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Gegen die Unterbewertung ärztlicher Tätigkeit – Neuauflage

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Bayerisches Ärzteblatt 9/2002 447

Leitartikel

Im Bayerischen Ärzteblatt, Heft 8/1952, gibt es ihn bereits einmal, den Beitrag, der mit der Zeile „Gegen die Unterbewertung ärztlicher Tätigkeit” überschrieben ist. Darin wird der damalige Präsident der Bayerischen Landes- ärztekammer (BLÄK), Dr. Karl Weiler, zi- tiert mit der Forderung, „dass die Kranken- hausträger zur ausreichenden Versorgung der Patienten die notwendige Anzahl von Ärzten bereitstellen müssen und dass selbst die aner- kannt prekäre wirtschaftliche Situation der Krankenanstalten diese nicht von der Ver- pflichtung entbindet, die Ärzte auch entspre- chend der Bedeutung und dem Wert ihrer Leistungen zu bezahlen”.

Mangel

Wir stehen derzeit vor einer gewiss anderen, aber ähnlichen Situation. Warnte man vor wenigen Jahren noch vor einer „Ärzteschwem- me”, so haben wir jetzt das Problem, dass wir den ärztlichen Bedarf mit Nachwuchs nicht mehr decken können. Die Krankenhäuser ha- ben, besonders im Osten, Schwierigkeiten, ihre Stellen zu besetzen. Wir schlittern gerade in eine Mangelsituation hinein. Mit all ihren fa- talen Folgen, von der Patientenversorgung bis hin zur Aus-, Weiter- und Fortbildung. Diese Entwicklung macht auch vor Bayern nicht Halt. Zwar haben wir in Universitätsklini- ken und in Ballungsräumen auch heute noch wenig Probleme, Assistenzarztstellen im Krankenhaus oder frei werdende Vertragsarzt- sitze zu besetzen, doch auf dem Land sieht es auch in Bayern anders aus. Alleine im Frei- staat gibt es derzeit etwa 350 offene Haus- arzt- und 190 offene Facharzt-Sitze.

Hieß es im Herbst 2001 noch, jedes zweite bundesdeutsche Krankenhaus leide unter ärzt- lichem Personalmangel, so hat sich die Situa- tion in den letzten Monaten nochmals ver- schärft. Nach einer brandaktuellen Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus in Bay- ern (AKB) vom Juli dieses Jahres sind allein in Bayern über 600 Arztstellen in Akutkran- kenhäusern vakant. Fast jedes bayerische Krankenhaus sucht vergeblich Ärztinnen und

Ärzte im Praktikum (AiPs), die eigentlich ihre Weiterbildung in den Kliniken aufnehmen sollten. Doch es fehlt neben AiPs und Assis- tenzärzten auch an Oberärzten und Chefärz- ten. Diese Stellen lassen sich gerade an kleine- ren Häusern in so genannten Randgebieten schwer nachbesetzen. 62,5 % aller 370 Kran- kenhäuser gaben an, Personalprobleme sowohl im ärztlichen als auch pflegerischen Bereich zu haben. Besserung ist nicht in Sicht, es sei denn man öffnet die Einnahmedeckelung der Kran- kenhäuser.

Dilemma und Flucht

„Wenn trotzdem die ärztliche Versorgung der Patienten gewährleistet war und ist, so darf das in erster Linie dem unermüdlichen Ein- satz von unbezahlten oder minderbezahlten Ärzten gedankt werden, die in der Hoffnung, auf die Dauer werden ihre Leistungen aner- kannt werden, weit mehr als die üblichen Ar- beitszeiten der anderen Berufe hinaus tätig sind.” Dieser Satz klingt so simpel und so selbstverständlich, dass keiner mehr darüber nachdenkt. Doch in diesem Satz, ebenfalls dem oben genannten Artikel von 1952 entnom- men, steckt das Dilemma des Ärztemangels heutiger Prägung, in dem dieses Selbstver- ständliche gar nicht selbstverständlich ist: Wir Ärztinnen und Ärzte haben nicht das Gefühl, dass es in der Gesundheitspolitik um die Pa- tientenversorgung geht. Wir spüren vielmehr die fatale Gewissheit, dass sich die gesamte Po- litik im Kreis dreht und alle Beteiligten in diesem Kreis laufen – in einem Teufelskreis, aus dem es wegen der beschränkten Fähigkei- ten der konkurrierenden Parteien Unpopuläres zu tun, sowie der fatalen Lage der Wirtschaft keinen einfachen Ausweg gibt.

So ist und war das. Die immer gleichen Kla- gen und die immer gleichen Debatten. Wir le- sen die immer gleichen Schlagwörter, die im- mer gleichen Rezepte und die immer gleichen Zahlen. Doch viele, gerade jüngere Ärztinnen und Ärzte misstrauen den immer gleichen Ver- sprechungen. Wir erleben nun schon den x-ten Bundestagswahlkampf hintereinander, in dem es um den Umbau der sozialen Sicherungssys- teme geht. Und wir haben das Gefühl, dass da- zu alles schon hundertmal gesagt worden ist.

Die Politik kommt uns manchmal vor, wie ei- ne stickige Sauna: Immer der gleiche Aufguss;

immer sitzen und schwitzen. Und alle vier

Jahre wird die Sanduhr wieder umgedreht. So manche Ärztin und so mancher Arzt hält das nicht mehr aus, sie/er springt zur Tür, flüchtet aus dem dampfenden Holzkasten: Sie/er steigt aus dem System aus, wendet sich anderen Be- rufsfeldern zu oder steigt erst gar nicht als AiP ein. Diese Entscheidung fällt Ärztinnen und Ärzten – das weiß ich aus vielen Gesprächen – nicht leicht. Doch, William Shakespeare zitie- rend: „Unter faulen Äpfeln hat man wenig Wahl”, bringe ich sogar ein gewisses Verständ- nis für diese Kolleginnen und Kollegen auf.

Hinzu kommen nicht zuletzt die „Skandale”, die echten und vermeintlichen Finanzierungs- und Korruptionsaffären. Letztere werden so- wohl von den Fach-, Boulevard- und den so genannten „seriösen” Medien so gepflegt wie der königliche Rasen vom Hofgärtner. Die Vorurteile über Ärztinnen und Ärzte sind des- halb in den vergangenen Jahren weiter ge- wachsen. Wie solche Vorurteile gedüngt wer- den, hat man jüngst bei der Kampagne vom angeblich groß angelegten Abrechnungsbetrug durch Ärztinnen und Ärzte erleben können.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die BLÄK distanziert sich ausdrück- lich von Betrügern und will deren Fehlverhal- ten keineswegs entschuldigen oder schützen.

Doch die Sache ist eine andere: Diese „Affären”

laufen deswegen so gut, weil es sich um Ge- schichten handelt, die so leicht von allen zu kapieren sind. Wenn man sich mit so einem Affärchen befassen kann, ist das wie Urlaub von der Realität. Man weiß wieder, weil es sich um sehr übersichtliche Materie handelt, was richtig und was falsch ist. Jeder kann mit- reden, jeder hat eine Lösung parat.

Skandal

So ein Skandal lenkt also ab von den kompli- zierteren Problemen in unserem Gesundheits- wesen. Es lenkt ab von Debatten um die weg- brechende Finanzierungsbasis in der

Gesetzlichen Krankenversicherung, von dro- henden Prämienerhöhungen in der Privaten Krankenversicherung, von Diagnosis Related Groups, von Disease-Management, von Richtgrößenprüfungen und Budgets, von Leit- linien und, und, und.

Die Lust an Affären ist also nichts anderes als Flucht. Andere mögen ja die Komplexität re- duzieren. Wir werden jedoch weiterhin die Po- litik mit diesen wichtigen Themen konfrontie- ren, beispielsweise am Bayerischen Ärztetag.

Gegen die Unterbewertung ärztlicher Tätigkeit – Neuauflage

Dr. H. Hellmut Koch Präsident der BLÄK

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