Abteilung
Arbeitsmarktpolitik und Intern. Sozialpolitik
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B u n d e s v o r s t a n d B u n d e s v o r s t a n d
Berlin, 06.12.2001
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Stellungnahme
zum Entwurf einer ersten Verordnung zur Änderung der Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung
Der DGB nimmt gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di wie folgt Stellung:
Mit der Änderung der Verordnung ist vorgesehen, ausländischen Arbeitskräften die Arbeitserlaubnis für eine hauswirtschaftliche Beschäftigung in privaten Haushalten mit pflegebedürftigen Personen zu erteilen. Durch die Änderung soll erreicht werden, dass einerseits illegal beschäftigte Personen in Privathaushalten zu legalen Bedingungen arbeiten können, andererseits pflegebedürftigen Personen die Möglichkeit gegeben wird, weiterhin im eigenen Haushalt zu verbleiben.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßen, dass die Bundesregierung bemüht ist, illegale Beschäftigung auch in privaten Haushalten einzudämmen. Der Vorsatz der Bundesregierung, den Grundsatz
„Ambulant vor Stationär“ zu stärken, findet unsere Unterstützung. Zweifelhaft ist allerdings, ob die geplanten Maßnahmen ausreichen.
Gerade in privaten Haushalten ist illegale Beschäftigung sowohl von Inländern als auch von ausländischen Arbeitskräften weit verbreitet. Die jetzt geplante Verordnung wird die
Legalisierung der Beschäftigung von Ausländern allein nicht lösen können.
Auch die strukturellen Probleme in der häuslichen Pflege werden durch diese Regelung nicht beseitigt. Die Anforderungen an die Strukturen der häuslichen Versorgung pflegebedürftiger Menschen haben sich angesichts der demografischen Entwicklung und der sich wandelnden Familien- und Arbeitsstrukturen geändert; der Bedarf an externen Unterstützungsleistungen ist gestiegen. Das Konzept der Pflegeversicherung stellt aber nach wie vor die
Angehörigenpflege in den Vordergrund der häuslichen Versorgung. Für eine umfassende Pflege durch professionelle Pflegedienste reichen die Leistungen der Pflegeversicherung nicht aus. Weitere Unterstützungssysteme fehlen bislang. Die Nachfrage und der Bedarf begrenzen sich dabei nicht auf hauswirtschaftliche Arbeiten, sondern erfordern vielmehr im hohen Maße Unterstützung durch qualifizierte Pflegekräfte bei der pflegerischen Versorgung.
Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, adäquate Lösungsmodelle zur langfristigen Sicherstellung der häuslichen Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu erarbeiten und umzusetzen. Der DGB und ver.di bieten hierbei gerne ihre Unterstützung an.
Aus gewerkschaftlicher Sicht sind weitergehende Regelungen erforderlich. Im Rahmen einer umfassenden aktivierenden Pflege sind die Grenzen zwischen hauswirtschaftlichen und pflegenden Tätigkeiten fließend. Bereits heute weiß man, dass strukturelle Überforderung in der Versorgung Pflegebedürftiger, z.B. durch fehlende Qualifikation und unzumutbare Arbeitsbedingungen, verantwortlich sind für Gewalt, Vernachlässigung und andere
Missstände. Nicht niederschwellige Betreuungsangebote, sondern qualifiziertes Personal könnten hier Abhilfe schaffen. Auch im Hinblick auf die Erhaltung der Gesundheit und
Motivation ist der Einsatz ausgebildeten Personals erforderlich. Notwendig ist daher über die Verordnung hinaus eine Qualifizierungsoffensive für Pflegeberufe gemeinsam mit den Ländern und der Branche selbst.
Wie dringend die branchenspezifischen Anstrengungen zur Ausbildung des
Berufsnachwuchses gesteigert werden müssen, zeigt auch die Tatsache, dass bisher die Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung einen viel zu hohen Anteil der beruflichen Ausbildung in der Altenpflege finanzieren musste. Allein im Jahr 2000 sind 8.000 Menschen in eine beitragsfinanzierte Weiterbildung im Bereich der Altenpflege eingetreten. Im Vergleich dazu befanden sich nur 37.200 Menschen in einer Berufsausbildung zum Altenpfleger, zusammengerechnet für alle drei Ausbildungsjahre insgesamt. Dieser Missstand kann nur durch verstärkte Eigenanstrengungen der Branche beseitigt werden.
Die vielfach ungünstigen Arbeitsbedingungen sowie Aspekte bildungs- und sozialpolitischer Deklassierung der beruflichen Altenpflege tragen wesentlich dazu bei, dass nach relativ kurzer Zeit viele ausgebildete Kräfte den erlernten Beruf nicht mehr ausüben.
Der Beschäftigung von neu zugewanderten Personen kann nur dann zugestimmt werden, wenn zuvor alle Versuche, den inländischen Arbeitsmarkt auszuschöpfen, ergebnislos geblieben sind. Für den Bereich Pflege und Arbeit in privaten Haushalten kann nicht von einem generellen Arbeitskräftemangel gesprochen werden. Probleme entstehen eher dadurch, dass die privaten Haushalte nicht bereit sind, Sozialversicherungsbeiträge und angemessene Vergütung für die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu bezahlen und die Not zureisewilliger Arbeitskräfte ausnutzen.
Es hat sich ein grauer Arbeitsmarkt gebildet. Die ausländischen Arbeitskräfte, die illegal beschäftigt werden, werden häufig weit unter den im Inland üblichen Bedingungen
beschäftigt. Es ist zu erwarten, dass bei einer Legalisierung der Beschäftigungsverhältnisse auch die soziale Situation der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
verbessert werden kann. Insbesondere werden sie in die Sozialversicherung einbezogen und sie erhalten einen Unfallschutz. Auch können sie Hilfen in Anspruch nehmen, wenn die Arbeitgeber ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Der Änderung der Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung kann angesichts des akuten Handlungsbedarfs unter dem Vorbehalt parallel zu schaltender Gesetzesinitiativen für eine langfristige Sicherung der häuslichen Versorgung pflegebedürftiger Personen zugestimmt werden. Eine Zustimmung ist außerdem an folgende Voraussetzungen gebunden:
1. Die Vorrangprüfung nach § 285 SGB III kann nicht in pauschaler Form erfolgen, sondern muss als individuelle Einzelfallprüfung erfolgen. Dabei muss der BA die Gelegenheit gegeben werden, bevorrechtigte Arbeitnehmer vorzuschlagen, wobei auch arbeitsmarktpolitische Instrumente eingesetzt werden können.
2. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen zu gleichen Bedingungen wie vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden. Um Lohndumping vorzubeugen, sollten Bemühungen der Sozialpartner allgemeinverbindliche Tarifverträge zu erreichen, auch vom BMA unterstützt werden. Bis zur
Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages müssen die Arbeitgeber verpflichtet werden, bei der Antragstellung den Lohn gegenüber den Arbeitsämtern zu offenbaren.
Ebenso wie bei den Leiharbeitskräften soll sichergestellt werden, dass die Arbeitskräfte die notwenigen Informationen über die wesentlichen
Arbeitsbedingungen schriftlich erhalten. Auch sollten Informationen über das Arbeits- und Sozialsystem in Deutschland verbindlich ausgehändigt werden.
3. Die Erlaubnis für Arbeit im Privathaushalt soll nur dann erteilt werden, wenn in dem Haushalt sich eine Person befindet, bei der ein Pflegebedarf besteht.
4. Die Erlaubnis kann nur dann erteilt werden, wenn auch unter Anrechnung von
Sachleistungen mindestens eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erreicht wird.
5. Die Erlaubnis wird nur zur Beschäftigung im Privathaushalt erteilt. Die Beschäftigung in Einrichtungen und bei professionellen Pflegediensten ist ausgeschlossen.
6. Erfolgt eine Beschäftigung in Haushalten von Pflegegeldempfängern, so ist über regelmäßige Kontroll- und Beratungsmaßnahmen durch professionelle Pflegedienste eine angemessene Versorgung sicherzustellen.
Ähnlich wie bei der „Green-Card“ für IT-Spezialisten muss von der Branche erwartet werden, dass Pflegenotstand und Fachkräftemangel durch eigene Ausbildung und intensive
Weiterbildung in der Branche selbst beseitigt werden. Hierauf sollte die Brache ausdrücklich verpflichtet werden. Es wird vorgeschlagen, hierfür ebenfalls ein Monitoring-Verfahren durchzuführen.