Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre
' i. J. 803, ein Kapitel aus der Tang-Zeit
Von Erich Haenisch, Herrenchiemsee
Die kleine Eingabe möchte von vornherein als eine unbedeutende Ge¬
legenheitsschrift erscheinen. Aber es ist bei ihr wie bei manchen Essays
aus den chinesischen Anthologien, die man um des literarischen Stils
willen liest : Prüft man die Zeitumstände, unter denen sie geschrieben
wurden — und das sollte man immer tun, da im Chinesischen auch das
sprachliche Verständnis des Textes oft von der Sachkenntnis abhängt —,
so vertieft sich die Bedeutung der Schrift, und umgekehrt kann uns diese
die Angaben der Geschichtsquellen, die meist recht summarisch sind, be¬
trächtlich erhellen oder ergänzen. So erwächst uns aus solcher Betrach¬
tung — wenn man nur viel liest ! — auch eines kleinen Stückes oft ein
mehrfacher Gewinn, Die Schrift des berühmten Staatsmannes und Lite¬
raten Han Yü ist in manche Prosasammlungen aufgenommen, so auch
in die schon von Du Halde in seiner Description de l'empire de la Chine,
Paris 1735, benützte große Auswahl der Mandschuzeit Ku-wen yüan-kien
, abgrundtiefer Spiegel der Prosaliteratur', die auf Geheiß des Kaisers
Kanghi im Jahre 1685 ausgegeben wurde, später auch ins Mandschu über¬
setzt, und in 64 Büchern eine Auswahl der gesamten Prosaliteratur bis
zum Ende der Sung-Zeit enthält, ein Werk, das den Lehrgang für jeden
Sinologen bieten sollte. Etwa 320 Schriftsteller sind darin vertreten mit
wenigen oder mehreren, längeren oder kürzeren Mustern, und jede Schrift
ist mit einem kurzen Einführungswort bedacht. Die Einführung zu un¬
serem Stück besagt :
Im Jahre 19 der Regierung Cheng-yüan des Kaisers Teh-tsung der
Tang (803) hatte es vom 1. bis zum 5. Monat nicht geregnet. Im 7. Monat
ließ der Kaiser wegen der Lebensmittelknappheit in den drei Distrikten
in der Nähe der Hauptstadt^ die Staatsprüfungen^ für das Beamten¬
ministerium und die literarischen Examina^ im Ritenministerium aus-
^ IS ffi eine Verkürzung aus Iß 't' ^ ffi die drei Stützen von Kuan-chung
(kvan-chung innerhalb des Passes (T'img-kuan) d. i. das alte Land Ts'in
westlich vom Hoangho-Knie). Die san-fu, die drei Stützen, sind die Haupt¬
stadt mit den beiden anliegenden, als Verpflegungsland dienenden Verwal¬
tungsbezirken Tso Feng-ih <S| und Yu Fu-feng ^ jj^, vergleichs¬
weise Berlin und die Mark mit den Regierungsbezirken Potsdam und
Frankfurt a. O. » iH mandschu sonjoro. ^ tucibume benjire.
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 281
fallen. Han Yü, damals Professor an der Vierfakultätenschulei, erhob in
einer Denkschrift dagegen Einwendungen und legte seine Gründe dar^.
Die Denkschrift
Wie ich sehe, ist am 10. d. Mts. ein Edikt ergangen, welches bestimmt,
die verschiedenen Staatsprüfungen und Examina* für dieses Jahr* vor¬
läufig einzustellen®. Die Leute auf der Straße, die sich das weitersagen und sich darüber unterhalten, meinen : wegen der diesj ährigen Trockenheit
habe Ew. M. aus Mitgefühl für die hauptstädtische Bevölkerung und aus
Sorge um ihre etwaige Lebensmittelnot die Prüfungen einstweilen ein¬
gestellt, um den Zustrom der Kandidaten abzusperren. Das sei ein Mittel,
durch Einsparung von Mehrverbrauch die Verpflegung in genügendem
Maße sicherzustellen. Ich erlaube mir*, dazu folgende Erwägung vorzu¬
bringen: In einer Familie von zehn Mündern gibt es, wenn auch eine oder
zwei Personen dazu kommen, darum bei den Lebensmitteln noch keinen
Mehrverbrauch'. Nun zählt die Bevölkerung der Hauptstadt mindestens
eine Million*. Die Prüfungskandidaten sind, alle zusammengerechnet',
nicht mehr als fünf bis sieben Tausend. Nehmen wir selbst noch ihre
Dienerschaft mit Reittieren dazu, so kommen wir immer noch nicht auf
ein Prozent^" der (Bevölkerung der) Hauptstadt. Nach dem Beispiel der
zehnköpfigen Familie gerechnet, fällt das wirklich überhaupt nicht ins
GewichtWeiter haben wir zwar heuer eine Dürre gehabt. Aber im vo¬
rigen Jahre hatten wir eine glänzende Ernte, und in den Häusern der
Handelsleute^^ müssen sich bestimmt noch aufgespeicherte Vorräte finden.
* |Z3 i$ it sc-men taeiköi bo-Si.
2 ^Ij jakjüame gisiirembi das Für imd Wider erörtern.
^ ill ^ auch umgesteUt, Verbindung von 2 und 3 auf der Vorseite.
* m diesmal, im Einzelfall, mandschu taka. Ob die Prüfungen damit bis
zum nächsten Termin nach 3 Jahren ausfielen oder nur um ein Jahr ver¬
schoben waren, läßt sich nicht ersehen.
° '(^ ^ ilibu sehe, beachte die Imperativpartikel
° ^ tsHeh ,stehlen' als Einführungswort einer Eingabe, auch in der Ver¬
bindung £ ich, der stehlende Untertan, mit der Bedeutung : ich erlaube mir,
mit Folgendem Ihnen Ihre kostbare Zeit zu stehlen, in Anspruch zu nehmen
(wie 'ich nehme (stehle) mir die Freiheit, zu bemerken'). Vgl. Horaz, epist. II,
1,4 ,si longo sermone morer tua tempora, Caesar'. Dieser Vergleich kam mir
bei einem Vortrag von Prof. Fb. Klinoneb.
' 5^ ^ ^ -ft 6s ist noch kein Grund (Sorge) zu Mehrverbrauch.
* 'T^ 'ff W ° ?|5 H" uheri bodombi.
" 15" ^ ;i "(I'S) von 100 Zehntausend (1 MUHon) 1 (Zehntausend) = 1 Prozent.
^ ekiyere nonggibure ba ako, es ist kein Anlaß, etwas weg-
ztmehmen oder zuzufügen, es macht nichts aus,
1» D. h. Getreidehändler.
282 Ebich Haenisch
Da die Prüflinge für ihren Bedarf etwas mitführen und mit dem, was sie
hahen, eintauschen können, was ihnen fehlt, so kami es zu gar keiner Not
kommen!. Wenn wir aber jetzt einstweilen^ die Prüfungen einstellen, so
dürfte, fürchte ich, der Schade, den wir damit anrichten, wahrlich viel
schlimmer sein ! Einmal wird es fern und nah Beunruhigung geben. Zum
andern werden die Gebildeten' ihren Beruf versäumen*. — Ich habe ge¬
hört, daß es in einem Regengebet aus der alten Zeit heißt: ,,0b die
Menschen ihr Amt versäumt haben® ?" Danach wäre die Versäumnis der
Menschen im Amt dazu angetan, Trockenheit herbeizuführen. Wenn wir
jetzt mit Hinweis auf die Trockenheit* die Prüfungen einstellen, bedeutet
das, daß die Menschen ihr Amt versäumen und damit (gerade) eine Ka¬
tastrophe (der Trockenheit) herbeiführen. Ich habe weiter gehört, daß
der Fürst dem männlichen Prinzip Yang entspricht und der Beamte
dem weiblichen Prinzip Yin. Yang für sich allein gibt Trockenheit, und
Yin für sich allein gibt Wasser(katastrophen). Nun steht Ew. M. heilige
Erleuchtung so hoch', daß selbst Yao und Shun sie nicht übertreffen
könnten. Aber von den Beamten reichen auch die besten nicht an das
Altertum heran. Sie vermögen auch nicht, ihre Gesinnung für den Staat
zu erschöpfen und in Einmütigkeit mit Ew. M. Ihnen bei der Regierung
behülflich zu sein. Wir haben einen (rechten) Fürsten aber kernen (rech¬
ten) Beamten, daher die andauernde Trockenheit! — Nach meiner
törichten Ansicht* sollte man schlichte und ehrliche Männer berufen
und rechtschaffene aufrechte Beamte, Leute, welche den Staat als ihre
Familie betrachten und den Oberen dienen unter Verleugnung ihrer ei¬
genen Person. Man sollte sie in Dienstgrad und Amtsstellung außer
der Reihe befördern* und ihnen in Ihrer Umgebung eine Stelle geben.
So wie Kao-tsung der Yin den Fu Yüe anstellte, König Wen der Chou
den T'ai-kung ernannte, Herzog Huan von Ts'i den Ning Ts'i hervor¬
holte und Kaiser Wu-ti der Han sich den Kung-sun Hung nahm^".
Wenn Sie dann in Ihren Mußestunden^^ ihnen eine Berufung gewährten,
' ^ .^1 Ä ^ umai mohoro ba akö, es ist kein Gnmd zu sehen, daß ein Un¬
heil daraus ^ entstehen sollte.
» W = I • ' A ± Apposition.
* shih-ye = in ihrem Beruf etwas versäumen, Schaden erleiden.
^ ^ @ shih-chi, das Wort shih, das in unserem Thema eine Rolle spielt,
bedeutet sowohl verlieren wie auch versäumen.
° iflc ^ ifff Äis/o-tiMrgiMnde, indem man die TrockenheitzumGrundenimmt.
' ^ _h ist im Mandschu unübersetzt gebheben: die Wirkung des Herrschers
überwiegt, daher gibt es zuviel Sonne. ^ M mentuhun g&nin.
° M Ä Stellen überspringen (lassen).
^° Die Musterherrscher des Altertums holten sich ihre Berater in freier
Wahl, nicht nach Rang und Dienstalter, fn taj ^ ^ sula iolo tucike ucuri.
Han Yü's Emspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 283
um sie um Rat zu fragen, würden sie bestimmt zur Ausbreitung des Kö¬
nigtums mitwirken und damit eine Katastrophe der Trockenheit ban¬
nen. Ich bin zwar kein Beamter bei der Regierung^, aber ich beziehe
monatlich mein Salär und empfange jährlich meinen Gehaltsreis. Wie
wagte ich da, wenn ich eine Erkenntnis habe, sie nicht zu äußern?
So nahe ich mich ehrfürchtig dem Kuang-shun-Tor^, um meinen Schrift¬
satz zum Vortrag einzureichen, und warte untertänigst auf Bescheid.
Quellen
Die Schrift ist uns nur in Han Yü's Werken, Ch'ang-li sien-sheng tsih
überliefert, aus denen sie in die Literatursammlungen übernommen ist.
Von dem Einspruch gegen die Prüfungssperre wird sonst nirgends be¬
richtet. Die Quellen für die Zeit der Tang-D3niastie (618—906) bietet uns
die offizielle Tang-Geschichte der alten und neuen Fassung, von Liu Hou
in 200 und von Ou-yang Siu und Sung K'i in 255 Büchern. Beide melden
in ihren pen-ki, dem chronologischen Teil, als Naturereignis die halb¬
jährige Trockenheit. Die alte Ausgabe bringt auch den Erlaß zu Opfern
an die Berge und Flüsse in den verschiedenen Landesteilen sowie zur
Einstellung der Prüfungen für das Beamten- und das Ritenministerium
wegen der Lebensmittelknappheit im hauptstädtischen Bezirk. Von Han
Yü's Einspruch ist, wie gesagt, nicht die Rede, auch nicht in seinen beiden
recht ausführlichen Biographien. Das pen-ki, der chronologische Teil,
ist inhaltlich recht dürftig imd bietet uns gerade den Ablauf der wich¬
tigsten Ereignisse. Das 'Leben' steckt in den Biographien. Ein eigent¬
liches Bild der Zeit aber können wir nur aus den Sonderdarstellungen
gewinnen oder aus den großen Geschichtskompilationen, die in der
Hauptsache aus den Biographien der amtlichen Werke und aus der pri¬
vaten Geschichtschreibung geschöpft haben. Die bekanntesten sind das
Tze-chi t'ung-kien von Sze-ma Kuang v. J. 1084 und die von Chu Hi
und seinen Schülern besorgte Umarbeitung dieses Werkes, genannt Tze-
chi t'ung-kien kang-muh v. J. 1172. T'ung-kien* heißt allgemeiner
Spiegel, Überblick über die ganze Geschichte, eine chronologische Dar¬
stellung; tze-chi*, als Stoff für die Regierungskunst bestimmt; kang-
muh®, Leitfaden und Liste (Auge) d. h. Anordnung der Ereignisse in
Leitsätzen mit folgender Ausführung nach dem Muster von Konfuzius'
Frühling-Herbst-Annalen mit dem Tso-chuan-Kommentar, aber nicht
nm in der äußeren Form, sondern auch im Plan, nämlich in der staats¬
moralischen Kritik durch Erwähnung oder Fortlassung und dmch die
^ ^ 1^ yamulara hafan.
» Das Palasttor, an dem die Memoranda abgegeben werden.
'mm- 'Ä?^-
19 ZDMG 102/2
284 Ebich Habnisch
Wahl des Ausdrucksi. Das im J. 1708 in erweiterter Fassung erschienene
Werk in 91 Büchern, bis in die Frühgeschichte zurückgeführt und bis
zum Ende der Mongolenzeit 1368 verlängert, war, wie der Kaiser Kanghi
in seinem Vorwort betont, sein ständiger Begleiter und Berater und hat
auf sein Geheiß eine Mandschu-Übersetzung erfahren, in 64 Bänden,
Spiegel 1514x22 cm, eine glänzende Leistung der Übersetzungs- und
Buchdruckkunst. Das große Ansehen, welches das Werk in China genoß,
hat den Pater Joseph Anne-Marie de Moybiac de Mailla von der
Jesuitenmission in Peking bestimmt, es ins Französische zu übersetzen.
Es ist nur eine Übersetzung im Auszug und i. a. mehr eine Paraphrase.
Aber sie stellt immerhin mit den 12 starken Quartbänden zu etwa
7000 Seiten Übersetzungstext, erschienen in Paris 1777—83 unter dem
Titel Histoire generale de la Chine, wenn sie auch sicherlich mit chine¬
sischer Hülfe angefertigt ist, doch die gewaltigste Übersetzungsleistung
der Sinologie dar, die nicht mehr erreicht worden ist und auch nicht mehr
erreicht werden wird. Das Werk hat verständlicher Weise die haupt¬
sächliche Grundlage aller Darstellungen von der chinesischen Gesamt¬
geschichte gebildet. Doch wird ihm von manchen Seiten sein historischer
Wert bezweifelt oder abgesprochen. Am schärfsten hat sich in diesem
Sinne Otto Franke geäußert, der Verfasser der großen , Geschichte des
Chinesischen Reiches', in seiner Akademieschrift v. J. 1930. Er wendet
sich gegen die Gewohnheit, das Werk zur Grundlage historischer Stu¬
dien zu machen. Dieser Einwand ist sicher berechtigt: es ist nicht als
Quelle zu bewerten, wenn es auch selbst aus Quellen geschöpft hat. Es
heißt natürlich immer auf die Quellen zurückgreifen. — Aber als Führer
ist das Werk in seiner Übersichtlichkeit von höchstem Wert und ein
wichtiges Hülfsmittel für das Geschichtsstudium^. Es gilt für das T'ung-
kien kang-muh, wie etwa auch für die Mandschu-Übersetzungen, das
Wort 'yung chi ho ju örh^, es kommt nur darauf an, wie man es benützt.
So hat es auch die vorliegende Arbeit als Führer genommen, seinen
Text und auch seine Kommentare, die uns ein unübertreffliches Material
zur Erkenntnis der chinesischen Geschichtsauffassung bieten d. h. der
amtlichen orthodox-konfuzianischen Richtung.
Der Ort Handlung
Die Stadt Ch'ang-an, Hauptstadt des Tang-Reiches, heute Si-an ge¬
nannt, Hauptstadt der Nordwestprovinz Shensi (shän-si), über hundert
Kilometer westlich des Hoangho-Knies, ist ein alter Platz. Schon vor
^ ^ fi2 pao-pien, Lob und Tadeh
» 8. auch DB Groot, Sinologische Seminare. .. S. 18.
'J^±Pli\i%-
Han Yü's Eimpruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 285
dreitausend Jaliren haben dort oder doch in nächster Nähe die Könige
des Chou-Reiches residiert. Dort in der damals Hien-yang genannten
Stadt, wenige Meilen westlich von den heutigen Mauern, herrschte im
3. vorchr. Jahrhundert der gewaltige Kaiser Ts'in Shi-huangi, und da¬
nach ist sie noch über ein Jahrtausend Kaiserstadt geblieben. Die rie¬
sigen Mauern und Stadttore zeugen von stolzer Vergangenheit, und man
findet am Ort noch heute einige alte Bauten aus der Tang-Zeit. Schon
damals war es eine Großstadt, eine Millionenstadt, die einen bedeutenden
Anteil des ganzen chinesischen Volkes beherbergte. Ein Zensus vom
Jahre 780 hatte für das Reich, dessen Südgebiete allerdings noch kaum
besiedelt waren, mehr als drei Millionen Hausstände ergeben, was einer
Zahl von 17—18 Millionen Seelen (in China rechnet man wirtschaftlich
nach , Mündern') gleichkäme. Da der Steuerzensus immer beträchtlich
hinter dem Effektivbestand zurückblieb, muß man eine weit höhere Be¬
völkerungsziffer ansetzen. — Bei solchen unsicheren amtlichen Zahlen
sind kasuistische Angaben wie die unserer Schrift, die der Wahrheit ent¬
sprechen dürften, von besonderem Wert. — Neben den Hausständen ist
im damaligen Zensus das Heer mit 768000 Mann angegeben, eine statt¬
liche Truppenmenge, die im Anfang des 9. Jahrhunderts sicher nicht ge¬
ringer war und zum Teil in den Provinzen oder an den Grenzen im Felde
stand, zum Teil in der Hauptstadt oder in ihrer unmittelbaren Nähe in
Garnison lag. Dazu hat man nun aber noch die fremden Hülfstruppen zu
rechnen. Türkische und arabische Kontingente, 150000 Mann, standen
im Reich und lagen z. T. in der Hauptstadt, die in ihren Mauern 4000
fremde Familien beherbergte. Sie hatten sicherlich ihr besonderes Wohn¬
viertel. Aber es muß in den Straßen schon ein buntes Leben geherrscht
haben, ähnlich dem, das man noch in der letzten Zeit des Mandschu-
reiches in den Grenzstädten beobachten konnte. Das Stadtbild ist hin¬
sichtlich der Gebäude sicher rein chinesisch gewesen: imposante Yamen
mit hohen geschweiften Dächern, Buddhistentempel, Theater und Tec-
häuser, stille Wohnviertel mit fensterlosen Häuserfronten und Gärten
und lärmende Geschäftsstraßen mit offenen Auslagen. Im Straßenzug
das Gedränge der Käufer und Passanten, ambulante Händler und Gauk¬
ler. Und dazwischen die Last- und Wasserträger, Maultierkarren und
Tragesel, die Sänften der Mandarinen und die berittenen Soldaten. Das
Volk wird, bis auf Haartracht und Kopfbedeckung, nicht anders aus¬
gesehen haben als vor fünfzig Jahren: im Sommer der Mann der ein¬
fachen Stände mit bloßem Oberkörper, der Gebildete und Wohlhabende
im einfachen baumwollenen oder im prächtigen seidenen langeiiGewand,
im Winter im wattierten Kleid. Viele Buddhistenmönche wird es auf der
'mw^- 19*
286 Erich Haenisch
Straße gegeben haben und auch viele Fremde, Kaufleute. Denn der Han¬
del mit Innerasien lief ja schon seit langem, und nachdem der Landweg
gestört oder erschwert war, kamen die arabischen und persischen Kauf¬
leute auch zur See ins Land und zogen von Kanton auf der eigens an¬
gelegten breiten Straße über den Meiling-Paß nach Norden zu der be¬
rühmten glänzenden Kapitale des Wunderlandes Tschin^, die in den
Märchen von Tausendundeiner Nacht erscheint. Es muß schon eine
wunderbare Stadt gewesen sein, die ihren Eindruck auf den fremden Be¬
sucher nicht verfehlte. Aber es war nur noch ein Abglanz vergangener
Herrlichkeit. Damals, zu Anfang des 9. Jahrhunderts, lag über der großen
Stadt mit ihren riesigen Mauern und mächtigen Toren und über der
Palaststadt in ihr, mit ihren vergoldeten Dächern eine bedrückende
Schwüle. Mit der Mißernte hatte das nichts zu tun. Die Lage des ganzen
Reiches war prekär, eigentlich schon seit geraumer Zeit, seit Jahr¬
zehnten.
Die Zeit
Während das Abendland in Karl dem Großen seinen gewaltigsten
Herrscher erlebte, war für das Tang-Reich schon die Zeit des Nieder¬
gangs gekommen. Die Herrschaft über das Tarimbecken war verloren*.
Zwar waren am Kaiserhof Gesandte des Bagdader Khalifen Harun al
Raschid eingetroffen, des Verbündeten gegen den gemeinsamen Feind,
den Tibeterkönig Ralpatschan (Khri-lde-srong-btsan), und zeigten sich
auch die Uiguren als Waffenhelfer'. Die Tibeter waren in der West¬
provinz geschlagen worden. Aber im Innern des Reiches sah es schlimm
aus. Da war das erste Übel der Satrapen in den Provinzen, welchedie
Schwäche der Staatsgewalt zum Ausbau ihrer Selbständigkeit aus¬
nützten. Seit langem bestand bei ihnen der Wunsch nach Erblichkeit
der Statthalterschaften in den Familien, also Wiedereinführung der alten
Lehnsverfassung. Die Frage, wie das weite Land zu regieren sei, ob zen-
tralistisch, mit Statthaltern oder Lehnsfürsten, war immer die Haupt¬
sorge der chinesischen Politik. Liu Tsung yüan schrieb gerade in der Zeit,
die wir hier betrachten, seine Warnung vor dem Lehnswesen: Es habe
1 Die hauptstädtische Provinz nannte sich mit dem Namen des alten
Feudalstaates Ts'in (vgl. das Couplet des Bänkelsängers, s. u. S. 294), und dieser Name wurde auf die Hauptstadt und auf das ganze Reich übertragen,
das also bei den fremden Völkern des Westens nicht als das T'ang-Land
sondern als Tschin erscheint, woraus sich dann der Name China herleitete.
2 Seit d. J. 751.
' Sie waren an China irre geworden und hatten sich mit den Tibetem ge¬
einigt, um das geschwächte T'ang-Reich zu berauben. Erst dem Marschall
Kuo Tze-i war es dank dem Eindruck seiner Persönlichkeit und seinem alten
Ansehen gelungen, sio umzustimmen.
Han Yü's Emspruch gegen die Prüftmgssperre i. J. 803 287
nicht im Sinne der alten Musterherrscher gelegen, sie hätten es gern ab¬
geschafft. Aber die Zeitumstände hätten es nicht zugelassen.^ — Man
weiß, daß die Könige der Chou ihre verdienten Paladine mit Land be¬
lohnt hatten, und wie es dann zugegangen war: Wie die Erstarkung der
Lehnsherren und die Ohnmacht der Reichsgcwalt im Altertum den Kampf
der Fürsten um die Hegemonie und damit den Zerfall des Reiches herbei¬
führte. Wie der Siegerstaat Ts'in die zentralistische totalitäre Regierung
schuf und dem Lehnswesen mit einem Schlage ein Ende, alle Fürsten und
auch die Mitglieder des eigenen Herrscherhauses zu einfachen Bürgern
machte. Wie einer der hohen Beamten seine mahnende Stimme erhob:
, ,Auf wen will sich der Kaiser verlassen, wenn es Umuhen gibt ? Auf die
Beamten, die keine persönliche Bindung an ihn haben ?"2 Wie nachdem
Sturz des totalen Staates die späteren Dynastien sich auf Statthalter
stützten, Beamte mit weitgehenden Vollmachten, aber doch Beamte,
versetzbar und absetzbar. Jetzt war die Reichsgewalt wieder einmal so
geschwächt, daß der Kaiser in Einzelfällen zur Belohnung für geleistete
Hülfe dem Wunsche eines Satrapen auf Einsetzung seines Sohnes in die
Statthalterschaft zugestimmt hatte, mit der Folge, daß andere began¬
nen, eigenmächtig ihren Söhnen ihr Amt zu übergeben, ohne erst nach
dem kaiserlichen Placet zu fragen. Und wenn sie dann zur Rechenschaft
gezogen werden sollten, sagten sie den Gehorsam auf und führten keine
Steuern mehr ab. Dann gab es militärische Reichsexekutionen, die nicht
nur große Kosten sondern auch die Verwüstung von Ländereien verur¬
sachten und zur Verarmung des Bauernstandes führten, des Haupt¬
steuerträgers.
Das ergab das zweite Übel, eine hoffnungslose Finanznot des
Staates.
Den großen Umbruch im Schicksal des Tang-Reiches hatten die bei¬
den Rebellionen der türkischen Offiziere An Luh-shan und Shi Sze-ming
gebracht, die in den Jahren 755—761 das ganze Land mehr oderwerüger
verheerten. Mögen auch die Zensuszahlen an sich nicht zuverlässig sein,
so redet doch der Vergleich eine klare Sprache: i. J. 705 werden 37, i. J.
726 schon 41, i. J. 740 gar 48, i. J. 780 aber nur 18 Millionen Seelen an¬
gegeben! Es ist begreiflich, daß eine dezimierte Bevölkerung mit den ge¬
wohnten Abgaben nicht mehr die für den Staatshaushalt erforderlichen
Mittel aufbringen konnte. Man versuchte noch, die Abgaben zweimal im
Jahr einzuziehen*. Danach kam die Erhöhung der Umsatzsteuer um
zehn Prozent und eine neue Besitzsteucr auf alle Dinge von irgend¬
welchem Wert. Die schlimme Steuernot des Volkes spiegelt eine Schrift
wieder, die der vorgenannte Liu Tsung-yüan wenige Jahre später in
1 # >r> pJ ^.
* Shvm Yü-yüeh in der Biographie von Li Sze, Shiki 97. ^ fj^
288 Ebich Haenisch
seinem Exil in Yung-chou verfaßte ,vom Schlangenfänger'i : Dort gab
es eine besonders giftige Schlangenart, also auch von besonderer Heil¬
kraft. Die Giftschlange wird in China getrocknet und zu Pulver ver¬
rieben als Medizin verwandt. Die Gemeinden des Bezirks Yung-chou
waren angewiesen, jährlich 2 Schlangen an den Hof zu liefern. Der
Schlangenfang oblag einem Manne, der für seine Gefahr von der Steuer
befreit war und das Gewerbe in seiner Familie vererbte. Liu erzählt, wie
der neue Präfekt, als er die Gemeinden besucht, sich auch einen Schlan¬
genfänger vorstellen läßt und von ihm auf Befragen erfährt, daß Vater
und Großvater im Beruf den Tod gefunden hätten: Er selbst sei jetzt
zwölf Jahre dabei, und eines Tages werde es auoh ihn treffen. Der Präfekt
sagt: ,,Du dauerst mich. Ich könnte bei der Behörde dahin wirken, daß
du abgelöst und wieder einem bürgerlichen Beruf zugeführt wirst".
Worauf der Mann entsetzt abwehrt : Das Unheil seines Gewerbes sei bei
weitem nicht so schlimm wie das des Steuer zahlenden Bürgers. Er hier
riskiere nur zweimal im Jahre sein Leben^ und habe sonst nichts aus¬
zustehen, könne von seinem Acker leben. Die andere Bevölkerung aber
lebe in ständiger Steuerangst. Von den Familien der Gemeinde aus der
Zeit seines Großvaters sei nicht eine mehr übrig geblieben, aus der Zeit
seines Vaters seien es keine zwei oder drei mehr von zehn Familien. Und
von den Familien, mit denen er vor zwölf Jahren noch zusammenlebte,
seien unter zehn keine vier oder fünf mehr übrig. Alle anderen seien aus¬
gestorben oder abgewandert. —Liu, dessen Schrift dartut, daß selbst die
entlegenen, kaum noch erschlossenen Gebiete des Südens schon unbarm¬
herzig von der Steuerschraube erfaßt wurden, erinnert am Schluß an das
Wort des Meisters Konfuzius, daß eine harte Regierung furchtbarer sei
als der Tiger, aus der bekannten Legende' : Konfuzius spricht auf dem
Gräberfeld zu einer jammernden Frau. Sie weist auf das frische Grab : ihr
Sohn sei vom Tiger geschlagen worden. Und ihren Mann, im Grabe da¬
neben, habe das gleiche Schicksal ereilt. Auf die Frage, warum sie denn
da nicht aus dieser gefährlichen Gegend fortgezogen seien, erwiderte sie :
, ,Wie konnten wir, wo wir doch hier (eben wegen des gefährdeten Lebens)
Steuernachlaß genießen!" — I. J. 782 hatte die Regierung in ihrer Steuer¬
politik einen großen Schlag geführt, durch gewaltsairie Auskämmung der
Großkauf leute, denen ihr gesamtes Barvermögen, bis auf je 10 Tausend¬
ligaturen, eingezogen wurde*. Natürlich blieb ein beträchtlicher Teil des
Mi« iri: Zottoli IV, s. 356. . '~M:tM^^ r..
^ Sein Wort : ^ M. harte Steuern sind schlimmer als der Tiget.
* ts 'ia V<H IV. 782. Dio offizielle Geschichte sagt nichts davon. Nur in
der Biographie von Ch'en King, T 200, gibt es eine kurze Erwähnung \g
Umso ausführlicher ist das Tkm, hier sicher auf Grund der privaten Ge¬
schichtschreibung, die sich jedenfalls mit der Steuerpolitik eingehend be-
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 289
geraubten Gutes m den Taschen der Rohkommandos. Aber die Klasse
der Besitzenden war mit einem Schlage ausgelöscht. Viele nahmen sich
das Leben. — Das T'ung-kien kang-muh bemerkt im Kommentar, daß
es eine solche Beschlagnahme des Besitzes im ganzen Werke d. h. für
die Zeit von 403 v. Chr. bis 959 nur dreimal verzeichnet habe. — Das
Geschäftslcben kam zum Erliegen. Es gab Zusammenrottungen auf der
Straße. Der Kaiser, der sich nun auch unter seinem Volk nicht mehr
sicher fühlte, hielt sich im Palast und gab sich damit in die Hand der
Eunuchen, von denen er sich eigentlich hatte lösen wollen.
Und das Eunuchenwesen war das dritte Übel jener Zeit, noch
schlimmer als die Gefahr der Satrapen und die Finanznot. Die Eunuchen
sind ein notwendiges Übel im Harem des orientalischen Palastes. Im
Grunde treu ergebene Diener des Herrschers, können sie als Vertraute
der kaiserlichen Favoritinnen wie diese einen, meist unheilvollen, Ein¬
fluß auf den Kaiser und über ihn auf die Regierung gewirmen. Dann
werden sie gescheut, werden überheblich und erlauben sich Eigen¬
mächtigkeiten und Übergriffe. So lag der Fall hier. Da gab es den Palast-
bazari, eine schon seit der Han-Zeit bestehende Einrichtung, eine Art
Messe im Harem, für die Unterhaltung der dortigen Damenwelt gedacht
und von den Eunuchen beschickt und besorgt. Dabei war noch nichts
Arges. Wenn diese jedoch bei ihren Einkäufen in den Läden der Stadt
kraft ihrer Autorität niedrige Preise erpreßten^, um in ihre Tasche zu
arbeiten, war das Ärgernis gegeben. Weit bedenklicher noch war der Ein¬
fluß der Palastbeamten d. h. Eunuchen auf die Palastgarde oder gar ihre
Betrauung mit militärischen Funktionen. Man hatte das Beispiel aus
dem Ende der Han-Zeit, vor mehr als sechshundert Jahren, von den ver¬
zweifelten Kämpfen des Militärs und der Beamtenschaft mit den Eu¬
nuchen, die ja schließlich, eine Zahl von zweitausend, restlos ihr Leben
lassen mußten*. Aber vorher hatte der Generalissimus* daran glauben
müssen, und sein ewiges Zaudern wie der hartnäckige Widerstand der
Kaiserinwitwe beleuchten so recht die gewaltige Macht dieser kleinen
schäftigt hat. Die Kommentare behandeln die alte, ewig neue Forderung:
erst soziale Fürsorge, dann Rüstung: ^ J^, ^-^^ tfi] ® Ä iff
fili LL rfj] ^f^ cooJia baitalara mangga urse, neneme ini irgen be bayam-
bumbime ini fu ku be jalukiyara, urunaku umainaci ojarakö oji deribumbi.
dir li - „der Kaiser hätte dem Volke erst zehn Jahre Zeit geben müssen,
sich zu erholen und die Entwicklung der Lage bei den aufsässigen Statt¬
haltern in Ruhe abwarten." Ja, wenn sie ihm die Ruhe gelassen hätten!
^gTtf.
2 Früher war ein Beamter mit den Käufen für den Palast betraut, bei
Barzahlung des Ladenpreises. Jetzt i. J. 798 waren die Einkäufe den Eu¬
nuchen in die Hand gegeben.
ä i. J. 189 in derselben Stadt. * Ho Tsin.
290 Erich Haenisch
Eunuchenschar. Die Palastgarde oder Schloßwachei, eine starke aus¬
erlesene Truppe, Leibgarde zum Schutz des Herrschers und seines Hau¬
ses, bestand oft aus fremden Söldnern und war mit besonderen Präro¬
gativen ausgestattet. — Die Leibgarde, die den letzten Mongolenkaiser
bei seinem Auszuge aus Peking i. J. 1368 begleitete, bestand z. B. nicht
aus Mongolen sondern Asut, Alanen vom Kaukasus^. Und in der Ge¬
heimen Geschichte der Mongolen' lesen wir einen Tagesbefehl des Kaisers
Ogotai, nach dem der Mann der Leibwache über einem auswärtigen
Tausendschaftsführer rangierte: ,,Bei Schlägereien zwischen Chiliarchen
und meinen Leibwachen werde ich die Chiliarchen bestrafen." — Auch
in der Tang-Zeit genoß die Palastwache ihre Vorrechte : Sie war streng
in sich abgeschlossen. Kein Unbefugter durfte, bei schwerster Strafe,
ihr Revier betreten. Daß der Kaiser Teh-tsung in seinen letzten Jahren
diese Palastgarde dem Obereunuchen unterstellte*, war eine verhängnis¬
volle Maßnahme.
Die Männer
Der Kaiser Teh-tsung, der in der Zeit von 780 bis 804 regierte, war
ein guter Mensch, aber ein unglücklicher Fürst. Er zeigte anfangs die
besten Absichten, räumte mit dem Luxus im Palast auf und entließ eine
große Zahl von Haremsfrauen heim zu ihren Familien, verringerte dabei
auch das Palastpersonal. Auch die Anmaßung der Satrapen gedachte er
einzudämmen und versagte einigen, denen sein Vorgänger unbedachter
Weise erbliches Lehen versprochen hatte, die Bestätigung. Der daraus
entstandenen Aufstände® vermochte er jedoch nicht rechtHerr zu werden
und mußte vor ihnen sogar zeitweilig seine Residenz räumen*. Ebenso¬
wenig wurde er mit der Finanznot fertig und wußte eben keinen Rat als
immer neue Steuern. Nach dem Tode des Marschalls Kuo Tze-i, gleich
im Anfang seiner Regierung, fand er unter den Beamten keinen, auf den
er sich stützen mochte. Schließlich wurde er an seinen eigenen Fähig¬
keiten irre und zog sich in den Palast zurück. Aus Angst vor seiner Um¬
gebung versäumte er, für seinen Todesfall dem Staate die nötige Siche¬
rung zu geben, wie es seine Pflicht erheischt hätte, die er mit dem himm -
1 ^ zur T'ang-Zeit # M
^ M Wi W ^ ^ i^ M ti (Private Aufzeichnungen vom
Zuge nach Norden' von Liu Kih)
3 Yüan-ch'ao pi-shi TC ^ f äl 278.
* Im 6. Monat 803 wurde Sun Jung-i zum Kommandeur ernannt. Der
Kommentar bemerkt, der Zusatz .Eunuch' sei im Text fortgelassen. Die Aus¬
führung sagt, daß damit die Macht der Eimuchen nooh gewachsen sei.
5 T'ien Yüeh und Ohu T'ao schlugen zuerst los i. J. 781, und dann folgte
fünf Jahre lang eine RebeUion der anderen, bis das Reich zur Ruhe kam.
« I. J. 783.
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 291
lischen Auftrag übernommen hatte. Der Thronfolger war ein kranker
Maim, der seinen Vater nur um wenige Monate überlebte. Er unterhielt
in seinem PalastflügeP Verkehr mit einigen Beamten und Gelehrten, in
der Form eines Schach- und Literatenklubs. Es war auch in China so,
daß, wenn der Thronfolger designiert war, die Beamten, die mit ihren
Ratschlägen und Warnungen bei der Regierung nicht durchdrangen,
sich um ihn scharten und eine Fronde bildeten. Das T'ung-kien kang-
muh schreibt dazu^ :,, Schon vordem waren die Assistenten in der Hanlin-
Akademie Wang P'i, ein bedeutender Kalligraph, und Wang Shuh-wen,
ein ausgezeichneter Schachspieler, beide im Ostpalast ein- und aus¬
gegangen und hatten dem Thronfolger mit ihrer Gesellschaft Freude ge¬
macht. Wang Shuh-wen war ein durchtriebener Mensch, der sich ein An¬
sehen gab und von sich behauptete, durch Bücherstudium die Kenntnis
der Regierungskunst' erworben zu haben. Als sie einst im Gespräch auf
die Frage des Palastbazars kamen, äußerte der Thronfolger: , Gerade zu
diesem Punkt möchte ich einmal sehr entschieden Stellung nehmen'.
Alle beglückwünschten ihn zu diesem Entschluß. Nur Wang Shuh-wen
sagte kein Wort. Nachdem die anderen sich verabschiedet hatten, hielt
der Thronfolger den Shuh-wen zurück und fragte ihn: ,Was hat das zu
bedeuten, daß Sie vorhin keinen Ton sagten?' Shuh-wen entgegnete:
,, Das Amt des Thronfolgers besteht darin, nach den Speisen des Kaisers
zu sehen und nach seinem Befinden zu fragen*. Alle anderen Angelegen¬
heiten gehen ihn nichts an®. S. M. hat den Thron seit langem inne. Wenn
er argwöhnen muß, daß Sie, Kaiserliche Hoheit, sich bei den Leuten
Sympathien erwerben wollen, wie kann er dann ruhig schlafen?' Da
brach der Thronfolger in Tränen aus und rief: ,Sie allein haben mir die
Augen geöffnet!' Von da an erwies er ihm die größte Huld und verließ
sich auf ihn und Wang P'i als seine Stützen. Bei Gelegenheit sprach er
mit ihnen davon, den oder den könne man zum Kanzler und den oder
jenen zum Großfeldherrn machen, und ob er wohl das Glück haben
möchte, sie Beide später einmal in seinen Diensten zu sehen. Im Ge¬
heimen machte er einen Pakt mit dem Kanzler der Hanlin-Akademie
Wei Chi-i ünd mit Beamten der Regierung, die einen Namen hatten und
1 Der Ostflügel des Palastes ist die Wohnung des Tluonfolgers.
^ Tkm 804, 9. Monat.
' m M-
* Die Legende berichtet vom König Ch'eng der Chou-Dynastie, daß er
seine Rolle als Thronfolger in vorbildlicher Weise durchgeführt habe, indem er einfach seine ganze Sorge auf das persönliche Wohl dos Königs beschränkte,
sich jeden Tag am Morgen, Mittag und Abend nach seinem Befinden er-
kimdigte und sich um seine Speisen kümmerte.
s ^ :5'f ^ tulergi baita be gisureci acarako, wörtlich ,über die An¬
gelegenheiten außerhalb des Palastes hat er nicht mitzureden'.
292 Erich Haenisch
gern Karriere gemacht hätten^, wie Lu Shun, Lü Wen, Li King-kien,
Han Ye, Han T'ai, Ch'en Kien, Liu Tsung-yüan und Liu Yü-sih und
schloß mit ihnen ewige Freundschaft. Ling Chun und Ch'eng I bekamen
auf dem Wege über diese Gruppe auch Zutritt, weilten dort täglich bei
ihnen und gingen aus und ein. Ihre Spuren waren geheim und niemand
wußte um die Zusammenhänge."^ Der Kommentar bemerkt dazu:
,,Der Thronfolger ist der Zweite im Staat*, Ersatzmann für den Kaiser
und somit von größter Bedeutung für die Dynastie. Damals war Kaiser
Teh-tsung schon 63 Jahre alt. Das war ein bedenklicher Umstand*. Der
Thronfolger, der schon lange im Kronprinzenpalais (Ostpalast) wohnte
und auch schon 44 Jahre zählte, hatte plötzlich eine Sprachlähmung er¬
litten®. Das war der zweite bedenkliche Umstand. Daß, nachdem er im
9. Monat erkrankt war, im ganzen Winter bis in das Frühjahr hinein
nicht die geringste Vorsorge getroffen war, das war der dritte bedenk¬
liche Umstand. Der Prinz von Kuang-ling« war der Sohn des Thron¬
folgers, geweckt und verständig und damit vom Schicksal für das Amt
vorbestimmt', dabei auch schon 28 Jahre alt. Daß der Kaiser sich da
nicht entschlossen hatte, ihn beizeiten zu designieren, das war der vierte
bedenkliche Umstand. Nun ist das Reich eine hochernste Einrichtung*,
auf welcher der himmlische Auftrag ruht. An seiner obersten Stelle steht
ein einzelner Mensch. An zweiter Stelle steht der Thronfolger. Als näch¬
ster kommt der Enkel des Kaisers. Damit ist Schluß. Das T'ang-Haus
aber hat, als es sich in die allerkritischste Zeit gestellt fand, (seinen Auf¬
trag) völlig aufgegeben und sich um nichts gekümmert'. Und als dann
eines Tages auf einmal der Trubel da war^", hätte es beinahe die Möglich¬
keit verscherzt, den erhabenen Thron und die heiligen Insignien^^ je¬
mand anzuvertrauen." So heikel war die Lage des Staates i. J. 803, dem
letzten Regierungsjahre des Kaisers Teh-tsung, der sich nicht zu dem
Entschluß aufraffte, eine Vertretung für den kranken Thronfolger zu
bestimmen ! In der Krise wäre ohne das Eingreifen des Generals Wei Kao
die Dynastie ins Verderben geraten. Über diese Zeit der ,99 Tage' mit
ihren Palastintrigen und dem Widerstand der Beamtenschaft ließe sich
eine besondere Untersuchung schreiben. Der Geschichtschreiber gibt dem
Kaiser die Schuld, der auch seinen Sohn nicht mit ordentlichen Männern
umgeben habe sondern mit Gesellen wie Künstlern und Schachspielern^^
und ihn dem Einfluß eines Wang Shuh-wen überlassen : 'Hat er damit
' 5i<äiii:#- ^ M turgun. ^ ^ gurun-i UM.
* ^ M —■ -ffij ß'i'e joboSoci acarangge emu. ° ?n ^ hele nimeku
" Jf ( 1^ 31 • ' )Ä daci salgabuji. * jR ^ ujen tetun.
° # ;2l ^ Pb^. ^"Ml^M^ gaitai bengneU de kobulin tucifi.
'':kmm^^- ^^t^mwm±m
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 293
seinen Sohn etwa verdummen wollen ?'i Wie konnte jener Mann sagen,
er habe aus der Literatur die Regierungskunst gelernt und dann das Bei¬
spiel des Königs Ch'eng so mißverstehen, daß er den Thronfolger warnte,
sieh um die Politik zu kümmern 1^ Auch Liu Tsung-yüan muß emen stren¬
gen Vorwurf hinnehmen*. Ein solcher Vorwurf ist später leicht zu er¬
heben. Wenn selbst ein Mann wie Han Yü sich zurückhielt, ist wohl an¬
zunehmen, daß es gefährlich war, sich zu exponieren. Von den verant¬
wortlichen Staatsmännern der kritischen Zeit, Kanzler und Ministern,
liest man so gut wie nichts. Nur ein Mann tritt sehr klar in Erscheinung,
der Präfekt der Hauptstadt Li Shih. Dieset war erst im Frühjahr 803
auf den hohen Posten berufen worden*. Von Amts wegen war ihm die
Wohlfahrt der hauptstädtischen Bevölkerung anvertraut. Andrerseits
war er für den Eingang der Steuern verantwortlich. Der Kaiser fühlte
Neigung und Vertrauen zu ihm, die er sich, wie es heißt, durch Liebe¬
dienerei zu bewahren suchte und zu hoffärtigem Verhalten gegenüber der
Beamtenschaft nützte, die ihn fürchtete und mit Mißtrauen betrachtete.
Die strikten Weisungen zur Abführung der Steuern, die jedenfalls alle
zuständigen Regierungsstellen erhielten, führte er rücksichtslos durch.
So auch im Fall der Dürre und Mißernte des Jahres 803. Es war sonst
üblich, bei Naturkatastrophen für die heimgesuchten Gebiete Steuer¬
erlaß, Nachlaß oder Stundung zu gewähren. Aber der Gedanke, in seinem
ersten Amtsjahr das Soll nicht abzuliefern, war dem neuen Präfekten
offenbar unerträglich. So berichtete er dem Kaiser fälschlich von einem
guten Ausfall der Ernte, worauf alle Steuererleichterungen unterblieben®.
Wenn man annehmen darf, daß die Prüfungssperre auf Grund der Le¬
bensmittelknappheit auf Antrag des Präfekten ergangen sein muß, hätte
dieser sich in Widerspruch mit sich selbst gesetzt. Jedenfalls war die Not¬
lage der hauptstädtischen Bevölkerung allgemein und von solchem Aus¬
maß, daß die Leute begannen, ihre Häuser abzudecken und Dachziegel
und Holzteile zu verkaufen, sowie die Saat auf dem Halm. Nur so ge¬
lang es ihnen, die Steuer aufzubringen*. Da war ein Bänkelsänger'
namens Ch'eng Fu-tuan, der verfaßte ein Kouplet von einigen zehn
'M^f-- '^m^vm-
' j^^l^'r^S- dahaci acara babe fambufi, sie ließen sich irreleiten, fort von dem Wege, dem sie folgen mußten.
* Seine Amtszeit war von kurzer Dauer. Nach zwei Jahren, unter der
neuen Regierung, wurde er degradiert. Bei der Bevölkerung war er nicht so
beliebt wie beim Kaiser Teh-tsung. So hatte er keinen guten Abgang aus der
Hauptstadt. Auf den Straßen erhob sich ein Freudengeschrei. Die Leute
hatten Ziegel und Mauersteine in die Ärmel gesteckt und warteten ihn ab,
um ihm in den Weg zu treten. Er hat eine ausführhche Biographie T 167,
KT 135. ' ^ilfft"^ -^^ ® alban ciyanliyang gemu guwebuhekö.
° ^'B* alban bure de isinaha. ' @ A. kumun-i niyalma.
294 Erich Haenisch
Strophen auf diese Zustände, in dem es hieß: ,,TsHn-ti c¥eng-chH örh
poh nien, lio kHju-tz'e tsien tHen-yüan, ih kSng moh -miao wu shih mi, san
kien t'ang-umh örh ts'ien ts'ien^. d. h. In unsrer Stadt hier im Lande
Ts'in^, wie hätte man vor zweihundert Jahren* gedacht, daß es jemals
so biUige Äclcer und Gärten geben würde ? — Ein k'ing (100 Acker) mit
der Saat auf dem Halm für 5 picul Reis, ein Haus zu 3 Räumen für
2000 Käsch!" Als der Präfekt davon hörte, geriet er außer sich vor Wut
und erstattete Anzeige gegen den Bänkelsänger wegen Verhöhnung der
Staatsgewalt*. Worauf der Kaiser ihn schleunigst aburteilen und zu Tode
prügeln ließ. Die Stadt wat darüber erregt. Die allgemeine Auffassung
ging dahin, daß der Bänkelsänger nicht bestraft werden durfte. Auch in
China galt für das politische Kouplet Narrenfreiheit, und dem Schau¬
spieler, oft in der Rolle eines blinden Musikanten®, fiel da eine poli¬
tische Aufgabe zu, die Basil M. Alexejew in einem Aufsatz behan¬
delt hat.
Han Yü (768—824), der Verfasser der Schrift, einer der bedeutendsten chinesischen Schriftsteller*, der die Reihe der ,Acht großen Literaten'
(pah ta-kia) anführt, hat sich auch als Staatsmann einen Namen gemacht,
wennschon er nie die politische Leitung übernahm. Danach gelüstete ihn
wohl in der damaligen Zeit nicht. Oft in Opposition zur Regierung ste¬
hend, hat er doch nicht der Fronde angehört. Im Ausgang der Herrschaft
des Kaisers Teh-tsung hatte er eine Professorenstelle an der Vierfakultä¬
tenschule der Hauptstadt inne, und hat wohl in dieser Eigenschaft, viel¬
leicht als Mitglied der Prüfungskommission, Einspruch gegen die Exa¬
menssperre erhoben. Es ist möglich, daß dieser ihm noch im selben Jahr
803 seine Berufung ins Zensorat bescherte. Man kann das nicht wissen,
denn die beiden Biographien sagen nichts davon. Jedenfalls hat er als
Zensoratssekretär' sogleich für die Teuerungsgebiete Steueraufschub be¬
antragt, der ihn verdacht wurde und Degradierung und Strafversetzung
nach dem Süden einbrachte. Diese Strafe hatte er dem Präfekten der
'mi^^^=-Y:i^fi^miM\m\kmm-m^-^mm-M^\üi
^H^^^ (in Li Shih's Biographie).
^ D. i. die hauptstädtische Provinz.
' D. h. zu Beginn des T'ang-Reiches.
* W) gurun-i dasan he ehecume wakasaha.
* Auch in China galt das Herkommen, daß unter dem Schutz der Narren¬
freiheit politische Kritik geübt und Wahrheit gesagt werden durfte. Die
Biographie von Li Shih zitiert dazu den Ausspruch eines Zensors : „das Lied eines blinden Sängers kann eine Warnung darstellen: Sich seine verhüllten
Anspielungen zu wählen, um damit Warnungen auszusprechen JtÜ^j^ |^C r§
lü ilEni, n^ das ist die alte Aufgabe dos Schauspielers. Fu-tuan hätte nicht
bestraft werden dürfen". ° Auch ein berühmter Dichter.
' l^^^Jilill nachKT 160.
Han Yü's Emspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 295
Hauptstadt zu danken, zu dem er sich in der Steuerfrage in ausdrück¬
lichen Widerspruch setzte. Jedoch bestehen hier Unstimmigkeiten in der
Überlieferung. Die Angabe, daß die Strafe dem Antrag auf Steuerauf-
fichub gegolten habe, ist nur im Tze-chi t'ung-kien zu finden und daraus
ins T'ung-kien kang-muh übernommen^. Nach der offiziellen T'ang-
Geschichte, die den Antrag auf Steueraufschub garnicht erwähnt, galt
die Bestrafung einem scharfen Memorandum gegen den Mißstand des
Palastbazars, einer längeren Schrift von mehreren tausend Wörtern*.
Wenn Sze-ma Kuang hier von der offiziellen Darstellung abweicht und
von dem Memorandum über den Palastbazar nichts sagt, dürfte er sich
»uf private Überlieferung stützen. An sich ist die amtliche, sehr bestimmte
-Angabe einleuchtender : die Büge der Mißstände im Palast war als hoch¬
politische Aktion viel schwerwiegender als ein Vorstoß gegen den Prä¬
fekten. Mit dem Einspruch gegen die Prüfungssperre hat die Strafe
natürlich garnichts zu tun. Han Yü ging also im Ausgang des Jahres 803
in die Strafversetzung als Kreisvorstand nach Yang-shan in der Präfektur
Lien-chou. Doch dauerte die Strafe nicht lange. Schon nach drei Jahren
rief ihn der Kaiser Hien-tsung nach der Hauptstadt zurück als Professor
an der Prinzenschule*. Danach hatte er mehrere hohe Ämter irme, zog i. J.
817 als Adlatus des Generals P'ei Tu auf die Expedition gegen den Auf¬
stand in Huai-West*. Er war Vizepräsident des Justizministeriums ge¬
worden, als er sich i. J. 819 die äußerst scharfe Erklärung gegen die Teil¬
nahme des Kaisers an der buddhistischen Reliquienprozession erlaubte®.
Die Schrift ist in extenso in seinen Biographien abgedruckt, findet sich in
allen Anthologien und hat verschiedene Übersetzungen erfahren*. Der
Kaiser Hien-tsung, der den Missetäter sonst hochschätzte, war außer sich
■und bestand gegenüber der Fürbitte der Großwürdenträger auf der
Todesstrafe : , ,Wenn Han Yü mir vorwirft, ich hätte mich zuviel mit den
Buddhisten eingelassen, möchte ich ihm das noch verzeihen'. Aber zu
behaupten, daß, seitdem die Ost-Han sich dem Buddhismus hingegeben
hätten, die Lebensjahre der Kaiser immer kürzer und die Regierungs¬
zeiten immer beschränkter geworden seien* was ist das für eine Unver-
1 So bei Tkm im 12. Monat des Jahres Cheng-yüan 20 (803).
^ In der Biographie T 176 kurze Erwähnung, KT 160 ebenso.
" S ? ±-
* Yüan Tsi u. Gen. Nach Rückgewinmmg des Gebiets verfalSte Han Yü im
Auftrag des Kaisers eine Inschrift über die Strafexpedition ^ f|| M 5?
'mm^M-
' So in Wim. Gbubes Geschichte der Chinesischen Literatur 1902,
S. 304ff, J. J. M. de Gboot, Sectarianism and religious persecution in
China, 1903, S. 54ff. "1 s^- _
'5?^^rÄ^i£- In der Schrift heil3t es: ji^rj;^ j^'-Pf^Mfös.die
Biographien.
296 Erich Habnisch
frorenheit ! Han Yü erlaubt sich in seiner Stellung als Beamter Kühnhei¬
ten bis zum Wahnsinn^. Da kann ich ihn einfach nicht begnadigen!" Erst
der vereinten Fürbitte der hohen Beamten und der Frauen im Palast, die
wohl für den Dichter schwärmten, gelang es, dem Kaiser eine milde
Strafe abzuringen. Han Yü wurde als Gouverneur an das Südmeer nach
Ch'ao -chou geschickt. Beim Thronwechsel im nächsten Jahr zurück¬
gerufen und wieder in sein früheres Amt eingesetzt, hat er nur noch
wenige Jahre gelebt. — Wir haben aus dem Gesagten wohl von Han Yü
den Eindruck gewonnen, daß er ein Beamter war, der seiner Redepflicht
genügte und in den Jahren 803—819 zum mindesten drei, darunter zwei
gefährliche, Einsprüche gewagt hat. Sein postumer Name deutet mit dem
Prädikat ,wen'^ auf seine literarische Größe. Sein Nachruf aber gilt mehr
seinem unerschrockenen Eintreten für die konfuzianische Lehre. Ihm
wird tatsächlich das Verdienst zugeschrieben, in jener verzweifelten Zeit,
als Herrscher und Volk, an der Tradition irre geworden, sich dem
buddhistischen System verschreiben wollten, durch seinen leidenschaft¬
lichen Widerstand die Gefahr beschworen zu haben. Der berühmte Re¬
former des 11. Jahrhunderts Wang An-shih hat ihn in einer Schrift*
einem Mencius zur Seite gestellt: ,,Der Edle wird nie den Zeitgeist Herr
über sein Tao werden lassen*. Nur einen Mann hat es gegeben, der unter
dem Zeitgeist eines Yang Chu und Moh Tih® sich ihm nicht anpaßte, das
war Meister Meng! Und nur einen Mann, der unter dem Zeitgeist des
Buddha und Lao-tze* sich ihm nicht anpaßte, das war Han Yü!" — Und
wie urteilt der Geschichtsschreiber? — Die offizielle Historiographie
referiert nur, enthält sich des Urteils. Das T'ung-kien kang-muh knüpft
an den längeren Bericht über die Erklärung gegen die Reliquienprozession
folgende Ausführung: ,,Seit der Epoche der Lehnsstaatenkämpfe lagen
die Anhänger des Lao-tze und Chuang-tze mit den Traditionalisten im
Streit. Jeder sagte vom Anderen, er habe Unrecht' und er selbst habe
Recht. Im Ausgang der Han-Zeit kam dann noch der Buddhismus dazu*.
Aber seiner Anhänger waren noch wenige. Seit der Zeit der Tsin und
Sung' griff er täglich weiter um sich^". Vom Kaiser und den Prinzen bis zu
den Gebildeten und einfachen Leuten war niemand, der ihn nicht verehrte
und an ihn glaubte. Die einfachen Leute fürchteten sich vor der Sünden¬
strafe undhofften auf den Segen (gute Wiedergeburt für ilireVerdienste)ii.
'um-
^ Abschiedsbrief an Sun Cheng-chi, vgl. Williamson, H. R., Wang An-
shih. .. London 1935/37 I, S. 42, und Habnisch, E., Drei Schriften Wang
An-shih's, Asia Major, Neue Folge I, 1, 1944, S. 66—68.
'x-jd.'mmm.- "-m^mm- 'n^m^-
' H i=li jI: ishunde uruSefi wakasafi. * ^ Jii fli-
» W (4. u. 5. Jahrb.). " B ^ ^ » S |S H IS-
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 297
Die Oberen redeten sich müde über Existenz und Nichtexistenz^. Einzig
und ahein Han Yü in seiner Empörung darüber, wie diese Leute das
Volksvermögen verschwendeten* und die Massen verblödeten, hat sie mit
aller Entschiedenheit zurückgestoßen. Und seine Schriften wie das Yüan-
tao, die Ergründung des Tao*, haben sich über die ganze Welt ausge¬
breitet." In einem weiteren Kommentar heißt es: ,,Die Eunuchen waren
zur Macht gelangt und die Minister waren nicht die richtigen Männer für
die Lage. Dann haben die Eunuchen mit den Buddhisten Verrat getrieben,
und die Minister haben es nicht fertig gebracht, eine Untersuchung einzu¬
leiten*. . . Han Yü hätte sich mit seiner mahnenden Eingabe fast der
Todesstrafe ausgeliefert. Jedenfalls ist ,, nachdem er die häretischen
Falschlehren zurücJ^gewiesen und, ohne sich beugen zu lassen, sein
orthodoxes Urteil abgegeben hat, bis auf heute der Geist der Autorität
und Scheu bewahrt geblieben®." Wie kommt es, daß das T'ung-kien
kang-muh, das hier dem Freimut des Mannes so hohes liOb zollt, ihm bei
seinem früheren Einspruch, der ihm die erste Strafversetzung einbrachte,
jede Anerkennung versagt hat ? —
Der Grund liegt bei Han Yü's Zurückhaltung im Falle Ts'ui Wei aus
demselben Jahre 803. Er ist nicht im T'ang-shu sondern nur im Tze-chi
t'ung-kien berichtet und aus ihm in das T'ung-kien kang-muh übernom¬
men, wo es heißt*: ,,Der Zensoratssekretär Ts'ui Wei erhielt die Baston¬
nade und wurde nach Ai-chou verbannt." InderAusführungheißtes,daß
Ts'ui Wei in Durchführung eines Auftrags zur Revision der Straffälle bei
der Garnison der Hauptstadt versehentlich oder vielmehr von mißgünsti¬
gen Untergebenen irre geführt, die Bannmeile des Palastwachenquartiers
betrat'. Auf die Meldung des Kommandeurs vergaß sich der Kaiser in
seiner Erregung so weit, daß er den Zensoratssekretär mit vierzig Schlä¬
gen bedachte. An diesen Bericht wird die Bemerkung geknüpft*: ,,Wenn
Ts'ui Wei sich im Palastreglement nicht genau auskannte, war das ein
Dienstvergehen. Aber er war für das Zensorenamt ausgewählt, und ihm
war das Mandat ,Auge imd Ohr' (der Regierung)' anvertraut worden.
'tknm
^ il'j' ulin be mamgiyara (durch Tempelbauten, Opfer usw.).
^ J^ iÖi (doro bo fetehe), Han Yü's berühmteste Schrift, eine Exegese des konfuzianischen Tao.
* $ ^f{? iü: 3^ (i^nil) sibkime mutehekö.
'^^mmM^i'^j^M.-
° Unmittelbar vor dem Vermerk von Hau Yü's Maßregelung. Ein Kom¬
mentar faßt beide Fälle zusammen.
' ^ ^^.^I PS 51 A ^ # M ''S fejergi wailan sa tuhebuki seme, yarume
ici ergtsen-ce cooha-i dolo gamara jakade, indem seine Fmiktionäie, um ihm
eine Falle zu stellen, ihn in das Revier der Palastgarde vom rechten Flügel
lockten. » Kommentar fl^ ft;- '^-f'^^-
298 Erich Haenisch
Daß solch ein Mann mit der Bastonnade bestraft und verbannt wurde,
ist unerhört ! Aber Teh-tsung war in seiner Gemütsart mit den Eunuchen
eins geworden. Er war sich garnicht bewußt, daß er ein furchtbares Un¬
recht beging." Der Kommentar dazu besagt: ,,Das Zensorat ist das Amt,
das für Gesetz und Regierung zu sorgen hat. Es ist das Ohr und Auge für
den Himmelssohn, ein Amt, für das selbstverständlich nur die saubersten
Leute in Betracht kommen^. Überdies war das Betreten des Reviers der
Nordtruppe, Palasttruppe, wo es sich um eine alte Bestimmung* handelte,
nicht als ein großes Vergehen zu bewerten. Wenn da Teh-tsung darüber
in derartigen Zorn geriet, so war das eben, daß er mit den Eunuchen eines
Sinnes geworden war, sodaß er über den geringsten Verstoß gegen ihre
Wünsche* sich so aufregte, daß er sich nicht halten konnte. Nur so konnte
es zu diesem tollen Vorfall kommen ... Daß da die Groß Würdenträger
noch weiter an seinem Hof erscheinen konnten!"* An diesen Bericht
schließt unmittelbar der von Han Yü's Bestrafung, in dessen Ausführung
von der Hartherzigkeit des Präfekten in der Steuerfrage und von der Hin¬
richtung des Bänkelsängers die Rede ist. Der Kommentar faßt beide
Fälle zusammen: ,,Wenn ein Mann ohne Schuld hingerichtet wird, haben
die Großwürdenträger zu gehen®. So heißt es. [Der Fall des Bänkelsängers]
das ist der Gedanke, daß selbst der Hase trauert, wenn der Fuchs stirbt®.
Als damals Ts'ui Wei als Zensoratsbeamter mit Schlägen bestraft und
verbannt wurde, hätte ein Edler den Anlaß sehen und etwas unternehmen
müssen'. Um wieviel mehr Han Yü, der doch selbst Zensoratskommissar
[also nächster Kollege] war. Er hätte selbstverständlich um seine Ent¬
lassung einkommen müssen. Das hat er aber damals nicht fertig gebracht,
sondern hat sich danach unter Anklage stellen und bestrafen lassen wegen
Hineimeden in Regierungssachen*. Nun ist das Zensorat ein Amt, das ja
gerade den Auftrag hat, in Regierungssachen zu reden : ,wer das Amt zu
reden hat und mit seiner Rede nicht durchkommt, der geht''. Da Han Yü
einmal keinen Verstoß gegen seine Redepflicht begangen hatte, mußte er
auch sein Amt zur Verfügung stellen^" und sich ins Privatleben zu Berg
^ S # 'f' 'ffc ^ bolgo wrse waka od, ere sonjoro de dosirakö.
' iffi %\\ je kooli.
' ''P 'M. ini gönin-i ujelerengge be majige necici.
* RT Ä iJ^ -f^ ter ei yamun de ilici ombio.
' M P ifn 5^ ± l'J "1 Jtü ■weile ako H be waci, daifu hajasa geneci
acambi. »mjE^fJ-
' ^ Ffn nashon be sahume deribuci acambihe.
' W bedeutet eine straf bare Handlung.
° a i& ^ # Ä W IÜ i Mencius, Ausgabe Legge S. 218.
^° ^ ® 15 M öfe hafan nakafi genembi.
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 299
und Garten zurückziehen. Was stand dem schon im Wege ?i Und das
Amt in Yang-shan hätte er auch nicht anzutreten brauchen. Wenn das
Kang-muh von Han Yü schreibt, daß er degradiert worden sei, ohne
dabei sein Amt im Zensorat zu erwähnen, hat es da etwa mit Rücksicht
auf ihn, den großen Marm, davon geschwiegen oder hat es damit sein
Bedauern darüber ausdrücken wollen, daß er nicht vorher gegangen ist ?
Andernfalls [wenn er aus dem Amt gegangen wäre] hätte er durch sein
Wort (seinen Einspruch) für sein Amt demonstriert, es wäre kein Verstoß
gegen das Amt gewesen.*" Wir müssen nach dem Sinne des vorhergehen¬
den Textes, der einen Tadel enthält, den Schlußsatz wohl als Hypothese
verstehen. Dies ist der Gedanke des Kommentars: Han Yü hätte im
ersten Fall, seines Kollegen Ts'ui Wei, unbedingt das Wort nehmen
müsseii und für sein Amt demonstrieren, chen chi^. Daß er es unterließ,
war ein Verstoß gegen seine Amtspflicht shih-chi'^. Wenn er im zweiten
Fall, bei seinem Antrag auf Steueraufschub, wegen Hineimeden in Re¬
gierungssachen gemaßregelt wurde, war das ungerechtfertigt, denn er
war von Amtswegen zum Hineinreden legitimiert. Da er nicht verbannt,
sondern als Beamter strafversetzt wurde, durfte er sich bei der Verfügung
nicht beruhigen sondern mußte seinen Abschied nehmen. Hätte er das
getan, dann hätte er wenigstens hier für sein Amt demonstriert. Hier
berührt sich der Kommentar des T'ung-kien kang-muh mit Han Yü's
Schrift. Ja, man möchte annehmen, daß er auf diese anspielt. Han
Yü hat in seiner Schrift drei Argumente gegen die Prüfungssperre ange¬
führt, von denen das erste, politische, ein gewisses Gewicht hatte, die
Beumuhigung in den Provinzen, das zweite, kulturelle, die Schädigung
der Kandidaten, wohl belanglos war, das dritte, kosmische, ihm jeden¬
falls als das wichtigste galt. Die kosmischen Beziehungen zwischen Re¬
gierung und Himmelserscheinungen sind ja nun einmal tief in der chine¬
sischen Anschauung verwurzelt. Das zitierte alte Regengebet ,ob die
Menschen wohl in ihrem Amt gefehlt haben shih-chi V betraf im Grunde
jedenfalls denLandmarm und besagte: 'wenn der Bauer seine Arbeit ver¬
nachlässigt, wird ihm der Himmel zur Strafe dafür den Regen vorent¬
halten.' Han Yü hat diesen Satz auch auf die Beamtenschaft bezogen.
Der Kommentator könnte also folgern: Wenn Han Yü im Falle Ts'ui
Wei gegen seine Amtspflicht fehlte, schädigte er damit das Yin und trug
selbst zur Trockenheit bei, die er in seinem Antrag vom 7. Monat be¬
kämpfen wollte.
Der Kommentar des T'ung-kien kang-muh ist staatsmoralisch gedacht
und stellt das Urteil über Han Yü's Eimeden vom Jahre 803 unter die
1 |pj ^ ^ ai ojorakd sere babi.
^^^^JilWtS®^:^Ä-& ^'^^'w ako od gisun de tuäan be y endebuhe
dabala. tu^San be ujarahangge waka kai. ^ |ß lf|;. * ^ Jf|j.
20 ZDMG 102/2
300 Erich Haenisch
Zeichen chen-chi und shih-chi. Auch sein Einspruch gegen die
Prüfungssperre fällt unter diese Entscheidung.
Für unser Thema, den Fall der Prüfungssperre i. J. 803, hat unsere
Untersuchung nur ein bescheidenes Ergebnis gebracht. Sie hat uns aber,
wie durch ein Fenster, einen Blick in ein interessantes politisches Spiel in
der chinesischen Geschichte geboten, von dem wir noch wenig wußten.
Sie hat uns auch gezeigt, wie die konfuzianische Geschichtschreibung das
Verhalten der Männer beurteilt, die darin ihre Rolle hatten.
Personennamen
An Luh-shan ^ HlÜ
Ch'en Kien |^ |^
Ch'en King |^ ff,
Ch'eng Fu-tuan ^ ffi
Ch'eng I n ^-
Ch'eng Wang ^ I.
Chu H i ^ ^
Chu T'ao ^
Chuang Tze ^ ^
Fu Yüeh /($ ^
Han T'ai # ^
Han Ye ^ ^
HanYü |t ^
Hien-tsung ^ ^
Ho Tsin fpj ig
Huan kung -2^
K'ang-hi J^^E Kao-tsung (gj ^
Kimg-sun Hung ^ 5i.
Kuo Tze-i ||5 M
Lao tze ^ ^
Li King-kien ^ ^ i$[
Li Shih ^ f
Li Sze ^ J5r
Ling Chun ^
Liu Hou gl] Bfej
Liu Kih ^
Liu Tsung-yüan ^^JC
Liu Yü-sih ^
Lu Shun 1^ Jf.
Lü Wen g j4
Mencius ^
Meng
Moh Tih MS
Ning Ts'i "^Jgt
Ou-yang Siu |^ {lf
P'ei Tu
Shi Sze-ming £ S Pjl
Shun ^
Sun Cheng-chi Jf, iE ±.
Shun Yü-yüeh jf. ^ ^
Sun Jung-i ^
Sung K'i ^ Tlß _
Sze-ma Kuang ^ 5i&
T'ai kung (Wang)
Teh-tsung ^ ^
T'ien Yüeh H 1ft '
Ts'ui Wei # ^ '
Wang An-shih 3£ 5 ^ I
Wang P'i^E 1:^5 I
Wang Shuh-wen I ^ ^
Wei Chi-i :^^at 1
Wei Kao ^ ^ ^
Wen Wang ^ ^ ^
Wu Ti
Yang Chu ^
Yao ^ _
Yüan Tsi TC Ä
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 301 Ortsnamen
Ai-chou ')^
Ch'ang-an ^
Ch'ao-chou M 'M
Hien-yang ^ ^
Huai-si M
Kuang-shun-Tor 76 ffi
Lien-chou
Liste
der in den benutzten Texten vorkommenden Binome, die in den Wörter¬
büchern (Tz'e-yüan, Couvreur und Stent) nicht zu finden waren.
j§ \ kiunun-i-niyalma, Musikant, Sänger
•2^ Pll kung tsui, Amtsvergehen
HS ^ tosome icihiyambi, vorbeugen, Vorsorge treffen
ia M tuksicuke kenehimjecuke, gefahrvoll und unsicher
'S fonjimbi, ziu- Befragung rufen
^ elhe baimbi, sich nach dem Befinden erkundigen
^ ^ tulergi baita, Angelegenheiten außerhalb (des Palastes) J& doigon de toktobuha, früher festgesetzt
A amba hesebun, der hohe Wille (des Himmels)
st afabure babe ufarambi, die Möglichkeit verlieren, es jemandem an¬
zuvertrauen
^ tusan be ufarambi, gegen sein Amt fehlen
^ ^ funglu-i jiha, Gehalt in Bargeld
^ j§ ilibume mutembi, sich zurückhalten können
^ ^ gosime dosholombi, Zuneig^g und Gunst erweisen
t)t Sit fakjilame gisurembi, ernsthaft erörtern, dagegen sprechen
® tusan be yendebumbi, sein Amt demonstrieren, hochhalten
^ W yamulara hafan, Beamter, der an Regierungssitzungen teilnimmt
^ W hösutuleme gisurembi, energisch erörtern
^ ^ niyengniyeri de isitala, bis zum Frühling Ih] sula solo, Mußezeit
^ eljeme temsembi (um den Vorrang) streiten
3E 'ft Wang ni wen, Königtum
^ horonggo gelecuke, Energie; Respekt einflößend
^ buda tuwambi, die Speisen besichtigen
^ M funglu-i bele, Gehaltsreis
'jflfe ambula badarambi, sich weit ausbreiten äfc sibkimbi, eine Untersuchung eiideiten
W ulin be mamgiyambi, am Vermögen nagen, zehren
^ M. gönin-i ujelerengge be necimbi, seinen Sinn verletzen M ^ baita gisurembi, in Begierungssachen hineinreden 20*
Mei-ling-Paß ^ ^
Shensi (shän-si) |^ ^
Si-an ^ ^
Ts'in (Tschin) ^
Yang-shan llj
Yung-chou Ijf
302 Ebich Haenisch
^ ^Ij gisiireme wesimbumbi, in einer Eingabe darlegen 1^ 11^ mohobume leolembi, sich tot reden
?S yoro gisun-i banjibufi basumbi, mit Anspielungen verspotten
@ Hj kobulin tucimbi, es kommt zum Umsturz, Wechsel.
"g gisurere be götubuhakö, seiner Redepflicht untreu werden
^ ceni baitalara ulin, Vorrat ihres Bedarfs
^ (^Jr tusan be wesihulembi, im Amt mit Vorrang befördern alban bumbi, die Abgaben abführen
3^ feliyembi, bimbi, besuchen und vorweilen
j£ die im Palast geltenden Regeln
i^ ^ dolo jafanjimbi, im Palast, bei der Regierung einliefern Ifj" ^ mayambumbi, verringern, schmälern
& W. kooli fafun, Sitte und Gesetz
Sfe M' l^f tät dahaci acara babe fambumbi, von dem Wege abirren, dem man
folgen mußte
f@ ^ -T'* ^ beye jurgan ako de lifambi, mit seiner Person in Unehre ge¬
raten
Literatm
Alexejew, Basil M., Der Schauspieler als Held in der Geschichte Chinas,
Asia Major X 1934. S. 23—58.
Feanke, Otto, Geschichte des Chinesischen Reiches, Bd. II, 1936
—, Das TsS-tschi t'ung-kien xmd das T'ung kien kang-mu, ihr Wesen, ihr
Verhältnis zueinander und ihr Quellenwert, S. B. Pr. A. d. W. phil. hist.
Kl., Bln. 1930.
DB Gboot, J. J., Sectarianism and religious persecution in China, 2 Bde. 1903.
—, Sinologische Seminare und Bibliotheken, Abh. Pr. A. d. W. 1913.
Gbube, Wilh., Geschichte der Chinesischen Literatur, 1909.
Haenisch, Ebich, Drei Schriften Wang An-shih's, Asia Major, N.F. 1944.
DU Halde, Description de la Chine, 1735.
Mailla, Moyriac de,Histoire gönörale de la Chine, 12 Bde., 1777—83, Bd. VI.
Williamson, H. R., Wang An-shih. .. 1935/37.
Zottoli, P. A., Cursus litteraturae Sinicae, Bd. IV, 1880.
Ch'ang-li sien-sheng tsih ^ ^ ^fe
Ku-wen yüan-kien ^ ÖSl
T'ang-shu ^ ^ T.
Kiu T'ang-shu # KT.
Tze-chi t'ung-kien § "in Ü ^ TK.
[Tze-chi] T'ung-kien kang-muh [ | | ] il ^ g Tkm.
Han Yü's Einspruch gegen die Prüfungssperre i. J. 803 303 Text der Denkschrift
y^U^^^ n -i-BM^^
m^m^'^mif^Mm^
^ &.M±^mT m
mMm±AM:^^^ikm i^^^üJöHgÄ^^ßfflü*' SMÄ-^-fllEffeS^^iü
^-h n — - A
*^Ä*>tJj'T«^^^'P^A
A#Äii#^^^t
^.m'^^^^t—i^'Va ±
^tf-;iic*:^ ^)3/f tM^X^
^ifl^-*BA^^M;t^
iii>^#f ^^ü^^Ä^^Ä Ä J^i^J-üS^^Äl^^^
® ii ^ Sft 13^ W Ä^ —
IiJitiE»1t-M'J A±^*
Effl-i^±*^:tlBj0A^
Jic « ^ IÜ A ± ^ Ä
wc^^m^mw-mm^m
A^mm^3k%& xm^
mm^^^m^iLmmn^- mmi^7K^MmTmmm
±mmmmi>iM±mm E;tM^Ä^-i^X^tg^'6
^ ^ m ü T IW] -6 1* n T ^
@l>t^ME^a A^HE;^
JgJ^l^'i:5i<i|iEm±±#ü
;^gSa^nic,^>:^^_h^
m^m&:wu&^i\i^M
^.:zmmmmx^±m±
^mm&^WLiMmm^
^^M^u^^mm :tum
w ^ tg ifiti: ife^ ^
^j^gsi^istJ^5-#
mM^mm'^^Br
^ w ü i§ ^ Hü ^ K B
F^Bi^ÜM B
Kaisertreue oder Auflehnung?
Eine Episode aus der Ming-Zeit^.
Von Wolfgang Seuberlich, Mainz
Die Episode, welche den Gegenstand der nachstehenden Ausführungen
bildet, hat sich im 8. Monat des 12. Jahres Cheng-te (jE^) ereignet,
was dem August bis September 1517 entspricht. Es handelt sich dabei
zwar nur um einen — allerdings ziemlich ungewöhnlichen — Einzelfall,
dieser Einzelfall ist jedoch in dreierlei Hinsicht, nämlich sachlich, als
textkritisches Problem und rein menschlich, interessant genug, um
ernsthafte Beachtung zu verdienen.
Zunächst mögen die Tatsachen sprechen. Sie sind im wesentlichen den
Ming-Annalen entnommen und durch Material aus den Ming Shih-lu
ergänzt.
Im Sommer 1517 herrschte in Pekinger Hof- und Beamtenkreisen
beträchtliche Unruhe. Den Anlaß hierzu bot das unberechenbare und
allem überlieferten Brauchtum zuwiderlaufende Verhalten des damals
.] 26jährigen Kaisers Wu-tsung*.
Dieser eigenwillige, von Natur nicht unbegabte und sehr wißbegierige
junge Mann mit einem starken Hang zum Abenteuerlichen fühlte sich
an keine Tradition gebunden. Das durch ein starres Zeremoniell ge¬
regelte Leben in der relativen Abgeschiedenheit des Kaiserpalastes war
für ihn unerträglich. In dieser Abneigung wurde er von seiner unmittel¬
baren Umgebung noch wesentlich bestärkt. Man bemühte sich, seine
Leidenschaften zu erwecken, ihn zu Ausschweifungen und Orgien zu ver¬
leiten, — und er ließ sich dazu verleiten —, um auf diese Weise seine Gunst
zu gewinnen und ihn um so leichter beeinflussen zu können. Bogen¬
schießen und Reiten, musikalisch-choreographische Darbietungen,
okkulte Riten tibetischer Mönche, fremde Sprachen, Reisen, Jagd und
Bootfahrten, das alles interessierte ihn, wie wir wissen. Um seinen
traditionsgebundenen offiziellen Ratgebern möglichst fern zu sein, folgte
Wu-tsung bereits zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung der Empfeh¬
lung seines Günstlings Ch'ien Ning und siedelte aus dem eigent¬
lichen Kaiserpalast in das eigens zu diesem Zweck erbaute sog. , ,Leopar-
Nach einem Referat beim XH. Deutschen Orientalistentag in Boim am
1. August 1952.
" ft ^> eigentlich Chu Hou-chao ^ ^ B^^, geb. 1491; bestieg den Thron am 19. Juni 1505 nach dem Tode seines Vaters.