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Wettstreit der Akteure

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Kaum ein Politikfeld schien über lange Zeit so übersichtlich struktu- riert wie „Außenpolitik“. Im Zentrum auswärtiger Beziehungen standen Friedens- und Sicherheitspolitik, die Marktöffnung für eigene Exporte und die Gestaltung der Nord-Süd-Bezie- hungen im Rahmen der Entwick- lungspolitik. Vor diesem Hintergrund ließen sich Innen- und Außenpolitik noch einigermaßen klar unterschei- den – so trennscharf, dass Theodore Lowi in seinem 1964 publizierten Ar- tikel über die drei funktionalen Berei- che der öffentlichen Politik – regulati- ve, distributive und redistributive – feststellte, die Außenpolitik nicht mit in seine Kategorisierung einbezogen zu haben, denn „in many ways it is not a part of the same universe“.1

Diese Wahrnehmung von „Außen- politik“ als einem überschaubaren und deutlich von den „Innenpoliti- ken“ getrennten Feld mit leicht zu umschreibenden Aufgabenbereichen ist auch Grundlage dafür, dass in Deutschland – wie ein Blick in die Geschäftsordnung der Bundesregie- rung verrät – das Auswärtige Amt (AA) für die Gesamtheit der deut- schen Außenbeziehungen zuständig ist. Einzig flankiert wird es hierbei durch das Bundeskanzleramt, das auf- grund der Richtlinienkompetenz des

Kanzlers auch in der Außenpolitik eine starke Stellung besitzt. In der Ge- schäftsordnung finden sich auch Pas- sagen, die erläutern, dass Mitglieder und Vertreter auswärtiger Regierun- gen sowie zwischenstaatlicher Orga- nisationen nur mit Zustimmung des AA empfangen werden sollen. Ver- handlungen mit internationalen Ak- teuren oder im Ausland dürfen nur mit Zustimmung oder Mitwirkung des AA geführt werden. Das Auswär- tige Amt als Spitze und Zentrum der Außenbeziehungen: eine Aufgaben- beschreibung, die längst nicht mehr den Realitäten entspricht.

Seit gut einer Dekade ist eine Multiplikation der Außenbeziehun- gen und die Erosion der Grenzen von Innen- und Außenpolitik zu beobach- ten. Eine Bestandsaufnahme der aus- wärtigen Beziehungen der Bundes- ministerien2 zeigt, dass alle Fachres- sorts seit Anfang der neunziger Jahre ihre grenzüberschreitenden Aktivitä- ten als Reflex auf Globalisierungsdy- namiken stark ausgebaut haben. Dies drückt sich zum Beispiel in der hohen und steigenden Zahl der Arbeits- einheiten innerhalb der Bundesminis- terien aus, die sich mit internationa- len Aufgaben beschäftigen. Zum Zeit- punkt der Untersuchung waren in den Bundesministerien 336 Referate

Wettstreit der Akteure

Die internationale Verflechtung revolutioniert das Regieren

von Dirk Messner

Längst handelt nicht mehr nur das Auswärtige Amt international. Auch die traditionellen Binnenressorts der Bundesregierung agieren eigen- ständig auf europäischer wie globaler Ebene. Doch trotz der zunehmen- den Überlappung von innen- und außenpolitischen Aufgaben mangelt es weiterhin an vernetztem Denken. Und das nicht nur in den Ministerien.

1 Theodore Lowi: American Business, Public Policy, Case Studies, and Political Theory, World Politics, Nr. 4, 1964, S. 677–715.

2 Walter Eberlei und Christoph Weller: Deutsche Ministerien als Akteure von Global Governance?, INEF-Report 51, Duisburg 2001.

Dr. DIRK MESSNER, geb. 1962, ist Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungs- politik in Bonn und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats „Globale Umweltveränderun- gen“ der Bundes- regierung. Er lehrt Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.

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mit internationalen Fragen beschäf- tigt, davon 281 mit Problemstellun- gen, die auch über die „europäische Innenpolitik“ hinausreichen. Zum Vergleich: Das AA verfügte zu diesem Zeitpunkt über 74 Referate, das Bun- desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über 48 Referate.

Global agierende Binnenressorts Die Proliferation und Multiplikation von Außenbeziehungen lässt sich aber nicht nur an der Zahl der mit grenzüberschreitenden Fragen be- schäftigten Referaten ablesen. Signi- fikant ist auch, dass internationale Aufgaben in allen Ministerien zuneh- mend in höheren Hierarchieebenen (Unterabteilungen, Abteilungen) ver- ankert werden. Zudem übernehmen die Fachministerien vielfältige opera- tive Aufgaben der internationalen Ko- operation: Dazu gehören die Mitarbeit in internationalen Organisationen und Gremien sowie die Teilnahme an internationalen Konferenzen, die Ver- handlung völkerrechtlicher Verträge und enge Beziehungen zu korrespon- dierenden Ressorts anderer Länder.

Die Ausdifferenzierung der Außen- beziehungen und die zunehmende Be- deutung einer Vielzahl von Ministe- rien jenseits des Außenamts als Ak- teure der internationalen Politik wur- den auch im Verlauf der Weltkonfe- renzen der neunziger Jahre offensichtlich3: Im Verlauf dieses Zy- klus lag die Delegationsleitung nur einmal beim AA (Menschenrechts- konferenz in Wien, 1993), in allen anderen Fällen bei den jeweiligen Fachressorts: für die Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio beispielsweise beim Bundesminis- terium für Umwelt (BMU) sowie dem

Bundesministerium für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwick- lung; für die Weltkonferenz für Bevöl- kerung und Entwicklung 1994 in Kairo beim Bundesministerium des Innern (BMI), für den Weltsozialgip- fel 1995 in Kopenhagen beim Bundes- ministerium für Arbeit und Sozialord- nung sowie dem BMZ, für die Welt- frauenkonferenz 1995 in Peking beim Bundesministerium für Familie, Seni- oren, Frauen und Jugend.

Fachressorts, die üblicherweise als

„Binnenressorts“ wahrgenommen wurden, drängen also zunehmend in das Terrain der traditionellen Außen- politik und damit in die alte Domäne des Auswärtigen Amtes hinein. Darü- ber hinaus lässt sich beobachten, dass Fachressorts nicht nur auf der Ebene internationaler Organisationen und der Aushandlungen von Konventio- nen tätig werden, sondern sich auch mit konkreten Projekten in Entwick- lungsländern engagieren. Damit ma- chen zum Beispiel das Umweltminis- terium, das Forschungsministerium und sogar (in bisher wenigen Fällen) das Verteidigungsministerium dem BMZ Konkurrenz. Faktisch ist also jedes Fachministerium längst zum

„Außenministerium“ des von ihm be- arbeiteten Politikfelds geworden.

Die zunehmende internationale Vernetzung und Ausrichtung aller Fachressorts sagt zunächst noch nichts über deren Bedeutung für die deutschen Beiträge zur Weltpolitik aus. Es könnte ja sein, dass sich die Fachressorts mit Randgebieten inter- nationaler Politik beschäftigen, wäh- rend das „Kerngeschäft“ weiter von der klassischen Außenpolitik gesteu- ert wird. Es zeigt sich jedoch, dass die Außenbeziehungen der Fachressorts nicht nur quantitativ wachsen, son-

Die Fachressorts übernehmen zunehmend die Mitarbeit in internationalen Gremien.

Faktisch ist jedes Fachministerium längst zum Außenministerium des von ihm bearbeiteten Politikfelds geworden.

3 Thomas Fues und Brigitte Hamm: Die Weltkonferenzen der 90er Jahre: Baustellen für Global Governance, Bonn 2001.

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dern einige zentrale Zukunftsthemen der Weltpolitik entscheidend von den Fachressorts und nur begleitend oder unterstützend von den klassisch au- ßenorientierten Ministerien (AA und BMZ) gestaltet werden:

– Das Umweltministerium ist der zentrale Akteur in der globalen Um- weltpolitik und federführend bei der UN-Kommission für nachhaltige Ent- wicklung, beim UN-Umweltpro- gramm (UNEP) und bei den globalen Klimaverhandlungen.

– Für die Weiterentwicklung der Weltwirtschaftsordnung, also die so dringliche institutionelle Einhegung der globalen Marktwirtschaft, ist vor allem das Finanzministerium verant- wortlich. Es verfügt etwa über die Fe- derführung im Internationalen Wäh- rungsfonds (IMF) und ist für eine Vielzahl internationaler Organisatio- nen und Verhandlungsforen im Be- reich der Finanz- und Währungspoli- tik (G-7, G-8, G-20, multilaterale Ent- wicklungsbanken, OECD) zuständig.

Von Bedeutung sind auch die Zustän- digkeiten des Wirtschaftsministeri- ums für die Welthandelsorganisation (WTO) und den Pariser Club, in dem internationale Verschuldungsfragen bearbeitet werden.

– Das Justizministerium verfügt seit Mitte der neunziger Jahre über eine Abteilung für Europa- und Völ- kerrecht, die angesichts der Debatten über die Notwendigkeit der weiteren Verrechtlichung internationaler Be- ziehungen stark an Bedeutung ge- winnt. Das Justizressort ist außerdem zuständig für das globale Zukunftsfeld

„Internet“.

– Das Gesundheitsministerium be- schäftigt sich zunehmend mit grenz- überschreitenden Krankheiten und Seuchen wie AIDS und SARS.

– Selbst das Innenministerium, das die Abgrenzung zur Außenpolitik in seinem Namen trägt, ist zu einem Global Player geworden: wesentliche Bereiche der internationalen Terror- bekämpfung (wie die grenzüberschrei- tende Polizeizusammenarbeit), der internationalen Kriminalität, der Asylpolitik und Fragen der Migration werden hier bearbeitet. Die Grenzen zwischen „innerer und äußerer Si- cherheit“ werden immer fließender.

Die Liste lässt sich fortsetzen, und sie verdeutlicht: Der Prozess der Glo- balisierung hat dazu geführt, dass klassische Binnenressorts zu Akteu- ren der Außenbeziehungen Deutsch- lands geworden sind. Internationale Politik reicht also weit über die Felder der Friedens-, Sicherheits- und Ent- wicklungspolitik hinaus. Globalisie- rung zu gestalten und Global Gover- nance weiterzuentwickeln ist in der Tat eine Herausforderung für die ge- samte Ministerienlandschaft.4

Auch Nichtregierungsorganisatio- nen (wie Greenpeace, amnesty inter- national, transparency international) und global agierende Medienkonzerne wie CNN und Al Dschasira, aber auch Industrieunternehmen sind etwa im Rahmen des von Kofi Annan initiier- ten Global Compact zur Etablierung verantwortlicher Unternehmensfüh- rung zu wichtigen Einflussgrößen der internationalen Politik geworden.

Dies komplettiert das Bild von der Transformation der Politik unter Be- dingungen der Globalisierung. Insbe- sondere die NGOs haben deutlich schneller als die Parlamente auf die Entgrenzung der Politik reagiert.

Ihnen gelang es, im Verlauf der neun- ziger Jahre zu sichtbaren Akteuren der großen Weltkonferenzen zu wer- den, deren Agenden zu beeinflussen

Selbst das Innenministerium, das die Abgrenzung zur Außenpolitik in seinem Namen trägt, ist zu einem Global Player geworden.

Wesentliche Bereiche der internationalen Terrorbekämpfung und der

internationalen Kriminalität werden hier bearbeitet.

4 Dirk Messner und Franz Nuscheler: Das Konzept Global Governance. Stand und Perspektiven, INEF-Report Nr. 67, Duisburg 2003.

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und die beschlossenen Aktionspläne in die nationalen politischen Arenen zurückzuspielen. Alle großen multila- teralen Organisationen – von der Weltbank über den IMF bis zur WTO – pflegen mittlerweile einen systema- tischen Austausch mit diesen privaten Akteuren der Weltpolitik. Manche Autoren sprechen daher gar von einem Übergang zu einem „societal multilateralism“ (Michael Zürn). Die Regierungen beherrschen das Terrain der internationalen Politik also längst nicht mehr allein.

Folgen für die Politikorganisation Fragt man nach den Folgen der skiz- zierten Trends für eine leistungsfähi- ge, wirksame und möglichst kohären- te Organisation der deutschen Außen- beziehungen, führt dies zu fünf Her- ausforderungen:

Erstens sind die wesentlichen grenzüberschreitenden und weltwei- ten Probleme durch komplexe Inter- dependenzen zwischen unterschiedli- chen Problemursachen und -dimensi- onen gekennzeichnet (zum Beispiel Handel und Umwelt, Armut und poli- tische Instabilität, Umweltzerstörung, Flucht und Krieg, Proliferation von Waffen, Failing States als Ausgangs- punkte für regionale Konflikte und Basis des transnationalen Terroris- mus und internationaler Kriminali- tät). Grenzüberschreitende Problem- konstellationen und Zuständigkeits- bereiche von Ministerien sind nicht immer deckungsgleich. Zudem neigen Ministerien eher dazu, ihre Autono- mie und ihre Zuständigkeiten zu ver- teidigen, als zur Kooperation mit anderen Ressorts. Das synergetische Zusammenspiel unterschiedlicher Mi- nisterien und das Pooling von deren Problemlösungspotenzialen zur Bear- beitung globaler Interdependenzpro-

bleme sind daher offensichtlich not- wendig, um Politikversagen unter Be- dingungen der Globalisierung zu ver- hindern. Sie stellen sich aber keines- wegs automatisch ein.

Zweitens verkompliziert die stei- gende Zahl der Akteure internationa- ler Politik das Management der Au- ßenbeziehungen im deutschen politi- schen System. Ging es in der Vergan- genheit im Rahmen „überschaubarer Außenbeziehungen“ um Interessen- ausgleich sowie die Kohärenz und Bündelung politischer Strategien zwischen Auswärtigem Amt und dem BMZ, so muss heute die grenzüber- schreitende Politik jedes Ressorts berücksichtigt werden. Das AA ist dazu oftmals kaum in der Lage, denn die sektoralen außenpolitischen Handlungen sind schon in sich sehr komplex und daher durch das Außen- ressort kaum zu steuern. An unter- schiedlichsten, häufig zeitaufwändi- gen Formen interministeriellen Aus- tauschs mangelt es nicht. Doch ein systematisches Schnittstellenmanage- ment hat sich im dichten Geflecht interministerieller Kommunikation bisher nicht durchgesetzt.

In seiner umfangreichen empiri- schen Studie zu grenzüberschreiten- dem Regierungshandeln im deutschen politischen System beobachtet Wolf- gang Wessels ein Übermaß an Abstim- mung im Detail, das oft einherzu- gehen scheint mit fehlender Kontext- steuerung sowie einem Mangel an strategischer Orientierung, Prioritä- tensetzung sowie gemeinsamer Pro- blemlösungsorientierung zwischen den Ministerien.5 Wessels warnt vor einem Trend zum „atomisierten Staat“. Ursachen hierfür sind – neben dem skizzierten Komplexitätsproblem infolge der Multiplikation von Außenbeziehungen – Ressortegois-

Insbesondere die Nichtregierungs- Organisationen haben deutlich schneller als die Parlamente auf die Entgrenzung der Politik reagiert.

Die Regierungen beherrschen das Terrain der internationalen Politik längst nicht mehr allein.

5 Wolfgang Wessels: Öffnung des Staates, Opladen 2000.

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men und widerstreitende Interessen.

Hinzu kommen mangelnde Erfahrun- gen in der Zusammenarbeit „neuer Partner“ in ungewohnten Allianzen sowie angesichts globaler Interdepen- denzprobleme untaugliche, aber inter- nalisierte Leitbilder der etablierten Akteure der Außenbeziehungen, die auf eine möglichst große Autonomie ihrer jeweiligen Ressorts ausgerichtet sind.

Drittens müssen alle Ressorts ihre Aufgaben und Rollen überdenken sowie Strategien entwickeln, um sich auf die neuen Anforderungen vorzu- bereiten. Das Kanzleramt muss stär- ker als in der Vergangenheit die Ver- netzung von Innen- und Außenpolitik voranbringen. Das Außenministeri- um muss sich von der Vorstellung, Zentrum, kontrollierende Spitze und Steuerungsinstanz aller Außenbezie- hungen zu sein, verabschieden. Statt- dessen sollte es Plattformen, Instru- mente und Leitbilder entwickeln, um die Vielzahl von Außenbeziehungen in Bezug zueinander zu setzen: Das AA muss gemeinsame Referenzrah- men für die deutschen Außenbezie- hungen entwerfen, deutsche Gesamt- beiträge zur internationalen Politik weltweit wirkungsvoll kommunizie- ren und die vielen außenorientierten Akteure des deutschen politischen Systems (und nicht nur die klassi- schen Akteure deutscher Außenbezie- hungen) über die Wahrnehmung

„deutscher Politik“ in den Partnerlän- dern auf dem Laufenden halten. Das BMZ muss, um entwicklungsfreundli- che globale Rahmenbedingungen mit- gestalten zu können, mit anderen Ressorts enger als in der Vergangen- heit kooperieren und wo nötig strei- ten. Die ehemaligen Binnenressorts können und müssen von den alten Außenressorts lernen und ihre Mitar- beiter systematisch auf die internatio- nalen Aufgaben vorbereiten. Dies

fängt mit Sprachkenntnissen an und geht über Verhandlungskompetenzen bis hin zu interkulturellem Know how.

Viertens muss eine der Kernkatego- rien der internationalen Politik, das vielbeschworene „nationale Interes- se“, im Kontext der Globalisierung neu gefüllt werden. Die traditionelle Außen- und Sicherheitspolitik konnte und kann überzeugend argumentie- ren, dass es ein einheitliches und un- strittiges „nationales Gesamtinteres- se“ an der Entwicklung friedlicher und partnerschaftlicher Beziehungen zu den Nachbarstaaten und an der Si- cherung des Friedens in Deutschland und der Welt gibt. Doch der Versuch, ein einheitliches nationales Interesse in anderen sich globalisierenden Poli- tikfeldern zu definieren, fällt sehr viel schwerer. Die Vorstellungen des deut- schen Umweltministeriums zur globa- len Umweltpolitik unterscheiden sich, völlig unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation, signifikant von denen des Wirtschaftsministeri- ums. Und während die einen ihre nationalen und internationalen Bünd- nispartner in der Community der Umweltforscher und -organisationen suchen, bilden die anderen Allianzen mit der global orientierten Wirt- schaftswelt. Die Vorstellung, dass plu- ralistische Gesellschaften „im Inne- ren“ vielfältige Interessenkonflikte zu bewältigen haben, jedoch in den Au- ßenbeziehungen ein einheitliches

„nationales Interesse“ existiere, ist obsolet. In der auswärtigen Politik werden zukünftig komplexere Inter- essenbündel, Zielsysteme und Kon- fliktfelder zu managen sein als zu Zei- ten des übersichtlichen Ost-West- Konflikts.

Fünftens müssen auch die poli- tikberatenden Wissenschaftler- Communities lernen, globale Inter- dependenzprobleme in neuen Allian-

Die ehemaligen Binnenressorts können und müssen von den alten Außenressorts lernen und ihre Mitarbeiter systematisch auf die internationalen Aufgaben vorbereiten.

Das fängt bei Sprachkenntnissen an und geht bis hin zu interkulturellem Know how.

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zen zu durchdringen, um politik- relevante Lösungsvorschläge zu erarbeiten: Entwicklungsforscher, Sicherheits- und Außenpolitik- theoretiker, Völkerrechtler, Kultur- wissenschaftler wie Regionalkenner müssen zusammenarbeiten, um Stra- tegien zur Stabilisierung von fragilen Staaten zu entwickeln. Meeres- biologen, Klimaforscher, Völkerrecht- ler, Politik- und Wirtschaftswissen- schaftler müssen nach Lösungen zur Bearbeitung globaler Umwelt- und Entwicklungsprobleme suchen. Die Grenzen zwischen Theoretikern der Außen- und Sicherheitspolitik, Ent- wicklungsforschern, Energie- und Umweltexperten sowie Wirtschafts- wissenschaftlern und anderen Diszi- plinen, die sich mit grenzüberschrei- tenden und globalen Fragen beschäfti- gen, müssen überwunden und For- schungs- sowie Beratungskapazitäten um die jeweiligen Problemkonstellati- onen herum gebündelt werden.

Hin zum vernetzten Regieren Angesichts der irreversiblen Multi- plikation der Außenbeziehungen ist die alte Diskussion der Zusammen- führung internationaler Aufgaben in einem Ministerium obsolet. Die Grü- nen hatten in den frühen neunziger Jahren den Aufbau eines Ministeri- ums für internationale Struktur- politik vorgeschlagen. Doch die Zusammenführung aller grenzüber- schreitenden Arbeitseinheiten würde in der Epoche der Globalisierung zu einem handlungsunfähigen administ- rativen Moloch führen. Komplexität ist durch steigende Zentralisierung nicht zu bewältigen. Auch die immer

wieder diskutierten Vorschläge, Aus- wärtiges Amt und BMZ zu einem

„Ministerium für internationale Ko- operation“ oder Umweltministerium und BMZ zu einem „Ministerium für globale nachhaltige Entwicklung“

oder gar Umwelt-, Forschungs- und Wirtschaftsministerium zu einem

„Ministerium für nachhaltigen Struk- turwandel“ zusammenzuführen, übersehen, dass hiermit immer nur einige Ausschnitte der Kohärenz- probleme „gelöst“ würden.6

Weil die Multiplikation und Sekto- ralisierung der Außenbeziehungen, die Erosion zwischen Innen- und Außenpolitik sowie die Dynamik der Arbeitsteilung im politischen System nicht rückgängig zu machen sind, kann es nur darum gehen, ein Leitbild

„vernetzter Außenbeziehungen“ zu entwickeln. Voraussetzung dafür wäre, dass die Ressorts realisierten, in einer zunehmenden Zahl von Pro- blemfeldern nur noch gemeinsam handlungsfähig zu sein. Die Enquete- Kommission des Bundestags „Globali- sierung der Weltwirtschaft“, die von 1998 bis 2002 arbeitete, hat sich mit den skizzierten Herausforderungen intensiv beschäftigt und substanzielle Reformvorschläge vorgelegt, um das deutsche politische System fit zu machen für die Folgen von Globalisie- rung und Global Governance.7 Eine gründliche Prüfung dieser Ansätze auf ihre Umsetzungsfähigkeit würde allemal lohnen.

Ansätze in Richtung „vernetzte Außenbeziehungen“ gibt es durchaus.

Das „Aktionsprogramm 2015“, in dem deutsche Politikansätze zur Re- duzierung der weltweiten Armut aus-

Die Communities müssen in neuen Allianzen arbeiten.

Die Grenzen zwischen Theoretikern der Außenpolitik und anderen Disziplinen, die sich mit globalen Fragen beschäftigen, gilt es zu überwinden.

6 Guido Ashoff: Der entwicklungspolitische Kohärenzanspruch. Begründung, Anerkennung und Wege zur Umsetzung, in: Dirk Messner und Imme Scholz (Hrsg.), Zukunftsfragen der

Entwicklungspolitik, Baden-Baden, 2004, S. 41–58.

7 Schlussbericht der Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten, Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/9200, 12. Juni 2002, www.bundestag.de/gremien/welt/glob_end/

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formuliert sind, konkretisiert nicht nur den Beitrag des BMZ zur Errei- chung der Millennium-Entwicklungs- ziele, es ist vielmehr (zumindest kon- zeptionell) ein Arbeitsprogramm der Bundesregierung. Das BMZ führt seit einiger Zeit Kohärenzgespräche mit anderen Ressorts, um gemein- same Zielvorgaben zu erarbeiten und die jeweiligen Politikansätze mitein- ander abzustimmen. Der Aktionsplan

„Zivile Krisenprävention, Konflikt- lösung und Friedenskonsolidierung“

der Bundesregierung ist ein Beispiel für einen konzeptionellen Rahmen, der die Aufgaben unterschiedlicher Ressorts in diesem Feld beschreibt und die Bündelung deutscher Beiträ- ge zur Einhegung internationaler Konflikte voranbringen soll. Ein an- deres Beispiel stellt der „Wissen- schaftliche Beirat globale Umweltver- änderungen“ (WBGU) der Bundesre- gierung dar, der sowohl das Umwelt-, als auch das Forschungs- sowie das Entwicklungsministerium in Fragen einer globalen Nachhaltigkeitsstrate- gie berät.

Fragmentierung überwinden

Es entsteht also sukzessive ein Patch- work der Zusammenarbeit der Akteu- re in den deutschen Außenbeziehun- gen. Doch solche Vernetzungsansätze können sowohl in Deutschland wie auch in anderen OECD-Ländern, die mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, nur dann breiten- wirksam werden, wenn die Moder- nisierung der nach dem Zweiten Welt- krieg etablierten hierarchischen, ar-

beitsteiligen und zugleich versäulten politischen Systeme weitergeht.

Noch können die genannten guten Ansätze für „vernetzte Außenbezie- hungen“ oft nur durch starke Persön- lichkeiten durchgesetzt werden. Denn die Regierungsapparate und die

„mental maps“ der handelnden Ak- teure sind oft noch immer nach dem Prinzip einer „tayloristischen Maschi- ne“ organisiert,8 die hocharbeitsteili- ge Gesetze, Verordnungen und Stan- dards aller Art produziert. Jede insti- tutionelle Einheit beobachtet, steuert, regelt und kontrolliert „ihr Vorfeld“, ihren Mikroausschnitt der Gesell- schaft und – in unserem Fall – der in- ternationalen Politik.

Statt problemlösungsorientiertes Schnittstellenmanagement zwischen den Ressorts dominiert nicht selten Abgrenzung und „Revierverteidi- gung“ das Alltagshandeln des politi- schen Systems. Das „Maschinenmo- dell“ garantiert die Bewältigung von isolierbaren Routineaufgaben der in- ternationalen Politik (zum Beispiel Verantwortlichkeiten für jeweilige in- ternationale Organisationen), produ- ziert jedoch suboptimale Ergebnisse in Bezug auf die skizzierten globalen Interdependenzprobleme, die im Glo- balisierungsprozess an Bedeutung ge- winnen.

Die wesentliche Herausforderung für das deutsche politische System ist vor diesem Hintergrund nicht zu übersehen: Es gilt die fragmentierten Außenbeziehungen zu überwinden und vernetzte Außenbeziehungen vo- ranzubringen.

Es entsteht ein Patchwork der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren in den deutschen

Außenbeziehungen.

Doch solche Vernetzungsansätze können nur dann breitenwirksam werden, wenn die Modernisierung der hierarchischen und arbeitsteiligen politischen Systeme weitergeht.

8 Henry Mintzberg: Managing Government – Governing Management, Harvard Business Review, Mai/Juni 1996, S. 75–83.

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