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SÜNDIGE WERKE VOM HEILIGEN TRESEN

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Academic year: 2022

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Monatszeitschrift für Luzern und die Zentralschweiz mit Kulturkalender N

O

1 2 Dezember 2 0 1 3 CHF 8.– www .null 4 1.ch

SÜNDIGE WERKE VOM HEILIGEN TRESEN

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“EIN MEISTERSTÜCK AKRIBISCHER AUSSTATTUNG, SENSIBLER NOSTALGIE UND GRANDIOSER KOMIK.”

DER SPIEGEL

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Museum für Kommunikation Helvetiastrasse 16 3005 Bern www.mfk.ch

1. Tor schiessen

2. losrennen

3. auf die Knie fallen

4. Leibchen über den Kopf ziehen

Design www.s-b.ch

6. bis 8. Dezember 2013 Der Event für stimmungsvolle Shopping-, Kultur- & Adventstage rund ums Thema Design.

www.designschenken.ch

Partner Ein Event von

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EDITORIAL

Martina Kammermann kammermann@kulturmagazin.ch

FRISCH GEZAPFT

Wo Kultur gemacht wird, wird auch diskutiert, ge- lacht, gezweifelt, Klatsch ausgetauscht, sich aufge- regt, auf den Tisch gehau- en, gestritten, das Herz aus-

geschüttet, getröstet, abgeschweift, gefeiert und auch mal eins über den Durst getrunken. Und dies alles besonders gern im «Magdi». Das St. Magdalena an der Eisengasse empfängt bereits seit dem Jahr 1803 Gäste und ist wohl eine der ältesten noch existieren- den Beizen Luzerns. Vor 25 Jahren übernahmen Car- los Eichmann und Ruedi Zimmermann das Ruder.

Sie haben der ursprünglichen Spunte das Spuntige bis heute gelassen, aber auch vieles verändert und er- neuert und das Magdi mit viel Leidenschaft zu einem Zuhause der vielen gemacht: Schräge Vögel, studierte Besserwisser, arme Schlucker, stinknormale Büeze- rinnen, Künstler und Kulturtäterinnen aller Art und allen Alters gehen in der Bar ein und aus oder sitzen zusammen in der Stube im ersten Stock, die so schön urchig ist, aber eben doch ein bisschen abgehoben.

«Eine Beiz lebt von Ge- schichten und für Geschich- ten braucht es Zeit – Zeit, die wir heute nicht mehr haben», schreiben Carlos und Ruedi auf ihrer Web- site. Stimmt, finden wir. Und wollten den vielen Geschichten, die sich im Magdi verbergen, auf den Grund gehen. So haben wir unser Dezemberheft als kuratierte Nummer Carlos und Ruedi in die Hän- de gegeben. Gemeinsam mit ihren kreativen Gästen und mit der Unterstützung des Journalisten Pirmin Bossart haben sie den Kulturkosmos Magdi auf 24 Seiten gebannt. Sie bilden den Hauptteil dieses Hefts und sind zugleich ein eigenständiges Kunstwerk – ei- nes zum Verweilen, Herausnehmen, Aufhängen und Weiterschreiben.

Bild: Im Magdi

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INHALT

Bild: Illustration aus «Die grosse Flu von Evelyne Laube und Nina Wehrle

22 HEITER UNTERWEGS

Die Luzerner Band Penguins by Choice liefert ein klasse Debüt.

KOLUMNEN

6

Gabor Feketes Hingeschaut

7

Lechts und Rinks: Zur Nulltoleranz

10 Gefundenes Fressen: Kaviar aus dem See 28 11 Fragen an: Julia Furrer

29

Kämpf / Steinemann

86 Käptn

Steffis Rätsel

87 Vermutungen

SERVICE

13 Kunst.

Neues Buch von Niklaus Oberholzer

16 Wort.

Die Debatte um Krachts «Imperium»

19 Kino. Klassenwechsel mit Woody Allen 23 Musik.

Russische Musik im Doppelpack

25 Bühne.

Georg Schramm zum Letzten

30 Kids. Ein Innerschweizer Kinderbuch 58 Kultursplitter.

Tipps aus der ganzen Schweiz

84 Namen / Notizen / Preise / Ausschreibungen 85 Impressum

KULTURKALENDER 31

Kinderkulturkalender

57 Veranstaltungen 79 Ausstellungen

Titelbild: Juliette Ueberschlag

14 PREISGEKRÖNTES GEWIMMEL Zwei Luzerner Illustratorinnen erzählen die Geschichte der Arche Noah neu.

11 MEHR ALS EIN LÜCKENFÜLLER Eine Einschätzung zur Rösslimatt-Planung.

PROGRAMME DER KULTURHÄUSER 60 ACT

62 HSLU Musik / Kleintheater 64 LSO / Luzerner Theater 66 Südpol / Zwischenbühne

68 Chäslager Stans / Stadtmühle Willisau 70 Stattkino

72 Romerohaus 74 Kulturlandschaft

78 Kunsthalle Luzern / Museum im Bellpark 80 Natur-Museum Luzern / Historisches Museum 82 Kunstmuseum Luzern

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SCHÖN GESAGT

MARTIN ZIMMERMANN (IM MAGDI-SPEZIALTEIL)

GUTEN TAG AUFGELISTET

GUTEN TAG,

NORBERT SCHMASSMANN

Verwundert rieben wir uns die Augen, als wir die Ergebnisse der Studie erfuhren, die deine VBL in Auftrag gab: Wenn die VBL-Busse vom einen auf den anderen Tag verschwänden, würden plötzlich stündlich über 7000 Autos mehr über die Seebrü- cke fahren – und es käme zum totalen Verkehrs- kollaps. Der lokale Radiosender mit der «besten»

Musik verkündete die Nachricht analog einer dringenden Sondermeldung. Dass es ohne ÖV mehr Autos auf den Strassen gäbe, das hätten wir nun wirklich nicht gedacht. Aber zum Glück ist das ja nur ein hypothetisches «Horrorszenario».

Vielen Dank, dass wir nach dieser Aufklärung wieder ruhig schlafen können. Obwohl – da sind ja noch die Antennen. In deinem kürzlich einge- gebenen Postulat hast du ein Verbot von Mobil- funkantennen in Kirchtürmen gefordert. Und möchtest damit offenbar ganz nach dem Motto der unbefleckten Empfängnis auch den Empfang von jeglicher sündigen Rasanz befreien. Ansons- ten würde die ganze Kirche in Sippenhaft gera- ten. Das war sogar der Kirche selbst zu unsäkular.

Hallelujah.

Busfahrend, 041 – Das Kulturmagazin

Was sich wer auf Weihnachten wünscht:

- Die Luzerner Polizei:

ein neues Image

- Die Confiserie Bachmann:

die Weltherrschaft - Johnny Burn:

eine neue Strumpfhose

- Die FDP: Bratwurstgutscheine - Das Neubad:

mehr Schwimmer im Becken - Der Kanton Luzern:

ein Wirtschaftswunder GUTEN TAG, MAURUS ZEIER

«Dass ich hier bin, heisst noch lange nicht, dass ich später in die Politik gehe», sagtest du vor zehn Jahren als Präsident des Luzerner Kinderparla- ments, das heuer sein 20-Jähriges feiert, in die Kamera. Nun ist es doch so gekommen, du hast eine steile Polit-Karriere hingelegt, und vor der Kamera stehst du immer noch gern: Als Präsident der Schweizer Jungfreisinnigen durftest du kürz- lich bei Giaccobo/Müller auftreten. Dort sprachst du dich für das Bankgeheimnis, das Ansteigen der Meere und das Tragen von Anzügen aus und be- kamst sogar noch eine Bachelor-Rose. Das ent- lockte dir einmal mehr dein – sagen wir mal – spe- zielles Lachen. Wir gratulieren. Müssen aber sagen: Als du dich noch für Spielplätze und Efeu- Labyrinthe eingesetzt hast, hast du uns besser ge- fallen. Das Kind im Manne ist aber noch nicht ganz weg: Für Wasserpistolen bist du immerhin noch immer zu begeistern, wie wir auf Twitter lesen.

Charmant, 041 – Das Kulturmagazin

«Von da an wusste ich, dass ich den

Alkohol nicht zum Gegner, sondern zum Freund haben wollte.»

Bio-Hofl aden Mättiwil St. Niklausen / Luzern Freitag 14–19 Sa 8–13 durchgehend Bio-Metzgerei Moosmatt

Moosmattstr. 17, Luzern Di–Fr 8.30–12.15 / 14–18.30 Sa 8–16 durchgehend

Ueli Hof

www.uelihof.ch Bio-Metzgerei Meggen

Am Dorfplatz 1, Meggen Di–Fr 8.30–12.15 / 14–18.30 Sa 8–16 durchgehend

Natürlich Bio: Luzern, Meggen, St. Niklausen.

KARTON

Architektur im Alltag der Zentralschweiz

KARTON 29erscheint am 20. Dezember 2013 und widmet sich heiligen Hallen.

Die Autorenschaft KARTONfreut sich ausserordentlich, von der Stiftung «Luzern – Lebensraum für die Zukunft» mit dem Lebens - raum-Preis 2013 ausgezeichnet zu werden.

Der Preis wird am Donnerstag, 9. Januar 2014, 19.30 Uhr, in der Maihofkirche Luzern übergeben. Der Anlass ist öffentlich.

www.kartonarchitekturzeitschrift.ch; www.stiftungluzern-quer.ch

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Diese Fotografie stammt noch aus der grauen Analogzeit (die gar nicht so grau war!). Ich machte meine üblichen Spaziergänge in meiner Heimatstadt Budapest. Zum Schwimmen – das geht in Bu- dapest ganz hervorragend – besuchte ich regelmässig auch die In- sel Margit-Sziget. Da flanierte ich also langsam wie ein verlorener Dackel herum und fotografierte in der Sonne badende, halbnackte Schönheiten, schlafende Rentner, Verstecken spielende Kinder … und dann traute ich meinen Augen nicht: Da tauchte aus dem HINGESCHAUT

Manager-Catwalk

Nichts dieser junge Mann mit seinem (damals modischen) Mana- ger-Koffer auf. Was für eine Offenbarung! Es geht aufwärts mit Ungarn, dachte ich. Sogar in der Freizeit arbeiten die Topkräfte!!!

Aber das glaube ich immer noch nicht ganz. Der Gulaschkapi- talismus ist immer noch recht merkwürdig und hat eine komi- sche, trübe Farbe angenommen.

Bild und Text Gabor Fekete

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LECHTS UND RINKS

Lächerliche Nulltoleranz

Wer im ÖV kein Ticket hat, wird zur Kasse gebeten. Juristisch ist das korrekt, auch wenn dabei teils jegliches Augenmass verloren geht.

Christine Weber, Illustration: Stefanie Dietiker

Der achtjährige Milo steigt in den Bus vor

seiner Wohnung und fährt zwei Stationen, um eine Besorgung für seine Mutter zu machen. Es ist eine der ersten Fahrten, die er alleine machen darf. Dann steigen meh- rere Kontrolleure zu. Tickets vorweisen.

Der Kleine zückt stolz seine Juniorkarte.

Seine Mutter hat sich informiert, wie das hier funktioniert mit den Tickets, und die- sen Pass gekauft. Dummerweise spricht sie schlecht Deutsch, was Menschen aus an- dern Kulturen passieren kann. Darum hat sie etwas Wesentliches übersehen. In die- ser Juniorenkarte steht nämlich: Kinder fahren gratis in Begleitung eines Eltern- teils. Alleine unterwegs, müssen die Kids ein normales Ticket lösen. Bei Milo war keine Mutter, kein Vater dabei – also gibt das eine Busse. Und zwar eine saftige: 100 Franken werden dem Achtjährigen wegen Fahren ohne gültigen Fahrausweis ausge- stellt. 100 Franken! Das lässt jegliches Au-

genmass vermissen. Nicht nur wegen des Geldes. Milo wurde vor allen anderen blossgestellt, ohne dass er wusste, was er falsch gemacht hat. Dabei war er stolz, die- se Stationen selber unter die Räder zu neh- men und hatte ja diesen Pass dabei. Das muss ein Missverständnis sein, das lässt sich bestimmt klären. Also telefonieren wir mit den VBL.

Ich: Es war der Mutter nicht bewusst, dass die Karte nur in Begleitung gültig ist.

VBL: Das ist nun mal so, das gilt für alle.

Ich: Sie hat das nicht verstanden, weil sie kaum Deutsch kann.

VBL: Es sprechen viele nicht Deutsch.

Ich: Eben.

VBL: Wir können nicht auf alle Rücksicht nehmen.

Ich: Schon klar. Aber ein Kind, hallo?!

VBL: Ich schau mit dem Chef, was er meint.

Ein paar Tage später.

VBL: Wir sind kulant und reduzieren die Busse von 100 auf 50 Franken.

Ich: Immerhin, danke. Aber warum verrechnen Sie nicht den Betrag für «Reisende mit teilgülti- gem Fahrausweis» – er hatte ja den Pass? Da wäre die Busse nur 70 Franken, das würde mit der VBL-Kulanz noch 35 Franken machen.

VBL: Die Juniorenkarte ohne Begleitung gilt als «Reisen ohne gültigen Fahraus- weis», nicht als «Reisen mit teilgültigem Fahrausweis».

Ich: Das ist unlogisch. Aber dafür sind Sie ja nicht verantwortlich.

VBL: Genau.

PS: Ticket verloren, zu spät für den Au- tomaten oder falsche Zone gelöst im ÖV.

Machen Sie das auch extra und mit böser

Absicht? Ich auch nicht.

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AKTUELL

Stadtmühle sucht neue Nutzung

Gleis 13 macht Pause

Mit jährlich rund 40 Veranstaltungen in visueller Kunst, Literatur und Kulturgeschichte hat sich die Stadtmühle Willisau in den letzten Jahren als regionales Kulturzentrum zu profilieren ver- sucht. Sie wurde als Bereicherung und Ergänzung der kulturellen Vielfalt von Willisau konzipiert – doch das ist offenbar nicht be- friedigend gelungen: Die Albert Koechlin Stiftung hat angekün- digt, dass sie die Leistungsvereinbarung mit der Stiftung Stadt- mühle Willisau nur noch bis Ende 2015 verlängert. «Die Leute in der Stadtmühle haben gute Arbeit geleistet. Aber es ist uns zu we- nig gelungen, die Stadtmühle lokal zu verankern und dadurch auch Sponsoren und weitere Finanzierungsbeiträge zu gewin- nen», sagt Peter Kasper, Stiftungsratspräsident der Albert Koech- lin Stiftung.

Die Stiftung hat die Stadtmühle 1998 erworben und sie nach einer umfassenden Renovation 2002 als regionales Kulturzen- trum eröffnet. Für den Betrieb wendete die AKS seitdem jedes Jahr 460 000 Franken auf, laut Kasper «rund ein Viertel unseres Kulturbudgets». Gemessen am Auftrag, der gesamten Inner- schweiz verpflichtet zu sein, sei das ein ansehnlicher, um nicht zu sagen überdurchschnittlich hoher Betrag. Kommt dazu, dass die Besucherzahlen nicht wirklich befriedigend waren. 2012 waren das 1900 Personen – bedeutend weniger als in den ersten Jahren.

«Veranstaltungen mit regionalen Kunstschaffenden werden sehr gut besucht. Aber wir können nicht jedes Mal nur Willisauer Künstler ausstellen», sagt Franz Peter, Stiftungsratspräsident Stadtmühle Willisau. Peter nimmt den Entscheid der Albert

Die Albert Koechlin Stiftung (AKS) unterstützt den Kulturbetrieb in der Stadtmühle Willisau noch bis Ende 2015. Und dann: eine weitere Kulturleiche? Das möchte die Stiftung auf jeden Fall verhindern.

Koechlin Stiftung mit Bedauern zur Kenntnis, «aber wir müssen das akzeptieren».

Verkauf? Schenkung?

In der nächsten Zeit will der Stiftungsrat mit den Behörden und Vertretern vor Ort Verhandlungen führen, wie die Stadtmühle nach 2015 in eine neue Zukunft geführt werden könnte. «Die Idee wäre es, in der Stadtmühle aus einer lokalen Basis heraus etwas Neues entstehen zu lassen und sie einer Nutzung zuzuführen, die aktuellen Bedürfnissen entspricht. Wir würden die Stadtmühle gerne zur Verfügung stellen», sagt Kasper. Dabei seien sämtliche Optionen offen, vom Verkauf über eine Vermietung bis zu einer Schenkung des Gebäudes. Auch eine kommerzielle Nutzung ist laut Kasper nicht ausgeschlossen, wenn sich keine andere Nut- zungsform findet.

Das kommende Jahr ist weitgehend geplant. Ein Schwerpunkt ist eine Ausstellung junger regionaler Kunst, die in Zusammenar- beit mit dem Sankturbanhof Sursee, dem Kunsthaus Zofingen und dem Entlebucher Kunstverein durchgeführt wird. Auch das in der Stadtmühle angesiedelte Künstleratelier ist bereits bis Ende 2015 vergeben. Für das Programm und den Betrieb der letzten zwei Jahre ist Interimsleiter Urs Bugmann verantwortlich, ehe- maliger Literatur- und Theaterkritiker der Neuen Luzerner Zei- tung.

Pirmin Bossart

Die Betreiber des Lokals Gleis 13 an der Lindenstrasse Luzern/

Reussbühl haben vor rund eineinhalb Jahren ein neues Projekt ins Leben gerufen: 200 Gigs im Gleis 13. Mehrmals wöchentlich sollten nationale und internationale Künstler im kleinen Club am Luzerner Stadtrand auftreten. Das war ambitioniert. Und wie sich jetzt herausstellt, nicht kostendeckend: «Wir legten jeden Monat ein paar Tausender drauf. Leider hat das Projekt nicht genügend Gäste angesprochen», sagt Elias Schneider von der Sinnvoll Gas- tro, die das Lokal seit 2010 betreibt. Darum wird das Projekt «200 Gigs im Gleis 13» am 21. Dezember mit einem Konzert frühzeitig abgeschlossen und Geschäftsführer Manfred Roosens wird seinen

Posten verlassen. Was anschliessend im Gleis 13 passiert, ist noch offen, vorläufig bleibt es eine Weile zu. In der Pipeline sind jedoch schon neue Ideen: «Möglich wäre eine Zusammenarbeit mit der Hochschule oder mit der Stadt», sagt Schneider, aber momentan sei alles noch offen. «Ob Gourmetlokal oder Tattoo-Studio, es ist alles möglich», so Schneider. Auf jeden Fall aber soll es etwas In- novatives sein, das gut ins Quartier passt. Mit Ideen kann man sich jederzeit bei ihm melden. (web)

Konzert: Lucerne Gang, SA 21. Dezember, 21 Uhr, gleis13 Luzern/Reussbühl

Ideen an: elias@sinnvollgastro.ch

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AKTUELL

Das BaBel-Quartier handelte man bis anhin als so etwas wie den Geheimtipp der Luzerner Ausgehkultur. Mit der nahen Kunst- hochschule und den billigen Immobilienpreisen birgt die Gegend tatsächlich das Potenzial, Luzerns neue Ausgangsmeile zu wer- den. Zu festen Werten für Partygänger zählen das Madeleine und nebenan die Bruch Brothers Bar. Die Gewerbehalle und die Bar Berlin gegenüber ziehen vermehrt Kulturpublikum an und halten sich mit mehr oder weniger gut besuchten, qualitativ hochwerti- gen Konzerten und Partys über Wasser. Nach der Eröffnung eines neuen Clubs an der Baselstrasse Ende November gesellt sich eine weitere Lokalität dazu. Der BaBel-Hype wächst.

Der Klub Kegelbahn will weder konzeptionell noch program- matisch «auf einer bestimmten Schiene fahren», wie Initiant und Clubleiter Raphael Märki sagt. Es sei ein Haus im Entstehen und soll es vorerst auch bleiben. Der 31-jährige selbstständige Tontech- niker hat unter anderem im Sedel bereits Partyreihen veranstal-

Ein Club mehr an der Baselstrasse

Am 6. Dezember eröffnet an der Haldenstrasse 11 in Luzern die Galerie Bernheimer Fine Art. Sie ist ein Ableger der renommier- ten Bernheimer Fine Art Photography in München, die sich auf die Fotografie des 19. und 20. Jahrhunderts spezialisiert hat:

Schwerpunkte sind Klassiker der Schwarz-Weiss-Fotografie wie Lucien Clergue, Irving Penn oder Robert Mapplethorpe und ande- rerseits jüngere Künstler wie Veronica Bailey, Mat Hennek oder Annie Leibowitz. Die Fotogalerie ist dem ehemaligen Münchner Kunsthandelshaus Bernheimer entsprungen. Dieses bediente um die Jahrhundertwende den europäischen Hochadel mit Teppi- chen, Stoffen und Antiquitäten – in den 1920er-Jahren auch in einer Niederlassung in Luzern. Während des Nationalsozialismus musste die Familie Bernheimer in die USA emigrieren, nach dem Zweiten Weltkrieg aber nahm sie den Kunsthandel wieder auf. Ab den 1970er-Jahren begann sie, sich auf den Handel mit Altmeis- tergemälden des 16. bis 19. Jahrhunderts zu konzentrieren, und vor rund zehn Jahren kam die Fotografie als neuer Bestandteil hinzu. Die Galerie in Luzern wird mit der Ausstellung «Augenbli- cke der Photographie» eröffnet, die Werke von internationalen Grössen wie Host P. Horst, Nick Brandt und anderen zeigt. (mak)

«Augenblicke der Photographie», 6. Dezember 2013 bis 8. Februar 2014, Bernheimer Fine Art, Luzern.

Münchner Galerie kommt nach Luzern

tet, und ist somit in der Clubszene kein Unbekannter. Ausserdem liegt die Leidenschaft fürs Nachtleben in der Familie: Sein Bruder betreibt mit einer Eventagentur unter anderem das Casineum.

In seinem eigenen Klub Kegelbahn will Raphael Märki in ers- ter Linie darauf achten, dass konstant guter DJ-Sound sowie Live- Konzerte mit ansprechenden Künstlern geboten werden. Von Donnerstag bis Samstag ab 22 Uhr sollen abwechselnd eintritts- pflichtige und kostenlose Disco- bzw. Konzertabende für den rich- tigen Groove sorgen. Das knalligfarbene Interieur liefert schon mal den Grundstein für einen unkonventionellen Auftakt. Und vielleicht auch ein Gegenpol zum mittlerweile etwas allzu gleich- förmig pumpenden Deep & Tech House-Brei der Stadt. Wir sind gespannt. (hei)

Klub Kegelbahn: Baselstrasse 24, im unteren Stock des Crazy Cactus Grill-Take-Away.

Der Kunstraum Vitrine in Luzern schliesst seine Türen kurz vor Weihnachten endgültig, und somit geht ein siebenjähriges Herz- blut-Projekt zu Ende. «Nach 65 Ausstellungen muss ich sagen, jetzt ist es gut und genug», sagt Betreiberin Evelyne Walker. Sehr wichtig war der Kuratorin, dass ihr Raum an der Kellerstrasse der Kunst erhalten bleibt, und dem ist auch so: Der Luzerner Künstler Beat Bracher wird darin im kommenden Januar die neue Galerie K25 eröffnen. Das Schwergewicht des K25-Programms liegt auf Malerei und Zeichnung, es werden aber auch Installationen, Foto- grafien oder Videos zu sehen sein. Den Auftakt des neuen Kunst- raums gestaltet der Luzerner Künstler Bruno Murer ab 10. Januar mit der Ausstellung «feldstechen».

Vitrine-Gründerin Evelyne Walker arbeitet derweil bereits an einem neuen Projekt. Im kommenden Frühling wird sie in der Stadt Luzern einen neuen Kunstraum mit Namen «Galerie Vitri- ne» eröffnen – das Konzept ist aber noch in Arbeit, deshalb wer- den noch keine Details verraten. (mak)

Ausstellung: «Aufgekratztes. Abgekratztes.», Felix Kuhn, noch bis 22. Dezember, Kunstraum Vitrine.

Kunstraum Vitrine

wird zu K25

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GEFUNDENES FRESSEN

Schwedisches aus dem Vierwaldstättersee

als Zehntenabgabe an die Klöster. Die Ob- rigkeit besass die wichtigsten Fischerei- rechte. Auch in der Innerschweiz gibt es eine Kaviar-Spezialität zu finden: Löjrom, der Rogen vom Löja, dem schwedischen Pendant des hiesigen Albeli. Am Vierwald- stättersee wird dieser Albelikaviar jeden Winter vom Fischer Nils Hofer produziert.

Hofers Mutter stammt aus Schweden.

«Meine Wurzeln habe ich hier, in Meggen am See, mein Herz aber ist oft in Schweden zu Gast.» In der Schweiz aufgewachsen als Spross einer Fischerfamilie, verbrachte er seinen Urlaub als Kind meist in Schweden.

Nicht nur das Heimweh hat die Familie auf

«Es muss nicht immer Kaviar sein.» Hat niemand behauptet, lieber Herr Simmel.

Ungeachtet der Tatsache, dass im Roman des österreichischen Autors über «die toll- dreisten Abenteuer und auserlesenen Kochrezepte des Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven» der Protagonist seine unzähligen Frauenbekanntschaften eben auch mit dem Störrogen zu verführen mag, gibt es valable Alternativen zum klas- sischen Kaviar. Seit jeher auch in der Schweiz: Am Bodensee werden Felchen mitsamt dem Rogen geräuchert, um dann als «Gangfisch» den Weg auf die Teller zu finden. Früher ging diese Delikatesse meist

dem Weg zurück in die Schweiz begleitet, auch die nordschwedische Kaviar-Speziali- tät lag mit im Gepäck. Der Berufsfischer besitzt eine Laichfangbewilligung. Mit die- ser darf er zwecks Zucht die Fische auch während der Schonzeit fangen. Dem weib- lichen Albeli wird noch auf dem Boot der Rogen entnommen und dieser befruchtet.

Nicht in allen Fischen aber liegt bereits be- fruchtungsfähiger Rogen. Der unreife Ro- gen wird von Hofer nach schwedischer Art weiterverarbeitet: gut gewaschen, einge- salzen und nach ein paar Stunden ruhen als «Löjrom» verkauft. Wunderbar zart schmeckt der Kaviar aus dem Vierwald- stättersee und passt bestens zu Kartoffeln, gerieben oder gestampft, zu Toast und auch zu roten Zwiebeln und Sauerrahm.

Tipp fürs Weihnachtsmenü: Kartoffel- stock mit einer anständigen Portion ge- bräunter Butter mischen, mit einem Kleks Sauerrahm und einem grossen Löffel Löjrom servieren. Der Albelirogen von Nils Hofer wird ohne Konservierungsstoffe her- gestellt, hält frisch einige wenige Tage, lässt sich aber im Gegensatz zu anderen Fisch- eiern problemlos einfrieren und sorgt so- mit auch nach Neujahr immer wieder für ein wenig Weihnachten. Und bei Nils Hofer für Heimatgefühle.

Text und Bild Sylvan Müller

Das Ladencafé für Weihnachtsessen oder Apéros.

w w w . m e z z o - e s s k u l t u r . c h

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muhle sarnen

die Gaststube

Das Bio-Restaurant der Zentralschweiz

Löjrom von Nils Hofer, Benzeholzstrasse 20, 6045 Meggen, 041 377 11 58

Dienstag, Freitag und Samstag am Luzerner Markt unter der Egg, am Samstag auch am Markt am Helvetiaplatz.

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BAU

Es kommt nicht häufig vor, dass eine Stadt planvoll wächst. In der Regel sind es die Me- chanismen der freien Immobilienwirtschaft, die bestimmen, wo und was gebaut wird. Das Resultat ist meist ein Siedlungsbrei von mässi- ger Qualität. Luzern hat das im Lauf seiner Ge- schichte immer wieder erfahren und daraus gelernt: Ab 1865 wurde mit dem Hof- und Wey- quartier zwischen See und Löwenplatz erstmals ein Stadtteil nach einer städtebaulichen Ge- samtplanung angelegt. Der Entwurf stammte vom Luzerner Stadtbauinspektor Samuel Senn.

Das Hirschmatt-, Neustadt- und Bruchquartier wurden dann ab 1897 nach dem Stadtbauplan

«der Zukunft» der Luzerner Heinrich Meili- Wapf und Robert Winkler bebaut. Einen weite- ren Meilenstein stellt die Tribschenstadt dar, die seit 1990 von der Zürcher Architektenge- meinschaft Kündig, Hubacher, Bickel entwi- ckelt wird. Und nun also die Rösslimatt.

Mit rund 50 000 Quadratmetern gleich hinter dem Bahnhof stellt das Areal die letzte grosse innerstädtische Freifläche dar.

Aufgrund des Siedlungsdrucks und des Gebots der inneren Ver- dichtung bietet es sich für die Entwicklung eines neuen Stadtquar- tiers an. Also haben sich die SBB als Grundeigentümer mit den Stadtbehörden an einen Tisch gesetzt und es wurde ein Studien- auftrag mit sechs Architekturbüros aus der ganzen Schweiz durch- geführt. Es ging dabei nicht um ein konkretes Bauprojekt, sondern um eine städtebauliche Gesamtplanung, auf deren Grundlage in den nächsten Jahren präzise eingezont und schliesslich gebaut werden soll. Gewonnen hat das Team des Berner Architekten Rolf Mühlethaler.

Der für Luzern charakteristische Blockrand stellt die robuste Grundstruktur seines städtebaulichen Konzepts dar. Das neue Quartier wird so gleichsam in den näheren Kontext wie auch in das übergeordnete Stadtbild eingebettet. Die Prägnanz des ortho- gonalen Musters verweist auf das Ganze, das Tribschenquartier zusammen mit der Neustadt und letztlich Luzern. Die Blöcke set- zen sich aus einzelnen, in ihrer Architektur unterschiedlichen und dennoch harmonisierenden Häusern zusammen. Das neu entste- hende Quartier erhält somit ein lebendiges und bewegtes Gesicht, worin sich die angestrebte Urbanität und Nutzungsvielfalt wider- spiegeln. Das erhaltenswerte, 1905 erbaute Wohnhaus an der Güterstrasse 7 wird auf selbstverständliche Weise in die Randbe- bauung integriert. Auch die Schüür und weitere Kleinbauten vor- ne an der Langensandbrücke bleiben als Erinnerung an die ur- sprüngliche Bebauung. (In Kulturkreisen wird befürchtet, dass

Die SBB planen in der Rösslimatt ein neues Stadtquartier. Das städtebauliche Grundmuster ist vielversprechend.

Ein neues Stück Luzern

künftige Anwohner mit Lärmklagen die Schliessung der Schüür erwirken könnten. Die Baudirektion und SBB glauben aber, dass es durch guten Lärmschutz zu keinem zweiten «Fall Boa» kom- men wird, auch da das Gebiet keine reine Wohnzone sein wird.)

Der über 200 Meter lange, die Geleise begrenzende Längsbau steht repräsentativ für das neue Rösslimattquartier. Das «Lange Haus» ist Sinnbild und Bekenntnis zugleich zu einer dem Ensemb- le verpflichteten und gleichwohl spezifischen Architektur. Die Neustadt findet darin über die Geleise hinweg ihr neues urbanes Gegenüber. Diese «Dienstleistungsfabrik», die einem Bedürfnis nach grossen, zusammenhängenden Büroflächen entspricht, inte- griert sich trotz ihrer gewaltigen Ausmasse überraschend gut in das Stadtbild Luzerns.

Das vorgeschlagene Hotelhochhaus im Inneren des neuen Stadtviertels ist mit 40 Metern moderat höher als die übrige, sechs- geschossige Bebauung. Mit seiner Binnenstellung ist die Ausstrah- lung in die Stadt bescheiden, im Quartier jedoch bildet das Hohe Haus zusammen mit dem Langen Haus eine unverwechselbare, spannungsvolle Komposition.

Gegenüber den fünf weiteren städtebaulichen Entwürfen be- sticht das Siegerprojekt durch seine Einfachheit und Prägnanz. Das vorgeschlagene städtebauliche Grundmuster hat das Potenzial, in den nächsten 15 Jahren ein echtes Stück Luzern zu werden. – Dass der feinfühlige Architekt bei seinen Namensvorschlägen für die neuen Quartierstrassen nicht bemerkt hat, dass es in Luzern be- reits eine Rössligasse gibt, sei ihm verziehen.

Peter Omachen

Die letzte Lücke wird geschlossen: So könnte das künftige Rösslimatt-Quartier aussehen. (Visualisierung PD)

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KUNST

Magische Bibliotheken

Der Londoner Künstler Adam Dant ist ein Liebhaber der klassi- schen Druckkunst, und so finden Bücher und Bibliotheken in sei- nen Bildern immer wieder zu visuell neuen Ausformungen. Im jüngsten Zyklus unter der Überschrift «Bibliopolis» beschäftigt sich Dant vertieft mit der Bibliothek als Bücherspeicher, worin nicht nur das Wissen gesammelt, sondern die Welt an sich konsti- tuiert ist.

Die Welt als Bibliothek ist ein klassischer Topos. Adam Dant greift zwei antithetische Formen davon auf: zum einen die Bibel des Heiligen Hieronymus, in der das Wort Gottes zum Weltgesetz wird; zum anderen Jorge Luis Borges' Vision einer «Bibliothek von Babel», in der alle möglichen Texte in strengster mathemati- scher Ordnung aufgehoben sind. Von Hieronymus und Borges ausgehend entwirft Adam Dant eine Reihe von imaginären Bib- liotheken, um mit ihnen, wie er sagt, «die bizarren, fantastischen und trügerischen Aspekte dieser Dichotomie zu illustrieren». Sol- che Bibliotheken lassen sich an erstaunlichen Orten finden, im Kopf so gut wie in der Londoner City. Sie sind fiktiv, also beweg- lich und flüchtig, zugleich allgegenwärtig.

Adam Dant liebt das versponnen Anekdotische, und er spielt gerne mit der Tradition. In seinen Bildern finden klassische Iko- nographie und subtile Zeichnung zu einer stupenden Einheit. Der

Zeichner erweist sich dabei als Magier des Fantastischen, der Durchblicke eröffnet und mit wunderbaren Oberflächen bezau- bert. Seine grossformatigen Buch- und Bibliotheksansichten grei- fen die klassische Form des Wimmelbildes auf, das Dant aus der Tradition Boschs und Breughels in die ästhetische Moderne über- führt. Die (Tusch-)Zeichnung erinnert zugleich an die hohe Tra- dition der englischen Bildsatire eines Wiliam Hogarth oder Tho- mas Rowlandson.

Adam Dants Bilder mit ihren Myriaden von Details, Geschich- ten und Anspielungen laden zum Verweilen ein. In kleinsten Mo- tiven konzentrieren sich akkurat festgehaltene Anekdoten und bildliche Wortspiele, die zu entdecken höchstes Vergnügen berei- tet. Dergestalt hat Dant eine Bildsprache entwickelt, die innerhalb des hektischen Anything Goes im Kunstbetrieb eine unverwech- selbare eigene Handschrift verrät und hohen Wiedererkennungs- wert besitzt, wie die Ausstellung «Bibliopolis» in der Galleria Edi- zioni Periferia bezeugt.

Beat Mazenauer

Adam Dant: Bibliopolis. Showroom Galleria Edizioni Periferia, Luzern. Vernissage: SA 7. Dezember, 12 bis 17 Uhr.

Vernissage des Buches zur Ausstellung: 1. Februar, 12 bis 17 Uhr.

Bizarr, fantastisch, trügerisch: Adam Dants «Bibliopolis», 2012. Bild zvg

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KUNST

Die Kunstszene ausgeleuchtet

Ein Kunstkritiker, 27 Gespräche mit Künstlerinnen, Künstlern und Kunstvermittlern. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser simplen Ausgangslage mag man das neue Buch von Niklaus Ober- holzer «Stille Post» nicht mehr aus der Hand legen. Der klare, re- duzierte formale Aufbau erlaubt den unbeeinflussten Fokus auf den aussagekräftigen und vielschichtigen Inhalt. Ein Inhalt, der ein verdichtetes Bild unserer gegenwärtigen Kunstszene, aber auch der Bedeutung von Kunst im Generellen abgibt. Niklaus Oberholzer befragt die Kunstschaffenden ganz konkret nach ih- ren Werken und Schaffensprozessen – und dies jeweils mit einer fundierten Kenntnis des jeweiligen Œuvre im Hintergrund. Seine präzisen, teilweise thesenhaft formulierten Fragen zeugen denn auch vom umfassenden Wissen und der langjährigen, aufmerksa- men Beobachtung des Kunstgeschehens durch den Kulturkritiker.

Gleichzeitig – und hier lässt sich auch der rote Faden der individu-

In seiner neuen Publikation «Stille Post» interviewt Niklaus Oberholzer 27 Innerschweizer Kunstschaffende und geht der grossen Frage nach, was Kunst in der Gesellschaft bedeutet.

ell abgestimmten, unterschiedlichen Rhythmen folgenden Inter- viewsituationen ausmachen – finden sich in jedem Gespräch Fra- gen zu grundsätzlichen, allgemeinen Themenfeldern rund um die gesellschaftliche Komponente der Kunst: Hat die Kunst einen so- zialen Auftrag, wo liegt ihre Funktion, hat sie eine Wirkung in die Gesellschaft hinein? Und worin besteht die angestrebte und effek- tive Rolle, die Aufgabe der Künstlerin, des Künstlers? Diesem über das spezifische Werk hinausgehenden Austausch entsprechend, komplettieren statt Bilder von künstlerischen Arbeiten Fotografi- en der Kunstschaffenden selbst das Buch. Diese Porträts, fotogra- fiert vom Verleger Gianni Paravicini, unterstreichen die Absicht des Autors, «die Künstlerinnen und Künstler selbst zu Wort kom- men zu lassen», wie er im Vorwort schreibt. Herausgekommen ist dabei eine Publikation, die ein differenziertes Bild insbesondere der Innerschweizer Kulturlandschaft und ihrer Protagonisten zeichnet, aber vor allen Dingen daran erinnert, dass es sich lohnt, in der und über die Kunst Fragen zu stellen.

Alessa Panayiotou

Niklaus Oberholzer arbeitete ab 1974 als Kulturredaktor und ist seit 2003 freier Publizist. «Stille Post» ist sein zweites Buch, dass durch den Luzerner Verlag Edizioni Periferia von Gianni und Flurina Paravicini-Tönz herausge- geben wurde. Seine erste Publikation «51 Bilder aus der Zentralschweiz 1972–2008» fokussiert dabei – quasi als Gegenstück zur aktuellen – auf die Kunstkritik zu 51 Kunstwerken.

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ILLUSTRATION

«Jesus! We have won the Grand Prix BIB 2013 at The Biennial of Illustration Bratislava!», freuen sich Nina Wehrle und Evelyne Laube alias «It’s Raining Elephants» auf ihrer Website. Es ist das erste Mal überhaupt, dass der renommierte Preis in seiner 46-jäh- rigen Geschichte einem Schweizer Beitrag zugesprochen wurde, und es ist nicht der einzige, den die beiden für ihre Illustrationen des SJW-Hefts «Die grosse Flut» (2011) erhalten haben.

Wehrle und Laube zeichnen so furchtlos und direkt wie in der Bibel die Geschichte der Arche Noah erzählt wird, und ebenso dicht, düster und voller Poesie. Wie Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel der Ältere wählt das Illustratorinnen-Duo mit gutem Grund das Genre des Wimmelbilds für die Visualisierung des bib- lischen Textes. Ein komponiertes Chaos, das Zeit und Raum auf- hebt und einlädt, sich in den Bildern aufzuhalten und einen eige- nen Weg zu bahnen. Auf die Bündigkeit des Buches wird verzich- tet, die Genesiskapitel 5 bis 8 in eine Klappcover-Schachtel und drei Faltblätter getrennt, die als zwölfseitige Leporellos gelesen werden können und deren Rückseiten aufgefaltet eine Art Tripty- chon bilden. Die erste Szene zeigt den Bau der Arche, auf dem zweiten Teil inszenieren sie die zerstörerische Kraft der Katastro- phe, den Tumult, in dem Menschen und Tiere ohne Halt durchei- nanderwirbeln, schliesslich, drittens, die glückliche, tanzende Wiederkehr der Geretteten auf die Erde.

Komponiertes Chaos

Nicht nur diese drei grossen Kompositionen zeugen von ei- ner mitreissenden Lust an der Vielfalt der tierischen und menschlichen Kreaturen. Spiel- freude beim Komponieren der Szenen und bei der – mal virtuos präzisen, mal gekonnt nachläs- sigen – Ausarbeitung der Details kommt auch bei den kleineren Zeichnungen zum Ausdruck.

Wunderbar, wie die Stimmung in der Genesis 6 innerhalb eines Bildes von fröhlicher und lust- voller Vermehrung unmittelbar zu gewalttätigem und blutigem Kampf kippt, dem Anfang des Verderbens. Als Stütze für die Dramaturgie gibt es aber auch Nahansichten und weniger wim- melnde Bilder: Noah, der über die gottgegebene Aufgabe er- schrickt, das Schiff im Sturm oder ein fast aus den Nähten plat- zendes Bild aus dem Innern der Arche, auf dem sich Robbe, Affe, Hirsch und viele weitere Tiere kreuz und quer aneinanderschmie- gen und dabei ineinanderfliessen, als wären sie eins. Oder die Ge- schlechterfolge nach Adam, an deren Ende Noah steht: eine kun- terbunte Sammlung von wunderlichen Köpfen mit Gesichtern, die Falten über Falten werfen, zwischendurch geisterhaft ver- schwimmen, auch mal einen Penis anstelle der Nase tragen und so das bisweilen fast tausendjährige Alter Adams und seiner Nach- kommen wie auch deren Zeugungslust gut gelaunt ins Bild setzen.

Wehrle und Laube, die beide an der Hochschule Luzern stu- diert haben und in Lengnau, Willisau und Berlin arbeiten, schaf- fen mit ihren schwarz-weissen Handzeichnungen eine eigenwilli- ge Interpretation, die das ungeheure Bild-Potenzial des äusserst knappen biblischen Textes in seiner komisch-kuriosen Fantastik und Dramatik voll entfaltet.

Susanne Gmür

Die grosse Flut. Illustration: Nina Wehrle, Evelyne Laube. SJW Schweizerisches Jugendschriftenwerk, Zürich 2011. 3-teiliges Leporello. Fr. 10.–, ab 9 Jahren.

Lustvolle Vermehrung kippt in den gewalttätigen Kampf: Ein Auszug aus der «Genesis 6». Bild zvg

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ILLUSTRATION

Sex, Drogen und Ländlermusik auf der Achse Altdorf–

Zürich, mit Abstechern nach Lausanne, Basel, Paris und Berlin, das bietet «Wysel» auf etwas über 170 opu- lent bebilderten Seiten. Der Untertitel «Eine Bilderreise in die Flegeljahre der Ländlermusik» verspricht nicht zu viel: Anhand der Karriere des fiktiven Geigers und Jodlers Wysel zeichnen der Autor Franz-Xaver Nager und der Zeichner Lorenz Rieser die Geschichte der Ländlermusik zwischen den beiden Weltkriegen nach.

Wysels Karriere endet 1939 an der Landesausstel- lung in Zürich: Er bricht auf der Bühne zusammen und wird ins Spital eingeliefert. Die Landi war laut Nager auch für die Ländlermusik ein Wendepunkt: Von der anarchischen, offenen und durchlässigen Volksmusik mutierte sie zur identitätsstiftenden Folklore im Dienst der geistigen Landesverteidigung und bediente später, musikalisch erstarrt, die Nostalgie ländlicher Regionen nach der guten alten Schweiz, die es so nie gegeben hatte.

Es gibt gute Gründe, warum sich kulturaffine Städ- ter lange nicht mit der Ländlermusik befassen wollten.

In den letzten etwa zwanzig Jahren hat die Forschung jedoch unser klischiertes Bild der Schweizer Volksmu- sik gründlich gegen den Strich gebürstet – zwischen den Kriegen spielten Amateur- und Profimusiker eine stilistisch vielfältige und nicht ausschliesslich vom Schwyzerörgeli dominierte Tanzmusik, die sich auch in urbanen Zentren wie Zürich, in die viele Inner- schweizer gezogen waren, grosser Popularität erfreute.

Dank Radio und Grammophon wurden die Wysels zu nationalen Stars.

Aus Wysels Lebensgeschichte gestaltete Nager, un- ter anderem der Begründer des Studiengangs Volksmu- sik an der Hochschule Luzern und Leiter des Hauses der Volksmusik in Altdorf, zunächst ein Musical, ehe er sie mit dem Luzerner Illustrator Lorenz Rieser in ei- ner Bildgeschichte umsetzte. In seinen knappen, meist nur eine oder zwei Zeilen kurzen Bildlegenden (in Ur- ner Mundart und Deutsch) erzählt Nager vieles über die Entwicklung der Volksmusik in der Zwischen-

kriegszeit – die grösseren Zusammenhänge liefert er in seinem Vorwort nach. Was der Text nicht vermittelt, übernehmen die Bil- der: Lorenz Rieser setzte diese raue Mär eines kurzen, unsesshaf- ten Musikerlebens in Bilder um, deren lockerer Strich den Groove von Wysels Musik und Leben stilsicher umsetzt. Wie die Ge- schichte unterlaufen auch die ins Düstere neigenden, aber von hellen Farbtupfern belebten Bilder alle folkloristischen Klischees einer guten alten, ländlichen Schweiz.

Sex, Drogen und Ländler

«Wysel» ist eine erfreuliche Lektüre: ein packendes Musikerle- ben, in dem sich auch ein Stück musikalische Spurensuche und Zeitgeschichte spiegelt.

Christian Gasser

Lorenz Rieser, Franz-Xaver Nager: Wysel. Eine Bilderreise in die

Flegeljahre der Ländlermusik. Applaus Verlag, 176 Seiten, 150

vierfarbene Abbildungen, Fr. 34.–

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WORT

Vor eineinhalb Jahren erschien Christian Krachts vierter Roman

«Imperium» und sorgte sofort für heisse Köpfe. Erzählt wird darin die Geschichte des deutschen Aussteigers August Engelhardt, der um 1900 in der Südsee einen Kult um die Kokosnuss begründete und mit dieser romantischen Spinnerei grandios scheiterte. Das klingt nach Abenteuerroman und Südseeromantik, doch Kracht brachte damit ein Thema auf, dass Sprengkraft birgt. Fast beiläufig erinnert er an einen anderen Vegetarier, der nur wenige Jahre später ein «tausendjähriges Reich» begründen sollte. Damit wur- de eine Parallele angeregt, welche die Lektüre unterschwellig kontaminierte und öffentlich provozierte. Dennoch oder gerade deswegen wurde der Roman für die subtile Ironie und seine raffi- nierten Anspielungen hoch gelobt. Im Herbst 2012 erhielt Kracht dafür den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis verliehen.

Eine Stimme störte jedoch gleich zu Beginn diese scheinbare Einmütigkeit. Im «Spiegel» fragte Georg Dietz: «Was will Christi- an Kracht eigentlich?», und orchestrierte seine Skepsis mit einer Reihe von Argumenten, die im Text nicht das überlegene Spiel mit einem vergifteten Thema sehen wollte, sondern eine reaktionäre Gesinnung des Autors selbst. Dazu zitierte er aus einer entlegenen Publikation, einem Mailwechsel von Kracht mit dem obskuren Künstler David Woodard, worin die beiden sich über Altnazis, die Siedlung Germania Nueva oder Nordkorea austauschen. Vor dem Hintergrund einer Relektüre der früheren Bücher Krachts klang das beinahe schon bedrohlich und gipfelte im Verdacht eines anti- modernen Ästhetizismus und dem Schluss, Kracht avanciere zum

«Türsteher der rechten Gedanken».

Damit war eine Kontroverse losgetreten, die sogleich eine Viel- zahl von Reaktionen erzeugte, meist zugunsten von Kracht. Sein Roman wurde in Schutz genommen vor Anfeindungen, die Autor und Erzähler mutwillig gleichsetzen würden.

Literaturkritik auf Metaebene

Diese Debatte hat der Literaturkritiker Hubert Winkels nun in ei- nem Band zusammengefasst. Als der Roman im Februar 2012 er- schien und umgehend von den grossen Feuilletons besprochen wurde, war, so Winkels, «das abstrakte Mündungsgebiet der Auf- regungsströme noch nicht richtig sichtbar». Das hier vorliegende Konzentrat der Debatte versucht die Optik zu erweitern, mit dem Ziel, «die Möglichkeiten einer Literaturkritik in den postideologi-

Christian Kracht erschütterte mit einem Südsee-Ausflug in Buchform den deutsch- sprachigen Literaturjournalismus. Nun folgt die Bestandsaufnahme eines öffentlichen Krimis, der an alten Wunden kratzt.

Ironie oder Ideologie?

schen Zeiten der ästhetisch verschärften Simulationsspiele … und der literarischen Echtheitszertifikate» auszuloten.

So pointiert die Kontroverse von Dietz angestossen wurde, so stereotyp blieben die ersten Antworten darauf – oft im Pathos der Entrüstung. Damit signalisierte das Feuilleton zumindest anfäng- lich, dass es eher zur (künstlichen) Aufregung als zur Differenzie- rung taugt.

Die Debatte gewann an Substanz, als endlich das diskursive Raunen selbst in Augenschein genommen wurde. Jan Süselbeck, Literaturdozent und Redaktionsleiter von literaturkritik.de, fragte nach der Wirkungsästhetik von «Imperium». Eckhard Schuma- cher, Professor für neuere deutsche Literatur, analysierte die Ver- werfungen in der narrativen Struktur, die (historisch) Vorgefun- denes permanent variiert, persifliert und verschiebt: «In diesem Sinn heisst Schreiben bei Kracht immer auch Überschreiben.»

Ist es Wahnsinn oder hat es System? Die Beschäftigung mit

«Imperium» wuchs zu einer Kontroverse eines Unfassbaren. «Auf einen Autor wie Kracht kann keiner bauen», bilanzierte Volker Weidermann von der FAS (Frankfurter Allgemeine Sonntagszei- tung). Mit anderen Worten: Die Leser müssen sich in dem zwi- schen Ironie und Schuld pendelnden Text selbst zurecht finden.

So gereichte die nachvollziehbare Irritation von Georg Dietz am Ende dem faszinierenden «Imperium»-Roman auch zu Ehren.

Beat Mazenauer

Hubert Winkels (Hg.): Christian Kracht trifft Wilhelm Raabe.

Edition Suhrkamp, Berlin 2013.

157 Seiten. Fr. 17.90

Christian Kracht: Imperium.

Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 244 Seiten. Fr. 26.80

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WORT

Schriebe man, der «Gesunde Menschenversand» habe en passant den Poetry Slam in die Schweiz gebracht oder der geschriebenen Mundart zu neuer Blüte verholfen, würde Matthias Burki wider- sprechen. Er ist höchst bescheiden, redet nicht so gerne über sich selber und wenn er über den Verlag spricht, betont er des Öfteren, dass das alles ja nicht so interessant sei. Das ist sympathisch.

Glücklicherweise ist Burki aber ein besserer Verleger als Selbstdar- steller, denn seit nunmehr fünfzehn Jahren gibt es den «Men- schenversand». In dieser Zeit hat sich der Verlag zur Heimat der Schweizer Spoken-Word-Szene entwickelt, nach eigenen Anga- ben 3121 Minuten Ton und 3234 Seiten Wort veröffentlicht. Am 5.

Dezember wird das Jubiläum im Südpol begangen, im Rahmen von Barfood Poetry – diese Reihe hat Burki zusammen mit André Schürmann und Adi Blum im Jahr 2001 ins Leben gerufen. Zu diesem Anlass sprachen wir mit ihm über ...

... das erste Buch

«Wir (Co-Gründer Yves Thomi stieg 2007 aus) hatten schon ein, zwei Heftchen veröffentlicht, aber weil es nicht so recht vorwärts ging, habe ich in diversen Literaturzeitschriften eine Ausschreibung für ein Buch gemacht. Es brauchte einen Titel und ich las gerade Pes- soas ‹Buch der Unruhe›, deshalb nannten wir es ‹Buch der Lange- weile›. Die Idee damals war noch gar nicht, einen Verlag zu grün- den, sondern einfach dieses Buch zu machen. Aber dann hatten wir Texte ausgewählt – vor allem Kurztexte, auch ein paar Comics – und merkten plötzlich, dass wir ja eine ISBN-Nummer, einen Ver- lagsnamen und vieles mehr brauchen.»

... die ersten ernsthaften Ambitionen

«Wir sind nach Berlin an die Deutschen Literaturmeisterschaften gefahren, die eher schon eine Poetry-Slam-Parodie waren, mit Box- ring, Nummerngirls und allem. Das war zwar ironisch, aber uns hat das gut gefallen, es war dann eigentlich die Initialzündung. Danach haben wir zwei Touren durch die Schweiz organisiert, mit deut- schen Slammern und Schweizer Autoren. Die Schweizer mussten wir richtig zusammensuchen, weil hier fast noch niemand so aufge- treten ist. Interessant war, dass einige es einmal ausprobiert haben und dann nichts mehr mit Slam zu tun haben wollten. Dafür sind andere aufgetaucht, die lange dabei geblieben sind. Etrit Hasler und Jürg Halter haben sich zum Beispiel − nur bei Slams möglich −, an der Abendkasse gemeldet und sind aufgetreten.»

Kein Koran auf Berndeutsch

Wie so oft wurde aus Unsinn Ernst. Doch in diesem Fall heisst Ernst nicht Ernst, sondern «Der gesunde Menschenversand». Der Zentralschweizer Verlag feiert in die- sem Jahr seinen fünfzehnten Geburtstag. Wir sprachen mit Verleger Matthias Burki über einige Meilensteine.

... den Schritt zum Hauptberuf

«Das war, nachdem ich beim Magazin aufgehört habe (Burki war von 1999 bis 2008 Chefredaktor beim damals noch vorwahllosen Kulturmaga- zin). Ich hatte das zehn Jahre lang gemacht und hatte Lust, etwas Neues zu riskieren. Und der Verlag lief immer besser: mehr Publika- tionen, mehr Aufmerksamkeit, auch ein bisschen mehr Erfolg. Und vor allem mehr Autoren mit interessanten Spoken-Word-Projekten.

Ich habe mir gedacht, wenn ich jetzt nicht mehr investiere, dann gehen die weg oder haben keine Publikationsmöglichkeit mehr.»

... die beste Idee, die nie zustande gekommen ist

«Der Koran auf Berndeutsch.»

... die schlechteste Idee, die leider zustande gekommen ist

«Wahrscheinlich die Verlagsgründung (lacht).»

Patrick Hegglin

Gala «15 Jahre Menschenversand»: DO 5. Dezember, 20 Uhr, Südpol Luzern. Mit King Pepe & Le Rex, Michael Fehr, Heike Fiedler, Fitzgerald & Rimini, Die Gebirgspoeten, Stefanie Grob, Pedro Lenz, Andres Lutz, Jens Nielsen, Michael Stauffer, Achim Parterre (Moderation) und dem angeblich längsten Büchertisch in der Verlagsgeschichte.

Hat sich der gesprochenen Literatur verschrieben:

Matthias Burki (41).

Bild Mischa Christen

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ERLESEN

PROSA AUF ABDRIFT

Antonin Artauds Diktum, wonach alles

«haargenau in eine tobende Ordnung» zu brin- gen sei, passt auch genau auf diese Prosa. Dieter Zwickys jüngstes Buch «Slugo – ein Privatflug- hafengedicht» winkt schon mit einem Titel, der in Rätseln spricht und sein Geheimnis am Ende vielleicht sogar preisgibt.

Wir landen darin auf einem Privatflughafen:

ein unsicheres Gelände mit Küche, Gemüsespei- cher, Hangar und Vogelschar, das umfriedet ist und von dem der Ich-Erzähler und seine Freun- de zu wagemutigen, vor allem sprachlichen Vol- ten abheben. Mit dazu gehören seine Frau Ju- dith, die kühn auf Türme von Gemüsekisten steigt, der schweigende Sohn Geoffrey, die un- gleichen Brüder Jean und Robert oder das aviati- sche Faktotum Brian.

Die Handlung? Vor einer handfesten Be- schreibung versagt der gute Wille, denn Zwicky geht es nicht darum, eine Geschichte herzuer- zählen, die Anfang und Ende hätte. Viel lieber formuliert er mit Akkuratesse geradezu muster- gültige, formvollendete Sätze, die er virtuos in Nebensätze ausufern lässt und mit poetischem Leichtsinn auflädt, der alle vorgefassten Bedeu- tungen auflockert und unterminiert.

Der Begriff Un-Sinn liesse sich darauf anwen- den, doch nicht im Sinn von Irrtum und Blöd- sinn, sondern als kreative Verneinung der gängi- gen Denkgewohnheiten in den üblichen Satz- schlaufen. In einem Interview, das online nachzulesen ist, hat der Autor seine Prosa so qualifiziert: «Alles ist gelogen, doch alles ist aufs Herrlichste ausgekocht. Mein strengster Koch- lehrer beim Schreiben: eigene Regeln. Das Eige- ne verweist auf dieses bisschen Wahrhaftigkeit in all dem Geflunker ungedeckter Worte.»

Aufhebungen, Verschiebungen und Verzah- nungen drücken Zwickys Prosa ihren Stempel auf. Das ist (weitgehend) wunderlich zu lesen, es öffnet die Sinne für die vielen Zungen, mit de- nen wir sprechen. Doch man sollte sich nichts vormachen. Wo herkömmliche Erzählungen die Lektüre tragen und auch mal eine kleine Absenz auffangen, verliert hier den Faden, wer einen Satz aussetzt. Dieter Zwicky ruft nach hellwa- chen Lesern und Leserinnen. Wer aber seinen Kapriolen folgt, wird intuitiv auf unerfindliche Territorien geführt. Sprache ist eben mehr, als was wir daraus machen. (bm)

Dieter Zwicky: Slugo. Ein Privatflughafengedicht.

Edition Pudelundpinscher, Erstfeld 2013. 160 Seiten.

Fr. 28.–

TOD IM HOTEL SCHWEIZERHOF

Die sansibarische Prinzessin Salme bint Said, 1844 geboren, und der deutsche Kaufmann Hein- rich Ruete verlieben sich, Salme wird schwanger, sie muss fliehen. Die Prinzessin bringt einen Sohn zur Welt, heiratet Heinrich Ruete, wird Christin und nimmt den Taufnamen Emily an.

Auf der Überfahrt von Aden nach Hamburg stirbt das Kind.

Deutschland wird zur neuen Heimat von Emi- ly Ruete. Sie bekommt drei weitere Kinder, An- tonie, Rudolph Said und Rosalie. Und verliert ihren Mann bei einem schweren Unfall. Sie schlägt sich als junge Witwe und ehemalige Muslimin in einer fremden, bisweilen feindseli- gen Gesellschaft durch. Eingespannt in die poli- tischen Ränkespiele Deutschlands und Englands um die Insel Helgoland stirbt sie 1924.

Lukas Hartmanns Roman endet jedoch nicht damit, sondern mit dem Tod von Sohn Rudolph Said 1946 in Luzern, im Hotel Schweizerhof. Zu- sammen mit seiner jüdischen Frau lebte Rudol- ph als Privatier und Philantrop abwechselnd in London und Luzern, er setzte sich leidenschaft- lich ein für die Völkerverständigung. Zuletzt sitzt er alleine im Hotelzimmer. «Und ich? Ich wurde in meinen Zwiespalt hineingeboren. Ich hatte keine Wahl.»

Verfilmt erzielt der historische Roman an den Kinokassen gute Umsätze. Auch als Buch findet er ein breites, treues Publikum. Nur bei der Re- putation figuriert er noch immer in den Gefilden des Ärzteromans oder der seichten Belletristik à la Rosamunde Pilcher.

Zu Unrecht. Was gerade auch Schweizer Auto- ren beweisen, die den historischen Roman ent- stauben und entmotten. Alex Capus zieht es in die Ferne, Silvio Huonder hält es in der Nähe, aber beide zeigen, dass die Vergangenheit span- nende Geschichten zu erzählen weiss. Und Lu- kas Hartmann gelingt immer wieder ein faszi- nierender Tanz zwischen verblichenen Fakten und Fiktion. So auch in seinem neuen Roman

«Abschied von Sansibar», der die Geschichte der verstossenen Sultanstochter und ihrer Kinder erzählt. Es ist eine Familiensaga der Entwurze- lung zwischen Orient und Okzident, zwischen Islam und Christentum, zwischen königlicher Abstammung und bitterer Armut, zwischen exo- tischer Exaltiertheit und deutscher Gradlinig- keit, zwischen Träumerei und Missbrauch. (rb)

Lukas Hartmann: Abschied von Sansibar. Roman.

Diogenes Verlag, Zürich 2013.

329 Seiten. Fr. 34.90

ARCHÄOLOGIE DER BESCHAULICHKEIT

Der Titel täuscht: Wer lediglich auf der Suche nach Stille ist, kann diesen «Wegbegleiter zum Beschaulichen» gleich wieder aus der Hand le- gen. Judith Rickenbachs Kompendium sprudelt geradezu lautstark vor Information. Nicht die Schönheit der Orte allein, auch ihre geologi- schen, historischen und religiösen Hintergründe sind Thema dieses Buches, das weder Reisefüh- rer noch Geschichtsbuch – und doch ein biss- chen beides zugleich ist.

Wer nun einen grossformatigen Wälzer er- wartet, mag ebenfalls überrascht sein. Der Band ist, unkonventionellerweise breiter als hoch, nicht viel grösser als zwei nebeneinanderliegen- de Postkarten. So lässt sich das Buch auch in ei- ner kleinen Tasche mit auf Entdeckungsfahrt nehmen und gewährt doch Platz für Ricken- bachs atmosphärische Fotografien. Prächtige Bilder vom Wauwiler Moos oder dem Chessiloch in Flühli machen Lust auf eine Besichtigung.

Auch aussergewöhnlich, aber den Gebrauch eher erschwerend, ist das Fehlen von Seitenan- gaben. Nur die Nummerierung der 89 Orts-Kapi- tel und ihre Verzeichnung auf einer Karte sorgen für eine Orientierung, die man sich am besten blätternd verschafft. Eine Entdeckungsreise, so deutet die grosszügig-moderne Gestaltung der Grafikerin Elizabeth Hefti an, soll auch im Buch stattfinden.

Das mag mithin der Grund sein, warum die Kapitelabfolge keiner räumlichen oder themati- schen Logik gehorcht. Wenigstens sind nicht nur Fahrwege zum jeweiligen Ort akkurat angege- ben; auch auf den geografisch nächstgelegenen Ruhepol wird in jedem Kapitel verwiesen. Un- auffindbar hingegen sind weiterführende Infor- mationen. Eine Bibliografie, wenigstens eine Übersicht zu Standardwerken, fehlt spürbar.

Denn die profunden und doch leserlich aufbe- reiteten Sachkenntnisse schüren Wissenslust.

Selbst dem Löwendenkmal gewinnt Rickenbach spannende Aspekte ab, die nur noch dem Histo- riker bekannt sind. So birgt sie, ganz Archäolo- gin im Sinne Foucaults, Vergessenes und Unbe- kanntes. Dass sie dabei nicht nur «Inseln der Ruhe», sondern z. B. auch die lauten Luzerner Seitenraddampfer beschreibt, ist ein Glücksfall.

(ez)

Judith Rickenbach: Der Stille lauschen.

89 Inseln der Ruhe im Luzernischen.

kauf + lies, Luzern 2013.

360 Seiten, 166 Abbildungen. Fr. 49.–

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KINO

Ja, natürlich sei sie mit einem Erste-Klasse-Ticket geflogen, bestä- tigt Jasmine (Cate Blanchett) der verblüfften Ginger (Sally Hawkins), die ihre bankrotte Schwester in ihrer bescheidenen Wohnung in San Francisco empfängt. Jasmine, die ehemalige High-Society-Diva aus New York, hat alles verloren, seit ihr reicher Gatte Hal (Alex Baldwin) wegen Finanzbetrugs verhaftet wurde:

ihren Mann, ihre Häuser, ihren Ziehsohn. Einzig ein Chanel-Kos- tüm und ein Kofferset von Louis Vuitton ist ihr geblieben. Damit ist sie nun nach San Francisco gekommen, um vorerst zu bleiben.

Zwar hält sie die gewohnte aristokratische Fassade aufrecht, doch innerlich steht Jasmine am Abgrund, zumal ihr die praktischen Fähigkeiten fehlen, für sich selbst zu sorgen. Statt sich um Arbeit zu kümmern, rümpft sie zuerst einmal die Nase über Gingers Le- ben, besonders über deren Freunde. In ihren Augen allesamt Lo- ser, ohne Ambitionen im Leben etwas zu erreichen – im Gegensatz zu ihr, die in gänzlich amerikanischer Manier aus ihrem Leben «etwas machen» möchte. Zuerst einmal will sie Innendeko- rateurin werden, und weil ihr das Geld fehlt, eben per Online- Fernkurs – doch auch dafür braucht man erst einmal Computer-

Eine Frau im freien Fall

kenntnisse. Ginger hilft ihrer Schwester bei dieser Odyssee am sumpfigen Boden der Realität jenseits der Park Avenue.

Was harmlos klingt, ist – endlich wieder – ein brillanter Streich von Woody Allen. Scharfsinnig, ironisch und ernst zugleich er- zählt er mit «Blue Jasmine» den freien Fall von Jasmine, die der Gier eines entfesselten Hochkapitalismus erlegen ist und schliess- lich an der Nase herumgeführt wird. Cate Blanchett spielt diese Rolle virtuos. Vorlage für den skrupellosen Börsenhai Hal soll der Financier Bernie Madoff gewesen sein. «Es gibt sicher sehr viele Typen wie Hal, die unter Grössenwahn leiden», sagt Allen, «sie verdienen viel, sind charmant und zeigen sich grosszügig. So weit das möglich ist, halten sie sich an die Gesetze – und wenn die ein wenig gebogen werden müssen, dann biegen sie sie eben.» Wer von den letzten Woody-Allen-Filmen enttäuscht war, wird sich über diesen freuen.

Gina Bucher

Blue Jasmine, Regie: Woody Allen, Bourbaki, ab 21. November

Zwei ungleiche Schwestern: Ginger (Sally Hawkins) und Jasmine (Cate Blanchett).

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Ein Mann und seine Musik

Ein Mikrofon und der Song «Hang Me, Oh Hang Me». So fängt alles an. Der Ort: The Gaslight Cafe an der McDougal Street im Künstlerviertel Greenwich Village, Manhattan, New York City.

Man schreibt das Jahr 1961. Die Struktur des Drehbuchs der Co- en-Brüder beschreibt einen Kreis: Der Schluss kehrt zurück zum Anfang, mit Variationen. Am Ende kommt ein Wuschelkopf mit Gitarre und Mundharmonika auf die Bühne des legendären Lo- kals, um den Song «Farewell» zum Besten zu geben. Der junge Mann gleicht verteufelt einem, den bald die ganze Welt als Bob Dylan kennen wird. Im Gaslight tritt auch Folksänger Llewyn Da- vis (grossartig, auch als Sänger: Oscar Isaac) auf. Zweimal wird er hinten im Hof bös verprügelt, aus gutem Grund.

Llewyn ist nirgendwo zu Hause, abgebrannt, mit seinen weni- gen Habseligkeiten und dem Gitarrenkoffer zieht er von Wohnung zu Wohnung und wechselt ständig den ihm gewährten Schlaf- platz: das Sofa. Auf den grossen Erfolg wird er warten müssen.

Llewyn wäre im Duo auf gutem Weg gewesen, doch der Partner stürzte sich von der George Washington Bridge. Eine eigene Solo- LP hätte er auch schon, die sein Label aber im Lager verstauben lässt. Eine kalte Winterfahrt nach Chicago bringt auch nicht den erhofften Karriereschub. Und widrige Umstände lassen es nicht zu, dass Llewyn, der den Bettel hinschmeissen will, wieder als Matrose anheuern kann. Ein Leben voller Unbilden. Das Honorar für einen Studio-Job verwendet Llewyn für die Abtreibung, wel- che die Geliebte (und Frau des Freundes) wünscht; während ihm die späte Nachricht zusetzt, dass eine Verflossene damals vor zwei Jahren das Kind behalten hat. Aussichtslos ist die Kontaktaufnah-

me mit seinem in Agonie verharrenden Vater, dem er immerhin das von ihm früher gern gehörte «The Shoals Of Herring» im Pfle- geheim vorspielt.

Der neue Coen-Film ist lose angelehnt an die Biografie von Dave Van Ronk (1936–2002), Zentralfigur der New Yorker Folk- szene, Inspirator und Förderer so vieler: Bob Dylan zuvorderst, Joni Mitchell, Tom Paxton, Phil Ochs, Ramblin' Jack Elliott. Und

«Biografie» heisst im Fall von «Inside Llewyn Davis», dass die Filmhandlung sich gerade mal über eine gute Woche aus Llewyns Leben erstreckt.

Alle Protagonisten singen übrigens selber vor der Kamera. Da kann man ein paar überraschende Doppeltalente entdecken. Dass Justin Timberlake singen kann, wusste man schon, aber nicht un- bedingt, dass er auch dies kann: als Folksänger Jim Berkey an der Seite von Carey Mulligan (als seine Ehefrau Jean) brillieren.

«Inside Llewyn Davis» ist schönes, gut gespieltes Rekonstruk- tionskino, das den Look samt den matten Farben der frühen 1960er-Jahre auf die Leinwand bringt. Und mit gelungenen Auf- tritten von John Goodman, F. Murray Abraham und Garrett Hed- lund aufwartet. Und mit einer Katze namens Ulysses, die ein Ka- ter ist.

PS: Unbedingt auch den Soundtrack kaufen!

Urs Hangartner

Inside Llewyn Davis, Regie: Joel & Ethan Coen, Bourbaki, ab 5. Dezember

KINO

Früh-Folkie im New Yorker Village: Oscar Isaac als Llewyn Davis.

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LIKE FATHERS, LIKE SONS

Sechs Jahre nach der Geburt ihres Kindes er- fahren Ryota und seine Frau Midori, dass ihr Sohn Keita nicht ihr eigenes Kind ist, sondern im Spital vertauscht wurde. Die Frage, die sich stellt: Sollen sie und das andere Ehepaar den ver- meintlichen Sohn gegen den wirklichen eintau- schen? Es geht im Film des Japaners Hirokazu Kore-eda («Nobody Knows», «Still Walking») auf ebenso unterhaltsame wie nachdenkliche Art darum, was Eltern sind, was Elternsein aus-

macht, was ein Vater ist und was eigentlich eine Familie. Es geht um Figuren und ihre Geschichte in einem heutigen Grossstadt-Japan. In Cannes wurde «Like Fathers, Like Son» mit dem Prix du Jury ausgezeichnet.

Regie: Hirokazu Kore-eda; Stattkino, ab 19. Dezember

FILMTAGE LUZERN:

MENSCHENRECHTE

Der 10. Dezember ist der Internationale Tag der Menschenrechte, Anlass zu den heurigen 4.

FilmTagen Luzern: Menschenrechte. Das Rome- ro-Haus, das Institut für Sozialethik der Uni Lu- zern und das Stattkino als Veranstalter haben ein vielfältiges Programm zusammengestellt, mit in- ternationalen Beispielen – von Russland über China bis Kenia und Afghanistan. Unter den Vorpremieren findet man «La jaula de oro» (Bild) von Diego Quemada-Díez. Nach der Devise «Im Norden ist alles besser» machen sich Jugendliche voller Hoffnung mit dem sogenannten «Todes- zug» quer durch Mexiko auf ins gelobte Kalifor- nien. Der Film läuft danach ab 12. Dezember im Bourbaki-Programm.

5. bis 10. Dezember, Stattkino

ONLY LOVERS LEFT ALIVE

Jim Jarmusch ist auf den Vampir-Film gekom- men. Natürlich auf die ihm eigene Art. Tilda Swinton und Tom Hiddleston spielen ein Fern- liebespaar, sie in Tanger, er in Detroit. Ihren

«Stoff» müssen sie heute auf spezielle Art und Weise besorgen, denn Menschen beissen und aussaugen geht ja nicht mehr gut. Er ist ein geni- aler, in einer heruntergekommenen Villa voller Instrumente und Vintage-Equipment hausender Musiker, der einst Schubert ein Streichquartett geschenkt hatte. Sie ist höchst gebildet und kann nur durch Berührung das Alter von Objekten be- stimmen. Marlowe, der wahre «Hamlet»-Autor, kommt auch vor. Nicht nur Musikfreunde kön- nen ihre Freude am neuen Jarmusch haben.

Regie: Jim Jarmusch; Bourbaki, ab 19. Dezember

TRAILER

Ein Film von JIM JARMUSCH

TOM HIDDLESTON TILDA SWINTON MIA WASIKOWSKA JOHN HURT

www.fi lmcoopi.ch

Nach «A Separation» inszeniert der iranische Regisseur Asghar Farhadi die Komplexität menschlicher Beziehungen erneut mit viel Präzision und Gefühl. «Ein Film, in dem jede Einstellung perfekt ist.» Die Zeit Independent-Ikone Jim Jarmusch ringt dem Vampir-Genre einen originellen neuen

Kniff ab. «Stimmungsvoll, visuell überzeugend und umwerfend komisch.

Ein Höhepunkt dieses Cannes-Jahrgangs.» cineman.ch

BESTE DARSTELLERIN PREIS DER ÖKUMENISCHEN JURY

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«Weltkino im besten Sinne des Wortes»

S O N N T A G S Z E I T U N G

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L E T E M P S

D E R N E U E F I L M V O N A S G H A R FA R H A D I T A H A R R A H I M

B É R É N I C E B E J O

A L I M O S A F F A

(22)

MUSIK

Aus den Fugen gespielt

Ein Starpianist, der inmitten einer Hammerklaviersonate sein Spiel abbricht und den vollen Konzertsaal durch die Hintertüre verlässt: Dieses Szenario beschreibt Alain Claude Sulzer in seinem Roman «Aus den Fugen». Auch Brendan Walsh (im Bild ganz vor- ne), Kopf der Luzerner Band Penguins by Choice, hat der klassi- schen Musik den Rücken gekehrt – nur weit weniger dramatisch.

Der gebürtige Ire ist mit Folk-Musik aufgewachsen, hat sich im Alter von 16 Jahren aber entschieden, klassische Gitarre zu spie- len. «Ich habe dann zehn Jahre für die klassische Musik gelebt, am Schluss in Luzern studiert. Aber ich fühlte mich nicht zu Hau- se», sagt der Vollblutmusiker Walsh.

Die Verdrossenheit gegenüber dem klassischen Musikbetrieb liess ihn im Juni 2011 mit vier Freunden die Band Penguins by Choice gründen. Zusammen spielen sie Musik, die in keine vorge- fertigte Schublade passt. «Penguins by Choice ist das, was ich ei- gentlich mit dreizehn Jahren hätte machen sollen. Eine Band, die einfach Musik macht», sagt Walsh. Dazu gehört etwas Folk, etwas Ska, ein bisschen Pop und Rock. Aber selbst Discobeats und eben auch klassische Töne gehören in die Klangwelt der Pinguine, zu der neben E-Gitarre, Bass und Schlagzeug auch eine ganze weitere Palette von Instrumenten wie das Banjo, der Synthesizer, das Ak- kordeon, das Glockenspiel oder das griechische Saiteninstrument Bouzouki gehört. Da Walsh das Einordnen von Musik in ein Gen- re zuwider ist, versucht er die Klänge der Penguins by Choice über Bandeinflüsse zu beschreiben: «Ich liebe die Klangwelten von Ar- cade Fire, The Foals und Tom Waits. Das sind für mich die drei grössten Einflüsse auf meine Musik.»

Sie kommen von der klassischen Musik, spielen aber Folk, Pop, Rock und vieles mehr: Nun liefern Penguins by Choice ein eigenständiges

Debüt-Album weitab vom Indiepop-Mainstream.

Die Pinguine geniessen das Spiel mit Stilen und Instrumenten (zu sehen auch in ihren unterhaltsamen Videos!). Zu diesem ge- sellt sich auch ein Spiel mit Identitäten: Alle Bandmitglieder besit- zen einen Spitznamen – ein Einfluss von Walsh, der seinen Be- kannten chronisch Spitznamen verteilt und darob nicht selten vergisst, wie sie richtig heissen. «Bei Penguins by Choice möchte ich in einer anderen Welt sein», erklärt er, «also bin ich Josephine Steady. Dann haben wir noch Danger Morat, Morton Stringben- der, die beide auch von der klassischen Musik kommen und die beiden Entlebucher Boot und Riffler.»

Mit dem Debüt-Album «Phobobic» präsentiert die Band nun einen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens, der sich unver- braucht und erfrischend anhört. Nicht zuletzt, weil die Dramatur- gie der siebzehn Lieder funktioniert. Das Album kombiniert facet- tenreich all die Elemente, die Penguins by Choice ausmachen.

Dazu gehört auch ein Penguin-Set, das die Band jeweils auf der Bühne spielt und dem Album für 15 Minuten ein echtes Live-Ge- fühl vermittelt. Die ganze Stil- und Klangvielfalt verzettelt sich dabei nie, sondern ist wohlkomponiert und durchdacht. Penguins by Choice befreien sich von den Fugen der klassischen Musik, ge- raten dabei selbst aber alles andere als aus den Fugen.

Nick Schwery

Plattentaufe: SA 30. November, 21 Uhr, Treibhaus Luzern.

Konzert: FR 20. Dezember, 21 Uhr, La Fourmi im Anker, Luzern.

Mögens nicht so gerne ernst: Die Penguins by Choice. Bild zvg

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