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Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen Herausgegeben von Anton A. Bucher, Gerhard Büttner, Veit-Jakobus Dieterich, Petra Freudenberger-Lötz,

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Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen

Herausgegeben von Anton A. Bucher, Gerhard Büttner, Veit-Jakobus Dieterich, Petra Freudenberger-Lötz, Christina Kalloch, Hildrun Keßler, Friedhelm Kraft, Bert Roebben, Martin Rothgangel, Thomas Schlag, Martin Schreiner

und Elisabeth E. Schwarz

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»Gott hat das

in Auftrag gegeben«

Mit Kindern über Schöpfung und Weltentstehung nachdenken

Jahrbuch für Kindertheologie Band 11

Herausgegeben von Christina Kalloch und Martin Schreiner

Calwer Verlag Stuttgart

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ISBN 978-3-7668-4222-0

© 2012 by Calwer Verlag Stuttgart Alle Rechte vorbehalten

Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags Umschlaggestaltung: Karin Sauerbier, Stuttgart

Satz: NagelSatz, Reutlingen

Druck und Verarbeitung: Beltz Druckpartner GmbH & Co. KG, Hemsbach E-mail: info@calwer.com

Internet: www.calwer.com

eBook (pdf): ISBN 978-3-7668-4235-0

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Inhalt

Vorwort . . . 7

I. Theoretische Grundlagen und empirische Einblicke

Gerhard Büttner

Die Kindertheologie und die Theologie . . . 11 Lilian Fried

Junge Kinder als »intuitive Theoretiker ihrer gesamten Welt«?

Forschungsergebnisse zu Wissenslandkarten bei jungen Kindern . . . 22 Kerstin Michalik

»Adam ist der mit dem Speer!«

Philosophieren mit Kindern über den Ursprung der Erde und des Lebens . . . 38 Christina Kalloch

»Gott hat die Welt erschaffen – aber eigentlich ist sie so entstanden …«.

Biblische Schöpfungsgeschichten und naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle – ein Dilemma für Grundschulkinder? . . . 53 Corinna Hößle

»Er ist ein ekelhaftes Tier. Der Wurm ist auch dreckig und glatt« – Theologisieren und experimentieren mit Kindern zum Thema

Schöpfung und Verantwortung . . . 62 Ulrich Kropac`´ / Christine Mohr

»Gott schickte zwei Boten, sie sollten zwei Planeten aneinander prallen lassen.«

Empirische Erkundungen zum Verständnis von Weltentstehung und Schöpfung bei Kindern . . . 75 Astrid Dinter / Elisabeth Naurath / Stefan Scholz

Hund – Schlange – Maus. Tiere als Zugang zur Schöpfung

in kindertheologischer Perspektive . . . 92 Stephanie Görk

»Das sind ja so schwierige Fragen.« –

Einblicke in die praktische Arbeit einer Kasseler Forschungswerkstatt . . . 105

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II. Pädagogische Anregungen

Gerhard Büttner

Erde, Sonne, Mond und Sterne. Kinderwissen als Ausgangspunkt

philosophischer und theologischer Gespräche . . . 127 Sarah-Lena Eikermann

»Ich glaube manchmal, dass Gott die Erde erschaffen hat.

Oder dass ein Urknall die Welt gemacht hat …« –

Weltbilder von Grundschulkindern heute . . . 140 Carina Pitschmann

1,2,3 …, Gott – Unendlichkeit als Sinn-Wissen im Religionsunterricht

der Grundschule . . . 159 Friederike Bergel

»Aus der Schöpfung schöpfen.« –

Ein Trickfilmprojekt im Religionsunterricht . . . 176 Viktória Šoltésová

Die Religiosität der Romakinder in der Slowakei . . . 185 Jana Simon

Bericht über die Aufführung »Diese Erde ist dein Garten« . . . 197

III. Buchbesprechungen . . . 199 Rainer Oberthür:Das Buch der Symbole. Auf Entdeckungsreise durch die

Welt der Religion . . . 199 Sarah-Lena Eikermann: Weltbilder von Grundschulkindern heute.

Eine empirische Studie im Religionsunterricht . . . . 201 Delia Freudenreich: Spiritualität von Kindern. Was sie ausmacht

und wie sie pädagogisch gefördert werden kann . . . 203 Bibi Dumon Tak: Kuckuck, Krake, Kakerlake – Das etwas andere Tierhörbuch . . . 207 Dieter Stork und Matthias Nagel: Diese Erde ist dein Garten.

Ein Singspiel für Kinder zum Thema Schöpfung . . . . 208 Ulrich Walter: Der Schöpfungskreis.

Zur Entdeckung biblischer Geschichten – Materialpaket . . . . 211 Rafik Schami: »Wie sehe ich aus«, fragte Gott . . . 212 Eva Zoller-Morf: Selber denken macht schlau.

Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen . . . . 213 Christine Reents und Christoph Melchior: Die Geschichte der Kinder-

und Schulbibel. Evangelisch – katholisch – jüdisch . . . . 215 Die Autorinnen und Autoren . . . 219

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»Kirchen betonen Notwendigkeit einer Theologie des Kindes« so lautete Ende September 2011 eine weltweit verbreitete Pressemeldung in dem Newsletter des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), dem mehr als 349 protestan - tische, orthodoxe, anglikanische und an- dere Kirchen angehören, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Dort heißt es weiter: »Obwohl 2,2 Milliarden der Weltbevölkerung Kinder sind, haben Kirchen sowohl im Süden als auch im Norden diese in ihrem kirchlichen Dienst bislang oft sträflich vernachlässigt. Die Anliegen und Rechte von Kindern sowie ihr Platz in der Kirche sind Themen, zu denen die Kirchen ihre Stimme gemein- sam erheben und zu Gehör bringen müs- sen. Im Bewusstsein dieser Notwendig- keit betont das Programm für ökumeni- sche theologische Ausbildung des Öku- menischen Rates der Kirchen (ÖRK), dass eine Theologie des Kindes integraler Bestandteil von theologischer Aus- und Fortbildung sein muss. Es unterstreicht damit die Schlussfolgerungen einer Kon- ferenz, die sich Anfang 2011 mit Bil- dungsprozessen und Fragen der Spiritua- lität von Kindern beschäftigt hat. Das Programm arbeitet mit Kirchen, Erneue- rungsbewegungen und theologischen Aus- bildungsinstitutionen zusammen, um auf die großen Potenziale aufmerksam zu ma- chen, die in der christlichen Mission im Blick auf die Rolle von Kindern bestehen.

Diese Initiative für eine Theologie des Kindes beruft sich auf den eindring lichen Appell von Christus selbst, Kinder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen:

»Und er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie und herzte es und sprach zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf;

und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.« (Mk 9,36) Zusammen mit anderen christlichen Einrichtungen und Netz - werken aus aller Welt beschäftigte sich der ÖRK auf einer »Theologischen Kon- ferenz über Kinder«, die im März dieses Jahres unter dem Titel »Now and Next«

von Daystar University und Compassion International in Nairobi ausgerichtet wurde, mit den Entwicklungen zu einer Theologie des Kindes. (…) Pastor Dr.

Dietrich Werner, Leiter des ÖRK-Pro- gramms für ökumenische theologische Ausbildung, äußerte die Hoffnung, dass die Anliegen der Bewegung für eine Theologie des Kindes in den Vorberei- tungsprozess für die 10. Vollversamm- lung des ÖRK 2013 in Busan (Korea) ein- bezogen werden können. Die Theologie des Kindes, so Werner, sei von großer Bedeutung, denn »Kinder haben das Recht, von Gott zu hören. Sie haben das Recht, Christus kennen zu lernen. Kinder brauchen geistliche Ressourcen, Symbole und Geschichten, die ihnen die Möglich- keit geben, Hoffnung, Liebe und Ver- trauen in ihrem Inneren Ausdruck zu

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Vorwort

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geben – und das ist von zentraler Bedeu- tung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes«. Diese Aussagen spiegeln in eindrück licher Weise die Grundanliegen der Auto rinnen und Autoren wider, die sich im Rahmen der Kindertheologiebe - we gung engagieren – auch in diesem elf- ten Jahrbuch für Kindertheologie mit dem Schwerpunktthema »Mit Kindern über Schöpfung und Weltentstehung nachdenken«.

Den Grundlagenteil eröffnet der Beitrag

»Die Kindertheologie und die Theolo- gie« von Gerhard Büttner, einem der äu- ßerst verdienstvollen »Gründungsväter«

der Kindertheologie. Er versteht Kinder- theologie als Programm und Praktik, für die die theologische Tradition und auch die akademische Theologie einen Rah- men bilden, innerhalb dessen sich das Theologisieren mit Kindern bewegt. Ein- drücklich plädiert Büttner für die Erhel- lung des Sachverhaltes, in welcher Weise theologische Themen in der Kommuni- kation mit Kindern überhaupt auftauchen und mit welchen Einfällen und Bildern sie bei Kindern konnotiert werden.

Lilian Fried stellt in ihrem Beitrag junge Kinder als »intuitive Theoretiker ihrer gesamten Welt« vor. Die referierten Forschungsergebnisse zu Wissensland- karten von jungen Kindern zeigen in beeindruckender Weise, über welche Konzepte der Welterklärung sie verfü- gen. Zugleich fordert die Autorin, ver- engte Bilder vom Kind zu überwinden und weitere Forschungen über die Ko- existenz bereichsspezifischer Wissensbe- stände voran zubringen.

Auch Kerstin Michalik wirbt dafür, besonders im Hinblick auf den Ursprung der Erde und des Lebens, von einer iso- lierten Betrachtungsweise im Religions-,

Sach- oder Biologieunterricht Abstand zu nehmen und mit Kindern die Möglich- keiten zum fächerübergreifenden philo- sophischen Gespräch zu nutzen. Denn gerade wenn die Naturwissenschaften keinen erkennbaren »Sinn des Ganzen«

liefern, ist es umso notwendiger, mit Kin- dern nach alternativen Angeboten für Daseinsdeutungen zu fragen. Dies ver- deutlicht auch der Beitrag von Christina Kalloch, der dokumentiert, wie Kinder im theologischen Gespräch zur Erkennt- nis gelangen, dass Bibel und Naturwis- senschaft nicht Antworten auf dieselbe Frage geben wollen. Und dass die bib - lischen Schöpfungsgeschichten für viele so wichtig sind, weil sie ihnen Hoffnung machen, dass die Welt in Gott geborgen ist und es für sie ein gutes Ende geben wird.

Empirische Einblicke geben die Un- tersuchung von Ulrich Kropac`´ und Christine Mohr sowie der Werkstattbe- richt von Stephanie Görk. Kropac und Mohr werten eine exemplarische Studie mit Kindern eines fünften Schuljahres aus und kommen unter anderem zu dem Er- gebnis, dass nicht mehr die Theodizee- frage zentrale »Einbruchstelle« für den Gottesglauben junger Menschen zu sein scheint, sondern das Problem der Verein- barkeit von biblischem Schöpfungsglau- ben und naturwissenschaftlichen Wel- tentstehungsmodellen. Damit steht vor allem der Religionsunterricht in der Se- kundarstufe vor großen Herausforde - rungen. Zu diesem Fazit gelangt auch Stephanie Görk in der Auswertung ihrer Arbeit in der Kasseler Lernwerkstatt.

Sie resümiert, dass – gerade bei dem zu Recht geforderten mehrperspektivischen He ran gehen – die Arbeit am Wahrheits- begriff elementar sei, da nur so der Ge- fahr der Beliebigkeit entgangen und

Vorwort

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Schülerinnen und Schülern in religiösen Fragen Orientierung gegeben werden könne.

Astrid Dinter, Elisabeth Naurath und Stefan Scholz stellen in eindringlicher Weise Tiere als Zugang zur Schöpfung aus kindertheologischer Perspektive in den Mittelpunkt ihrer Reflexionen. Die AutorInnen betonen die für Kinder in schöpfungstheologischer Hinsicht hohe Relevanz einer emotional gefassten Be- ziehungsebene zu Tieren und die damit verbundene Brückenfunktion, die Tiere zwischen der vorfindlichen Schöpfung und Gott einnehmen. Zugleich beschrei- ben Dinter, Naurath und Scholz eine mögliche Korrespondenz kindlicher reli- giöser Gefühle mit den Gefühlen, die Be- ziehungen zu Tieren auslösen können, als noch ausstehende Forschungsaufgabe.

Um das Verhältnis von Kindern zu Tie- ren geht es auch in dem Beitrag von Co- rinna Hößle, die konkrete unterrichtliche Möglichkeiten aufzeigt, Zugang zu soge- nannten Ekeltieren zu verschaffen. Ihr Ziel ist es, Kindern unter anderem Re- genwürmer, Kellerasseln und Mehlwür- mer in ihrer Einzigartigkeit als Ge- schöpfe Gottes bewusst zu machen, und sie dafür zu sensibilisieren, dass auch für diese Tiere der Bewahrungsauftrag bib - lischer Schöpfungstexte gilt.

In den pädagogischen Anregungen stehen das Weltbild von Kindern, ihre Konzepte der Weltentstehung und ihr Wissen über die Welt im Zentrum. Ger- hard Büttner nimmt Kinderwissen über Erde, Sonne, Mond und Sterne zum Aus- gangspunkt für philosophische und theo- logische Gespräche. So bietet er nicht nur interessante Beispiele aus kulturellen Vergleichsstudien – er stellt zugleich fest, dass es bei kosmologischen Fragen zwar auch um das Erlernen von Fakten und

Regeln geht, mehr aber noch um Fragen der Erkenntnismöglichkeit. So plädiert Büttner in diesem Zusammenhang dafür, schon in der Grundschule in Grund - fragen des Erkennens und der Modell - bildung einzuüben.

Die kleine empirische Studie von Sarah-Lena Eikermann zu Vorstellungen von Grundschulkindern über die Ent - stehung der Erde bestätigt, dass in dieser Altersstufe das »hybride« Weltbild vor- herrschend ist und das Denken von Kin- dern bestimmt. Sie folgert daraus, dass nur darüber informierte Lehrerinnen und Lehrer Kinder in Prozessen komplemen- tären Denkens unterstützen und ihnen kompetente Begleiter sein können.

Carina Pitschmann gewährt interes- sante Einblicke in das Überschneidungs- feld von Mathematik und Theologie, in- dem sie »Unendlichkeit« als Sinn-Wis- sen im Religionsunterricht vorstellt und in anschaulicher Weise Zugänge durch mathematische und ästhetische Perspek- tiven eröffnet.

Friederike Bergel regt an, zum Thema

»Schöpfung« mit Kindern Trickfilme zu produzieren. Sie gibt in ihrem Beitrag zu dieser vielversprechenden Methode sehr konkrete und hilfreiche Hinweise, die er- mutigen können, sich auf ein solches Un- ternehmen einzulassen.

Von einem Forschungsprojekt aus der Slowakei, das die religiöse Entwicklung und Erziehung von Roma-Kindern un- tersucht hat, berichtet Viktoria Soltesova.

Im Rahmen der Buchbesprechungen geht es Katharina Kammeyer und ihrem studentischen Team um Rainer Ober- thürs »Das Buch der Symbole«. Sodann finden sich unter anderem vier Werke, die das Potential zu religionsdidaktischen Klassikern haben. Sebastian Hamel re- zensiert die empirische Studie »Welt bil -

Vorwort

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der von Grundschulkindern heute« von Sarah-Lena Eikermann. Noemi Bravena stellt Delia Freudenreichs »Spiritualität von Kindern« vor, Elisabeth E. Schwarz macht mit Eva Zoller-Morfs »Selber den- ken macht schlau« vertraut und Reiner Andreas Neuschäfer führt in »Die Ge- schichte der Kinder- und Schulbibel« von Christine Reents und Christoph Mel- chior ein. Die informativen wie persön- lich akzentuierten Rezensionen machen neugierig und laden zur Begegnung mit

den Werken ein. Dies gilt auch für die weiteren Besprechungen, die sich vor- nehmlich auf das Hauptthema des JaBuKi 11 – »Schöpfung« – beziehen. Martin Schreiner, Anna-Christina Petermann und Hans-Jürgen Herrmann stellen origi nelle Bücher, Hörbücher und Mate- rialien zum Thema vor und zeigen, wie vielfältig und kreativ sich mit Kindern zu

»Schöpfung« arbeiten lässt.

Christina Kalloch und Martin Schreiner

Vorwort

10

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1. Kindertheologie als Label, Programm und Praktik

Was meinen wir, wenn wir heute über Kindertheologie sprechen? Wir gehen von einer unausgesprochenen, aber be- währten Vorstellung aus, die es offenbar nicht nötig macht, mit einem Gesprächs- partner erst nach Definitionen zu suchen.

Ich möchte drei Begriffe ins Spiel brin- gen, um zu einer ersten Charakterisie- rung zu kommen.

Kindertheologie ist eine Marke, eine Art Label, wie wir sie in der Warenwelt kennen.1 Zwar haben Anton Bucher und Friedrich Schweitzer den Gedanken von Kindern als Theologen erstmals geäußert, doch richtig Fahrt nahm der Begriff erst mit der Gründung des Jahrbuches für Kindertheologie (JaBuKi) auf. Klar war uns damals, ein Publikationsorgan zu gründen, dessen vordringlicher Blick auf den Bereich der Elementar- und Grund- schulpädagogik gerichtet sein sollte. Mein Titelvorschlag war »Kind und Glaube«

als bewusste Alternative zu »Kind und Religion«. Wir wollten den Fokus auf die Manifestationen christ licher Theologie und Frömmigkeit setzen. Anton Bucher gab jedoch zu be denken, dass »Glaube«

immer auch »Unglaube« impliziere und damit eine exklusivistische Sicht ein- nehme. Stattdessen schlug er den Begriff der »Kindertheologie« vor. Vom Diskurs in der Philosophiedidaktik her war uns die Pro blematik des Begriffs klar – dort

spricht man eher vom Philosophieren mit Kindern statt von der Kinderphilo - sophie. Ich selbst präferiere von daher auch eher die Verbalform »Theologi - sieren«.2 Gleich wohl hat sich die Wort- schöpfung »Kindertheologie »durch ge - setzt. Man weiß, wie gesagt, was damit gemeint ist, auch wenn der eigentliche Wortsinn begrifflich unscharf erscheinen mag. Der Produktname ist bekannt und ge schätzt, da erscheint es müßig im Nach - hinein nach Verbesserungen zu suchen.

Kindertheologie ist ein Programm.

Wie sehr dies der Fall ist, kann man an dessen Eingang in zahlreiche Lehrpläne erkennen.3 Das Erziehungssystem wählt diese Programmformulierung, um anzu-

11 Gerhard Büttner

Die Kindertheologie und die Theologie

1 Zum u.U. spannungsvollen Verhältnis zwi- schen Titel und Sache vgl. Umberto Eco, Nachschrift zum »Namen der Rose«, Mün- chen 91987, 11 f.

2 Die Kritik an dieser Begrifflichkeit bei Tho- mas Schlag / Friedrich Schweitzer, Brauchen Jugendliche Theologie? Neukirchen-Vluyn 2011, 79 f überzeugt mich nicht. Der Gedanke eines »forschenden Lernens im Prozess« fin- det sich neuerdings auch in dem Neologismus

»mathematisieren« in der Mathematikdidak- tik.

3 Interessant ist in diesem Zusammenhang der vergleichbar große Zuspruch zum »Philoso- phieren« und »Theologisieren« gerade in der Elementarpädagogik, wo die Bedingungen in vielerlei Hinsicht für dieses Programm eher schwieriger sind als in der Grundschule. Vgl.

Ekkehard Martens, Kinderphilosophie und Kindertheologie – Familienähnlichkeiten? In:

JaBuKi 4 (2005), 12–28.

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zeigen, dass es erwartet, dass »Kinder- theologie« bei den Kindern zu einem Kompetenzerwerb beiträgt.4 Wer Petra Freudenberger-Lötz Berichte über die Lernwege von Studierenden beim Theo- logisieren nachliest, der bemerkt, dass es hier nicht bloß um eine Methode geht, sondern um eine Haltung, ja geradezu um das Einüben eines Habitus bei Schü- ler/innen und Lehrenden.5Insofern ist es sinnvoll hier von einer Praktik zu spre- chen. Thomas Alkemeyer definiert diese folgendermaßen:6

»Praktiken gehen nicht von einem intentiona- len Subjekt aus, sondern entstehen situativ im Dazwischenvon Akteuren und ihrer jeweiligen materiell-symbolischen Umgebung. […] In ihrem Vollzug bilden sich Subjekte mit einer be stimmten Körperlichkeit, einem bestimm- ten ›Vorrat‹ an Haltungen, Gesten und Bewe- gungen sowie – in Verbindung damit – einem begrenzten Horizont des Denkens, Fühlens und Handelns.«

Was damit gemeint ist, kann man sich leicht vergegenwärtigen, wenn man weiß, dass eine Gruppe von Sechstklässlern, nachdem sie ein Video mit einem theolo- gischen Gespräch mit Grundschüler/in- nen gesehen hatte, diesen Gesprächsstil unmittelbar übernehmen konnte. Be- trachtet man einen Großteil der Veröf- fentlichungen zur Kindertheologie, so handelt es sich dabei um die Dokumenta- tion solcher Praxen des Theologisierens.

Es geht nicht darum, etwas jenseits des Dokumentierten aufzudecken, sondern die Befragungen und Gespräche sind in der Regel immer auch ein Stück kinder- theologische Praxis.

Damit ist klar, dass das Postulat der Wissenschaftlichkeit im Hinblick auf die Kindertheologie nicht ganz unproblema- tisch ist.7 Die meisten Untersuchungen orientieren sich an den Standards der so-

zialwissenschaftlichen Forschung. Das ist sinnvoll und legitim. Die Ergebnisse dieser Forschung können das Projekt Kindertheologie bereichern und weiter- führen. Doch ist es für die Praxis der Kin - dertheologie nicht entscheidend, ob die dort benutzten Daten allen Güte kriterien der Forschung genügen können. Meine kleine explorative Studie zum Verständnis des »heiligen Geistes« bei Fünft- und Sechstklässler/innen bietet in einem Ge - spräch auch dann Anregungen und Orien tierungen, wenn die Basis der Be- fragung schmal ist und die Befragungs- methoden nicht immer professionell waren.8

2. Von welcher Form Theologie sollen wir ausgehen?

Im Hinblick auf die Theologie ist die Fragestellung komplizierter. Ein Bezug der »Kindertheologie« auf Theologie ist naheliegend, wenngleich etwa der meta- phorische Gebrauch in Begriffen wie

Theoretische Grundlagen und empirische Einblicke

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4 Wer im Bereich der Kindertheologie »voran geschritten« ist, gilt im Sinne der Codeunter- scheidung des Erziehungssystems als »besser erzogen«. Zum Begriff vgl. Elena Esposito, Art. »Programm«, in: C. Baraldi u.a., GLU, Frankfurt a.M. ³1999, 139–141.

5 Petra Freudenberger-Lötz, Theologische Ge- spräche mit Kindern, Stuttgart 2007.

6 Thomas Alkemeyer, Lernen und sein Körper.

Habitusformungen und -umformungen in Bildungsprozessen, in: B. Friebertshäuser u.a.

(Hg.), Reflexive Erziehungswissenschaft, Wiesbaden ²2009, 119–140, 122 f.

7 Vgl. Mirjam Zimmermann, Methoden der Kindertheologie. Zur Präzisierung von For- schungsdesigns im kindertheologischen Dis- kurs, Theo-Web 5 (2006) 1, 99–125.

8 Gerhard Büttner, Der heilige Geist in der Vorstellungswelt von Kindern. KatBl 129 (2004), 187–192.

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»Unternehmensphilosophie« in Bezie- hung zur »Philosophie« deutlich macht, dass auch dies nicht zwingend ist. Folgt man den Unterscheidungen der System- theorie, dann ist Kindertheologie ein Kommu nikationsmodus im Erziehungs- system, »Theo logie« gehört als Modus der »Wahr heitssuche« zum Wissen- schaftssystem. Beide Systeme sind Um- welt für einander. D.h., dass die Kinder- theologie sehr wohl die Wissenschaft in dem Sinne »irritieren« kann, dass diese Impulse aufnimmt und in ihrem System verarbeitet. Ebenfalls irritierten Ergeb- nisse der Theologie die Kommunikation im Erziehungssystem – neue Einsichten zur Gleichnisexegese regen etwa neue Zugangsweisen im Gespräch mit Kindern an. Doch folgen die Selbstbeschreibun- gen der Theologie diesem Bild von Wis- senschaft? Ich möchte vier Verständnisse von Theologie hier vorstellen und zeigen, was dies für die Verhältnisbestimmung zur Kindertheologie bedeutet.9

1. Rainer Anselm definiert Theologie im Anschluss an Friedrich König und Friedrich Schleiermacher als theologia acroamatica, die im Hinblick auf Kir- chenleitung die biblische Überliefe- rung theologisch reflektiert. Praktische Theologie und Religionspädagogik haben dem gegenüber eine dienende Funktion als theologia catechetica. Hier verortet Anselm dann auch die Kinder- theologie.10

2. Martin Rothgangel dreht den Spieß um und fragt, ob nicht Theologie ihre Funktion in der Vermittlung des Evan- geliums habe. Damit bekommt die Praktische Theologie und die Reli - gionspädagogik insoweit eine Leit- funktion, als sie bestimmt, welche theolo gischen Erkenntnisse für Pre- digt und Unterricht wichtig sind. Für

die Kindertheologie könnte das hei- ßen, dass ihre Fragestellungen und Be- dürfnisse die Exegese und die Systema- tische Theologie zu spezifischen Unter suchungen und Reflexionen nö- tigen könnte.11

3. Winfried Härle geht in seiner Dogma- tik von der Kommunikation aus.

Theologie findet dort statt, wo über Gott und die Welt im Lichte der bib - lischen Überlieferung nachgedacht und gesprochen wird.12So entsteht ein Modell einer Laientheologie, an der im Prinzip jedermann teilnehmen kann. Die akademische Theologie er- weist sich dem gegenüber als Spezial- fall, der aber im Geben und Nehmen mit der Laientheologie verbunden sein muss. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Härle von daher keine Schwierig- keiten hat, die Kindertheologie in sein Modell einzubeziehen.13

Büttner Die Kindertheologie und die Theologie

13

9 Vgl. meine grundsätzlicheren Überlegungen in Gerhard Büttner, Theologisieren als Grundfigur der Praktischen Theologie – Grundüberlegungen für das Theologisieren mit Jugendlichen, in: V.-J. Dieterich (Hg.), Theologisieren mit Jugendlichen. Ein Pro- gramm für Schule und Kirche, Stuttgart 2012, 51–69.

10 Rainer Anselm, Verändert die Kindertheologie die Theologie? In: JaBuKi 5 (2006), 13–25.

11 Martin Rothgangel, Systematische Theologie als Teildisziplin der Religionspädagogik? Prä- liminarien zum Verhältnis von Systematischer und Religionspädagogischer Theologie, in:

Theo-Web 2. Jg. H. 1, 48–62; ders. / Thei- digsmann, Edgar (Hg.), Religionspädagogik als Mitte der Theologie, Stuttgart 2005.

12 Winfried Härle, Dogmatik, Berlin u.a. ³2007.

13 Winfried Härle, Was haben Kinder in der Theologie verloren? Systematisch-theolo - gische Überlegungen zum Problem einer Kindertheologie, in: JaBuKi 3 (2004), 11–27.

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4. Eine weitere Perspektive stellt den Be- griff der »gelebten Religion« in den Vordergrund. Es geht um die viel - fachen Praxen gelebter Frömmigkeit, die für die christliche Existenz bestim- mend sind.14Dieser gelebten Religion korrespondiert dann eine gelehrte Reli- gion als Reflexionsmodus. Letzteres ist dann identisch mit Theologie. Von da- her spricht Bernhard Dressler der Kin- dertheologie, deren Praxis er durchaus wertschätzt, die Bezeichnung Kinder- theologieab.

Es ist wenig sinnvoll, diese Ansätze ge- geneinander ausspielen zu wollen. Natür- lich sympathisieren die Vertreter/innen der Kindertheologie eher mit den Model- len von Rothgangel und Härle.

Von einer konstruktivistischen Perspek- tive gesehen ist zunächst einmal Kon- struktion gleich Konstruktion. Von einer solchen Sichtweise kann dann im Einzel- nen gezeigt werden, dass manche kinder- theologische Gespräche – gerade weil sie nicht an Traditionen gebunden sind – er - frischend alternative Deutungen zutage fördern und gewisse Borniertheiten eines professionellen Blicks offenlegen können.

Das sind gewiss Ausnahmen. Doch es ist kein Zufall, dass etwa die norwegische Diskussion die Kindertheologie explizit zu der kontextuellen Theologie zuordnet.

Damit ergibt sich im Prinzip dieselbe Diskussionslage wie zwischen feministi- scher, schwarzer usw. Theologie im Ver- hältnis zum akademischen Mainstream und produziert auch die ähnlichen Ab- wehrmechanismen.

Weil Bernhard Dressler seine Argu- mentation sehr differenziert vorträgt, soll an dieser Stelle ausdrücklicher auf ihn eingegangen werden.15

3. Gelebte Religion oder Kindertheologie– Bernhard Dresslers Anfragen

Dressler geht es um die Bestimmung der Religionspädagogik als Teil der Prakti- schen Theologie. Letztere sieht er als Reflexionsort (und damit als gelehrte Reli gion) und damit als Teil des Wissen- schaftssystems im Gegenüber zur »geleb- ten Religion«. Diese wiederum umfasst – wenn ich das recht verstanden habe – den ganzen Bereich kirchlichen Handelns.

Dressler geht es dabei um zweierlei. Er möchte der Religionspädagogik den Sta- tus wissenschaftlicher Theologie sichern und das Konzept der »gelebten Religion«

in der religionspädagogischen Theorie und Praxis stark machen. Die Kinder- theologie passt nun gar nicht in dieses Schema. Einmal postuliert sie durch ih- ren Namen, eine Variante von Theologie zu sein, und verwässert dadurch deren wissenschaft liches Profil. Zum anderen läuft das Theologisieren seines Erachtens darauf hinaus, gerade die performative, erlebnishafte Seite der Religion zu verlas- sen, wenn sie sich etwa der Kinderphilo- sophie annähert.

Es geht mir hier nicht darum, die Leistungsfähigkeit des Begriffs der »Ge- lebten Religion« grundsätzlich in Frage zu stellen. Man muss nur sehen – was Dressler tut – in welchem Kontext wir den Begriff der Kindertheologie stark ge- macht haben. Zum Ende des letzten Jahr-

Theoretische Grundlagen und empirische Einblicke

14

14 Albrecht Grözinger / Georg Pfleiderer, »Ge- lebte Religion« als Programmbegriff systema- tischer und praktischer Theologie, Zürich 2002.

15 Bernhard Dressler, Religionspädagogik als Modus Praktischer Theologie. Mit einem kri- tischen Blick auf den Diskurs zur »Kinder- theologie«, ZPT 63 (2011), 149–162.

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hunderts waren zwei Varianten von Reli- gion in der Reli gionspädagogik domi- nant, ein extendierter Religionsbegriff im Sinne Thomas Luckmanns und die inter- religiöse Perspektive,16 also gerade nicht die gelebte Religion innerhalb der christ- lichen Kirchen. Das Studium diverser Protokolle aus dem Philosophieren mit Kindern machte jedoch deutlich, dass dort immer wieder Fragestellungen und Überlegungen auftauchen, die zum klas- sischen Repertoire systematischer Theo- logie gehören. Wollte man diese – viel- leicht religionsphilosophischen Themen – im Interesse der Kinder und des Profils des RU nicht abseits liegen lassen, dann musste man eine Praxis des Theologisie- rens institutionalisieren. Dressler sieht zwar die von mir genannten Tendenzen, schätzt aber die Anstrengungen zu deren Überwindung m.E. zu gering ein.

Martin Laube gibt in seiner system- theoretischen Argumentation zu beden- ken, dass die Unterscheidung zwischen Religion und Theologie als deren Re - flexionsgestalt nicht unproblematisch ist.17 Theologie beobachtet demnach die Religion im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung. Zugleich aber agiert sie auf der Ebene des Religionssystems selbst. »Beide Bestimmungen lassen sich nicht miteinander in Einklang bringen.«

Im Sinne des Konstruktivismus könnte man auch sagen, die Konstruktionen der Theologen und die der Kinder sind bei- des Mal Konstruktionen. Es gibt gute Gründe, die Konstruktionen der Theolo- gen »über« die der Kinder zu stellen – wahrscheinlich geht es dabei um »Wahr- heit«, gewiss aber auch um Macht. Inso- fern impliziert Kindertheologie an dieser Stelle eine Infragestellung stillschwei- gend gesetzter Hierarchien.18 Friedrich Schweitzer hat zurecht als Kriterium für

Kindertheologie festgehalten, dass es da- bei um argumentative Muster gehen müsse und nicht nur um religiös interes- sante Aussagen.19Schaut man in die Pra- xis des Theologisierens mit Kindern, dann sieht man, dass die Grenzen zwi- schen gelebter (erlebter) Religion und re- flektierter (gelehrter) Religion fließend sind. Gerade im Kontext des schulischen Religionsunterrichts ist zu fragen, ob die- sen nicht eine spezifische Form reflektier- ter Religion bestimmt. Diese Form wäre anzusiedeln zwischen einer religiösen Praxis auf der einen und akademischer, gelehrter Religion auf der anderen Seite.

Büttner Die Kindertheologie und die Theologie

15

16 Von daher halte ich für das Selbstverständnis der Kindertheologie im Hinblick auf »Reli - gion« den Anschluss an Luhmann für frucht- barer – im Sinne von Isolde Karle, Die markante Physiognomie von Religion, in:

W. Härle u.a. (Hg.), Systematisch praktisch (FS R. Preul), Marburg 2005, 305–314.

17 Martin Laube, Die Beobachtung »gelebter Religion« – Überlegungen zu einer theologi- schen Kategorie in systemtheoretischer Sicht, in: Grözinger/Pfleiderer (wie Anm. 14), 161–

189, 181.

18 So zeigen etwa Hanna Roose und Christian Butt, ›God can not allways forgive‹ – Reading Mt 18:21–35 with Children, in: G.Y. Iversen u.a. (Hg.), Hovering over the Face of the Deep, Münster 2009, 37–51, dass die Kinder die Spannung im Gleichnis vom Schalks- knecht zwischen dem übermäßig großzügigen und dann überstrengen Verhalten des Königs gegenüber diesem Knecht theologisch »tie- fer« reflektieren als viele Exegeten, die die theologischen Probleme durch die literar- bzw. redaktionskritische Annahme einer Er- weiterung der ursprünglichen Geschichte bzw. seines Textes theologisch entschärfen.

Diese Linie findet sich explizit ausgeführt in der norwegischen Variante der Kindertheolo- gie, vgl. Elisabeth Tveito Johnsen / Friedrich Schweitzer, Was ist kritische Kindertheolo- gie? Vergleichende Perspektiven aus Norwe- gen und Deutschland, in: JaBuKi 10 (2011), 25–36.

19 Friedrich Schweitzer, Was ist und wozu Kin- dertheologie? In: JaBuKi 2 (2003), 9–18.

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Je nach Lebensalter und spezifischem Stil changiert der Unterricht zwischen diesen beiden Polen. Kinder- und Jugendtheolo- gie wäre demnach eine legitime Variante reflektierter Religion.

4. Zwischen Kindertheologie und Elementarisierung – Friedrich Schweitzers Optionen

Friedrich Schweitzer hat jüngst versucht, Kindertheologie und Elementarisierung zueinander in Beziehung zu setzen.20 Nach Schweitzer21»kann gesagt werden, dass der Elementarisierungsansatz eine notwendige Weiterführung der Kinder- theologie darstellt – und umgekehrt.«

Die »Theologie der Kinder« bildet dem- nach einen wichtigen Erfahrungsraum, der nun allerdings intentional weiterge- führt werden muss, indem die Kinder mit den entsprechenden theologischen Bil- dungsinhalten konfrontiert werden.

Schweitzer sieht die Kindertheologie stark auf der Seite der Kinder und den Elementarisierungsansatz stärker bei der Verpflichtung zur Theologie (als Wissen- schaft) und den Lernforschritten des schulischen RU mit seinen Anforderun- gen. Er weiß natürlich, dass sich hier im Einzelfall Spannungen ergeben,22 was aber bei erfahrenen Gesprächsleiter/in- nen eher als Lernchance begriffen wird.23 Kindertheologie besitzt nach Schweitzer ihr erstes Maß »darin, ob sie Antworten erlaubt, die für Kinder in ihrem Leben und Glauben hilfreich sind«.24Dabei hält er es für sinnvoll, »zwischen einer allen Kindern möglichen und für alle Kinder potentiell wichtigen Reflexion religiöser Vor stellungen auf der einen und der exist - entiellen, für den eigenen Glauben maßgeb- lichen Bedeutung einer solchen Reflexionauf

der anderen Seite zu unterscheiden«.25 Schweitzer benennt explizit ein Themen- bündel, das beide Kriterien erfüllen soll:26

»1. Wer bin ich und wer darf ich sein? – Die Frage nach mir selbst.

2. Warum musst du sterben? – Die Frage nach dem Sinn des Ganzen.

3. Wo finde ich Schutz und Geborgenheit? – Die Frage nach Gott.

4. Warum soll ich andere gerecht behandeln?

Die Frage nach dem Grund ethischen Han- delns.

5. Warum glauben manche Kinder an Allah?

– Die Frage nach der Religion der anderen.«

Für Schweitzer ist dieser Katalog wichtig, weil er sich explizit dagegen ausspricht, Themen aus dem klassischen Repertoire der Theologie mit Kindern zu diskutie-

Theoretische Grundlagen und empirische Einblicke

16

20 Friedrich Schweitzer, Kindertheologie und Elementarisierung, Gütersloh 2011.

21 Ebd., 26.

22 Ebd., 37; vgl. auch Marcell Saß, »Maria war die Frau von Jesus«? Chancen und Grenzen kindertheologischer Zugänge, in: JaBuKi 10 (2011), 133–152.

23 Gerhard Büttner / Petra Freudenberger-Lötz,

»He Vater, heil den Mann«. Die Heilung des Taubstummen (Mk 7,31–37) in der Inter - pretation von Siebenjährigen, in: G. Büttner / M. Schreiner (Hg.), »Man hat immer ein Stück Gott in sich«. Bd. 2: NT, JaBuKi-Son- derband, Stuttgart, 2006, 85–94. Hier nimmt die Lehrerin die sprachlich falsche Überset- zung von »Hephata« produktiv auf, weil die Kinder damit einen theologisch wichtigen Aspekt angesprochen haben.

24 Schweitzer (wie Anm. 20), 119. Dabei hält er es für sinnvoll, »zwischen religiösen Vor - stellungen und einer ausdrücklichen Kinder- theologie zu unterscheiden. […] Die Weiter- führung [von ersteren zu letzterer] besteht allerdings nicht in einer zunehmenden Annä- herung etwa an wissenschaftlich- theologische Auffassungen, sondern offenbar im Erreichen von Antworten, die für die Kinder selbst zu- friedenstellend sind.

25 Ebd., 295.

26 Ebd., 49 f.

(16)

ren, soweit diese nicht deren engerem Fragenkreis entspringen. Betrachtet man den Katalog genauer, dann könnte der Großteil der Fragestellungen auch aus dem Programm der Kinderphilosophie stammen. Will man Schweitzers Katalog theologisch verorten, dann entspricht er am ehesten dem, was katholischer und z.T. lutherischerseits als Natürliche Theo- logieverhandelt wird. So fehlt konsequen- terweise auch jeder Hinweis auf die Christologie. Die Offenbarungstheologie wäre demnach für das Elementarisie- rungsprogramm reserviert, wo es ja durchaus darum geht, den Kindern auch neue Inhalte zu präsentieren, mit deren Hilfe sie Dinge komplexer verstehen können. Von daher umfasst Mirjam Zim- mermanns Definition der Theologischen Kompetenz sowohl die Dimension in- haltlichen Wissens als auch die hand - werk liche Seite des Besser-damit-umge- hen-Könnens.27

Interessanterweise kommt Schweitzer auf die konstruktivistische Didaktik im Kontext der elementaren Lernformen zu sprechen.28 Man hat den Eindruck, dass Schweitzer hier und vermutlich auch bei der elementaren Erfahrung und den ele- mentaren Zugängen konstruktivistisch denkt, nicht aber bei der elementaren Strukturund wohl auch nicht bei der ele- mentaren Wahrheit.29 Bei den letzteren möchte Schweitzer dann wohl doch eher auf die legitmierte Autorität wissen- schaftlicher Theologie zurückgreifen.

5. Der freie/unfreie Wille – eine Antwort auf Friedrich Schweitzer Im Gegensatz zu Friedrich Schweitzer bin ich der Ansicht, dass es sinnvoll und legitim ist, auch beim Theologisieren mit

Kindern im Prinzip auf die ganze Breite der theologischen Tradition zurückzu- greifen. So zeigen eben gerade Beispiele aus der Kinderphilosophie, dass be- stimmte Gespräche nur möglich sind, weil der erwachsene Gesprächspartner ei- nen philosophischen Deuterrahmen zur Verfügung hat.

Wenn Matthews30 Tochter angesichts von Katzenflöhen über die Frage nach deren Her- kunft zur Figur des infiniten Regresses kommt, dann rührt dies nicht nur von der Ge- sprächsgeduld des Vaters her, sondern auch von dessen philosophischen Wissen. Er muss dem Kind weder die Begriffe mitteilen noch die Verwandtschaft mit Gottesbeweisen bei Aristoteles und Thomas von Aquin. Doch er kann auf diese Ideen zurückgreifen und Ele- mente davon passend einfügen.

In diesem Sinn verstehe ich ein von Hart- mut Rupp und mir organisiertes Unter- richtsgespräch zum »freien und unfreien Willen«, das Friedrich Schweitzer mehr- fach kritisch als inadäquat bezeichnet hat.

Von daher scheint es sinnvoll, anhand dieses Beispiels unsere jeweiligen Ver- ständnisse von Kindertheologie zu profi- lieren.

Büttner Die Kindertheologie und die Theologie

17

27 Mirjam Zimmermann, Kindertheologie als theologische Kompetenz von Kindern, Neu- kirchen-Vluyn 2010, 161 ff.

28 Schweitzer (wie Anm. 20), 73 ff.

29 Über die Schwierigkeit mit einem »einge- schränkten Konstruktivismus« vgl. Norbert Brieden: Radikal heißt nicht beliebig. Der Konstruktivismus im Streit um die Wahrheit, in: Gerhard Büttner / Hans Mendl / Oliver Reis / Hanna Roose (Hg.), Religion lernen.

Jahrbuch für konstruktivistische Didaktik.

Band 1: Lernen mit der Bibel, Hannover 2010, 165–179.

30 Gareth B. Matthews, Die Philosophie der Kindheit, Weinheim/Berlin 1995, 7.

(17)

Friedrich Schweitzer war einst bei der Analyse von Unterrichtsstunden aufgefallen, dass das Bild von Gott als Marionettenspieler bei 11–

12-jährigen Schüler/innen auf große Reso- nanz stieß.31 In ihm konnten sie kreativ die Frage von Gottes Führung und menschlicher Autonomie zum Ausdruck bringen. Eine kleine Studie von Michael Fricke kam eben- falls zu der Frage »ob Gott der Bestimmer«

sei.32Man kann nun mit den Schüler/innen in- tensiv über diese Fragen nachdenken und es ergeben sich dabei auch bestimmte Logiken.

Vielleicht kommt man auch auf Antworten wie die eines Lehrers auf einer Fortbildung:

»Wenn es einem gut geht, möchte man selber entscheiden, in Problemsituationen wünscht man sich Gottes Führung.« Wenn einem eine solche Antwort zu unterkomplex erscheint, kann man fragen, ob dieses Thema nicht auch schon andere Menschen früher interessiert hat. An dieser Stellekommt dann meines Er- achtens die Theologie ins Spiel. Bei diesem Thema kommen nun mindestens drei große theologische Fragestellungen zum Zuge: die Frage nach der providentia dei (Vorsehungs - lehre) überlegt, in welcher Weise Gottes Ein- greifen in die Welt gedacht werden kann, die Prädestinationslehre bedenkt, wieweit die Er- lösung jedes Menschen aus Gottes freier Ent- scheidung und Gnade entspringen muss, und in der Frage des freien / unfreien Willens geht es ebenfalls darum, ob bzw. in welcher Weise gegebenenfalls ein Mitwirken des Menschen an seiner Erlösung gedacht werden kann. Dass die Theodizeethematik auch damit zusam- menhängt, sei ergänzend erwähnt. Nimmt man die von Thomas Schlag und Friedrich Schweitzer neuerdings vorgeschlagene Unter- scheidung impliziter und persönlicher Theo- logie versus expliziter und dogmatischer Theologie33 zuhilfe, dann wird man fragen können, wie die Entsprechungen zwischen den Schüleräußerungen und der theologi- schen Tradition gefunden werden können.

Natürlich kann man eine logische Struktur zu der Fragestellung entfalten, die der unterrich- tenden Lehrkraft Orientierung bieten kann.34 Es ist nun aber nahe liegend, die theologische Tradition zu allererst als eine Sammlung von Problemskizzen und deren Lösung anzuse-

hen.Von daher erscheint es mir legitim zu fra- gen, ob solche Angebote wie die beiden klei- nen Gleichnisse bei Luther und Erasmus nicht einen Gesprächsanstoß geben könnten.35 So brachte auch Luthers Idee, dass der Mensch einem Reittier gliche, das einmal vom Teufel, das andere Mal von Gott geritten würde, die Schüler/innen zu der kreativen Erkenntnis, dass »das Pferd die meiste Zeit in der Box steht«, d.h. dramatische Kämpfe, wer denn nun reiten dürfe (Gott oder Teufel), eher sel- ten seien. Diese Überlegung war nun durch- aus mit Luthers Absicht einig. Die Schüler/in- nen nahmen das Bild des Gleichnisses zum Anlass, zahlreicher Erörterungen – auch im Sinne der von Schweitzer zitierten Marionet- tenvorstellung. Außerdem bewegten sich die Schüler/innen, in der von Dorothea von Choltitz gehaltenen Stunde36in methodischer und sachlichen Nähe zu Fritz Osers Modell zur Entwicklung des religiösen Urteils. Im Gegensatz zu Friedrich Schweitzer waren wir – einschließlich der Lehrerin – mit dem Ver- lauf des Unterrichtsgesprächs sehr zufrieden.

Immerhin war es möglich, dass in einer späte- ren Praktikumsstunde auf der Basis der bei Schweitzer zitierten Unterrichtsszenen und der Dokumentation der Stunde zum freien/

unfreien Willen ein Student eine brillante Schulstunde zu der Frage moderieren konnte, Theoretische Grundlagen und empirische Einblicke

18

31 Friedrich Schweitzer, Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie, Gütersloh 1995, 12 ff.

32 Michael Fricke, »Wenn Gott der Bestimmer wäre …« – Eine Schülerinnengruppe spricht über die biblische Schöpfungserzählung, in:

JaBuKi 2 (2003), 46–53.

33 Schlag/Schweitzer (wie Anm. 2), 179.

34 Gerhard Büttner, Strukturen theologischer Ar- gumentation – Versuch einer Kartographie der Kindertheologie, in: JaBuKi 5 (2006), 56–68.

35 Gerhard Büttner / Jörg Thierfelder, Mit theo- logischen »Klassikern« theologisieren, in:

G. Büttner / H. Rupp, Theologisieren mit Kindern, Stuttgart u.a. 2002, 53–69.

36 Dorothea von Choltitz, Kommentar zu mei- nem Unterricht über den freien bzw. unfreien Willen, in: Büttner/Rupp, Theologisieren mit Kindern (wie Anm. 35), 71–78.

(18)

ob Gott den zu uns wie ein Marionettenspie- ler handle.37Damit lässt sich zeigen, dass die Sammlung der hier zitierten Beispiele einen Fundus an Wissen generiert hat, der für künf- tige Unterrichtsstunden zur Verfügung steht.

Die hier sichtbar gewordenen Muster sind dann auch hilfreich für die oben genannten anderen Themen wie Theodizee oder Gottes Vorsehung.38

Es geht hier und auch bei anderen von Schweitzer monierten Beispielen nicht darum zu zeigen, was (intellektuell privi- legierte) Kinder schon mit avancierter theologischer Begrifflichkeit anfangen können. Doch wie sollen Lehrer/innen reagieren, wenn Fragen zur Trinität oder zum Heiligen Geist auftauchen? Am Bei- spiel des Themas »Heiliger Geist« lässt sich zeigen, in welchem Vorstellungs- raum Kinder das Thema konzeptualisie- ren.39 Davon sind zahlreiche Gedanken theologisch höchst anschlussfähig an das, was neueste theologische Studien dazu schreiben. Damit ist nun nicht gedacht, dass das Thema Heiliger Geist ein be - vorzugtes Thema im RU der Grund- schule werden müsste. Doch gerade wenn wir offene Gespräche initiieren wollen, dann ist es für Lehrer/innen wichtig und hilfreich, wenn sie den erwartbaren Ant - worthorizont kennen. Wie so etwas funk - tionieren kann, zeigt Petra Freu den - berger-Lötz.40 In der Frage, wer denn nun mit dem »Guten Hirten« gemeint sei, Gott oder Jesus, sieht sie die Grund- frage der Christologie – die nach den bei- den »Naturen« Jesu Christi. Damit weiß sie sich verwiesen auf die Chalzedon- Formel bzw. deren Diskussion auf dem entsprechenden Konzil. Nun hat man als Leser der entsprechenden Unterrichts - dokumentation in der Tat den Eindruck, dass die Kenntnis dieser theologischen Denkfigur die didaktische Strukturierung

des weiteren Unterrichts entscheidend bereichert hat. Es ging Petra Freuden- berger-Lötz hier nicht um eine gewalt- same Referenz auf einen dogmenge- schichtlichen Topos, sondern um die Übernahme einer leistungsfähigen theo- logischen Strukturierung in den didak - tischen Kontext der theologischen Ge - spräche.

6. Mein Zuordnungsvorschlag

Erwachsene – seien es Eltern, Erzieherin- nen, Lehrer und Pfarrerinnen – singen und beten mit Kindern, sie erzählen ihnen biblische Geschichten und manchmal füh- ren sie auch Gespräche über diese Inhalte.

Manchmal tun Kinder auch all das, wenn sie unter sich sind. Wir sehen also, dass die theologischen Gespräche in der Regel ein- gebettet sind in performative und instruk- tive Handlungen. Nach Schweitzers De - finition wird man die hier beschriebenen Gespräche dann als »Theo logie« be- schreiben können, wenn sie bestimmt sind durch reflexive und argumentative Sprach formen. Dabei sind die kindlichen

Büttner Die Kindertheologie und die Theologie

19

37 Büttner, Gerhard, Landkarten des Denkens.

Argumentationsstrukturen beim Nachdenken über das Verhältnis von göttlicher Führung und menschlicher Autonomie. Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 23. Jg.

(2003), 74–81.

38 Vgl. dazu das Themenheft des »entwurf«

1/2012.

39 Grundlegend dazu Julia Gerth, Der heilige Geist – Das ist mehr so ein Engel, der hilft Gott, Göttingen 2011.

40 Freudenberger-Lötz (wie Anm. 5), 188 ff.

41 Hans Bernhard Petermann, Wie können Kin- der Theologen sein?, in: Büttner/Rupp (wie Anm. 35), 95–127, 103 im Rekurs auf Aristo- teles.

(19)

Beiträge häufig von Staunen41und Origi- nalität42 bestimmt, wovon auch die er- wachsenen Gesprächspartnerinnen profi- tieren können. Mit Winfried Härle sehe ich hier eine Form der Laientheologie.

Mit der neueren Entwicklungspsycholo- gie möchte ich dabei – unter teilweiser Zurückstellung des Lebensalters – die Unterscheidung zwischen Novizen und Experten als relevante Größe einführen.

Besonders gegen Ende der Grundschul- zeit verfügen manche Kinder über ein er- staunliches Wissen z.B. über bib lische Geschichten und können mit diesen durchaus kompetenter umgehen als etwa Erwachsene ohne dieses Wissen. Damit ist auch klar, dass das Theologisieren mit Kindern, sofern es systematisch betrieben wird, zu einem Zuwachs an Wissen und Argumentationsfähigkeit führen soll.43

Welche Rolle fällt in diesem Zusam- menhang der »großen Theologie« zu?

Ich sehe in der Fülle der theologischen Ideen zu aller erst einen Schatz an Deu- tungen. Theologische Denkfiguren und Dogmen sind ja nicht als l’art pour l’art entstanden, sondern weil sie schwierige Fragen lösen wollten. Wie kann Jesus Mensch und Gott sein? Woher kommt das Böse? Kann man Gottes Allmacht mit seiner Liebe zusammen denken? Warum soll man Gutes tun, wenn Gott das böse Tun vergibt? Die Chance besteht nun da- rin, dass wir bei unserem Nachdenken hier auf Antwortversuche stoßen, die die Theologen und die Kirche bewegt haben.

Dabei sind auch die »häretischen« Ant- wortversuche interessant und wichtig – man wird eine »arianische« Christologie heute als einen Diskussionsbeitrag würdi- gen, ohne gleich an ein »Anathema!« zu denken. Rudolf Englert spricht hier von einem »nicht-traditionellen Umgang mit Tradition«.44 Und er folgert: »In gewis-

ser Weise könnte man die Frage nach dem Zueinander von überkommener,

›objektiver‹ und individueller, ›subjek - tiver‹ Religion geradezu die Initiations- problematik eigenständiger religions - pädagogischer Reflexion nennen.«45 Die theologische Tradition und auch die aka- demische Theologie bilden somit einen Rahmen innerhalb dessen das Theolo - gisieren mit Kindern sich bewegt. Auf der anderen Seite begegnet uns diese Theo- logie als ein Problemlösungsansatz, der prinzipiell an denselben Themen arbeitet wie das Gespräch der Kinder und Laien.

Nicht weiter thematisiert wird hier die Erkenntnis, dass sich alle diese Über - legungen innerhalb einer Semantik, i.d.

Falle der christlichen, abspielen. Ob es sinnvoll und möglich ist, die Grenze die- ser Semantik zu überschreiten, müsste im Detail diskutiert werden. Es ist Teil dieser Semantik, die hier angesprochenen theo- logischen Themen im Sinne von Foers- ters als »nicht entscheidbar« anzusehen, die deshalb – aber immer wieder neu –

Theoretische Grundlagen und empirische Einblicke

20

42 Markus Schiefer Ferrari, Auf der Suche nach der verlorenen Naivität. Erwachsene be - gegnen Kindern als Exegeten, in: Thomas Schmeller (Hg.), Neutestamentliche Exegese im 21. Jahrhundert. Grenzüberschreitungen (FS Joachim Gnilka), Freiburg im Breisgau 2008, 278–295.

43 Durchaus im Sinne von Fritz Oser, Wieviel Religion braucht der Mensch? Gütersloh

²1990.

44 Rudolf Englert, Religionspädagogische Grund - fragen, Stuttgart ²2008, 91.

45 Englert, ebd., 81. Vgl. Auch Gerhard Büttner, The Role of Tradition in Theologizing with Children, in: Iversen (wie Anm. 18), 185–195.

46 Von daher hatte sich Ernstpeter Maurer, Theologisieren mit Kindern – eine christliche Spezialität? In: JaBuKi 5 /2006), 26–37 eher skeptisch gegenüber einer jüdischen oder muslimischen Kindertheologie geäußert.

Diese Skepsis teilt I.H. Yavuzcan, Kinder- theologie als altersgerechtes Lernen? Ein-

(20)

entschieden werden müssen.46 In dieser Perspektive besteht dann keine nennens- werte Hierarchie der Antworten. Der Gedanke, dass die verschiedenen Ant- wortversuche der Tradition, der akademi- schen Theologie und die der Kinder im Prinzip »auf demselben Spielfeld spie- len«, hat nun unmittelbare didaktische Auswirkungen. Das Theologisieren mit Kindern ermöglicht es, Interpretamente von Kindern z.B. in einer Kreismitte zu- sammen mit solchen der theologischen Tradition zusammenzuführen. Mit der Klärung von Zusammengehörigkeiten und Differenzen finden zwei wichtige Lernfortschritte statt: Die Kinder erken- nen den argumentativen Ort der eigenen Deutung und sie gewinnen Anschluss an die geprägte Semantik der Theologie.

Die Schwierigkeit liegt in der Fähigkeit der erwachsenen Gesprächspartner/in- nen, solche Arrangements zu ermög - lichen. Diese zeigen sich explizit bei der Ausbildung von Religionslehrer/innen.

Im Sinne der theologischen Kompetenz geht es um Wissen und Argumenta tions- bzw. i.d. Fall um Coachingfähigkeit. Da- bei zeigt es sich, dass das im Studium an- geeignete theologische Wissen von den angehenden Lehrer/innen nur sehr schwer auf reale Unterrichtskommunika- tionen bezogen werden kann.47 Umso mehr bedarf es der Erhellung darüber, in welcher Weise theologische Themen in der Kommunikation mit Kindern über-

haupt auftauchen und mit welchen Ein- fällen und Bildern sie bei letzteren kon- notiert werden. Hier bieten die zahl - reichen größeren und kleineren Fallge- schichten zum Theologisieren auch dann eine wichtige Anregung, wenn diese nicht allen Standards sozialwissenschaftlicher Forschung entsprechen. Wenn, wie ich anfangs formuliert habe, Kindertheologie primär ein Programm und eine Praktik ist, dann geht es zukünftig auch um die Erhellung der Mechanismen, die dort wirksam sind. Dabei wird die theolo - gische Qualität der Argumentation ge- wiss keine geringe Rolle spielen.

Büttner Die Kindertheologie und die Theologie

21

führende Gedanken im Kontext des islami- schen Religionsunterrichtes, in: B. Ucar / D. Bergmann (Hg.), Islamischer Religions - unterricht in Deutschland. Fachdidaktische Konzep tionen, Erwartungen und Ziele, Göt - tin gen/Osna brück 2010, 223–232. Ein jüdi- scher Beitrag, der eher in Richtung Kinder- theologie geht Solomon Schimmel, Some Educational Uses of Classical Jewish Texts in Exploring Emotion, Conflict, and Character, in: Religious Education 92 (1997), H. 1, 24–37.

47 Caroline Kondring / Oliver Reis, »An der Uni lernst du nichts!« – Eine Lernumgebung zum Konzeptwechsel in der Lehrerbildung, in:

Gerhard Büttner / Hans Mendl / Oliver Reis / Hanna Roose (Hg.), Religion lernen. Jahr- buch für konstruktivistische Didaktik, Band 3:

Lernumgebungen, Hannover 2012 i.E.

(21)

Kindbilder

Inwieweit schon Kinder im Vorschulalter als »intuitive Theoretiker« oder »intui- tive Wissenschaftler« ihrer Welt anzuse- hen sind, ist eine Fragestellung der früh- pädagogischen Anthropologie. Diese sucht auszuloten, inwiefern der Mensch bereits in seinem frühen Kindheitssta- dium ein bildungsbedürftiges und bildsa- mes Wesen ist. Eine von vielen mögli- chen Antworten darauf wird generiert, indem einschlägige wissenschaftliche Be- funde zu einem »Kindbild« rekonstruiert werden. Letzteres bezeichnet einen

»Komplex theoretischer Vorstellungen«

bzw. eine »Einheit des Wissens« über

»Erscheinungen, Bedingungen, Ursa- chen und Ziele« der Entwicklung des Kindes.1 Es hat die Form und Funktion eines Leitbildes, vermag also frühpädago- gisches Handeln zu orientieren. Wobei es in mehrfacher Hinsicht Bezugspunkte bietet. So kann es ebenso als Orientie- rungspunkt für die Gestaltung der früh- pädagogischen Bildung dienen, wie als Richtgröße für die Professionalisierung des frühpädagogischen Per so nals.2 Inso- fern ist entscheidend, an welchem Kind- bild Frühpädagog/innen ihr Handeln ge- rade ausrichten.

Über die Jahrhunderte hinweg hat es viele unterschiedliche Kindbilder gege- ben. Ältere Versionen wurzeln in philoso- phischen Vorstellungen, welche die Dop- pelnatur des Menschen betonen, indem

sie ihn gleichermaßen als Körper- wie als Geistwesen reflektieren. So schreibt z.B.

Fröbel: »›Kind‹! Schon das Wort ›Kind‹

erregt den Menschen erhebend und macht ihn froh, wie der Anblick eines

›gesunden Kindes‹ ihn mit Freude und Wonne erfüllt und der Gedanke eines

›reinen Kindes‹ das Gemüt mit den schönsten Hoffnungen schwellt. Es ist dies das Gefühl der Wiedererscheinung eines Menschen in reiner Kindheit; es ist dies die Hoffnung der Wiederkehr eines neuen Frühlings der Menschheit […]; es ist dies die Ahnung einer neuen Gottes - offenbarung im Kinde und durch das Kind […] Es ist also die Verkündigung eines dreifachen und doch einigen Le- bens in dem Kinde: die Wiedererschei- nung eines einzelnen Menschenlebens, die Erscheinung der Mensch heit im Menschen und die Erscheinung des Gött- lichen in der Menschheit, wodurch das Kind in Wort, Gedanke, Anblick so er - regend und erhebend auf den gemütvol- len und unverdorbenen Menschen wirkt […] Wie nun aber Gott der Schöpfer und Vater der Menschen, das Leben und die

22

Lilian Fried

Junge Kinder als »intuitive Theoretiker ihrer gesamten Welt«? – Forschungsergebnisse zu Wissenslandkarten bei jungen Kindern

1 H. Ullrich, Das Kind als schöpferischer Ur- sprung. Studien zur Genese des romantischen Kindbildes und zu seiner Wirkung auf das pädagogische Denken, Bad Heilbrunn 1999, 9.

2 Vgl. S. Oehlmann, Kindbilder von pädago - gischen Fachkräften. Eine Studie zu den Kindbildern von Lehrkräften und Erzieherin- nen, Weinheim 2012, 56.

(22)

Quelle alles Lebens ist; wie darum in der Schöpfung Gottes, deren Glied der Mensch und das Kind als Geschöpf ist, al- les nur Leben zeigt, […] sich nur im Le- ben als Leben kund tun, so ist auch des Kindes gleich erste Äußerung seines Da- seins nur Wirken, Leben, Tätigkeit.«3 Dieses romantische Bild »mit der Auffas- sung des Kindes als eines noch unschuldi- gen, in sich noch vollkommenen Natur- wesens und als eines phantasiebegabten, schöpferischen Wesens, das noch in ur- sprünglicher Einheit mit sich, mit der Natur und mit Gott lebt …«4, mündet in der Forderung, die Bildung von Körper und Geist des jungen Kindes solle »bei weitem mehr leidend, nachgehend, als bestimmend, vorschreibend sein«5.

Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wird dieser umfassende Kindbegriff abgelöst durch die Vorstel- lung vom Kind als autonomes, aktiv seine Welt eroberndes Wesen. Montessori drückt dies so aus: »Das Kind trägt nicht die verkleinerten Merkmale des Erwach- senen in sich, sondern in ihm wächst sein eigenes Leben, das seinen Sinn in sich selber hat […] das Kind allein ist der Bild- ner seiner Persönlichkeit. Schöpferischer Wille drängt es zur Entwicklung. Noch ist im kleinsten Kind die Zeichnung des Charakters nicht sichtbar, aber in ihm ruht, wie in der Zelle, die ganze Persön- lichkeit […] Es ist wahr, dass das Kind in seiner frühen Lebensepisode gleich wei- chem Wachs ist, aber dieses Wachs kann nur von der sich entfaltenden Persönlich- keit selber geformt werden.«6 Gemäß diesem modernen Bild ist das Kind in der Lage, sich selbst zu entwerfen und zu konstruieren. Allerdings ist dieser Vor- gang eingebunden in soziale Kontexte, welche dem Kind Muster anbieten, an de- nen es seine Aufbauarbeit orientiert und

so gesellschaft liche Einflüsse zu integrie- ren vermag. Insofern findet die Entwick- lung des Kindes im Spannungsfeld von Selbstkonstruktion und sozialer Kon- struktion bzw. Ko- Konstruktion statt7. Demzufolge sollen dem jungen Kind Bil- dungsräume eröffnet werden, in denen es seinen Selbstaufbau – gestützt durch vor- bereitete Kontexte – ungestört vollziehen kann.

In jüngerer Zeit ist das moderne Kindbild – ausgelöst durch aktuelle Er- kenntnisse der kognitiven Entwicklungs- psychologie – weiterentwickelt worden.

Nun wird das Kind nicht mehr nur als ak- tiver Konstrukteur seiner selbst ange - sehen, sondern darüber hinaus in den Status eines »intuitiven Theoretikers«

bzw. »intuitiven Wissenschaftlers« seiner äußeren und inneren Welt erhoben. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass die Ent- wicklung junger Kinder weniger davon abhängt, wie »intelligent« sie sind, als da- von, über welches Vor-Wissen sie verfü- gen.8Wobei sich dieses in klar voneinan- der abgegrenzten inhaltlichen Bereichen oder Domänen entwickelt, sich also in einem domänenspezifischen Wissens - profil ausprägt. Dieses umfasst in sich geschlossene, inhaltlich definierte Über- zeugungssysteme – auch als »naive Theo-

Fried Junge Kinder als »intuitive Theoretiker ihrer gesamten Welt«?

23

3 Zitiert nach E. Blochmann (Hg.), Fröbels Theorie des Spiels I. Weinheim 1962, 18 f.

4 Ullrich (wie Anm. 1), 191.

5 Fröbel nach Blochmann (wie Anm. 3), 23.

6 M. Montessori, Grundlagen meiner Pädago- gik, Heidelberg 61986, 14 f.

7 Oehlmann (wie Anm. 2), 56.

8 Vgl. L. Fried, Wissen als wesentliche Konsti- tuente der Lerndisposition junger Kinder.

Theorie, Empirie und pädagogische Schluss- folgerungen. Expertise im Auftrag des Deut- schen Jugendinstituts, München 2005 (dji.de/

bibs/320_5488_Fried.pdf; heruntergeladen am 31.03.2012).

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