits- und Ausbildungskonzepten. Jedes Unternehmen kann beispiels- weise mit einer Integrations- abteilung diesem Beispiel

folgen. Derzeit werden die Integrationsbetriebe bundes- weit mit 68 Millionen Euro aus den Mitteln der Ausgleichab- gabe gefördert. Dies sind 15,2 Prozent der Gesamtausgaben“, so Uwe Schummer, der weiter ausführt: „Wir sehen mit gro- ßer Sorge, dass 60 Prozent der Zugänge in die Werkstätten psychisch erkrankte Arbeit- nehmer vom ersten Arbeits- markt sind. Integrationsunter- nehmen können Therapie und Reintegration auf dem ersten Arbeitsmarkt besonders för- dern. Hierzu sollen eigene Ar- beitszeitkonzepte entwickelt und umgesetzt werden.“

So soll auch die Kette unter- brechen werden, dass Jugend- liche nach der Förderschule oft arbeitslos werden oder in die Werkstatt gehen. Dabei sei es sinnvoll, auch langzeitarbeits- lose ältere Arbeitnehmer, bei- spielsweise für die Ausbildung von jungen Menschen mit Handicap zu qualifizieren und in Integrationsfirmen zu be- schäftigen. „Wichtig ist jedoch, dass es in der Finanzierung

von SGB II und Eingliederungs- hilfe keine Vermischung geben darf. Langzeitarbeitslose wer- den über SGB II finanziert, we- sentlich behinderte Menschen über die Eingliederungshilfe“, betont Uwe Schummer.

Eine weitere Unterstützung von Integrationsfirmen ist, dass sie als Auftragnehmer wie Werkstätten anerkannt wer- den. Dies bedeutet, dass Auf- träge an Integrationsfirmen mit der Ausgleichsabgabe ver- rechnet werden können. Des Weiteren sollen auch von den Kammern anerkannte Teilqua- lifikationen aus den Berufsbil- dern vermittelt werden.

Von Ottmar Miles-Paul

In Integrationsunternehmen arbeiten behinderte und nichtbehinderte Mitarbeiter miteinander an den gleichen Aufgaben.

(7)

7

BBZ September 2015 Zeitgeschehen

Lernen

Die positive Wirkung des Kickern

oder wie man spielerisch lernt

Ein Tischkicker scheint vor allem Spaß und gute Laune zu bringen. Dieser Sport wirkt sich aber auch positiv auf die Arbeitsleistung aus: Kickern fördert nicht nur die Konzen- trationsfähigkeit, sondern auch ganz stark die Auge- und Hand-Koordination. Das wiederum hilft bei vielen hand- werklichen Tätigkeiten.

Lernen kann man auf vielen Wegen, nicht nur durch stu- res Pauken. Diese Erkenntnis setzt sich immer weiter durch.

In Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) wird dies schon lange praktiziert. Neben den Arbeits- und Beschäfti- gungsmöglichkeiten bieten sie über die Begleitenden Maßnahmen ein breites Sport-, Freizeit- und Bildungspro-

gramm an. Laut Sozialgesetz- buch sollen diese Maßnahmen die erworbene Leistungsfä- higkeit erhalten und erhöhen sowie die Persönlichkeit der Menschen mit Behinderung weiterentwickeln. (SGB IX)

Die USE gGmbH hat hierfür ein breitgefächertes Kurspro- gramm aufgebaut, das sich in die Bereiche Fach-, Metho- den- sowie Persönlichkeit und Sozialkompetenz aufgliedert.

Im Bereich Fachkompetenz vermitteln Kurse für Druck und

Medien oder Hauswirtschaft und Küche sowohl Grundla- genkenntnisse als auch auf- bauende Fertigkeiten und ergänzen die fachlichen Bil- dungsangebote der verschie- denen Gewerke und Dienst- leistungsbereiche. In den Kursen zur Methodenkompe- tenz werden Kulturtechniken, wie Lesen und Schreiben aber auch Computerkenntnisse ge- stärkt. Die künstlerischen und sportlichen Angebote sind im Bereich Persönlichkeit und Sozialkompetenz zusammen- gefasst. Zu letzterem zählt das Kickern, aber auch ein Chor.

Denn das Singen unterstützt nicht nur die Musikalität, son- dern auch die Merkfähigkeit und nicht zuletzt die Sozial- kompetenz.

So wie für den Kicker-Kurs und den Chor, gibt es für jeden der über 30 Kurse, die ca. 300 Beschäftigte der WfbM der USE regelmäßig besuchen, eine klare Beschreibung darüber, welche Kompetenzen sie för- dern, welche Lernziele erreicht werden können und mit wel- chen Methoden der jeweilige Kursleiter arbeitet.

In einem sogenannten Trialog, einem Gespräch zwi- schen dem Menschen mit Be- hinderung, der Fachkraft und der Sozialarbeiterin, wird eine Bildungsvereinbarung getrof- fen. Hier werden nicht nur die Inhalte des Bildungsrahmen- plans, der sich an der dualen Ausbildung orientiert, festge- legt, sondern auch, welche Kursangebote die berufliche Entwicklung und Handlungs- fähigkeit unterstützen sollen.

Damit bewegt sich die USE weg von der üblichen Förder- planung hin zu einer individu- ellen Personalentwicklung und geht damit einen weiteren Schritt in Richtung Normalsie- rung der Arbeitswelt für Men- schen mit Behinderungen.

Berlin

Die Zeiten, in denen ihr mich geärgert habt, sind vorbei!

Graf Fidi rappt gegen Ausgrenzung

BBZ/SE Er sitzt selbst im Roll- stuhl. Und er weiß sehr ge- nau, wie sich die alltägliche Diskriminierung konkret an- fühlt: Graf Fidi hat sich in der Berliner Hiphop-Szene einen Namen gemacht. Mal wütend, mal ironisch und immer auf den Punkt rappt er gegen die Vorurteile an, mit denen sich Menschen mit Handicap Tag für Tag konfrontiert sehen.

Und zu Recht fragt er immer wieder: „Was bitte ist eigentlich behindert?“

Inklusion und Barrierefrei- heit sind auch die Themen von Futura-Berlin. Das Spandauer Pflegenetzwerk hilft Menschen mit Behinderungen, ein selbst- bestimmtes Leben zu führen, raus aus dem Heim, weg von der behütenden Familie. Das sagt schon der Claim: „Mitten im Leben leben“. Doch Futura belässt es nicht bei der Pflege und Beratung, sondern tritt im Berliner Westen und auch im Internet immer offensiver für die Rechte von Behinder-

ten ein. Nach verschiedenen Imagefilmen sorgte Futura- Berlin im letzten Herbst mit einer ersten provokanten Aktion für Aufmerksamkeit:

Rollstuhlfahrer kapern in einer Nacht- und Nebelaktion den Parkplatz einer Immobilien- verwaltung. Aber Futura will noch lauter werden und hat dafür Graf Fidi ins Boot geholt.

Das Ergebnis der Zusammen- arbeit ist ein Musikvideo, das in diesen Tagen auf Youtube, Facebook und in anderen so- zialen Medien veröffentlicht wird. „Mitten im Leben leben“

rappt Graf Fidi zusammen mit Klienten und Mitarbeitern von Futura-Berlin, bei sich im Stu- dio, beim Sparring im Boxstall und in der Kreuzberger Sze- nekneipe „Mysliwska“. Graf Fidi lässt keinen Zweifel daran, dass die Zeiten, in denen die Kids ihn auf dem Spielplatz geär- gert haben, endgültig vorbei sind. Dass er auch im Rolli in den Club kommt. Und dass ein Leben mit Handicap sehr geil

sein kann: „Ey, wenn ich das kann, dann kann das ja wohl jeder.“

Happy Birthday, Futura!

In diesem Jahr wird das Span- dauer Pflegenetzwerk runde 15 Jahre alt. Das von der Ham- burger Agentur brandproject gedrehte Musikvideo ist also auch so etwas wie ein Ge- burtstaggeschenk an die über 50 Klienten und knapp 100 Mitarbeiter des Pflegediens- tes. Die Geburtstagsparty fei- erten sie am 15. August auf der idyllischen Halbinsel am Groß-Glienicker See, im Rana- Spa bei Kladow. Auf die Einla- dung hat der Geschäftsführer von Futura, Andreas Kohl, „Ju- bel, Trubel, Barrierefreiheit!“

geschrieben. Auch Graf Fidi trat auf und rappte Songs sei- ner neuen CD. Sie erscheint im September beim Label Motor Music und trägt den passenden Titel: „Ich mach das mit links.“

moebus-gruppe.de

Volkswagen Nutzfahrzeug Zentrum Weißensee + REHA Group Automotive GmbH - Ihr Ansprechpartner für den behindertengerechten Fahrzeugumbau -

Sie interessieren sich für einen behindertengerechten Umbau Ihres Fahrzeuges und möchten sich persönlich informieren? Vereinbaren Sie eine unverbindliche Probefahrt und lernen Sie die vielfältigen Möglichkeiten unserer Umbauten kennen.

Wir stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite:

Niels Drescher Michael Kopitzki

Verkaufsberater VW Nutzfahrzeuge Produktberater Fahrzeugumbau

Tel.: 030 962 762 362 Tel.: 030 325 98 46 86

Mail: n.drescher@moebus-gruppe.de Mail: kopitzki@reha.com

6LHȕQGHQXQVDQIROJHQGHQ6WDQGRUWHQ

9RONVZDJHQ1XW]IDKU]HXJ=HQWUXP:HL¡HQVHH 5(+$*URXS$XWRPRWLYH*PE+

Ein Betrieb der Autohaus möbus GmbH Geschäftsstelle Berlin

Hansastraße 211 Scheveninger Straße 20 - 22

13051 Berlin - Weißensee 12359 Berlin

a n z e i g e

Von Ursula Laumann

Was für die einen wild mit den Stangen herumrühren ist, ist für die Profis ein ernsthafter Sport, für den es sogar eine Liga gibt und Tur- niere mit Preisgeldern zwischen 5.000 und 50.000 Euro stattfinden.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

2006) werden von der Sächsischen Landesärztekammer angeschrieben und gebeten, an der Befragung teil- zunehmen und unter anderem die Anzahl und die Namen der in der

Im Anschluss erhalten die WBA von der Sächsischen Lan- desärztekammer ein Schreiben mit Zugangscode, um sich an der Online- Befragung zu

Es zeichnet die Arbeit der ehrenamt- lich in der ärztlichen Selbstverwal- tung und ihren Gremien, zu denen nicht zuletzt der Wissenschaftliche Beirat und die Arzneimittelkommis-

Otto Bach Vorsitzender der Sächsischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung Ärzteblatt Sachsen 5 / 2010 237..

An der Grenze zu Rundistan öffnete mir ein kugelrunder Wächter _______ große, runde Tor und begrüßte mich überaus freundlich.. _______ Wetter in diesem Land war

Wie viele Anbieter von Beschäftigungsprogrammen für Arbeitslose (arbeitsmarktliche Massnahmen via das beco) bieten gleichzeitig Beschäftigungsmassnahmen für die GEF

Frittenporzellans in der Weise hergestellt, dass dasselbe zuvor künstlich ver- arbeitungsfähig gemacht wurde, ehe es geformt, roh gebrannt, bemalt, mit einer bleiischen Glasur

Vor einem doppeltem SS setzt man in aller Regel ein