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Magnetooptische Untersuchungen der Flussdynamik in YBa2Cu3O7−δ-Filmen auf ultrakurzen Zeitskalen

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Academic year: 2022

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Magnetooptische Untersuchungen der Flussdynamik

in YBa 2 Cu 3 O 7−δ -Filmen auf ultrakurzen Zeitskalen

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) an der Universit¨ at Konstanz, Fachbereich Physik

vorgelegt von Uwe Bolz

Konstanz, den 8. Februar 2002

(2)

dissertation.de - Verlag im Internet GmbH Sonderausgabe des Werkes mit der ISBN /

Special edition of the book with the ISBN: 3-89825-477-1

Dissertation der Universität Konstanz

Datum der mündlichen Prüfung: 23.April 2002 Referenten: Prof. Dr. P. Leiderer

Priv.-Doz. Dr. Ch. Niedermayer

dissertation.de - Verlag im Internet GmbH Pestalozzistr. 9

10 625 Berlin

URL: http://www.dissertation.de

(3)

I am never content

until I have constructed a mechanical model of the subject I am studying;

If I succeed in making one, I understand;

otherwise I do not.

Lord Kelvin

(4)
(5)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Grundlagen 3

2.1. Supraleitung . . . 3

2.2. Supraleiter im homogenen Magnetfeld . . . 5

2.3. D¨unne supraleitende Schichten im senkrechten Magnetfeld . . . 8

2.4. Vortexdynamik . . . 12

2.5. Magnetische F lusslawinen . . . 16

2.6. Absch¨atzung der Temperaturerh¨ohung nach der Bestrahlung eines YBCO- F ilmes mit einem Laserpuls . . . 18

3. Magnetooptik an Supraleitern 21 3.1. Der F araday-Effekt . . . 21

3.2. Die magnetooptische Abbildungsmethode . . . 23

3.3. Magnetooptische Untersuchungen mit verschiedenen Indikatormaterialien . 24 3.4. Vergleich mit anderen ortsaufgel¨osten Abbildungsverfahren . . . 27

4. Experimentelle Grundlagen 29 4.1. Experimenteller Aufbau . . . 29

4.1.1. Der optische Kryostat mit Magnet . . . 30

4.1.2. Der optische Aufbau . . . 31

4.2. Probenpr¨aparation und Charakterisierung . . . 34

4.3. Experimentelle Vorgehensweise . . . 36

4.4. Quantitative Bestimmung der magnetischen F lussdichte . . . 37

5. Spindynamik in ferrimagnetischen Eisengranaten 41 5.1. Experimentelle Untersuchung der verwendeten Eisengranatschicht . . . 41

5.1.1. Supraleiter als schneller Magnetfeldschalter . . . 41

5.1.2. Datenaufnahme . . . 44

5.1.3. Auswertung der magnetooptischen Aufnahmen . . . 44

5.2. Theoretische Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse . . . 48

6. Magnetische Flussdynamik mit homogener Flussfront 53 6.1. Anlegen eines Magnetfeldes auf der Nanosekunden-Zeitskala . . . 54

6.2. Zeitaufgel¨oste Untersuchungen . . . 57

6.3. Ausbreitung der F lussfront . . . 60

6.3.1. Einfluss des Magnetfeldes . . . 63

6.3.2. Einfluss der Temperatur . . . 63

(6)

6.3.3. Einfluss der kritischen Stromdichte . . . 65

6.3.4. Einfluss der Probendicke . . . 66

6.4. Universelles Verhalten . . . 67

6.5. Modellvorstellung zum zeitlichen Ablauf des F lusseindringens . . . 69

7. Dendritenartige Flusslawinen 71 7.1. Stand der F orschung . . . 71

7.2. Ausl¨osen von F lusslawinen . . . 74

7.2.1. Punktfokus . . . 74

7.2.2. Linienfokus . . . 78

7.2.3. Globale Erw¨armung . . . 80

7.3. Eigenschaften der Endzust¨ande . . . 82

7.3.1. Einfluss der ¨außeren Parameter auf die F lusslawinen . . . 82

7.3.2. Magnetische F lussverteilung in den einzelnen Dendriten . . . 88

7.4. Zeitaufgel¨oste Untersuchung der F lusslawinen . . . 89

7.4.1. Bestimmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flusskan¨ale . . . 90

7.4.2. Einfluss der ¨außeren Parameter auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit 93 7.4.3. Magnetische F lussverteilung . . . 96

7.5. Lebensdauer einer F lusslawine . . . 98

7.6. Phasendiagramm . . . 100

7.7. Modell zur Entstehung von F lusslawinen . . . 104

8. Zusammenfassung 107

A. Komponenten der Messapparatur 111

B. Funktionsweise des Ti:Saphir-Lasersystems 113

C. Eigenschaften der untersuchten Proben 115

Literaturverzeichnis 117

(7)

1. Einleitung

Ein wichtiger Trend der heutigen technologischen Entwicklung ist die Miniatisierung von Bauteilen bei gleichzeitig schnellerer und effizienter Umsetzung der Funktionen. Eine wei- tere M¨oglichkeit besteht darin, eine technologische Alternative zur herk¨ommlichen Tech- nologie zu finden, die wirtschaftlicher ist. Im Bereich der passiven HF-Bauteile f¨ur den Mobilfunk und die Satellitenkommunikation oder der Strombegrenzer f¨ur den Starkstrom- bereich l¨asst sich dies z. B. durch den Einsatz von Supraleitern verwirklichen.

Schon damals, nach der Entdeckung der widerstandslosen Leitung des elektrischen Stroms in Quecksilber durch Kammerlingh-Onnes [Kam11], erkannten Physiker technische An- wendungsm¨oglichkeiten der Supraleitung, vor allem zur Erzeugung von hohen Magnetfel- dern. Jedoch wurde ein dar¨uber hinausgehender wirtschaftlicher Einsatz der Supraleiter aufgrund der erforderlichen niedrigen kritischen Temperaturen, unterhalb der die derzeit bekannten metallischen Elemente, Verbindungen und Legierungen in den supraleitenden Zustand ¨ubergehen, sehr erschwert. Trotz intensiver Materialforschung schien es lange Zeit unm¨oglich, Supraleiter zu finden, die eine kritische Temperatur besitzen, die oberhalb der Ubergangstemperatur von 23,2 K liegt, die bei Nb¨ 3Ge gefunden wurde [Tes74].

Es war eine ¨Uberraschung, als Bednorz und M¨uller im Jahre 1986 eine sensationelle Ent- deckung machten. Sie konnten zum ersten Mal einen Abfall des Widerstandes knapp un- terhalb von 30 K und schließlich den supraleitenden Zustand bei 10 K in dem System BaLa2CuO4 nachweisen [Bed86]. Es war der erste Hinweis, dass es Materialien mit einer deutlich h¨oheren ¨Ubergangstemperatur gibt. Diese Entdeckung l¨oste einen regelrechten Forschungsboom in der Supraleiterforschung aus, der bis heute anh¨alt. Dadurch befl¨ugelt, folgten bald weitere Erfolge im Streben die, ¨Ubergangstemperatur deutlich zu erh¨ohen.

Der erste supraleitende Zustand oberhalb des Siedepunktes von fl¨ussigem Stickstoff wurde 1987 von Wu et al. in YBa2Cu3O7−δ (YBCO) entdeckt, mit einer ¨Ubergangstemperatur von 92 K [Wu87]. Danach wurden noch andere keramische Verbindungen mit einer h¨oheren Ubergangstemperatur entdeckt. Die Spitzenreiter sind derzeit Quecksilber-Verbindungen¨ mit einer kritischen Temperatur von bis zu 155 K unter einem Druck von ¨uber 10 GPa [Chu93, Iha93]. Aufgrund der unkomplizierten Eigenschaften von YBCO wird in diesem Materialsystem aber nach wie vor das gr¨oßtm¨ogliche Anwendungspotenzial gesehen, so dass YBCO bis heute Gegenstand intensiver Forschung geblieben ist.

Neben der hohen ¨Ubergangstemperatur m¨ussen keramische Hochtemperatursupraleiter (HTSL) vor allem das Kriterium erf¨ullen, eine hohe kritische Stromdichte im Bereich von mehreren MA/cm2 verlustfrei tragen zu k¨onnen, um technisch anwendbar zu sein. Auf- grund enormer Fortschritte bei den Herstellungtechniken [Fol91, Kin97] von epitaktisch aufgewachsenen d¨unnen Schichten auf einem Tr¨agermaterial erf¨ullt diese Materialform am besten die von der Industrie verlangte Eigenschaft einer m¨oglichst hohen kritischen

(8)

2 1. Einleitung Stromdichte. Daher werden HTSL-Schichten f¨ur die Realisierung von supraleitenden HF- Bauteilen und Strombegrenzern verwendet. Um bei HF-Bauteilen eine m¨oglichst hohe G¨ute zu erzielen, sollte sich der durch Mikrowellenfelder erzeugte magnetische Fluss im Supra- leiter m¨oglichst gar nicht oder aber nur sehr langsam bewegen. Bei Strombegrenzern sollte hingegen oberhalb der kritischen Stromdichte der durch den Transportstrom induzierte magnetische Fluss m¨oglichst schnell in den Supraleiter eindringen, um in k¨urzester Zeit m¨oglichst viel Energie zu dissipieren, damit der Supraleiter in den Normalzustand ¨uber- geht und den Strom begrenzt. Bislang gibt es jedoch keine Untersuchungen dar¨uber, wie die Flussdynamik in YBCO-Filmen auf ultrakurzer Zeitskala aussieht. Mit dieser Arbeit soll daher ein Beitrag zur Untersuchung der dynamischen Eigenschaften von eindringendem magnetischem Fluss in YBCO-Filmen auf der Nanosekunden-Zeitskala geliefert werden. Es zeigt sich, dass abh¨angig von den ¨außeren Bedingungen in diesem Zeitbereich eine Fluss- dynamik sowohl im nieder dissipativen flux creep-Regime stattfindet, als auch in Form von dendritenartigen Flusslawinen. Die Ausbreitung der Flusslawinen kann sogar dazu f¨uhren, dass der YBCO-Film aufgrund der dissipierten Energie besch¨adigt wird.

Die magnetische Flussdynamik in YBCO-Filmen wird mit Hilfe der magnetooptischen Me- thode untersucht. Diese basiert auf dem magnetooptischen Faraday-Effekt in einer oberhalb des Supraleiters befindlichen Indikatorschicht. Mit dieser Methode l¨asst sich die magneti- sche Flussverteilung sowohl orts- als auch zeitaufgel¨ost bestimmen. Die Zeitaufl¨osung im Nanosekunden-Bereich wird durch die Verwendung einer geeigneten Pump-Probe-Technik realisiert, wobei die Dynamik der verwendeten Indikatorschicht die zeitliche Aufl¨osung be- grenzt.

(9)

2. Grundlagen

2.1. Supraleitung

Ein Supraleiter ist durch das Auftreten zweier charakteristischer Eigenschaften unterhalb einer kritischen Temperatur Tc gekennzeichnet. Zum einen durch das Verschwinden des elektrischen Widerstandes, das zum ersten Mal von Heike Kammerlingh-Onnes in Queck- silber beobachtet wurde [Kam11], und zum anderen durch die F¨ahigkeit ein Magnetfeld vollst¨andig aus seinem Inneren zu verdr¨angen. Das Material zeigt somit das Verhalten ei- nes idealen Diamagneten. Diese F¨ahigkeit bezeichnet man als Meissner-Ochsenfeld-Effekt [Mei33]. Aufgrund dieses Verhaltens ist eine thermodynamische Behandlung des supralei- tenden Zustandes gerechtfertigt, da ein thermodynamischer Zustand nicht durch die ideale Leitf¨ahigkeit beschrieben wird, sondern durch seine ¨außeren Variablen T,p und H. Durch Erweiterung der Maxwell-Gleichungen1 um zwei ph¨anomenologische Materialglei- chungen konnten diese beiden makroskopischen Effekte 1935 von den Br¨udern Fritz Wolf- gang London und Heinz London erkl¨art werden [Lon35]. Die 1. Londonsche Gleichung beschreibt die ideale Leitf¨ahigkeit des Supraleiters:

∂t

Λj

=E (2.1)

wobei Λ = m/(nsq2) eine materialspezifische Kenngr¨oße ist, in die die Eigenschaften der supraleitenden Ladungstr¨ager eingehen (m: effektive Masse,ns: Ladungstr¨agerdichte, q: Ladung der supraleitenden Ladungstr¨ager). Die 2. Londonsche Gleichung,

rot

Λj

=−B (2.2)

ber¨ucksichtigt den idealen Diamagnetismus. Ein ¨außeres Magnetfeld induziert in der Ober- fl¨ache des Supraleiters einen Abschirmstrom j, der das Innere des Supraleiters feldfrei h¨alt. Die ¨Anderung der magnetischen Flussdichte wird durch die Londonsche Eindringtiefe λL=

Λ0 beschrieben. Die Londonsche Eindringtiefe ist eine der beiden charakteristi- schen L¨angenskalen zur Beschreibung eines Supraleiters.

Aus der Kombination der beiden London-Gleichungen (Gl. 2.1 und Gl. 2.2) erh¨alt man das Fluxoid, das die Flussquantisierung zum Vorschein bringt:

C

j·dl+

S

B ·ds=nΦ0 n= 0,1,2, ... (2.3)

1Zur Beschreibung und Erkl¨arung der Ph¨anomene und Eigenschaften von Supraleitern m¨ussen die Maxwell-Gleichungen zu jeder Zeit uneingeschr¨ankt erf¨ullt sein.

(10)

4 2. Grundlagen Hierbei istCein geschlossener Pfad um eine Fl¨acheSsenkrecht zum Magnetfeld im Supra- leiter, die einen nicht supraleitenden Bereich beinhaltet. Die linke Seite wird als Fluxoid bezeichnet. Dieses Fluxoid kann nur den Wert eines ganzzahligen Vielfachen eines Fluss- quants Φ0 = 2he = 2,07·10−15Tm2 annehmen. WennC groß genug ist, darf der erste Term des Fluxoids vernachl¨assigt werden und der magnetische FlussB ist quantisiert. Dies wur- de 1961 von Doll und N¨abauer [Dol61] und von Deaver und Fairbank [Dea61] experimentell best¨atigt.

Der ¨Ubergang Normalleiter-Supraleiter ist nach der Ehrenfestschen Klassifizierung ein Phasen¨ubergang 2. Ordnung, da erst in den zweiten Ableitungen der thermodynami- schen Potenziale eine Unstetigkeit auftritt. Basierend darauf entwickelten Ginsburg und Landau 1950 eine thermodynamische Theorie zur Erkl¨arung der Supraleitung [Gin50]. In der Ginsburg-Landau-Theorie wird ein Ordnungsparameter Ψ eingef¨uhrt, der im normal- leitenden Zustand verschwindet. Damit l¨asst sich in der N¨ahe des Phasen¨ubergangs die Differenz der magnetischen Beitr¨age zur freien Enthalpie im supraleitenden gs und im normalleitenden Zustand gn aus Stetigkeitsgr¨unden durch eine Taylor-Entwicklung nach Ψ darstellen. Diese setzt sich aus den Beitr¨agen der magnetischen Feldenergie, der kinetischen Energie der supraleitenden Ladungstr¨ager des Suprastromes und der Kondensationsenergie zusammen. Das Betragsquadrat des Ordnungsparameters entspricht der supraleitenden La- dungstr¨agerdichte |Ψ|2 = ns. Im Gegensatz zur Londonschen Theorie kann die Ladungs- tr¨agerdichte ¨uber eine L¨angenskala von ξ, der Koh¨arenzl¨ange, variieren.

Die Koh¨arenzl¨ange ξ ist neben der Londonschen Eindringtiefe λL die andere charkteristi- sche L¨angenskala zur Beschreibung der Supraleitung. Das Verh¨altnis dieser beiden L¨angen κ = λL/ξ ist der Ginsburg-Landau-Parameter eines Supraleiters. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Ginsburg-Landau-Theorie war die Vorhersage der Existenz der Supraleiter 2. Art. Dies sind Supraleiter mit einem Ginsburg-Landau-Parameter κ > 1/√

2. Im Ge- gensatz zu Supraleiter 1. Art besitzen Supraleiter 2. Art zwei kritische Magnetfelder. Bis zum ersten kritischen Feld Hc1 verh¨alt sich der Supraleiter 2. Art ebenfalls wie ein idealer Diamagnet. Oberhalb von Hc1 ¨andert sich dieses Verhalten drastisch. Es ist energetisch g¨unstiger, wenn sich im Inneren des Supraleiters normalleitende Bereiche ausbilden, in denen magnetischer Fluss konzentriert ist. Um die Gesamtoberfl¨ache dieser Bereiche, der sogenannten Flussschl¨auche, zu maximieren, muss der magnetische Fluss in einem einzel- nen Flussschlauch minimiert werden. Dies wird durch das quantenmechanische Limit in Form eines Flussquants Φ0 erreicht.

Bardeen, Cooper und Schrieffer entwickelten 1957 eine mikroskopische Theorie der Supra- leitung (BCS-Theorie) [Bar57]. Beim ¨Ubergang in den supraleitenden Zustand kondensie- ren Elektronen mit entgegengesetztem Spin paarweise zu Cooper-Paaren. Der Grund f¨ur die Kondensation ist eine attraktive Wechselwirkung der Elektronen bedingt durch eine dynamische Verzerrung des Ionengitters. F¨ur T = 0 K befinden sich alle Elektronen im Supraleiter in einem solchen Zustand. Die bosonischen Cooper-Paare befinden sich alle im Grundzustand und besitzen eine Bindungsenergie mit der Energiel¨ucke 2∆. Dieser makro- skopische Zustand wird quantenmechanisch durch die Wellenfunktion Ψ beschrieben. Das Aufreten einer Phasenkoh¨arenz aller Cooper-Paare ist f¨ur den verlustfreien Stromtrans- port verantwortlich. Dadurch ist eine Streuung einzelner Cooper-Paare an dem Gitter

(11)

2.2. Supraleiter im homogenen Magnetfeld 5

Bc

B

T

normalleitender Zustand

Tc

supraleitender Zustand

a)

B

T

Shubnikov-Phase

ZFC (B ,T )0 0 FC

Meissner- Phase

Bc2

Bc1

normalleitender Zustand

Tc

b)

Abbildung 2.1.:Schematische Darstellung des Phasendiagramms a) eines Supraleiters 1. Art und b)eines Supraleiters 2. Art.

nicht mehr m¨oglich. F¨ugt man einem Cooper-Paar mindestens die Energie der Energie- l¨ucke zu, so wird es aufgebrochen und die Phasenkoh¨arenz des Kondensats zerst¨ort. Es existiert somit kein angeregter Zustand. Aus der Paarbrechungsenergie ∆ pro Elektron kann eine obere kritische Stromdichte jc0 = 2e ns

2∆/m f¨ur den Suprastrom berechnet werden. Mit Hilfe der Ginsburg-Landau-Theorie l¨asst sich die Beziehung zujc0 = Φ0

3 2πµ0ξλ2

umformen. F¨ur das in dieser Arbeit untersuchte Materialsystem YBCO erh¨alt man eine Paarbrechungsstromdichte vonjc0 3,2·108A/cm2 in der ab-Ebene der Kristallstruktur.

2.2. Supraleiter im homogenen Magnetfeld

Das Verhalten eines Supraleiters im homogenen ¨außeren Magnetfeld ist, wie im vorheri- gen Kapitel 2.1 beschrieben, vom Ginsburg-Landau-Parameterκabh¨angig. F¨urκ1/√

2 (Supraleiter 1. Art) verh¨alt sich ein Supraleiter bis zu seinem kritischen Magnetfeld Hc wie ein idealer Diamagnet. Ist das ¨außere Feld gr¨oßer, wird er normalleitend und in seinem In- nern ist das Magnetfeld homogen verteilt. Dieses Verhalten ist in einem Phasendiagramm in Abbildung 2.1a verdeutlicht. Die Phase, in der das Magnetfeld bis auf eine d¨unne Ober- fl¨achenschicht λ aus einem Supraleiter verdr¨angt wird, wird Meissner-Phase genannt.

Beim einem Supraleiter 2. Art (κ 1/√

2) gibt es zwischen der Meissner-Phase und der normalleitenden Phase noch die sogenannte Shubnikov-Phase (Abb. 2.1b) [Shu37]. In die- ser Phase ist es f¨ur den Supraleiter energetisch g¨unstiger, wenn sich in seinem Innern normalleitende Bereiche, sogenannte Flussschl¨auche oder Vortices, ausbilden, in denen der magnetische Fluss konzentriert ist2. Jeder einzelne Flussschlauch ist von Abschirmstr¨omen

2Dieses Ergebnis folgt aus der Betrachtung der Oberfl¨achenenergie eines Normalleiter-Supraleiter- Ubergangs, wobei sich der normalleitende Bereich als kreisf¨¨ ormige Fl¨ache mit einem Radiusξ in dem Supraleiter befindet. Dies entspricht einem Flussschlauch in einem Supraleiter. Die Oberfl¨achenenergie setzt sich zusammen aus dem Energieaufwand pro L¨angeneinheit den supraleitenden Zustand im Kern des Flussschlauches zu unterdr¨uckenEn =µ1

0(Hc12−Hext2 )πξ2und dem Energiegewinn pro L¨angeneinheit durch die reduzierte MagnetisierungEs=π

0Hext2 (λ2ξ2).

(12)

6 2. Grundlagen

x l

B supraleitende Ladungsträger- dichte

r

Abbildung 2.2.: Schematische Darstellung eines Flussschlauches mit den charakteristischen L¨angenskalenλundξ. Bei den keramischen Hochtemperatursupraleitern ist der Ginsburg-Landau- Parameter κ=λ/ξ extrem groß (Tab. 4.1).

umgeben und besitzt einen normalleitenden Kern, in dem die supraleitende Ladungstr¨ager- dichte ns = |Ψ|2 verschwindet (Abb. 2.2). In der Shubnikov-Phase besitzt ein Supraleiter 2. Art die tiefste Enthalpie, wenn die Flussschl¨auche ein trigonales Gitter bilden [Abr57].

Diese spezielle Anordnung wird auch Abrikosov-Gitter genannt und wurde zum ersten Mal von Eßmann und Tr¨auble mit Hilfe der Dekorationsmethode direkt abgebildet [Eßm67].

Aufgrund der Kristallstruktur der Kupratsupraleiter, die in c-Achsen Richtung aus von gegeneinander isolierten supraleitenden Schichten (CuO2-Ebenen) aufgebaut sind, unter- teilt sich die Shubnikov-Phase im Phasendiagramm in weitere Phasen. Die Flussschl¨auche k¨onnen sich als Kristall, Glas oder Fl¨ussigkeit anordnen. Ausf¨uhrlicher wird dieses Thema z. B. von Blasius [Bla99] behandelt. Wie die Phasen genau aussehen und um was f¨ur eine Art von Phasen¨ubergang es sich handelt, wird zur Zeit noch heftig diskutiert.

Im Phasendiagramm in Abbildung 2.1b sind zwei typische Wege eingezeichnet, um von einem Punkt in der normalleitenden Phase ohne ¨außeres Magnetfeld zu einem anderen Punkt (B0,T0) in der Shubnikov-Phase zu gelangen. Sie unterscheiden sich auf folgende Art und Weise. Beim ersten Weg wird zuerst im Nullfeld die Probentemperatur auf die zu erreichende Temperatur unterhalb der kritischen Temperatur gek¨uhlt und anschließend das Magnetfeld angelegt. Diese Vorgehensweise wird daher auch Nullfeldk¨uhlung (zero field cooling; ZFC) genannt. Der zweite Weg beschreibt die Feldk¨uhlung (field cooling;

FC). Zuerst wird das Magnetfeld angelegt und dann die Temperatur ver¨andert. Bei einem idealen Supraleiter ist es v¨ollig gleichg¨ultig, welcher der beiden Wege genommen wird, um den Punkt (B0,T0) im Phasendiagramm zu erreichen. Es bildet sich im Supraleiter immer ein Abrikosov-Gitter aus Flussschl¨auchen aus.

In Wirklichkeit ist es jedoch sehr schwer, ideale Supraleiter herzustellen. Unter

”ideal“

ist zu verstehen, dass der Supraleiter keine Defekte besitzt und somit der Ordnungspara- meter Ψ in der Meissner-Phase ¨uberall im Supraleiter, außer im Randbereich, gleich groß ist. Bei der Herstellung von supraleitenden Schichten, die auf einem Substrat aufwachsen, sind die Schichten aufgrund der Gitterfehlanpassung nicht defektfrei3. Ist die Ausdehnung der Defekte in der Gr¨oßenordnung der Koh¨arenzl¨ange ξ, bilden sie hervorragende Pinning-

3Bei Schichten aus Hochtemperatursupraleitern kommen noch weitere Ursachen f¨ur Defekte in Frage, z. B. Spiralwachstum oder das Fehlen von Sauerstoffatomen in den Kettenebenen.

(13)

2.2. Supraleiter im homogenen Magnetfeld 7 zentren f¨ur die magnetischen Flussschl¨auche. F¨ur ein Vortex ist es energetisch g¨unstiger, wenn sein normalleitender Kern auf solch einen Defekt lokalisiert ist. Dies hat zur Folge, dass der Abstand zwischen den Flussschl¨auchen nicht maximal ist. Daher bildet sich auch kein Abrikosov-Gitter in dem Supraleiter aus (vgl. Abb. 3.2). Bei den realen Supraleitern ist daher auch die magnetische Flussverteilung von dem Weg im Phasendiagramm und somit von der Vorgeschichte abh¨angig. Bei der Feldk¨uhlung sind die Vortices nach dem Ubergang in den supraleitenden Zustand im Mittel homogen ¨¨ uber den Supraleiter verteilt.

Lokal gesehen befinden sich die Flussschl¨auche bevorzugt auf den Defektstellen. Bei der Nullfeldk¨uhlung hingegen wird diese homogene Verteilung nie erreicht. Mit dem Anlegen eines ¨außeren Magnetfeldes werden senkrecht dazu makroskopische Abschirmstr¨ome in dem Supraleiter induziert. Nach ¨Uberschreiten des ersten kritischen Feldes dringen Flussschl¨au- che in den Supraleiter ein und bewegen sich aufgrund der Lorentzkraft [Cam72b, Cam72a]

fL=j×B (2.4)

in Richtung Probenmitte. Der Lorentzkraft fL wirkt die Pinningkraft fP entgegen, die mit dem Vortex-Vortex Abstand anw¨achst. Es stellt sich eine Flussverteilung ein, die am Probenrand maximal ist und zum Inneren der Probe abnimmt. Aufgrund des Amp`ereschen Gesetzes (rotB =µ0j) ist neben den mikroskopischen Abschirmstr¨omen um jeden einzelnen Vortex ein makroskopischer Abschirmstrom mit dem Flussgradienten verbunden. Dieser makroskopische Abschirmstrom ist der kritische Stromjc, den ein Supraleiter noch tragen kann, ohne dass sich Flussschl¨auche bewegen. In diesem metastabilen kritischen Zustand4 stellt sich somit folgendes Kr¨aftegleichgewicht5 ein:

fL+fP =jc×B +fP = 0. (2.5) Das erste einfache Modell, das diesen kritischen Zustand und vor allem die Hysterese in der Magnetisierungskurve beschreibt, wurde 1962 von Charles Bean [Bea62, Bea64]

vorgeschlagen. Es wird auch Bean-Modell genannt. Im Bean-Modell werden folgende zwei Annahmen gemacht. Das erste kritische MagnetfeldBc1 ist vernachl¨assigbar klein und der kritische Stromjc(B) =jc ist magnetfeldunabh¨angig. Abbildung 2.3 zeigt die magnetische Feld- und Stromdichteverteilung in einer supraleitenden Platte. Das von außen angelegte homogene Magnetfeld verl¨auft parallel zur Plattenebene. Abh¨angig vom Vorzeichen des Flussgradienten fließt lokal entweder ein positiver oder negativer konstanter Abschirmstrom jc in der Probe.

In Wirklichkeit ist jedoch der kritische Stromjc vom lokalen MagnetfeldB abh¨angig. Mit zunehmendem Feld nimmt dieser ab und verschwindet sogar f¨urBc2. Dieser Zusammenhang wird in dem am h¨aufigsten verwendeten Kim-Modell [Kim62, Kim63] mit

jc(B) = j0

1 +|B|/B0 (2.6)

4Dieser Zustand wird in der Literatur alscritical state-Modell bezeichnet und somit werden alle Modelle die diesen Zustand beschreiben alscritical state-Modelle bezeichnet.

5Andere Kr¨afte wie z . B. die KraftfV V, die von anderen Flussschl¨auche auf den Flussschlauch ausge¨ubt wird, werden hier vernachl¨assigt (z . B. [Rei97])

(14)

8 2. Grundlagen

Abbildung 2.3.: Magnetische Fluss-und Stromdichteverteilung in einer unendlich ausgedehn- ten supraleitenden Platte nach dem Bean-Modell [Bea62, Bea64]. Der Supraleiter befindet sich in einem homogenen ¨außeren Magnetfeld, das parallel zur Plattenebene ist. Sobald ein Feld anliegt, dringt magnetischer Fluss mit einem konstanten Flussgradienten in den Supraleiter ein, da das erste kritische Feld vernachl¨assigt wird. Diese Feldverteilung induziert im Supraleiter einen Ab- schirmstrom mit einem konstanten, magnetfeldunabh¨angigen Wert jc. F¨ur den Wert B hat die Flussfront die Mitte des Supraleiters erreicht. Dann fliesst auch im gesamten Supraleiter ein Ab- schirmstrom. Wird das ¨außere Feld daraufhin wieder erniedrigt, verl¨asst magnetischer Fluss den Supraleiter am Rand. Dort wird dann ein Abschirmstrom in entgegengesetzter Richtung induziert.

ber¨ucksichtigt. j0 =jc(B = 0) und B0 sind materialspezifische Parameter. Aufgrund die- ser Stromabh¨angigkeit nimmt der Feldgradient zur Flussfront bzw. Probenmitte hin zu.

Das Kim-Modell ist besonders geeignet f¨ur große Feldst¨arken. F¨ur kleine Feldst¨arken wird dagegen eher das generalisierte Modell (jc(B) = j0/(1 +|B|/B0)β) verwendet [Lam90].

Es entspricht f¨ur β = 0 dem Bean-Modell und f¨ur β = 1 dem Kim-Modell. Neben die- sen Modellen gibt es noch eine Vielzahl anderer Modelle, die auf spezielle Proben- und Magnetfeldgeometrien eingehen (siehe z. B. [Poo95]). Auf die spezielle Geometrie einer d¨unnen supraleitenden Schicht im senkrechten Magnetfeld wird im folgenden Kapitel 2.3 eingegangen, da es sich bei den in dieser Arbeit untersuchten Proben ausschließlich um solch eine derartige Geometrie handelt.

2.3. unne supraleitende Schichten im senkrechten Magnetfeld

Die im vorherigen Kapitel 2.2 vorgestellten Modelle zur Beschreibung der magnetischen Fluss- und Stromdichteverteilung in einem Supraleiter sind wie erw¨ahnt nicht uneinge- schr¨ankt auf alle Proben- und jede Magnetfeldgeometrie anwendbar. Sie eignen sich nur

(15)

2.3. D¨unne supraleitende Schichten im senkrechten Magnetfeld 9

b) a)

Abbildung 2.4.:Verbiegung der Feldlinien um eine d¨unne supraleitende kreisf¨ormige Schicht im senkrechten Magnetfeld.a) F¨urBef f < Bc1 befindet sich die gesamte Probe im Meissnerzustand.

b)F¨urBc1 > Bef f > B ist am Rand magnetischer Fluss in die Probe eingedrungen.

f¨ur Geometrien mit einem verschwindend kleinen Entmagnetisierungsfaktor6, da hier die Abschirmstr¨ome so gut wie keinen Beitrag zum lokalen Magnetfeld außerhalb der Probe liefern. D¨unne, endlich ausgedehnte supraleitende Schichten im senkrechten Magnetfeld besitzen dagegen einen großen Entmagnetisierungsfaktor (nM 1). Wie in Abbildung 2.4 dargestellt, kommt es aufgrund der Abschirmung zu einer starken Verbiegung der Feldli- nien um die Probe, falls sich die Probe noch im Meissner-Zustand befindet [D¨au89, The92].

Am Probenrand erh¨oht sich dadurch das effektive Feld Beff um einen Faktor7 1/(1−nM) gegen¨uber dem ¨außeren Feld H (logarithmische Singularit¨at [Bra93b, Sch94]). Dies f¨uhrt dazu, dass schon f¨ur sehr kleine Felder das untere kritische Feld Bc1 ¨uberschritten wird und magnetischer Fluss in Form von Flussschl¨auchen in den Supraleiter eindringt. Dadurch wird die Feld¨uberh¨ohung am Rand der Probe verringert.

F¨ur einen d¨unnen unendlich langen supraleitenden Steg in y-Richtung, dessen Schicht- dicke (z-Richtung) sowohl sehr viel kleiner als die Stegbreite (d2a), als auch kleiner als die magnetische Eindringtiefe (λc = 500800 nm f¨ur YBCO)8 ist, kann im Rahmen des Bean-Modells ebenfalls eine Flussverteilung analytisch hergeleitet werden. Dabei muss die Stromdichte entsprechend der Geometrie modifiziert werden [Bra93b, Bra93a, Zel94]. Die Stromdichte wird innerhalb der Schichtdicke d als konstant angenommen. Man spricht in einem solchen Fall in der Literatur auch von einem sheet current (J = d·j). Zus¨atzlich zu dem konstanten kritischen StromJc, der in dem Bereich fließt, in den das ¨außere Feld eingedrungen ist, muss noch im Inneren der Probe ein Strom fließen, der die Streufelder des kritischen Stroms kompensiert [Bra93b, Zel94]. Dieser sogenannte Meissnerstrom ist kleiner als der kritische Strom und verschwindet zur Probenmitte hin. Experimentell konnte der Meissnerstrom magnetooptisch an Defekten in der supraleitenden Schicht nachgewiesen

6ur eine unendlich ausgedehnte supraleitende Platte im parallelen Magnetfeld ist der Entmagnetisie- rungsfaktor gleich Null.

7Streng genommen gilt dieser Faktor nur f¨ur ein Rotationsellipsoid am ¨Aquator in einem hauptachsen- parallelen Feld, da f¨ur eine rechteckige Probe kein Entmagnetisierungstensor angegeben werden kann.

8λab= 140 nm spielt aufgrund der Geometrie keine Rolle.

(16)

10 2. Grundlagen werden [Baz96, Eis99a, Eis99b, Eis01]. Nach [Bra93b] fließt in einen supraleitenden Steg, der sich in einem senkrechten ¨außeren Magnetfeld Hz befindet, folgende Stromverteilung:

Jy(x) =



2Jc

π arctan(cx

x20x2), |x|< x0

Jc x

|x|, a <|x|< x0, (2.7) wobei x0 = a/cosh(µπHz

0Jc) die Position der Flussfront angibt. Mit dieser Stromverteilung herrscht folgende magnetische Flussverteilung an der Ober߬ache des supraleitenden Stegs:

Bz(x) =







0, |x|< x0

µ0Jc

π artanh(

x2x20

c|x| ), a <|x|< x0 µ0Jc

π artanh(c|x|

x2x20), a <|x|

(2.8)

mitc=

(a2−x20)/a. Zu beachten ist, dass die Position der Flussfront mit der Breiteades Steges skaliert. Daher kann die kritische Stromdichte nicht einfach aus dem Flussgradienten mit jc =µ10 ∂Bz/∂xbestimmt werden.

Mit der hier verwendeten experimentellen Methode, dem magnetooptischen Abbildungs- verfahren, ist es jedoch nicht m¨oglich, die magnetische Feldverteilung direkt an der Ober- fl¨ache zu messen. Die Feldverteilung wird mit Hilfe eines Eisengranatfilmes mit einer end- lichen Dicke dREIG in einer H¨ohe h oberhalb des Supraleiters bestimmt. Um dennoch die experimentellen Daten mit einer aus der Stromdichteverteilung (Gl. 2.7) resultierenden magnetischen Feldverteilung vergleichen zu k¨onnen, kann die Feldverteilung in einer H¨o- he z mit Hilfe des Biot-Savartschen Gesetzes numerisch berechnet werden. Aufgrund der lateralen Ausdehnung des Eisengranatfilmes, in dem die experimentell bestimmte Feld- verteilung dann ¨uber dessen Dicke dREIG gemittelt ist, muss zus¨atzlich die Dicke dREIG

durch eine Integration in z-Richtung ber¨ucksichtigt werden. Dagegen kann die Dicke d des supraleitenden Stegs bei der Integration vernachl¨assigt werden, da diese normalerweise bei d¨unnen supraleitenden Filmen um eine Gr¨oßenordnung kleiner ist als der Abstand h und die Dicke des Eisengranatfilmes. Der Abschirmstrom fließt sozusagen in einer Ebene. Zur Bestimmung der magnetischen Feldverteilung aus dem sheet current in (Gl. 2.7) gilt es daher folgende Gleichung numerisch zu l¨osen:

B¯z(x) =µ0Hz+ µ0

2π d

h+dREIG

h

dh a

a

dx Jy(x)x

(x−x)2+h2. (2.9) Die mittlere magnetische Feldverteilung in einem 4µm dicken Eisengranatfilm, 2µm ober- halb eines supraleitenden Stegs bei verschiedenen Magnetfeldern, ist mit der dazugeh¨oren- den Stromverteilung in Abbildung 2.5 dargestellt. Bei der numerischen Berechnung ist eine kritische Stromdichte von jc = 3·107A/cm2 in einem 330 nm dicken und 10 mm breiten Steg verwendet worden.

F¨ur kleine magnetische Felder kann diese Magnetfeldverteilung ebenfalls n¨aherungsweise f¨ur eine quadratische Probe verwendet werden [Bra01]. Dabei sollte die eingedrungene Stre- cke der Flussfront klein gegen¨uber der Kantenl¨ange der Probe sein und die Flussverteilung

(17)

2.3. D¨unne supraleitende Schichten im senkrechten Magnetfeld 11

B [ mT ]

x [ mm ]

-10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10

0 50 100 150 200

10 mT 150 mT

150 mT

100 mT 70 mT

10 mT 30 mT 50 mT

-3 -2 -1 0 1 2 3

j [ MA /c m² ]

y

REIG h

a SL 0

Bz z

x y

z

Abbildung 2.5.: Berechnete mittlere magnetische Feldverteilung B¯z(x) in einer 4µm dicken Sensorschicht, 2µm oberhalb eines supraleitenden Stegs, mit der dazugeh¨orenden Stromverteilung Jy(x). Die Breite des Stegs betr¨agt 10 mm, die Dicke d= 330nm und die kritische Stromdichte jc = 3·107A/cm2. Zus¨atzlich ist eine Skizze des verwendeten Koordinatensystems mit dem Supraleiter (SL) und dem Eisengranatfilm (REIG) dargestellt.

senkrecht in der Mitte am Probenrand gemessen werden, damit der magnetische Fluss, der von den beiden anderen Seiten eindringt, die Flussverteilung nicht st¨ort.

F¨ur dickere Filme () darf die Stromdichte ¨uber die ganze Schichtdicke d nicht mehr als konstant angenommen werden [Bra96a, Bra97b]. Daher kann die magnetische Flussver- teilung nur mit Hilfe einer numerischen Simulation berechnet werden. Nach dem Anlegen eines ¨außeren Feldes, dringt der magnetische Fluss zun¨achst an den Kanten in den Supra- leiter ein. Dies hat zur Folge, dass die Flussverteilung an der Oberfl¨ache des Supraleiters eine andere ist als in der Mitte. Ein weiterer Unterschied ist, dass im feldfreien Bereich keine Abschirmstr¨ome fließen [Zel94].

Bei Anwesenheit eines Defektes in einer supraleitenden Schicht k¨onnen die Abschirmstr¨o- me nicht mehr parallel zum Probenrand fließen, sondern m¨ussen um den Defekt herum fließen. Dieser ver¨anderte Stromverlauf wirkt sich dann ebenfalls auf die magnetische

(18)

12 2. Grundlagen Flussverteilung in der Probe aus. Befindet sich der Defekt vor der Flussfront, in dem Gebiet in dem die Meissnerstr¨ome fließen, m¨ussen die Str¨ome um den Defekt herum flie- ßen [Baz96, Eis99a, Eis99b, Eis01]. Die resultierende Stromverteilung setzt sich aus der Stromverteilung ohne Defekt und einem Ringstrom um den Defekt zusammen. Aufgrund des Ringstromes wird nun im sonst feldfreien Bereich ein Magnetfeld induziert, obwohl dort noch kein magnetischer Fluss von außen eingedrungen ist. Erh¨oht man das ¨außere Magnet- feld und die Flussfront erreicht den Defekt, wird dieser sofort komplett mit magnetischem Fluss gef¨ullt. Dies f¨uhrt zu einer Konzentration des Flusses in dem Defekt. Dasselbe gilt nat¨urlich ebenfalls f¨ur einen Defekt, der Kontakt zum Probenrand besitzt. In diesen dringt der magnetische Fluss gleich mit dem Anlegen des ¨außeren Feldes in den Supraleiter ein.

2.4. Vortexdynamik

Unter Vortexdynamik versteht man die Bewegung von magnetischen Flussschl¨auchen in einem Supraleiter. Dabei wird unterschieden, ob die Bewegung aufgrund einer treibenden Kraft oder durch eine thermische Aktivierung der Flussschl¨auche ¨uber eine Pinningbar- riere U0 verursacht wird. Da in idealen Supraleitern keine Pinningzentren vorhanden sind, findet dort keine thermisch aktivierte Flussbewegung statt. Aus diesem Grund wird im Folgenden auf die Flussdynamik in einem realen Supraleiter 2. Art eingegangen. Unter der treibenden Kraft versteht man im Allgemeinen die Lorentzkraft fL (Gl. 2.4), die an einen Flussschlauch aufgrund eines Stromesj angreift. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Strom ein von außen angelegter Transportstrom oder ein Abschirmstrom aufgrund eines ¨außeren Magnetfeldes ist.

Die Flussdynamik wird makroskopisch vollst¨andig durch die Maxwell-Gleichungen

divB = 0 (2.10)

rotE = −∂ B

∂t (2.11)

rotH −ε ε0∂ E

∂t = j (2.12)

und einer materialspezifischen Abh¨angigkeit des elektrischen FeldesE(j, B) von der Strom- dichte und dem Magnetfeld beschrieben. Das lokale elektrische FeldE =v×B wird dabei durch die Bewegung der Flussschl¨auche mit der Geschwindigkeit v in dem Supraleiter verursacht.

Der einfachste Fall der magnetischen Flussbewegung ist gegeben, wenn die Lorentzkraft fL (Gl. 2.4 groß gegen¨uber allen anderen auf den Flussschlauch wirkenden Kr¨afte ist. Das heißt, wenn die Stromdichte j groß gegen¨uber der kritischen Stromdichte jc ist (j jc).

Dann kann unter anderem die PinningkraftfP in Gleichung 2.5 vernachl¨assigt werden. Da sich der Flussschlauch in einem Medium bewegt, wirkt der Lorentzkraft eine zur Geschwin- digkeit v proportionale Reibungskraft entgegen:

η v =j×B (2.13)

wobeiηf¨ur eine viskose D¨ampfung steht. Diese Art von Flussbewegung wird als Flussfließen oderflux flowbezeichnet. Das erzeugte elektrische Feld ist proportional zu der Komponente

(19)

2.4. Vortexdynamik 13 der Stromdichtej, die senkrecht zu der Flussdichte B fließt [Bra92]:

E =B ×v =B ×j×B/η = (B2)j =ρffj (2.14) ρff = (B2) ist dabei der elektrischer flux flow-Widerstand. In den unterschiedlichen Mo- dellen [Tin64, Bar65, Cle68, Hu72, Tin75, Lar86], die bisher zur Berechnung der viskosen D¨ampfung η verwendet wurden, erh¨alt man ¨uberraschenderweise immer den gleichen Zu- sammenhang zwischen dem elektrischen flux flow -Widerstand ρff und der magnetischen Flussdichte B in einem Supraleiter

ρff ≈ρn B

Bc2(T), (2.15)

wobei ρn der Widerstand im normalleitenden Zustand ist und Bc2 das zweite kritische Magnetfeld.

Ist die Stromdichte j jc, kann man die Pinningkraft fP nicht mehr vernachl¨assigen.

Die Vortexdynamik in diesem Bereich l¨asst sich mit einem einfachen Modell beschrie- ben, das Anderson 1962 vorschlug. In einem Modell geht man davon aus, dass bei einer Temperatur T = 0 K und einer Stromdichte j jc einzelne Flussschl¨auche oder aber auch ganze B¨undel von Flussschl¨auchen an Inhomogenit¨aten in einem Supraleiter gepinnt sind [And62, And64]. Diese Inhomogenit¨aten bilden Haftzentren, auch Pinningzentren ge- nannt, f¨ur die Flussschl¨auche. Bei einer endlichen Temperatur k¨onnen die Flussschl¨auche aufgrund der thermischen Anregung die PotenzialbarriereU0 der Pinningzentren ¨uberwin- den. Es findet sozusagen ein thermisch aktiviertes H¨upfen von einem Pinningzentrum zu einem anderen statt. Diese Art von Flussdynamik wird als Flusskriechen oderflux creepbe- zeichnet. Sie findet in einem Supraleiter statt, der sich im kritischen Zustand nach dem Anlegen oder Abschalten eines ¨außeren Feldes H befindet. Nachdem die Lorentzkraft die Potenzialbarriere U0 auf der einen Seite erniedrigt, bewegen sich die Flussschl¨auche ent- lang des Flussdichtegradienten in den Supraleiter hinein oder verlassen ihn. Durch diese Bewegung wird der Gradient der Flussdichte im Supraleiter verkleinert und der induzierte Abschirmstrom j wird ebenfalls kleiner. Zeitlich zerf¨allt der Abschirmstrom w¨ahrend der Flussbewegung nach dem logarithmischen Zeitgesetz

j(t) =jc

1 kBT U0 ln

t t0

. (2.16)

Dabei geht Anderson in seinem Modell davon aus, dass sich das Volumen des sich bewegen- den magnetischen Flusses nicht ¨andert. Die Zeitkonstantet0 in Gleichung 2.16 wird durch den Zeitpunkt bestimmt, bei dem die Flussdynamik nicht mehr durch die Einschaltvor- g¨ange des ¨außeren Magnetfeldes beeinflusst wird. Es beschreibt sozusagen den zeitlichen Ubergang zwischen dem¨ flux flowVerhalten zur thermisch aktivierten Flussbewegung. In einer Weiterentwicklung des Modells ber¨ucksichtigen Zeldov et al., dass die Gr¨oße eines B¨undels aus Flussschl¨auchen sich mit reduzierender Stromdichte vergr¨oßert [Zel89]. Man erh¨alt dann eine exponentielle Abh¨angigkeit der Stromdichte von der Zeit.

Feigel’man et al. entwickelten im Rahmen einer kollektiven Pinning Theorie ein weiteres Modell zur Beschreibung des Relaxationsprozesses [Fei89]. Ausgehend von einem nicht- linearen Zusammenhang zwischen dem Pinningpotenzial und der Stromdichte9 und ei-

9U(j) U0(jc/j)α, wobeiαvon der Dimensionalit¨at und den ¨außeren Bedingungen abh¨angt [Fei89].

(20)

14 2. Grundlagen

Abbildung 2.6.: Strom-Spannungs-Kennlinie einer supraleitenden Br¨ucke. Aufgrund des ange- legten Transportstromes kann es zu einer Flussbewegung quer zur Br¨ucke kommen. Die Fluss- bewegung induziert ein elektrisches Feld E parallel zum angelegten Strom. Thermally assisted flux flow (TAFF) kommt bei hohen Temperaturen und großen Magnetfeldern vor [Bra95]. Die Skizze links oben illustriert das H¨upfen eines Flussschlauches oder B¨undels ¨uber eine periodische Pinningpotenzialbarriere, die durch die Lorentzkraft geneigt ist.

ner Abh¨angigkeit der relevanten Potenzialbarriere von dem zeitlichen Verhalten des Ab- schirmstromes10 erh¨alt man eine asymptotische Form des Stromrelaxationsgesetzesj(t) jc(1−U0/T ln(t/t0))−1. F¨ur große Zeiten und f¨ur j−jc jc erh¨alt man als N¨aherung die Beziehung aus dem Anderson-Modell (Gl. 2.16). Die charakteristische Zeitkonstante t0

h¨angt in diesem Modell von der Probengr¨oße und dem Wert des kritischen Stromes jc ab [Fei89]. ¨Ublicherweise ist die Zeitdauer des Flussfließens nicht l¨anger als einige Millisekun- den, sobald das ¨außere Magnetfeld nicht mehr ge¨andert wird [Bur98].

W¨ahrend in den klassischen Supraleitern diese Form der Flussbewegung nur in der N¨ahe der kritischen Temperatur beobachtet wurde [Bea69, Ber90, Ros90, Sve91, Sue91], findet flux creep in Hochtemperatursupraleitern bei allen TemperaturenT > 0 K statt. Aufgrund des großen Ausmaßes, das diese Art von Flussbewegung in diesen Materialien annehmen kann, wird diese Bewegung auch teilweise als giant flux creep bezeichnet [Yes88]. Experimen- tell konnte das Abklingen der Stromdichte in YBCO-Filmen magnetooptisch nachgewiesen werden [War00]. Dabei stellten Warthmannet al. fest, dass sich zum Anpassen der gemes- senen zeitlichen Relaxation der Stromdichte alle drei Modelle gleichermaßen eigneten.

Neben diesen beiden Arten von Flussbewegung gibt es noch ein thermisch unterst¨utztes Flussfließen, welches in der Literatur als thermally assisted flux flow (TAFF) bezeichnet wird [Dew88, Kes89]. TAFF findet im Gegensatz zumflux creepnur bei sehr kleinen Strom- dichten (j jc) statt, wobei der gemessene Widerstand ρ nicht von der Stromst¨arke abh¨angt.

In einem mikroskopischen Modell untersuchte Brandt [Bra90] das thermisch aktivierte Spr¨unge von Flussschl¨auchen oder B¨undeln ¨uber eine Potenzialbarriere U0 von Pinning- zentren senkrecht zur Stromdichte. Die PotenzialbarriereU0wird aufgrund der Lorentzkraft

10Uα(j(t)) =Tln(t/t0) [Ges89]

(21)

2.4. Vortexdynamik 15

flux flow flux creep TAFF

Stromdichte J Jc J Jc J Jc

treibende Kraft Lorentzkraft thermisch aktiviert thermisch aktiviert

Energie ELU U kBT U kBT

Widerstand ρn B

Bc2(T) ρcexp

(J/Jc)U kBT

exp(J/J1) kcU

BT exp

kBUT

linear exponentiell linear

Tabelle 2.1.: Eigenschaften der Bewegung von Flussschl¨auchen in realen Supraleitern 2. Art.

Man unterscheidet dabei folgende drei Bewegungsarten: flux flow, flux creep, und thermally as- sisted flux flow (TAFF).

auf der einen Seite umδU erh¨oht11 und auf der anderen Seite umδU erniedrigt (Skizze in Abb. 2.6). Daraus l¨asst sich eine Sprungrate ν der Flussschl¨auche ¨uber die Pinningzentren bestimmen:

ν =ν0e

U0−δU

kB T −ν0e

U0+δU

kB T (2.17)

Der zweite Term in Gleichung 2.17 ber¨ucksichtigt ebenfalls m¨ogliche R¨uckspr¨unge. Im Falle schwachen Pinnings kann die Frequenz ν0 durch die charakteristische Frequenz von ther- mischen Fluktuationen eines idealen Vortex-Gitters12 beschrieben werden[Bra89]. Damit kann nun der WiderstandρT Aeiner thermisch aktivierten Flussbewegung berechnet werden [Bra90]:

ρT A(B, j, T) = 2ρcjc

j sinh

jU jckBT

ekB TU . (2.18) Als Grenzfall erh¨alt man f¨urj ≈jc (U kBT) den Widerstand imflux creep-Regime und f¨urj jc den Widerstand im TAFF-Regime. Mit Gleichung 2.15 und 2.18 lassen sich die Strom-Spannungs-Kennlinien eines Supraleiters in Abh¨angigkeit des ¨außeren Magnetfeldes bei verschiedenen Temperaturen interpretieren und auf die vorhandene Flussdynamik bei dem entsprechenden angelegten Transportstrom schließen (Abb. 2.6). Eine Zusammenfas- sung der charakteristischen Eigenschaften der drei verschiedenen Arten der Vortexdynamik zeigt Tabelle 2.1.

Um mit der magnetooptischen Methode die Flussdynamik in einem Supraleiter zu unter- suchen, wird die zeitliche Entwicklung des magnetischen Flusses in der Probe betrachtet.

Man ist an einer zeitlichen Entwicklung der Magnetisierung oder der Bewegung der Fluss- front nach einer ¨Anderung des ¨außeren Magnetfeldes interessiert. Hagen und Griessen [Hag89] berechneten analytisch mit vier identischen Haftzentren unter Ber¨ucksichtigung von R¨uckspr¨ungen13 die zeitliche Entwicklung der diamagnetischen Magnetisierung f¨ur t > t0:

M(t) =M(0)

1 kBT U ln

1 + t

t0

. (2.19)

11Die PotentialbarrierenerniedrigungδU =jBV lergibt sich aus dem Volumen des Pinningzentrums V und der Sprungweitel.

122πν0= Γ1= µB2

0λ2η =µρff

0λ2

13Durch Monte-Carlo-Simulationen konnte best¨atigt werden, dass diese einfache Bedingungen des Ein- Barrieren Modells die physikalischen Voraussetzungen erf¨ullen.

(22)

16 2. Grundlagen F¨ur große Zeiten t > t =t0

expk

BT U

1

geht sie in ein Exponentialgesetz ¨uber:

M(t) =M(0)2kBT U exp

2t t0 exp

−kBT U

. (2.20)

F¨ur große Zeiten wird die Magnetisierung nicht immer kleiner oder gar negativ, sondern nimmt mit der exponentiellen L¨osung einen Grenzwert an. Im Grenzfall entspricht das physikalische Problem dem eines Diffusionsprozesses.

Eine Besonderheit des Flusskriechens ist, dass sich im Fall einer nichtlinearen Strom- Spannungs-Kennlinie E(J)

E(J) =Ec

J Jc

nsgnJ (2.21)

die physikalischen Gr¨oßen skalieren lassen (z. B. [Gur93, Gur94, Bra96c, Sha01]). Die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ist eine Folge der logarithmischen Abh¨angigkeit der Potenzialbarriere U(j) von der Stromdichte j. Numerisch konnte von Gurevich und Brandt gezeigt werden, dass schon f¨ur den Exponenten n 3 diese Universalit¨at gilt [Gur94]. F¨ur YBCO ist der Exponent n 30 [Min01].

2.5. Magnetische Flusslawinen

Lawinen sind ein allgemein bekanntes Ph¨anomen und kommen daher auch in den ver- schiedensten Systemen wie granularen Medien [Hel90, Eve91, Bre92, Ros93, Jae96, Fre96], magnetischen Dom¨anen [Bab90, Wes91], in Ladungsdichtewellen [Mid93, Mye93], fließen- den Fl¨ussigkeiten entlang eines Gef¨alles [Plo93, Nar94] oder magnetischem Fluss in einem Supraleiter 2. Art vor. Ausgel¨ost werden die Lawinen in dem jeweiligen System entwe- der nach ¨Uberschreiten eines kritischen Zustandes14 oder durch eine ¨außere St¨orung15. Bei einer ¨außeren St¨orung muss jedoch nicht der kritische Zustand des ungest¨orten Systems uberschritten werden. Sie muss nur stark genug sein, um eine energetisch positive R¨¨ uck- kopplung in Gang zu setzen, die dem System zus¨atzliche Energie zuf¨uhrt. Dadurch kann sich die Lawine erst entwickeln und wird danach am Leben gehalten. Ist diese positive R¨uckkopplung nicht mehr vorhanden, kommt die Lawine zum Stillstand16.

In supraleitenden Systemen treten Lawinen in Form von magnetischen Flusslawinen auf.

Sie sind eine Art von thermodynamischer Katastrophe f¨ur den Supraleiter, da sie einen vollst¨andigen oder teilweisen Verlust der Magnetisierung im Supraleiter verursachen. Eine solche Magnetisierungskurve eines MgB2-Filmes ist in Abbildung 2.7 dargestellt [Joh01].

Eine positive R¨uckkopplung, die zu lawinenartigem Flusseindringen in einen Supraleiter f¨uhrt, sieht wie folgt aus: durch Erh¨ohen der Probentemperatur oder des ¨außeren Magnet- feldes setzen sich die Vortices in dem Supraleiter in Bewegung. Dadurch findet Energie- dissipation in Form von W¨arme durch einen Bardeen-Stephen-Mechanismus [Bar65] statt.

Falls nun die magnetische Diffusionszeit tm des Materials kleiner ist als die thermische tt,

14Uberschreitet die Oberfl¨¨ ache eines Sandhaufens einen kritischen Winkel, l¨ost dies eine Sandlawine aus.

15Z. B. Ausl¨osen von Schneelawinen durch eine gezielte Sprengung.

16Eine Schneelawine kommt z. B. dann zum Stillstand, wenn das Gel¨ande flacher wird.

(23)

2.5. Magnetische Flusslawinen 17

-300 -200 -100 0 100 200 300

-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4

5 K 10 K 15 K 2 0 K 2 5 K

M[emu]

µ H [ mT ]0

Abbildung 2.7.: Mit einem SQUID gemessene Magnetisierungskurve eines MgB2-Filmes bei verschiedenen Temperaturen. Im Gegensatz zu den Magnetisierungskurven bei h¨oheren Tempera- turen, sind bei 5 K und 10 K Fluktuationen in der Kurve zu beobachten. Diese Fluktuationen sind ein Anzeichen daf¨ur, dass zahlreiche Flussspr¨unge stattfinden [Joh01].

findet durch die Flussbewegung eine adiabatische Erw¨armung des Supraleiters statt und zus¨atzlicher Fluss dringt in den Supraleiter ein. Dies f¨uhrt zu einer positiven R¨uckkopplung.

Es l¨asst sich ein dimensionsloser Parameter τL definieren, der diese beiden Diffusionskoef- fizienten verkn¨upft [Min81, Min96a, Min96b]:

τL= tm

tt

=µ0 κ σ

C (2.22)

wobei κ die W¨armeleitf¨ahigkeit, σ die elektrische Leitf¨ahigkeit und C die W¨armekapazi- t¨at des Supraleiters ist. F¨ur τL 1 (tm tt) findet wie oben erw¨ahnt eine adiabatische Erw¨armung der Probe statt, welche zu Flussspr¨ungen oder Lawinen f¨uhrt. Ist dagegen τL 1 (tm tt), kann die dissipierte W¨arme schnell genug an die Umgebung17 abge- f¨uhrt werden. Die momentane ¨ortliche Verteilung der Flussschl¨auche ist nahezu konstant gegen¨uber der schnellen lokalen Temperatur¨anderung in der Probe. Es findet somit nur eine dynamische Flussbewegung in Form von Flussfließen, Flusskriechen oder thermisch aktiviertem Flussh¨upfen statt (siehe Kap. 2.4).

Gleichung 2.22 ber¨ucksichtigt f¨ur die Bedingung, dass Flusslawinen in einem Supraleiter auftreten nur die intrinsischen thermischen Eigenschaften18 der Probe und die Abh¨angig- keit des kritischen Stromesjc von der Temperatur und dem Magnetfeld. Zus¨atzlich spielen jedoch noch einige extrinsische Eigenschaften des Supraleiters eine wichtige Rolle. Damit sind neben den Probeneigenschaften19 auch die ¨außeren Rahmenbedingungen gemeint. Es

17Bei supraleitenden Filmen wird mit der Umgebung das Substrat gemeint, auf dem sie aufgewachsen sind.

18Spezifische W¨arme und thermische Leitf¨ahigkeit.

19Probengr¨oße [Esq99] und thermische Ankopplung zum Probenhalter [Gui88].

(24)

18 2. Grundlagen ist von entscheidender Bedeutung, wie schnell die ¨außeren Parameter (Magnetfeld und Temperatur) ge¨andert werden. Einige dieser Eigenschaften sind in einem Stabilit¨atspara- meter β zusammengefasst. Dieser dient dazu, thermisch ausgel¨oste Flussspr¨unge in supra- leitenden Magneten zu charakterisieren [Wil83].

In der Literatur werden jegliche Arten von adiabatischer Flussdynamik als

”Flusslawinen“

bezeichnet. Dabei wird nicht differenziert, ob es sich um ein mikroskopisches Ph¨anomen von einigen 1000 Vortices handelt, oder ob die Flusslawine eine makroskopisch große Di- mension besitzt. Die Flusslawinen, die auf mikroskopischen Dimensionen ablaufen, lassen sich, im Gegensatz zu den makroskopischen Lawinen, analog zu den Lawinen, die in granu- laren Medien auftreten, beschreiben [Alt01] und die damit verbundenen Gesetzm¨aßigkeiten zeigen. Experimentell wurden diese mikroskopischen Flusslawinen unter anderem in einem Hohlzylinder aus Niob [Fie95] oder in Niob-Filmen [Now97, Esq99] untersucht. Das ¨außere Magnetfeld wurde dabei stets kontinuierlich erh¨oht und entweder der magnetische Fluss direkt oder dessen zeitliche ¨Anderung in der Probe mit einer Hallsonde gemessen. Diese Ergebnisse konnten basierend auf einfachen Modellen mit Computersimulationen reprodu- ziert werden [Bar97, Ols97, Bas98b].

Makroskopisch große Flusslawinen, die hier in dieser Arbeit unter anderem untersucht werden, wurden zuerst in Niob-Scheiben [Wer67] und danach auch in dem Hochtempe- ratursupraleiter YBCO [Lei93] magnetooptisch beobachtet. Die experimentellen Arbeiten auf diesem Gebiet und die bestehenden theoretischen Modelle [Mak94, Bas97, Bas98a], sowie Simulationen dazu [Ara01, Joh01] werden zusammen mit den eigenen Ergebnissen in Kapitel 7 vorgestellt und diskutiert.

2.6. Absch¨ atzung der Temperaturerh¨ ohung nach der Bestrahlung eines YBCO-Filmes mit einem Laserpuls

Eine entscheidende Rolle in den Experimenten zur Untersuchung der Flussdynamik in YBCO-Filmen auf ultrakurzen Zeitskalen spielt die Bestrahlung des YBCO-Filmes mit ei- nem Laserpuls. Der Laserpuls wird dazu verwendet, den Supraleiter zu erw¨armen. Diese Erw¨armung erm¨oglicht es dann entweder innerhalb einiger Nanosekunden lokal die ma- gnetische Flussdichte (Kap. 6 und Kap. 7) zu ¨andern oder die kritische Stromverteilung lokal zu st¨oren und dadurch eine magneto-thermische Instabilit¨at in dem Supraleiter zu induzieren (Kap. 7). Eine andere M¨oglichkeit ist einer globalen Bestrahlung des YBCO- Filmes (Kap. 5), um in der ganzen Probe die gleiche homogene Magnetfelddichte zu erzeu- gen. Durch die Bestrahlung bricht zwar die Supraleitung innerhalb einiger Picosekunden zusammen, dennoch dauert das Abklingen der Abschirmstr¨ome in dem nun normalleiten- den YBCO-Film etwa 150 ps. Die Zeitdauer ist dabei von der Probengeometrie abh¨angig (Kap. 5.1).

In diesem Kapitel wird eine einfache Absch¨atzung der Temperaturerh¨ohung aufgrund eines Laserpulses mit einer Pulsdauer von 150 fs durchgef¨uhrt. Bei der Bestrahlung eines YBCO- Filmes mit einem Laserpuls hat man es mit einer d¨unnen Schicht auf einem durchsichtigen Substrat (SrTiO3 und LaAlO3) zu tun (Abb. 2.8). Die optische Eindringtiefe 1/α von

(25)

2.6. Absch¨atzung der Temperaturerh¨ohung 19

T0

T*

RYBCO

Film Substrat

T0

Laserpuls

d A

Abbildung 2.8.: Bei der Absch¨atzung der Temperaturerh¨ohung in einem YBCO-Film durch die Bestrahlung mit einem Laserpuls wird von einer d¨unnen absorbierenden Schicht auf einem transparenten Substrat ausgegangen. Die Energie des Laserpulses wird homogen ¨uber die gesamte Dicked des Filmes und die Fl¨ache A des Laserpulses absorbiert.

YBa2Cu3O7−δ liegt bei etwa 50-70 nm f¨ur eine Sauerstoffkonzentration von 7-δ = 6,7- 7,0. Der Wert wurde aus den komplexen Dielektrizit¨atskonstanten f¨ur die Wellenl¨ange λ= 620 nm berechnet [Asp89, Kir91a]. Verglichen mit der Dicke der verwendeten YBCO-Filme ist die optische Eindringtiefe um einen Faktor 2 bis 10 kleiner. Daher ist eine Absch¨atzung der Temperaturerh¨ohung mit der Annahme, dass die gesamte Energie des Laserpulses ¨uber die ganze Schichtdicke d homogen absorbiert wird, nur f¨ur die d¨unneren YBCO-Filme (d 330 nm) g¨ultig. Durch die Absorption der Energie des Laserpulses wird der Probe eine W¨armemenge ∆Q zugef¨uhrt, die zu einer Temperaturerh¨ohung ∆T f¨uhrt:

Q=cp(T)mT. (2.23)

Im Gegensatz zur Masse m ist die spezifische W¨armekapazit¨at cp von YBCO stark tem- peraturabh¨angig (Abb. 2.9a). Um die Endtemperatur T zu erhalten, muss die Gleichung 2.23 aufintegriert werden. Zus¨atzlich soll noch ber¨ucksichtigt werden, dass der Tempera- turanstieg unabh¨angig von der durch den Laserpuls bestrahlten Fl¨acheAbestimmt werden soll. Daher ist die zugef¨uhrte W¨armemenge ∆Qdurch die Energiedichte E des Laserpulses und die Masse m durch die Dichte ρ und das Volumen V = A d in Gleichung 2.23 zu ersetzen. Die bestrahlte Fl¨ache hebt sich dann auf beiden Seiten auf und man erh¨alt:

(1−RY BCO)(1−RSubstrat)E=d ρ T

T0

c(T) dT (2.24) Dabei wurde die Temperaturabh¨angigkeit der Dichte ρ von YBCO aufgrund des f¨ur die Berechnung relevanten kleinen Temperaturbereiches vernachl¨assigt. Durch die teilweise ReflexionRdes Laserpulses an dem ¨Ubergang Vakuum/Substrat und dem ¨Ubergang Sub- strat/YBCO wird die Energiedichte E des Laserpulses auf der linken Seite von Gleichung 2.24 um einen Faktor verkleinert. Der Reflexionsgrad RY BCO an dem ¨Ubergang von Sub-

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