Neue Entwicklungen in der Deponiegasentsorgung
Fachgebiet 22 - Anlagentechnik, Technische Überwachung Christian Mader, Matthias Müller
Gliederung:
1. Grundlagen der Deponiegasbildung
2. Arten der Deponiegasentsorgung/ -verwertung
• Deponiegas-BHKW
• Mikrogasturbine
• Deponiegaskessel
• Sterlingmotor
• Hochtemperaturfackel
• Schwachgasfackel
• Kohlenwasserstoffkonverter (CHC)
• Regenerativ thermisches Oxidationsverfahren (RTO)
• Wirbelschicht
• Biofilter
• Methanoxidationsschicht
• Deponiebelüftung/ -absaugung
3. Zusammenfassung und Ausblick
WAS IST DEPONIEGAS?
Definition:
Als Deponiegas werden im Allgemeinen die im Deponiekörper durch mikrobielle Abbauprozesse entstandenen gasförmigen
Stoffwechselprodukte, soweit sie nicht gelöst werden, sowie die in die Gasphase übergegangenen abgelagerten Stoffe bezeichnet.
Inhaltsstoffe:
Hauptbestandteile: Methan, Kohlendioxid Nebenbestandteile: Sauerstoff, Stickstoff,
Schwefelwasserstoff, Wasser und weitere organische Bestandteile
ENTSTEHUNG VON DEPONIEGAS
Biomasse
Polysaccharide Proteine
Fette
Zucker Aminosäuren
Fettsäuren
Carbonsäuren Alkohole
Wasserstoff Kohlendioxid
Essigsäure
Kohlendioxid Methan
1. Stufe Hydrolyse
2. Stufe Säurebildung
3. Stufe
Essigsäurebildung
4. Stufe Methanbildung
hydrolytische Bakterien
gärende Bakterien acetogene
Bakterien methanogene
Mikroorganismen
PHASEN DER DEPONIEGASBILDUNG
Phase I - aerobe Phase Phase II - saure Gärung
Phase III - Methangärung instabil Phase IV - Methanbildung stabil
Phase V - Langzeitphase Phase VI - Lufteindringphase
Phase VII - Methanoxidationsphase Phase VIII - Kohlendioxidphase
Quelle: Stachowitz, 21. Kasseler Abfallforum
SCHADPOTENZIAL VON DEPONIEGAS
• Geruch
• Erstickungsgefahr
• Toxische Wirkung
• Explosionsgefahr
• Brandgefahr
• Vegetationsschäden
• Beeinträchtigung auf die Atmosphäre
Deponie-Brand in Klagenfurt 2008
(Quelle: Kleine Zeitung/Kimeswenger)
Quelle: http://www.feelgreen.de
RECHTLICHES ZUR
DEPONIEGASENTSORGUNG
Verordnung über Deponien und Langzeitlager - Anhang 5 (DepV)
• Forderung zum Unterbinden oder Minimieren der Gasaustritte über die Deponieoberfläche und der Gasmigration in das
Deponieumfeld
• Betreiber einer Deponie der Klasse I, II oder III hat Deponiegas schon in Ablagerungsphase zu fassen und zu behandeln, nach Möglichkeit energetisch zu verwerten
• Verwertung nach Stand der Technik
• Bei geringer Restgasemission Verzicht auf Behandlung, wenn das Methan vor Eintritt in Atmosphäre weitgehend oxidiert wird
WAS PASSIERT WENN DAS DEPONIEGAS
NICHT GEFASST UND BEHANDELT WIRD?
2. ARTEN DER DEPONIEGASENTSORGUNG
• Aktive und passive Entgasung
• Aktiventgasung
- Gasverwertung - Gasentsorgung
• Passive Entgasung - Gasentsorgung
DEPONIEGAS – BLOCKHEIZKRAFTWERK (BHKW)
• Verwertung Deponiegas bei Methangehalten ≥ 40 Vol.-%
• Verstromung und Wärmeauskopplung möglich
• Regelmäßige Erlöse durch Strom- / Wärmeeinspeisung
Quelle: Deposerv GmbH
DEPONIEGAS –
BLOCKHEIZKRAFTWERK (BHKW)
Vorteile:
• regelmäßige Einnahmen
• Einhaltung Grenzwerte TA Luft
• Unterschiedliche Leistungsgrößen
• Verwertung des Deponiegases Nachteile:
• Mindestanforderungen an Gasqualität und -quantität
• Hohe Investitionskosten
• Bei hohen Schadstoffgehalten im Deponiegas erhöhter Wartungsaufwand und ggf. Gasreinigung erforderlich
MIKROGASTURBINE
• Stromerzeugung bei Methangehalten ≥ 30 Vol.-%
• Aggregate mit niedriger elektr. Leistung für Deponien mit geringem Gasbildungspotential
• Generator, Verdichter und Turbine auf einer Welle befestigt
• Umgebungsluft wird auf 5 bar verdichtet
• Abgastemperatur beträgt ca. 600 °C – Wärmenutzung
MIKROGASTURBINE
Vorteile:
• Niedrige Wartungskosten
• Hohe Wärmenutzung möglich
• Einhaltung Grenzwerte TA Luft
• Niedrigere Methangehalte erforderlich Nachteile:
• Hohe Investitionskosten
• Niedrigerer elektrischer Wirkungsgrad
• Hoher Eigenenergiebedarf
• Meist Gasreinigung erforderlich (Schwefelwasserstoff, Siloxane)
Quelle: Elliott
DEPONIEGASKESSEL
• Wärmeerzeugung bei Methangehalten ≥ 30 Vol.-%
• Verbrennung des Deponiegases in
Hochtemperaturbrennkammer und Abhitzekessel
• Verbrennungstemperatur ≥ 1.000°C, Verweilzeit ≥ 0,3 sec.
• Einspeisung der erzeugten Wärme z.B. in Fernwärmenetz
Quelle: Deposerv GmbH
DEPONIEGASKESSEL
Vorteile:
• Wärmetechnische Gasnutzung bei geringen Methangehalten
• Erlöse durch Wärmeverkauf Nachteile:
• Wärmeabnehmer in unmittelbarer Nähe erforderlich
• Relativ hohe Investitionskosten
• Keine Erzeugung von elektr. Energie
STERLINGMOTOR
Vorteile:
• Methangehalt ≥ 20%
• Kaum Schadstoffprobleme
• Einhaltung der TA Luft Nachteile:
• Keine Langzeiterfahrungen
• Dichtungsprobleme an Expansions- zylindern
Quelle: S. Seyfert, 2014
HOCHTEMPERATURFACKEL (HTF)
• Verbrennung Deponiegas bei Methangehalten ca. 30 Vol.-%
• Verbrennungstemperatur > 1.000°C
• Bei Altanlagen keine Wärmeauskopplung möglich
• Günstige Entsorgungsvariante
Quelle: Deposerv GmbH
HOCHTEMPERATURFACKEL
Quelle: Pro2 Anlagentechnik
HOCHTEMPERATURFACKEL
Vorteile:
• Relativ kostengünstige Entsorgungsvariante
• Einhaltung Grenzwerte TA Luft
• Unterschiedliche Leistungsgrößen
• Kein Stützgas erforderlich Nachteile:
• Keine Schwachgasverbrennung möglich
• Keine Wärmeauskopplung möglich
• Altanlagen meist überdimensioniert
SCHWACHGASFACKEL (SGF)
• Verbrennung Deponiegas bei Methangehalten ≥ 12 Vol.-%
• Verbrennungstemperatur > 1.000°C
• Wärmeauskopplung möglich
• Unterschied zur herkömmlichen Hochtemperaturfackel
• angepasste Brennkammer (geringerer Fackeldurchmesser)
• angepasste Brennerdüsen
• Stützgas für Anfahrprozess und Aufwärmphase
SCHWACHGASFACKEL
SCHWACHGASFACKEL
Vorteile:
• Methangehalte ≥ 12 Vol.-%
• Wärmenutzung möglich
• Einhaltung Grenzwerte TA Luft
• Unterschiedliche Leistungsgrößen
• Anbindung an bestehende Gasverdichterstationen gut möglich Nachteile:
• Stützgas für Anfahrvorgang auf vorgegebene Solltemperatur
• Wärmeabnehmer muss im Umfeld vorhanden sein
Quelle: Deposerv GmbH
KOHLENWASSERSTOFFKONVERTER
• Verbrennung Deponiegas bei Methangehalten ≥ 12 Vol.-%
• Verbrennungstemperatur 1.000 - 1.200°C
• Unterschied zur Gasfackel: Oberflächenbrenner auf Basis eines Metallgewebes
• Vollständige Mischung des Deponiegases mit Luft (hoher Sauerstoffüberschuss)
• Deponiegas-Luft-Gemisch wird über einen Zerstäuber durch ein heißes Metallgewebe gedrückt
Quelle: das-ib
KOHLENWASSERSTOFFKONVERTER
Vorteile:
• Methangehalte ≥ 12 Vol.-%
• Geringe Gasdurchsätze ≥ 8 m³/h möglich
• Einhaltung Grenzwerte TA Luft Nachteile:
• Nach derzeitigem Stand keine Abwärmenutzung möglich
REGENERATIV THERMISCHES OXIDATIONSVERFAHREN
• Arbeitet mit Reaktorbett aus Hochtemperaturkeramik
• Das Deponiegas wird durch das Reaktorbett geleitet und dabei erwärmt
• In der heißen Oxidationszone (ca. 1.000°C) werden die
organischen Inhaltsstoffe zu Kohlendioxid und Wasserdampf umgewandelt
• Bei Schutzentgasung und geringen Deponiegasmengen
• Methanmengen 2 – 40 m³/h, d.h. max. originäre Deponiegasmenge 70 – 80 m³/h
• Mindestkonzentration 0,3 Vol.-% Methan , autothermer Betrieb ab 1 Vol.-% Methan im Deponiegas
REGENERATIV THERMISCHES OXIDATIONSVERFAHREN
Vorteile:
• Erfüllung Anforderungen nach TA Luft
• Einsatz für Deponiegas im Schwachgasbereich
• Großtechnische Erfahrungen liegen vor Nachteile:
• Nicht für hohe Methangehalte und große Gasmengen geeignet
• Hohe Betriebskosten (elektr. Vorheizen, Luftzumischung) Quelle: Haase
WIRBELSCHICHTVERBRENNUNG
• Thermische Oxidation im Wirbelbett Vorteile
• stabile Entsorgung über weiten Methangehaltsbereich
• Bis 10 % Verwertung
• Bis 5 % Entsorgung möglich
• Unempfindlichkeit gegenüber Starkwind
• Kein negativer Einfluss von Silanen Nachteile
• Teuer
Quelle: Steinbrecht, 2007
BIOFILTER
• Mikroorganismen nutzen Methan als Energiequelle
• Biofilter können aktiv wie passiv betrieben werden
• Deponiegas durchströmt den BF in Folge des Eigendruckes von unten nach oben, in Abhängigkeit der Wetterlage
• Filtermaterial z.B. Rindenmulch
• Voraussetzungen für gute Reinigungsleistung:
• Geringe Methanbelastung des Deponiegases
• Gute Feuchte- und Sauerstoffversorgung des Filterbettes
• Möglichst zuverlässige Temperaturführung
Quelle: Jörg Jahn, Flörsheim
BIOFILTER
Vorteile:
• Geringe Betriebskosten
• Geruchsneutralisation Nachteile:
• Regelmäßige Befeuchtung erforderlich, da sonst der Abbauprozess zum Erliegen kommt
• Nur für sehr geringe Gasbelastung geeignet
• Ist anströmende Menge zu hoch, tritt kein Sauerstoff mehr in den BF ein, die Biologie stirbt ab und das Gas tritt unbehandelt aus dem BF in die Atmosphäre
• Ungeeignet für die meisten Deponien
METHANOXIDATIONSSCHICHT
2 Möglichkeiten
• vollflächige Methanoxidationsschicht
• dezentrale Methanoxidationsfelder
BQS 7-3: Methanoxidationsschichten in Oberflächenabdichtungssystemen
Methan-Flächenbeschickungsraten bis zu 0,5 l CH4/(m²/h) Aufbau:
• 30 cm humushaltiger Oberboden
• 70 cm Unterboden mit wenig organischer Substanz
• Gasverteilerschicht
METHANOXIDATIONSFELDER
• Spezifische Auslegung von Methanoxidationsfeldern
• Auslegung anhand der bisherigen Entgasungsdaten sowie der Prognose des weiteren Verlaufs der Gasentwicklung der
einzelnen Gasbrunnen sowie über die ggf. in dem Bereich austretenden Methanemissionen
• Gezielte Einleitung von Deponiegas in die jeweilige MOF über vorhandene Gasbrunnen
• Auch auf bereits abgedeckten Deponien anwendbar
• Dezentrale MOF können auch nachträglich installiert werden
• Nichttechnische Lösung zur Passiventgasung
METHANOXIDATIONSFELDER
Quelle: DEPOSERV GmbH
dezentrale Anordnung der MOF und für
das örtliche Gaspotential spezifisch ausgelegt
Quelle: enwi AöR
METHANOXIDATIONSFELDER
Quelle: DEPOSERV GmbH
METHANOXIDATIONSFELDER
Vorteile:
• Für jeden Bereich der Deponie ist die Größe spezifisch anpassbar
• Kostenersparnis, da nicht die gesamte Deponiefläche mit MOF belegt werden
Nachteile:
• Nur für geringe Methanmengen geeignet
• Witterungsabhängig
DEPONIEBELÜFTUNG/ -ABSAUGUNG
• Herstellung eines aeroben Milieus in Deponie
• Sauerstoff toxisch für Methan-MO
• Aerober Abbau der Organik
• Verkürzung der Nachsorgedauer
• Ziel:
Nach Abschluss keine Deponiegasbildung
Quelle: ruk-online.de
AKTIVE ENTGASUNG – ENTSORGUNG DEPONIEBELÜFTUNG/ -ABSAUGUNG
Vorteile:
• Vermeidung lang andauernder
Schwachgasbehandlungsmaßnahmen
• Verkürzung der Nachsorgedauer bei Altdeponien
• Schnellere Nachnutzung des Deponieraumes
Nachteile:
• Öffnen einer intakten Deponie
• Neuanfahren der inaktiven Biologie Quelle: Ritzkowski, 2012
ZUSAMMENFASSUNG
Methode Methangehalt
Deponiegas-BHKW bis ≥ 40 Vol.-%
Mikrogastrubine bis ≥ 30 Vol.-%
Deponiegaskessel bis ≥ 30 Vol.-%
Sterlingmotor bis ≥ 20 Vol.-%
Hochtemperaturfackel bis ≥ 30 Vol.-%
Schwachgasfackel ≥ 10 Vol.-%
Kohlenwasserstoffkonverter 12 – 65 Vol.-%
ZUSAMMENFASSUNG
(*) Abhängig von Beschickungsrate
Methode Methangehalt
Regenerativ thermisches Oxidationsverfahren
≥ 1 Vol.-%
Wirbelschicht bis ≥ 5- 6 Vol.-%
Biofilter - (*)
Methanoxidationsschicht - (*)
Deponiebelüftung -
ZUSAMMENFASSUNG
- Verschiede Verfahren zur Deponiegasbehandlung vorgestellt - Unterscheidung in aktive und passive Verfahren
- Wenn möglich Verwertung des Deponiegases, ansonsten Entsorgung
- Auswahl des Verfahrens abhängig vom jeweiligen Standort
Ziel Entlassung der Deponien aus der Nachsorge
AUSBLICK
- Weiter zurückgehende Deponiegasbildung
- Weiterentwicklung von Verfahren, die geringe Methangehalte Verwerten können (Effizienzsteigerung)
- Überlegung: Nachnutzung der vorhandenen Anlagentechnik, z.B. in Bioabfallvergärungsanlagen
- Verbesserte Nutzung der Abwärme bei Schwachgasfackeln, durch OCR und SCR in Entwicklung
Christian Mader
Fachgebiet 22 – Anlagentechnik, Technische Überwachung Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Reideburger Straße 47 06116 Halle (Saale) Tel.: +49 345 5704 486 Fax: +49 345 5704 405
eMail: christian.mader@lau.mlu.sachsen-anhalt.de
Matthias Müller
Fachgebiet 22 – Anlagentechnik, Technische Überwachung Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Reideburger Straße 47 06116 Halle (Saale) Tel.: +49 345 5704 422 Fax: +49 345 5704 405
eMail: matthias.mueller@lau.mlu.sachsen-anhalt.de