Dr. Christa Radoš LKH Villach Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
Wann kann Belastung krank machen?
Pflege Impuls Kongress
Klagenfurt, 7.10.2021
Wann sind wir gesund?
Definition von Gesundheit (WHO)
Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen geistigen, körperlichen und sozialen Wohlbefindens
(„Wellbeing“) und nicht allein das Fehlen von
Krankheit und Gebrechen.
Das biopsychosoziale Modell von Krankheit und Gesundheit
nach G. Engel
• definiert ein Kontinuum von gesund nach krank auf
mehreren Ebenen
• ergänzt das biologisch- medizinische Modell um soziale und psychologische Perspektiven
Stress
• Physiologisches Modell von Selye (1936)
• S tress
– Körperlicher und seelischer Zustand der Belastung
• Stressoren
– Faktoren die Stress erzeugen
• Stressreaktion
– Antwort des Organismus auf den Stressor
Stress wird immer einer subjektiven Bewertung unterzogen:
- Eustress
- Distress
Wie entstehen psychische Erkrankungen?
Genetik Epigenetik
Biografie Erziehung
Trauma
Psychische Krankheiten sind häufig!
nach Wittchen und Jacobi GHI 2012
Was verbinden Sie mit dem Begriff Burn-out?
• Eine Krankheit?
• Eine Umschreibung für psychische Krankheiten?
• Eine Selbstdiagnose?
• Eine Schutzbehauptung?
• Eine Epidemie der Erschöpfung?
• Eine Modeerscheinung?
• Ein Lifestyle Phänomen?
Ich kann das Wort
„Burnout“ schon nicht mehr hören….
Ist Burnout eine Krankheit?
Burnout kommt in den Diagnosesystemen ICD-10 und DSM-V als eigenständige Krankheit nicht vor.
• Es gibt daher keine validen Diagnose- oder Forschungskriterien
• Burnout ist im ICD-10 unter dem Diagnoseschlüssel Z 73.0 verzeichnet.
• Dieser bezeichnet
„Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“.
Das Burnout-Syndrom
„ Wer ausbrennt muss einmal entflammt gewesen sein“
Pines, Aronson und Kafry 1985
Der Begriff Burnout
• Eingeführt von Herbert Freudenberger 1974
• Vorerst auf helfende Berufe beschränkt
• Häufige Krankschreibungen und Frühberentungen aufgefallen
• Als Ursachen hohe Arbeitsbelastung gepaart mit hohem Engagement angenommen
• Der Begriff soll auf die Arbeitswelt beschränkt bleiben.
Der „Erfinder“ des Begriffs Burnout:
Herbert Freudenberger (1926 – 1988)
• geboren 1926 in Frankfurt/Main
• Psychiater, Psychologe und Psychoanalytiker in New York
• Erforschung und Beschreibung des Burnout Syndroms im Rahmen von Freiwilligenengagement und im Rahmen der Betreuung Drogenkranker
• Publikation : Staff burn-out (1974), Journal of Social Issues Jg 30 (1): 159-174
• Betont phasenhaften Verlauf und „Krankheitswertigkeit“
Kriterien des Burnout nach Freudenberger
Freudenberger H (1974), Staff burnout, Journal of social issues, 30: 159-167
• Erschöpfung
• Depersonalisation, Zynismus
• Berufliche Überforderung, Leistungsabfall
Christina Maslach:
Arbeitspsychologie und Burnout
• Psychologin an der Universität Berkeley, Kalifornien
• Verfasserin zahlreicher Fachartikel und –bücher zum Thema Burnout
• Maslach Burnout Inventory
• Lehnt Krankheitsbegriff im Zusammenhang mit Burnout ab
• Betont die Bedeutung von Arbeitsplatzqualität und Führungsverhalten
Diagnostik:
Maslach Burnout Inventory (MBI)
• Validiertes Instrument
• Kategorien:
- emotionale Erschöpfung - Depersonalisation
- reduzierte
Leistungsfähigkeit
• Intensität und Häufigkeit der Symptome werden untersucht
• Beinhaltet keine Cut-off Werte!
Risikopotential für Burnout Persönlichkeitsmerkmale
• Hohe Begeisterungsfähigkeit
• Tatendrang
• Hohe Erwartungen an sich selbst
• Ehrgeiz
• Wahrnehmungsstörungen
– Für eigene Bedürfnisse
– Für die eigenen Grenzen
Risikopotential für Burnout Verhalten am Arbeitsplatz
• Hohe Bereitschaft Aufgaben zu übernehmen
• Unfähigkeit zu delegieren
• Anspringen auf Lob
• „Braucht es gebraucht zu werden“
Phasentheorien des Burnout
• Burnout in helfenden Berufen:
J. Edelwich, C. Maslach, C. Cherniss
• Burnout in der Wirtschaft:
H. Freudenberger, D. Lauderdale
• Allgemein:
S. Hobfoll
Alle Autoren beschreiben typischeVerläufe in mehreren Phasen.
4 -Phasenmodell des Burnout
nach Edelwich und Brodsky 1980
• Phase der Begeisterung
• Phase der Stagnation
• Phase der Enttäuschung
• Phase der Apathie
Quelle: Edelwich J, Brodsky A (1980), Burn out. Stages of desillusionment in helping professions.
NY: Human science press
1. Phase des Burnout Begeisterung
• Hoher Einsatz
• Freiwillige Mehrarbeit
• Gefühl der
Unentbehrlichkeit
• Missachtung von
Entspannung
2. Phase des Burnout Stagnation
• Verdrängung von Konflikten
• Nachlassende Genussfähigkeit
• Verstärkter Einsatz von Substanzen (z.B. Alkohol)
• Erste körperliche Symptome
• Schlafstörungen
3.Phase des Burnout Enttäuschung
• Desillusionierung
• Umdeutung von Werten
• Resignation
• Ungeduld, Misstrauen
• Fehleranfälligkeit
• Vermehrte Fehlzeiten
• Infektanfälligkeit
4.Phase des Burnout Apathie
• Ohnmacht und
Hoffnungslosigkeit
• Entscheidungsunfähigkeit
• Leistungsdefizit
• „innere Kündigung“
• Psychische Erkrankungen
Endphase des Burnout Endstadium
• Zustand völliger geistiger, körperlicher und emotionaler Erschöpfung
• Existenzielle Verzweiflung, Depression
• Suizidgefahr!
• Dringende professionelle Hilfe ist nötig!
Was ist der Unterschied zwischen Burnout- Syndrom und Depression?
• Eine durch Burnout induzierte Depression tritt meist im Endstadium der Entwicklung auf
• „Burnout ist arbeitsbezogen, Depression durchdringt das ganze Leben.“
Freudenberger et al. 1990
• Prompte Besserung nach Entlastung spricht gegen Depression
• Ablenkbarkeit? Andere Lebensbereiche?
• Depressive Erkrankungen können auch „aus heiterem Himmel“ ohne vorherige Burnout Entwicklung auftreten.
Berufsspezifische Risken:
Ergebnisse einer Befragung
Quelle: FFAS 2006
Was wünschen sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz?
• Akzeptanz
• Wertschätzung
• Selbstachtung
Prävention von Burn Out
Betriebliche Maßnahmen
• Arbeitsschutz, Arbeitsplatzsicherheit
• Mitbestimmung
• Positive Motivation
• Offene Kommunikation
• Vorbildwirkung der Führung
• Arbeitsplatzbezogene Probleme können nur am Arbeitsplatz gelöst werden.
• Es bedarf neuer Modelle: z.B. Teilzeit
Krankenstand
• Problembewusstsein schaffen
• Klären der Ziele und Meta-Ziele
• „Nein-sagen“ lernen
• Delegieren
• Ablenkende Hobbys pflegen
• Auszeiten
• Private Kontakte pflegen
Prävention von Burn Out
Persönliche Maßnahmen
Sollen Burn-out Patienten krankgeschrieben werden?
• Oft zur akuten Entlastung notwendig
• Von Patienten meist gefordert
• Befristung sinnvoll
• Cave: Vermeidungsverhalten bei phobischer Entwicklung
• Expositionstrainig als Strategie bedenken
Arbeitsplatz-Phobie
( nach Rössler)
Bei Burn-out Patienten kann der Arbeitsplatz als phobischer Auslöser fungieren!
Vermeidungsverhalten!
Das Job-Person Fit Modell
nach Maslach und Leiter 6 Faktoren:
• Workload
• Control
• Reward
• Community
• Fairness
• Values
Arbeitsbelastung - Pausen
- Erholungsphasen im Alltag
Kontrolle - „Chaos Management“
- Abläufe - Pausen
Be- und Entlohnung - finanzielle Entlohnung - soziale Anerkennung
- intrinsisch („Ich mache einen guten Job!“)
Gemeinschaft - Kollegialität - Teamwork - Zugehörigkeit
Fairness - Fehlerkultur - Unterstützung
Werte - „Ich lebe und arbeite im Einklang mit meinen persönlichen Werten“