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Johannes Lukas' Lebensweg begann in Fischern bei Karlsbad, wo er am 7

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Johannes Lukas (1901-1980)

Von Herrmann Jungraithmayr, Marburg

Mit dem Tode von Johannes Lukas am 4. August 1980 verlor die

deutsche und intemationale Afrikanistik einen ihrer eminenten

Vertreter. Lukas' Lebenswerk steht einerseits ganz im Zeiehen der

Nachfolge C. Meinhofs und besonders D. Westermanns, die im

ersten Drittel dieses Jahrhunderts die Grundlagen der Wissenschaft

von den Sprachen Afrikas gelegt haben; die ganz Afrika umfassende

Sicht und Arbeitsweise, die die Gründerväter noch haben konnten, war

jedoch von der ihnen nachfolgenden Generation, der Lukas angehörte,

nicht mehr zu vertreten: auf den großen Wurf mußten Schritte zur

Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse folgen. In diesem Sinne hat

Lukas durch seine Forschungen unser Wissen von den Sprachen

Afrikas gerade in einer Region entscheidend gefördert, in der alle

großen Sprachströme Afrikas zusammenfließen — das Westsudanische

oder Westnigritische, das Ostsudanische (Nilosaharanische), das Bantu

und das Hamitosemitische —, nämlich im zentralen Sudan. Sowohl das

Tschadohamitische (Tschadische), das Herzstück dieses Überschnei¬

dungsraumes, als auch das Saharanische verdanken Lukas buchstäb¬

lich ihren Namen und somit auch ihre begriffliche Existenz.

Johannes Lukas' Lebensweg begann in Fischern bei Karlsbad, wo

er am 7. Oktober 1901 geboren wurde. Elternhaus und Heimat prägten

den jungen Lukas in entscheidendem Maße: vom Vater, Eisenbahndi¬

rektor und privat Sänger, hatte er eine große Musikbegabung geerbt;

seiner aus der französischen Schweiz stammenden Mutter verdankte er

es, daß ihm das Französische bereits in früher Kindheit zur zweiten

Muttersprache wurde; das vielsprachige Österreich schließlich, beson¬

ders der internationale Badeort Karlsbad, den auch viele Gäste aus dem

Orient aufsuchten, trugen das Ihre zur Entfaltungsmöglichkeit der

sprachlichen Gaben und Interessen des jungen Lukas bei. So beschäf¬

tigt er sich schon früh mit der arabischen Sprache wie auch mit dem

Sanskrit. An der Universität Wien, wo er seinen Begabungen entspre¬

chend sowohl Musik als auch die orientalischen Fächer Semitistik,

Ägyptologie und Afrikanistik studiert, zählen Adolf Grohmann,

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2 Herrmann Jungraithmayr

Hermann Junker und Wilhelm Czermak zu seinen Lehrem. Nach

Abschluß des Studiums (1924/25) ist Lukas als wissenschaftlicher

Hilfsarbeiter am Wiener Museum für Völkerkunde (1927-32),

zwischendurch ein halbes Jahr (1928/29) als Hauslehrer in Kairo tätig.

In diesen Jahren legt Lukas das Fundament für seine Lebensarbeit:

zwischen 1927 und 1929 erscheinen seine ersten Veröffentlichungen

über das Kanuri, die Sprache des alten Bomu-Reiches am Tschadsee.

Ein Stipendium des Intemational African Institute (London) gibt ihm

die Gelegenheit, bei einem ersten Aufenthalt in Nordostnigeria (1932/

33) seine Forschungen zum Kanuri zu vertiefen und auf das damit

verwandte Tubu (Teda) auszuweiten; die wichtigsten Flüchte dieser

Bemühungen, A Study of the Kanuri Language (London 1937) und Die

Sprache der Tubu in der Zentralen Sahara (Berlin 1953) gelten bis heute

als grundlegend auf diesem Forschungsgebiet. Neben den Studien zur

ost- bzw. zentralsaharanischen Sprachengruppe stehen bereits auf

dieser ersten Reise auch Fragen der Verbreitung hamitischer Sprachen

im Sudan im Mittelpunkt seines Interesses. In einem ersten

Forschungsbericht über Die Gliederung der Sprachenwelt des Tschadsee-

Gebietes in Zentralafrika (Berlin 1934) stellt Lukas „eine Mandara

(Wandala)-Gruppe . . . und eine tschado-hamitische Gmppe, die

Sprachen einer Anzahl von Heidenstämmen westlich von Bornu (Bade,

Karekare, usw.), die Sprache der Buduma . . ., die der zahlreichen

Kotoko-Stämme südlich vom Tschadsee, die der Musgu südlich der

Kotokostämme und ferner die Sprachen der Mubi, Masmadsche und

Kadschagise im westlichen Wadai in Dar Mubi und Nachbarschaft

umfassen ..." auf; „eine ausgebreitete Sprachengmppe, deren östliche

Grenzen noch nicht feststehen, zu der aber ohne Zweifel die Sprache der

Hausa ... in engster Beziehung steht". Lukas' These, wonach diese

Sprachen „wohl alle mit Sudangmppen gekreuzt" sind, stellt bis heute

die zentrale Herausfordemng fiir diejenigen dar, die diese auf 100-150

S{)rachen geschätzte Sprachenfamilie extern zu klassifizieren

versuchen. Lukas vertrat, zumindest in den frühen Arbeiten (1936,

1937/8, 1938; vgl. z.B. Die Verbreitung der Hamiten in Afrika. In:

Scientia 1939), die für seine Zeit typische, bestechende und etwas

romantische Auffassung, daß seit Jahrtausenden immer wieder neue

Wellen hellhäutiger Rassen nach Afrika geströmt sind, „große Land¬

striche überschwemmend, bis zuletzt die Wogen sich glätteten, in dem

befmchteten Boden ein stilleres Gewässer bildeten, das seiner Umge¬

bung viel lebensvolle Pracht verlieh, bis es eines Tages unter den

Strahlen der afrikanischen Sonne verhaucht war". In Zentralsuda¬

nischen Studien (Hamburg 1937) präsentiert Lukas umfangreiche

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Johannes Lukas (1901-1980) 3

Sammlungen — einschließlich nachgelassener Aufnahmen von Gustav

Nachtigal und Wörterverzeichnisse der Deutschen Zentral-Afrika-

Expedition 1910/11 — in einer systematisch geordneten Form, die den

ersten Versuch einer linguistischen Gliederung der Sprachen des

Zentralsudan darstellt. Daneben erscheinen bis Anfang der 40er Jahre

noch die folgenden Monographien tschadohamitischer Sprachen:

Logone (1936), Buduma (1939) und Musgu (1941). Zwischen 1951 und

1973 untemimmt Lukas vier weitere Forschungsreisen nach Nordni¬

geria, Nordkamemn und Fort Lamy /N'Djamena (Tschad) , auf denen er

sich vor allem dem Studium weiterer Tschadsprachen widmet (Bolanci,

Matakam, Gisiga, Bade, Bana, Sokoro, Kotoko und Mukulu); darüber

hinaus wendet er sein wissenschaftliches Interesse immer wieder

nigerianischen Klassensprachen zu, wovon vor allem der umfangreiche

Aufsatz Das Nomen im Tiv (1952) ein beredtes Zeugnis ablegt.

Die wichtigsten Stationen zwischen der 1. (1932/33) und 2. Afrika¬

reise (1951/52) sind: 1934 School of Oriental and African Studies,

London; Ende 1934 bis 1941 Seminar für Afrikanische Sprachen,

Hamburg; 1941 Auslands-Hochschule, Berlin; Wehrdienst und nach

1945 Rückkehr nach Hamburg; 1949 neuerlicher Aufenthalt an der

SOAS (London) auf Einladung von Ida Ward.

1954 tritt Lukas als Direktor des Seminars lur Afrikanische

Sprachen an der Universität Hamburg die Nachfolge von August

Klingenheben an; da er Afrikanistik im Sinne von Diedrich

Westermann nicht nur auf das Sprachstudium beschränkt sehen

wollte, ließ er 1956 dem Namen des Seminars den Zusatz „und

Kulturen" hinzufügen. Wenn Lukas auch keine nennenswerten Veröf¬

fentlichungen zur Kultur und Geschichte Afrikas vorgelegt hat, spielten

diese Themen, insbesondere auch Fragen des Islams in Afrika, in

seinem Denken und in seinen Lehrveranstaltungen stets eine bedeu¬

tende Rolle. In Worten wie „Felsbilder sind das Geschichtsbuch

Afrikas" kommt Lukas' Einstellung zur Bedeutung kulturgeschicht¬

licher Forschung in Afrika treffend zum Ausdmck.

In den Jahren seiner Leitung des Hamburger Seminars (1954-1970)

hat Lukas sich in Lehre und Forschung besonders mit dem Hausa,

dessen intensives Studium ihn sein Leben lang begleitet hat, beschäf¬

tigt: eine Grammatik und ein umfangreiches Wörterbuch dieser großen

Verkehrssprache West- und Zentralafrikas sind leider unvollendet

geblieben. Ein spezielles Interesse hatte er auch an der Frage einer

möglichen, wenn auch schwer zugänglichen Tonstmktur des Ful. Wie

ihn und sein Forschen überhaupt das Fragen, Suchen und Aufspüren

von Tonstmkturen in afrikanischen Sprachen in einem an dem

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4 Hehrmann Jungraithmayr, Johannes Lukas

Hamburger afrikanischen Seminar bis dahin unbekanntem Maße

auszeichnete; schon 1934 hatte er seinen Bericht mit der klaren

Aussage beendet: „Ohne die Beobachtung des Tons ist es nicht möglich,

den Aufbau dieser Sprachen zu verstehen."

Johannes Lukas war seit 1949 Mitherausgeber der Zeitschrift

Afrika und Übersee und ab 1963 Herausgeber der von ihm gegründeten

Reihe Afrikanistische Forschungen. Die Interessen der deutschen Afri¬

kanistik vertrat er viele Jahre hindurch als Fachgutachter der

Deutschen Forschungsgemeinschaft und als Mitglied des Exekutivrates

des Internationalen Afrika-Instituts (London).

Johannes Lukas war allem Lauten und Groben abhold — er liebte

die feinen und differenzierten Töne, als Mensch ebenso wie als Wissen¬

schaftler. Vielleicht war es die von Jugend auf schwächliche Gesund¬

heit, die sein überaus vorsichtiges, ja manchmal ängstliches, später

auch von Mißtrauen nicht immer ganz freies Wesen bedingt hat. Bei der

Verfolgung wissenschaftlicher Pläne, Aufgaben und Ziele war es aber,

als löste sich der Geist von derartigen Hemmnissen und ruhte nicht

eher, als bis ein gestecktes Ziel erreicht war. Mit Willensstärke und

Zähigkeit, die man dem schmächtig und feingliedrig gebauten

Gelehrten äußerlich nicht ansah, hielt Lukas an einmal ins Auge

gefaßten Vorhaben fest. Wissenschaftliche Neugier und ein unstillbarer

Drang, immer wieder in unbekanntes Neuland vorzudringen, kenn¬

zeichneten seine Forscherpersönlichkeit. Seine gleichermaßen ratio¬

nalen wie musischen Gaben befähigten ihn nicht nur zu systema¬

tischem, sondern auch zu phantasievollem wissenschaftlichen

Arbeiten. Seine Begeisterung fiir die „Herrlichkeit des Sudans" (L.

Frobenius), die er auf manche seiner Schüler übertragen hat, erfüllte

sein Leben und trieb ihn zu unermüdlichem Forschen an , dem erst der

Tod — eine späte Folge der bereits 1962 in Nordnigeria erworbenen

Hepatitis — ein Ende setzte.

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