Allgemeine und
Anorganische Chemie (AC1)
Die Versuche in dieser Experimentalvorlesung werden von Georg Monsch, M.Sc., und Dr. Magdalena Rusan vorgeführt.
wann und wo?
Di, Mi, Fr, 8:45–10:00 Uhr, Liebig-HS.
Klausur
Hinweise zur Klausur finden Sie auf der Homepage von Herrn Kornath, wo Sie auch Links zu alten Klausuren finden.
Beachten Sie die Regelung für das Bestehen der Klausur.
für wen?
• Studierende des Bachelorstudiengangs Chemie und Biochemie,
• Studierende der Biologie,
• Studierende von Lehramtsstudiengängen mit Teilfach Chemie,
• Studierende der Pharmazie (Staatsexamen und Bachelor).
was?
Der Vorlesung Allgemeine und Anorganische Chemie stehen ca. 70 Stunden zur Verfügung. Diese Zeit verteilt sich auf zwei ungefähr gleich große Blöcke:
Teil A: Grundlagen
Teil B: Chemie der Elemente
In Teil A werden die Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie in anderer
Abfolge – aber hoffentlich doch schlüssig und zusammenhängend – dargestellt als in
den Lehrbüchern üblich. Die Absicht ist, eine optimale Vernetzung mit dem Chemischen
Grundpraktikum herzustellen, das von den Studierenden des 1. Semesters des
Bachelorstudiengangs Chemie und Biochemie absolviert wird. Mit dem Abschluss von
Kapitel 11 Ende November sind alle für das Praktikum wichtigen Begriffe behandelt
worden. Anschließend werden diese Grundlagen im dann folgenden systematischen Teil
1
benutzt, um Ordnung in die Vielfalt der stofflichen Welt zu bringen. Für die Klausur am Ende der Vorlesung können Sie den Stoff zusammenhängend aus einem der Lehrbücher vertiefen, da in der Vorlesung nur die Abfolge, aber nicht der typische Umfang des Stoffes verändert wurde.
Übungen zur Vorlesung
Für Studierende im Bachelorstudiengang Chemie und Biochemie sowie für Studierende der Biologie und des Lehramtes wird eine Übung von Prof. Kornath (1 SWS) angeboten.
Herr Kornath entwirft für diese Übung Aufgabenblätter, die Sie unter Anleitung einer Tutorin/eines Tutors bearbeiten.
Für die Hörer aus dem Staatsexamensstudiengang Pharmazie ist keine Übung vorgesehen, da hier die Vorlesung das anorganisch-analytische Praktikum begleitet, in dessen Rahmen eigene Seminare abgehalten werden.
Vernetzung mit weiteren Veranstaltungen
Parallel zu dieser Vorlesung findet im ersten Semester des Bachelorstudiengangs Chemie und Biochemie das Liebig-Lab statt, das von Dr. Böttcher organisiert wird.
Dieses Praktikum wird von der Vorlesung zum Chemischen Grundpraktikum von Dr.
Böttcher begleitet, dessen Inhalt mit der Grundvorlesung abgestimmt ist. Zusammen bilden (1) diese Grundvorlesung, (2) das Chemische Grundpraktikum und (3) die Vorlesung zum Chemischen Grundpraktikum Ihre Ausbildung in Allgemeiner und Anorganischer Chemie im 1. Semester.
Anschließend an diese Vorlesung finden das Chemische Praktikum für Biologen und das Anorganisch-chemische Praktikum I für Lehramtstudierende statt. Bei diesen Praktika wird das Bestehen der Klausur zu dieser Vorlesung als Eingangsvoraussetzung verlangt. Hinweise auf diese Praktika finden Sie daher oben im Klausur-Abschnitt.
Lehrbücher
Lehrbücher, aus denen der Stoff im Zusammenhang gelernt werden kann:
C. E. Mortimer, U. Müller: Chemie. 10. Auflage, Thieme 2010 (ISBN 978-3-13-484310-1).
E. Riedel, C. Janiak: Anorganische Chemie. 8. Auflage, de Gruyter 2012, ISBN 978-3-11-022566-2. Die Stoffchemie ist ausgewogen dargestellt, das heißt, umfangreicher als im Mortimer, aber nicht so enzyklopädisch wie in den umfangreicheren Gesamtdarstellungen. Ein Problem, das auch beim Mortimer auftritt, ist die Einhaltung der Oktettregel. Wir werden sie in der Vorlesung strikt beachten, in beiden Büchern wird das auch so angesagt, aber nicht konsequent beibehalten. Wir werden das Thema in der Vorlesung ansprechen.
2
M. Binnewies, M. Jäckel, H. Willner, G. Rayner-Canham: Allgemeine und Anorganische Chemie. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag 2010, ISBN 978-3-8274-2533-1
Umfangreichere Gesamtdarstellungen:
Holleman, Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. Walter de Gruyter 2007, ISBN 978-3-11-017770-1
C. E. Housecroft, A. G. Sharpe: Anorganische Chemie. Pearson 2006, ISBN 3-8273-7192-9
Atkins, Overton, Rourke, Weller, Armstrong: Inorganic Chemistry. 5th ed., Oxford University Press 2010, ISBN 978-0-19-923617-6
Technisches
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Zu den häufig benutzten Sonderzeichen gehören griechische Buchstaben: α (alpha), β (beta), π (pi), σ (sigma), χ (chi). Wie Sie sehen, werden α und π durch die verwendete Schrift (Verdana) nicht so deutlich dargestellt wie zum Beispiel durch Schriften aus der Helvetica- (α, π) oder Times-Roman-Familie (α, π). Wenn das beim Lernen nervt, sagen Sie bitte Bescheid.
Über diese Website
Diese Website soll (1) die Gliederung der Vorlesung zeigen, (2) Abbildungen zur Verfügung stellen, (3) Organisatorisches übersichtlich an einer Stelle zusammenfassen, (4) ausgearbeiteten Text da zeigen, wo die empfohlenen Lehrbüchern ergänzt werden sollen, meistens handelt es sich dabei um das jeweilige konkrete Beispiel, mit dem ein Sachverhalt erklärt wird. Diese Website soll nicht – ein Lehrbuch ersetzen. Im Gegenteil – Sie werden zahlreiche Querverweise zu den Lehrbüchern finden.
Wenn Sie das Skript oder Teile davon ausdrucken möchten, verwenden Sie am Besten die pdf-Version (Stand: 12. Oktober 2016).
Erläuterungen zu den unterschiedlichsten Themen, die nicht so recht in den Haupttext passen, sind alle in einem Dokument gesammelt. Ein weiteres Dokument enthält Vereinbarungen der Dozenten der Veranstaltungen des Lehrbereichs AC für das 1.
Semester.
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Teil A Grundlagen
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1 Chemie – die Lehre von den Stoffen
Chemie ist die Lehre von den Stoffen und den Stoffumwandlungen. Um Stoffe aus der natürlichen Umgebung in ihrer Funktion zu verstehen – oft auch um sie für eine Anwendung nutzbar zu machen, ist die Chemie häufig einem bewährtem Vorgehen gefolgt, das in der Regel mehrfach durchlaufen wird: Der Analyse von Stoffen aus Natur und Technik folgt die Synthese neuer Stoffe, die zum Verständnis der Natur beitragen oder die für eine bestimmte Anwendung optimiert sind. Schwerpunkte angewandter chemischer Forschung sind die Wirkstoffsynthese und die Werkstoffsynthese. Aus diesen beiden Bereichen soll jeweils ein Beispiel das genannte Prinzip veranschaulichen.
1.1 Wirkstoffsynthese: vom Schlafmohn zu Endorphinen
Schon früh wurde ein Extrakt des Opiums, dem eingetrockneten Milchsaft aus den unreifen Samenkapseln von Schlafmohn (Papaver somniferum L.) als Schmerzmittel eingesetzt, wobei dessen hohes Suchtpotential als wichtigste Nebenwirkung in Kauf zu nehmen war.
Die Analyse des Extrakts ergab, dass die schmerzstillende Wirkung auf Morphin als Hauptwirkstoff zurückzuführen ist (Sertürner 1806). Die daraufhin eingeführte Verwendung von reinem Morphin milderte zwar einige lästige, aber zweitrangige Nebenwirkungen des Gesamtextrakts (zum Beispiel die hartnäckige Verstopfung), nicht aber die suchterzeugende Wirkung des Opiums, für die vor allem Morphin selbst verantwortlich ist. Die Aufklärung der Morphinstruktur war anschließend die Grundlage einer chemischen Modifizierung des Wirkstoffmoleküls, bei der tatsächlich Stoffe synthetisiert wurden, die bei annähernd gleicher schmerzstillender Aktivität weniger suchterzeugend sind (Opiat- Analgetika wie Pethidin und Methadon). Die Entwicklung verlief nicht ohne schwerwiegende Irrtümer: Heroin verdankt seinen Namen der verfrühten Freude seines Erfinders, der die Heldentat vollbracht zu haben glaubte, den gesuchten Morphin- Ersatzstoff ohne Suchtpotential entdeckt zu haben.
Einige Zeit nach diesen Entwicklungsschritten führte die weitere Analyse der Morphinwirkung zur Entdeckung von körpereigenen Opiaten (Endorphinen) mit einer zur Zeit nur erhofften Anwendung in der Zukunft.
Chemie – die Lehre von den Stoffen 5
1.2 Werkstoffsynthese: von Gold und Bronze zu Gedächtnislegierungen
Mit dem Beginn der Bronzezeit lernte der Mensch erstmals, Metalle zur Herstellung von Waffen, Werkzeugen und Schmuck zu nutzen. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und Zinn, deren Herstellung einige Kenntnisse voraussetzt. Während nämlich das in Mitteleuropa verhältnismäßig häufige Gold gediegen vorkommt und daher „nur“ in hinreichender Menge gesammelt und zu Münzen oder Schmuckstücken wie den schweren keltischen Halsringen geschmolzen werden musste, kommt Kupfer selten und Zinn nie gediegen vor. Das Hauptvorkommen von Zinn ist vielmehr Zinndioxid in Form des Minerals Cassiterit. Es musste also die Exploration von Erzlagerstätten und die Verhüttung des Erzes beherrscht werden, um aus „Steinen“ ein Metall zu gewinnen.
In der nachfolgenden Eisenzeit gelang es, das in viel größerer Menge verfügbare Eisen nutzbar zu machen, wozu allerdings höherere Anforderungen an die Verhüttungstechnologie zu meistern waren, die im wesentlichen im heute betriebenen Hochofenprozess wiederzufinden sind. So verstanden es frühe Kulturen wie die der Etrusker, die zum Beispiel auf Elba reichlich vorkommenden Eisenoxidminerale Hämatit (siehe obere Abbildung, darunter ein Beispiel für ein früh genutztes Vorkommen in den Ammergauer Alpen) und Magnetit durch Holzkohle zu Eisen umzusetzen. Dabei gibt es genug Hinweise, dass schon die frühen Nutzer von Eisen in der Lage waren, Waffen aus hochwertigem Stahl zu erzeugen, wozu vor allem die Einstellung des korrekten Kohlenstoffgehalts gelingen musste.
Ein ca. 1 m großer Eisenoxidbrocken am Monte Calamita im Südosten Elbas (ital. calamita, Magnet). Das Vorkommen wurde beginnend mit der Etruskerzeit bis zum 2. Weltkrieg ausgebeutet.
Chemie – die Lehre von den Stoffen 6
Ein einheimisches Eisenerzvorkommen: die wohl seit dem frühen Mittelalter bis ca. 1840 ausgebeutete St.-Mang-Grube beim Säuling (Füssen).
Mit dem Aufkommen moderner werkstoffkundlicher Analysenmethoden konnte der Zusammenhang zwischen dem atomaren Aufbau der Legierungen sowie den Wechselwirkungen zwischen den Atomen und den Legierungseigenschaften erforscht werden. Heute gelingt es auf der Grundlage solcher Methoden, zum Beispiel der Röntgenbeugung, selbst so erstaunliche Eigenschaften zu erklären, wie sie bei den sogenannten „Gedächtnislegierungen“ gefunden werden, die nach einer Verformung beim bloßen Erwärmen ihre ursprüngliche äußere Form wieder einnehmen.
•Versuch: „Thermobil“.
Chemie – die Lehre von den Stoffen 7
2 Der Aufbau der Materie
Gemische (Granit, Honig, Luft) können durch Trennverfahren wie Destillation oder Chromatographie in Reinstoffe zerlegt werden. Ein Reinstoff ist durch charakteristische Eigenschaften und Kennzahlen definiert, zum Beispiel durch sein optisches und magnetisches Verhalten. Die Umwandlung von Stoffen ist Gegenstand der Chemie. Verbindungen können durch chemische Reaktionen in Elemente zerlegt werden. Der Aufbau von Verbindungen aus den Elementen folgt den stöchiometrischen Gesetzen, die auf den atomaren Aufbau der Materie hinweisen. Atome als die kleinsten Teilchen eines Elementes bauen in dem durch die Summenformel angegebenen Zahlenverhältnis eine Verbindung auf; mit der konstanten Masse einer Atomsorte liegt damit auch das Masseverhältnis der Elemente in einer Verbindung fest. Das Mol verbindet die atomare Masseeinheit mit der Gramm-Skala. Es erlaubt die Formulierung von Reaktionsgleichungen und das stöchiometrische Rechnen. Für Gase gelten darüberhinaus Volumengesetze, denen der molekulare Aufbau entnommen werden kann. Die Moleküle wichtiger Gase wie Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Chlor sind zweiatomig: N
2, O
2, H
2, Cl
2.
Mortimer: 1, 3, 4, 5, 10 Binnewies: Teile von 8 Riedel: 1.1, 3.1–3.4
2.1 Gemisch, Reinstoff
In der Chemie gängige Trennverfahren sind Destillation, Kristallisation, Filtration und Flotation. Für die Trennung kleiner Stoffmengen werden vor allem chromatographische Verfahren eingesetzt, deren Grundprinzip auf dem „Ausschütteln“ beruht (Stichworte:
Verteilungsgleichgewicht, stationäre Phase, mobile Phase).
Versuch 2-5: Ausschütteln von Iod aus Wasser • Iod verteilt sich zwischen Wasser und Benzin, es reichert sich dabei in Benzin, in dem es mit violetter Farbe löslich ist, deutlich stärker an als in Wasser, das Iod mit gelber Farbe löst.
Der Aufbau der Materie 8
Stoffe, die sich durch solche Trennverfahren nicht weiter zerlegen lassen, sind Reinstoffe.
Reinstoffe sind durch physikalische Kennzahlen wie Schmelz- und Siedepunkt, Dichte oder Brechungsindex charakterisiert, die unabhängig von der Herkunft des Reinstoffes immer denselben Zahlenwert haben. Auch charakteristische chemische Eigenschaften wie Brennbarkeit oder brandförderndes Verhalten dienen zur Identifizierung von Reinstoffen.
Aus dem Alltag bekannte Reinstoffe sind zum Beispiel zahlreiche Mineralien wie Calcit (Kalkstein), Quarz oder Steinsalz (Kochsalz), aber auch Flüssigkeiten oder Gase wie Wasser oder Sauerstoff.
Versuch 1-1: Pt brennt an Luft nicht, Mg brennt an Luft Versuch 1-4: Fe reagiert mit Luft
Luft hingegen ist ein Stoffgemisch, das sich in Reinstoffe zerlegen lässt.
Versuch 8-1: Fe zeigt 1/5 O
2in Luft an • mit Essigsäure gewaschene Eisenwolle entzieht der Luft einen Bestandteil; die Reaktion kommt zum Erliegen, wenn ca. 1/5 des eingesetzten Luftvolumens verbraucht ist. Luft ist also ein Gasgemisch, das zu ca. 1/5 aus einer reaktiven Komponente besteht, genauer zu 21 Volumen-% aus Sauerstoff, und zu ca. 4/5 aus einem Rest, der unter diesen Bedingungen nicht reagiert, nämlich 78 Vol.-% Stickstoff und 1 Vol.-% Argon.
Die Zerlegung des homogenen Stoffgemischs Luft gelingt durch fraktionierte Destillation.
Der Bestandteil mit dem niedrigsten Siedepunkt ist Stickstoff (−196 °C), der als Kühlmittel genutzt werden kann, um die übrigen Bestandteile aus der Luft auszukondensieren (Siedepunkt von Sauerstoff −183 °C); zuvor zwei Versuche, welche die Eigenschaften von flüssigem Stickstoffs zeigen. Stickstoff und Sauerstoff sind Reinstoffe, die an charakteristischen Eigenschaften erkannt werden können, im Versuch sind dies die Farbe und das Verhalten gegenüber einem Magnetfeld.
Versuch 8-17: Sicherheitsaspekte: Gummischlauch in flüssigem Stickstoff;
Druckentwicklung beim Verdampfen.
Versuch 8-13: Leidenfrost-Phänomen
Versuch 8-11: Kondensation von flüssigem Sauerstoff an stickstoffgekühltem Kupferfinger (Video im mp4-Format).
2.2 Chemische Reaktion, Verbindung, Element
Eine chemische Reaktion, eine Stoffumwandlung, hat dann stattgefunden, wenn Stoffe mit anderen physikalischen Kennzahlen und chemischen Eigenschaften entstehen. Erhitzt man zum Beispiel das Mineral Calcit auf ca. 1000 °C, so entstehen zwei Stoffe: ein farbloses Gas und ein weißer Feststoff, der sich jedoch in seinen Kennzahlen,
Der Aufbau der Materie 9
beispielsweise der Dichte, von Calcit unterscheidet. Calcit ist in weitere Bestandteile zerlegt worden, es ist eine Stoffumwandlung eingetreten.
Versuch 3-2: Erhitzen von Kalkstein • es entsteht Kohlendioxid, das durch
„Kalkwasser“ nachgewiesen wird; das zurückbleibende weiße Pulver ist scheinbar unverändert, zeigt aber andere Eigenschaften als das eingesetzte Kalksteinpulver.
Bei dem Versuch, die in der Natur vorliegenden Stoffe in Reinstoffe aufzutrennen und diese dann durch chemische Reaktionen weiter zu zerlegen, wurden chemische Grundstoffe, die chemischen Elemente entdeckt. Dies sind Stoffe, die sich nicht weiter in andere Stoffe zerlegen lassen. Umgekehrt entstehen durch Reaktion der chemischen Elemente miteinander alle übrigen Stoffe, die Verbindungen. In der Natur wurden 92 dieser chemischen Elemente gefunden, denen nahezu 5.000.000 bekannte Verbindungen gegenüberstehen.
2.3 Stöchiometrische Gesetze
Schon vor etwa 200 Jahren wurden Gesetzmäßigkeiten entdeckt, die darauf hindeuten, dass die chemischen Elemente aus gleichartigen, mit einer bestimmten charakteristischen Masse behafteten kleinsten Teilchen, den Atomen, aufgebaut sind. Die erste Regel ist das
• Gesetz von der Erhaltung der Masse, wonach bei allen chemischen Reaktionen die Gesamtmasse der an der Reaktion beteiligten Stoffe konstant bleibt. Bei chemischen Reaktionen erfolgt lediglich eine Umgruppierung dieser Atome, die Gesamtzahl der Atome jeder Atomsorte bleibt unverändert. Außerdem gelten die stöchiometrischen Gesetze:
Versuch 4-2: Fe wird beim Verbrennen schwerer
Versuch 4-3: Fe verbrennt im geschlossenen System ohne Änderung der Gesamtmasse
• Das Gesetz der konstanten Proportionen besagt, dass sich eine chemische Verbindung immer aus konstanten Mengenverhältnissen der Elemente bildet. So verbindet sich 1,000 g des Elementes Kohlenstoff immer mit 1,333 g des Elementes Sauerstoff zur Verbindung
„Kohlenmonoxid“, aber nicht mit davon abweichenden Mengen wie 1,350 g oder 1,500 g;
eine zweite Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff, „Kohlendioxid“, enthält auf 1,000 g Kohlenstoff stets 2,667 g Sauerstoff. 1,00 g des Elementes Wasserstoff verbindet sich stets mit 7,95 g Sauerstoff zur Verbindung Wasser.
Versuch 4-4: Zeigen: PbO, Pb
3O
4, PbO
2• Das Gesetz der multiplen Proportionen lautet: Bilden wie im Fall von Sauerstoff und Kohlenstoff zwei Elemente mehrere Verbindungen miteinander, dann stehen die Massen der Elemente zueinander im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen. So reagiert 1,000 g Kohlenstoff mit 1,333 g Sauerstoff zu Kohlenmonoxid; weiterhin reagiert 1,000 g
Der Aufbau der Materie 10
Kohlenstoff mit 2,666 g Sauerstoff zu Kohlendioxid. Bezogen auf die gleiche Menge Kohlenstoff (1,000 g) stehen die Massen von Sauerstoff im Verhältnis 1,333 : 2,666 = 1 : 2.
2.4 Summenformeln
Verbindungen entstehen durch chemische Reaktion verschiedener Elemente. So verbrennt Kohlenstoff in Anwesenheit von Sauerstoff zu Kohlenmonoxid und Kohlendioxid (die Symbole „C“ und „O“ stammen von neulat. carboneum und oxygenium; wenn Sie sich für die Herkunft der Elementsymbole und -namen interessieren, so finden Sie im Holleman- Wiberg erschöpfende Information):
2 C + O
2→ 2 CO C + O
2→ CO
2CO und CO
2sind die Summenformeln für Kohlenmonoxid und Kohlendioxid.
Summenformeln geben die Atomsorten an, aus denen eine Verbindung aufgebaut ist, sowie deren Zahlenverhältnis; bei bekannter Atommasse damit also auch die Massenverhältnisse der in der Verbindung miteinander verbundenen Elemente.
Eine Summenformel enthält keine Information über die Struktur der Verbindung, auch nicht über die Art der Bindung zwischen den Atomen. So sind CO und CO
2Gase, in denen einzelne Moleküle der Formeln CO und CO
2vorliegen, währen SiO
2(Quarz) keine isolierten Moleküle enthält, sondern ein polymerer Stoff ist, in dem n Atome Silicium mit 2 n Atomen Sauerstoff einen Kristall aufbauen. NaCl und Na
2CO
3sind aus Ionen aufgebaute Salze, deren Kristalle aus n Na
+- und n Cl
−-Ionen bzw. aus 2 n Na
+- und n CO
32−-Ionen aufgebaut sind.
Trotz dieser Einschränkung werden die Formeln von Gasen und Flüssigkeiten so hingeschrieben, dass die Zusammensetzung der charakteristischen kleinsten Teilchen, der Moleküle, wiedergegeben wird. Daher wird Sauerstoff als O
2und nicht als O angegeben, da sich herleiten lässt (siehe Abschnitt „Gase“), dass Sauerstoff unter den normalen Umgebungsbedingungen aus zweiatomigen Molekülen aufgebaut ist.
2.5 Atommasse, Molekülmasse, Formelmasse
Die Masse von Atomen und Molekülen kann in jeder beliebigen Masseeinheit angegeben werden. So wiegt ein Sauerstoffatom 2,66 × 10
−23g. Um solch unhandliche Zahlen zu vermeiden, wird als Einheit der Atommasse 1/12 der Masse eines Atoms des Kohlenstoffisotops
12C festgelegt (zum Begriff „Isotop“ siehe unten). Diese Masseeinheit
Der Aufbau der Materie 11
wird mit u oder Dalton bezeichnet oder auch ohne Dimension angegeben. Für die Umrechnung in Gramm gilt:
1 u (= 1 D = 1 atomare Masseneinheit) = 1,6605 × 10
−24g
Die relative Molekülmasse M
rist die Masse eines Moleküls in Atommasseneinheiten.
Sie ist gleich der Summe der Atommassen der im Molekül oder der Summenformel enthaltenen Atome. Besteht eine Verbindung nicht aus einzelnen Molekülen (zum Beispiel eine Ionenverbindung wie Steinsalz, NaCl), so wird der Begriff „Formelmasse“ verwendet.
So errechnen sich mit den entsprechenden Atommassen (C 12,01, O 16,00, Na 22,99, Cl 35,45) die Molekülmasse von CO
2und die Formelmasse von NaCl zu:
M
r(CO
2) = 12,01 + 2 × 16,00 = 44,01 M
r(NaCl) = 22,99 + 35,45 = 58,44
2.6 Mol
Ein zentraler Begriff in der Chemie ist das Mol (SI-Symbol: mol). 1 mol ist die Stoffmenge, die aus genau so vielen Teilchen (Atomen, Molekülen, Formeleinheiten) besteht, wie Atome in 12 g
12C enthalten sind. So enthält nicht nur 1 mol
12C, sondern 1 mol eines jeden Stoffes N
A= 6,02217 × 10
23Teilchen. N
Aist die Avogadrosche Zahl. Die Stoffmenge n(X) eines Stoffes X ergibt sich aus der Masse m(X) der Probe und der molaren Masse M(X) des Stoffes.
Beachte: Die Masse m des Stoffes wird in g angegeben, seine molare Masse M in g mol
−1. Der Zahlenwert von M entspricht der relativen Masse M
rdes Stoffes. So wiegen Sie die folgenden Massen m an Kohlendioxid, Natriumchlorid, Natrium oder Sauerstoff ab, wenn die Stoffmenge n = 1 mol benötigt wird:
m(CO
2) = 1 mol × M(CO
2) = 1 mol × 44,01 g mol
−1= 44,01 g m(NaCl) = 1 mol × M(NaCl) = 1 mol × 58,44 g mol
−1= 58,44 g m(Na) = 1 mol × M(Na) = 1 mol × 22,99 g mol
−1= 22,99 g m(O
2) = 1 mol × M(O
2) = 1 mol × 32,00 g mol
−1= 32,00 g
Ist dagegen von 1 mol Sauerstoffatomen die Rede, so ist deren Masse:
m(O) = 1 mol × M(O) = 1 mol × 16,00 g mol
−1= 16,00 g
Für das ideale Gas gilt: 1 mol nimmt unter Standardbedingungen (1 atm = 1,013 bar = 101,3 kPa, 0 °C) ein Volumen von 22,4 L ein, das heißt, das Molvolumen des idealen Gases beträgt 22,4 L.
Der Aufbau der Materie 12
2.7 Stöchiometrisches Rechnen
Mit Hilfe der relativen Atommassen und der Summenformel einer Verbindung lassen sich die Masseanteile der einzelnen Bestandteile errechnen.
Beispiel: Wieviel Masse-% Aluminium enthält Aluminiumoxid, Al
2O
3? Mit den gerundeten Atommassen von Al (27) und O (16) ergibt sich für die Formelmasse von Al
2O
3:
M
r= 2 × 27 + 3 × 16 = 54 + 48 = 102
Der Masseanteil an Al ist dann 54/102 = 0,53, also 53 Masse-%.
Eine umgekehrte Rechnung zeigt, wie man aus dem Ergebnis einer chemischen Analyse, bei der die prozentuale Zusammensetzung einer Verbindung ermittelt wird, eine Summenformel errechnen kann.
Die Frage lautet: Wie ist die Summenformel einer Verbindung mit folgendem Analyseergebnis: Na: 32,85 %, Al: 12,85 %, F: 54,30 %? Bekannt sind die Atommassen:
Na = 22,99, Al = 26,98, F = 19,00. Zuerst wird nun durch Division des prozentualen Masseanteils durch die relative Atommasse das Atomzahlverhältnis Na:Al:F bestimmt zu 32,85/22,99 : 12,85/26,98 : 54,30/19,00 = 1,4289:0,4763:2,8579. Division durch den kleinsten Wert (0,4763) führt zu einem ganzzahligen Verhältnis von 3,00:1:6,00, die Summenformel ist also Na
3AlF
6.
Bei Mengenberechnungen aus chemischen Gleichungen wird der Molbegriff verwendet, durch den die mikroskopische Welt der Atome mit wägbaren Mengen verknüpft wird.
Hierzu das folgende Beispiel: Bei der Reaktion von 1 mol Natriumcarbonat (Soda) mit überschüssiger Salzsäure werden 2 mol Säure verbraucht und es entstehen 2 mol Natriumchlorid (Steinsalz) neben 1 mol Kohlendioxid und 1 mol Wasser. Die Reaktionsgleichung zeigt die molaren Mengen:
Na
2CO
3+ 2 HCl → 2 NaCl + H
2O + CO
2Mit den gerundeten Atommassen (Na = 23, C = 12, O = 16, H = 1, Cl = 35,5) ergeben sich die Formelmassen der beteiligten Verbindungen; diese in Gramm genommen ergeben die umgesetzen Mengen für die oben angegebenen Molzahlen:
106 g Na
2CO
3+ 73 g HCl → 117 g NaCl + 18 g H
2O + 44 g CO
2Eine Summenformel kann so dazu dienen, aus der eingesetzen Menge eines Reaktanden die Mengen der übrigen Stoffe zu berechnen. Beispiel: Wieviel Liter CO
2entstehen bei der oben angegebenen Umsetzung aus 1 kg Soda? Antwort:
1 mol Na
2CO
3ergibt gerade 1 mol CO
2. Bei Normalbedingungen und mit einem Molvolumen von 22,4 L für CO
2ergibt sich: 1000 g/106 g mol
−1× 22,4 L mol
−1= 211 L.
Versuch 4-6: Mol-Würfel (22.4 L) aufstellen
Der Aufbau der Materie 13
2.8 Chemische Reaktion und Energie
Chemische Reaktionen sind durch einen Stoff- und Energieumsatz gekennzeichnet. Bei den folgenden "exothermen" Reaktionen wird Energie in unterschiedlicher Form freigesetzt.
Versuch 3-1: Eisen + Schwefel • gemäß Fe + S → FeS entsteht Eisen(II)-sulfid, der Nachweis der Stoffumwandlung gelingt leicht durch einen Magneten.
Versuch 3-13: pyrophores Eisen • feinst verteiltes, oberflächenreiches Eisen ist viel reaktiver als kompakte Formen; duch Erhitzen von Eisen(II)-oxalat lässt sich gemäß FeC
2O
4→ Fe + 2 CO
2elementares Eisen herstellen, das beim bloßen Kontakt mit Luft sofort entflammt.
Versuch 3-3: Kaliumchlorat + Schwefel • die Reaktion 2 KClO
3+ 3 S → 2 KCl + 3 SO
2verläuft so heftig, dass nur mit kleinsten Mengen experimentiert wird, um es schön knallen zu lassen.
Versuch 3-5: Ammoniumdichromat-Vulkan • gemäß (NH
4)
2Cr
2O
7→ Cr
2O
3+ N
2+ 4 H
2O entsteht in einer prächtig anzuschauenden Reaktion ein Chrom(III)-oxid-Krater.
Versuch 3-7: Zn + H
2in Pt-Schale • ein besonders interessantes Experiment; dieser einfache Versuchsaufbau reicht aus, um elektrischen Strom zu erzeugen: eine Zinkstange wird in eine Platinschale getaucht, die mit Salzsäure gefüllt ist. Zinkstange und Platinschale sind durch einen Draht mit einem Voltmeter verbunden, dass etwas mehr als 0,7 V Spannung anzeigt (bei dem Versuch darf das Zink das Platin nicht berühren!). Versuchen Sie spätestens nach dem Kapitel „Elektrochemie“, diesen Versuch zu erklären.
Versuch 3-8: Luminol • eher seltener ist die Freisetzung von Lichtenergie bei einer chemischen Reaktion. Aus der Natur ist dieses Phänomen von Glühwürmchen bekannt, die ebenso wie bei dem hier gezeigten Versuch ein „kaltes“ Leuchten erzeugen können. Wir werden vor allem beim Versuch „Singulettsauerstoff“ auf die Grundlagen eingehen.
Reaktionen, die unter Energieverbrauch ablaufen, sind endotherm:
Versuch 3-12: Bariumhydroxid und Ammoniumthiocyanat.
2.9 Reaktionsenthalpie
Bei einer chemischen Reaktion findet eine Umverteilung von Atomen statt. Die Versuche zeigen, dass dabei neben der stofflichen Veränderung auch Energie umgesetzt wird. Es
Der Aufbau der Materie 14
gibt chemische Reaktionen, bei denen Energie freigesetzt wird und andere, bei denen Energie verbraucht wird. Die bei einer chemischen Reaktion entwickelte oder verbrauchte Wärmemenge heißt Reaktionswärme. Im SI-System werden Reaktionswärmen genau wie andere Energieformen in Joule (J) angegeben (früher: kcal; 1 kcal = 4,187 kJ). Die Reaktionswärme einer bei konstantem Druck ablaufenden chemischen Reaktion heißt Reaktionsenthalpie. Das Symbol ist ΔH; sind die angegebenen Zahlenwerte auf Standardbedingungen bezogen (T = 25 °C = 298,15 K; p = 1 atm = 1,013 bar = 101,3 kPa), lautet das Formelzeichen ΔH° (Das Superskript ° ist eins von zwei IUPAC-empfohlenen Symbolen, um den Standardzustand zu kennzeichnen; beim zweiten Symbol kommt ein Querstrich durch das ° hinzu, was dann so aussieht: ΔH
?). Ein tiefgestellter Buchstabe hinter Δ kann zur weiteren Unterscheidung genutzt werden (r für Reaktion, f für Bildung, vap für Verdampfung, sub für Sublimation, fus für Schmelzen, at für Atomisierung, etc.).
Zwei Beispiele:
Bei der Bildung von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff gemäß 3/2 H
2+ 1/2 N
2→ NH
3wird unter Standardbedingungen pro mol Formelumsatz (das heißt, man liest die Reaktionsgleichung in mol) eine Reaktionswärme von 46,2 kJ entwickelt und an die Umgebung abgegeben; die Reaktionsenthalpie beträgt dann −46,2 kJ mol
−1, da freiwerdende Energiebeträge ein negatives Vorzeichen erhalten (der Energieinhalt der Endstoffe ist kleiner als derjenige der Ausgangsstoffe). Die gesamte Reaktionsgleichung mit Stoff- und Energiebilanz lautet dann:
3/2 H
2+ 1/2 N
2→ NH
3Δ
rH° = −46,2 kJ mol
−1Will man gebrochene Koeffizienten in der Reaktionsgleichung vermeiden, so werden Stoff- und Energiemengen mit einem entsprechenden Faktor multipliziert, zum Beispiel:
3 H
2+ N
2→ 2 NH
3Δ
rH° = −92,4 kJ mol
−1Bei der Bildung von Stickstoffmonoxid aus Stickstoff und Sauerstoff nach der folgenden Gleichung wird pro mol Formelumsatz eine Reaktionswärme von 90,4 kJ verbraucht, also der Umgebung entzogen. Aus der Umgebung entzogene Wärme erhält ein positives Vorzeichen (der Energieinhalt der Endstoffe ist größer als der der Ausgangsstoffe), die Gleichung lautet dann:
1/2 N
2+ 1/2 O
2→ NO Δ
rH° = 90,4 kJ mol
−1oder
N
2+ O
2→ 2 NO Δ
rH° = 180,8 kJ mol
−1Der Aufbau der Materie 15
2.10 Endotherme und exotherme Reaktionen
Reaktionen mit negativem ΔH werden exotherm, Reaktionen mit positivem ΔH werden endotherm genannt. Die Reaktionsenthalpie hängt von der Temperatur und vom Druck bei der Reaktion ab. Die bei den Beispielen angegebenen Zahlenwerte beziehen sich daher auf den oben definierten Standardzustand.
2.11 Hessscher Satz, Enthalpie als Zustandsgröße
Eine chemische Verbindung kann auf verschiedenen Reaktionswegen entstehen. So kann Kohlendioxid, CO
2, direkt durch die Verbrennung von Kohlenstoff in Sauerstoff erhalten werden (Weg 1):
C + O
2→ CO
2Δ
rH° = −393,8 kJ mol
−1Die Verbrennung lässt sich aber auch so steuern, dass anstelle von CO
2Kohlenmonoxid, CO, entsteht; dieses kann dann in einer zweiten Reaktion zu CO
2weiterverbrannt werden (Weg 2):
C + ½ O
2→ CO Δ
rH° = −110,6 kJ mol
−1und
CO + ½ O
2→ CO
2Δ
rH° = −283,2 kJ mol
−1Summe der Enthalpiewerte beim Weg 2: Δ
rH°
ges= −393,8 kJ mol
−1Die Reaktionsenthalpie beim Weg 1 ist der Summe der Enthalpien beim Weg 2 gleich; für Gesamt-Enthalpien gilt allgemein:
Δ
rH° (Weg 1) = Δ
rH° (Weg 2)
Bei gleichem Anfangs- und Endzustand ergeben verschiedene Reaktionswege also gleiche Reaktionsenthalpien, unabhängig davon, ob eine Reaktion in einem Schritt oder in mehreren Teilschritten durchgeführt wird (Hessscher Satz). Größen wie ΔH, die nur vom erreichten Zustand abhängen, nicht aber vom Weg, auf dem ein System diesen Zustand erreicht hat, heißen Zustandsgrößen.
Der Aufbau der Materie 16
2.12 Standardbildungsenthalpie
Der Hesssche Satz erlaubt die Berechnung von Reaktionsenthalpien aus den Reaktionsenthalpien (gedachter) Teilschritte einer Reaktion. Hierzu bedient man sich der sogenannten Standardbildungsenthalpie Δ
fH° (Index f von lat. formatio, Bildung, Index
° für Standardbedingungen). Das ist die Enthalpie, die bei der Bildung von 1 mol einer Verbindung aus den Elementen unter Standardbedingungen frei oder verbraucht wird. Ein Beispiel ist die Bildung von NO:
½ N
2+ ½ O
2→ NO Δ
fH° = 90,4 kJ mol
−1Um Standardbildungsenthalpien miteinander vergleichen zu können, setzt man sie für Elemente in ihrem bei Standardbedingungen stabilen Zustand gleich Null. So gilt Δ
fH° = 0 für Stickstoff als N
2(nicht N) und Kohlenstoff als Graphit (nicht als Diamant).
Mit Hilfe von Standardbildungsenthalpien und dem Hessschen Satz ist die Berechnung beliebiger Reaktionsenthalpien möglich. Hierzu werden lediglich die Standardbildungsenthalpien der Ausgangsstoffe von den Standardbildungsenthalpien der Endstoffe subtrahiert:
Δ
rH° = Σ{Δ
fH°(Produkte)} − Σ{Δ
fH°(Edukte)}
2.13 Berechnung von Reaktonsenthalpien:
Beispiele
Beispiel 1: Bildung von „Synthesegas“ aus Kohlenstoff und Wasser (bei den Reaktanden ist der Aggregatzustand angegeben: f = fest, fl = flüssig, g = gasförmig; H
2O(g) ist also Wasserdampf bei 25 °C und Normaldruck):
C(f) + H
2O(g) → CO(g) + H
2(g)
Mit den Δ
fH°-Werten für H
2O(g) und CO(g) von −241,8 und −110,6 kJ mol
−1ergibt sich:
Δ
rH°/kJ mol
−1= −110,6 + 0 − {0 + (−241,8)}
Δ
rH° = 131,2 kJ mol
−1Die Reaktion ist also endotherm.
Beispiel 2: Reduktion von Eisen(III)-oxid durch Kohlenmonoxid:
Fe
2O
3(f) + 3 CO(g) → 2 Fe(f) + 3 CO
2(g)
Mit dem Δ
rH°-Wert für Fe
2O
3(f) von −824,8 kJ mol
−1und den oben angegebenen Werten für die Kohlenoxide ergibt sich:
Der Aufbau der Materie 17
Δ
rH°/kJ mol
−1= 2 × 0 + 3 × (−393,8) − {(−824,8) + 3 × (−110,6)}
Δ
rH° = −24,8 kJ mol
−1Die Reaktion ist also schwach exotherm.
2.14 Gase
Dieser Abschnitt vervollständigt die stöchiometrischen Berechnungen. Als Formeln für Gase war bislang nicht eine Summenformel im engeren Sinn verwendet worden, also
„O“ für Sauerstoff, sondern O
2. Der Nachweis, dass Sauerstoff tatsächlich in Form zweiatomiger Moleküle auftritt, ist ohne Aufwand schnell erbracht, es muss lediglich die Gasdichte bekannt sein, also der Quotient aus Masse und Volumen einer bestimmten Menge Sauerstoff.
Versuch (neu): O
2und CO
2im 2-L-Kolben wiegen
Da der Versuch im Hörsaal nicht unter Standardbedingungen ausgeführt wird – vor allem weil es bei der Messung deutlich wärmer als 0 °C zu sein pflegt, wird zur Auswertung das ideale Gasgesetz genutzt:
p V = n R T
p, V und T sind der Druck, das Volumen und die Temperatur des Gases, n ist wie zuvor die Stoffmenge und R ist die Gaskonstante von 8,31451 kPa L mol
−1K
−1. Um zu entscheiden, ob Sauerstoff als O, O
2, O
3oder anders zu formulieren ist, soll die molare Masse M bestimmt werden, deren jeweiliger Erwartungswert 16 g, 32 g , 48 g, etc., beträgt. Es gilt:
M = m n Mit
n = p V R T gilt:
m R T M =
p V
Der in der Vorlesung bestimmte Wert zeigt, dass die Formulierung als O
2korrekt ist.
Die unaufwendige Bestimmung der molaren Masse eines Gases erlaubt auch die Analyse von Stoffen, die sich vollständig zu Gasen zersetzen lassen. Ein Beipiel ist die Bestimmung der Summenformel von Wasser.
Der Aufbau der Materie 18
Versuch 4-5: Elektrolytische Zersetzung von H
2O
Der Aufbau der Materie 19
3 Atome
Atome sind aus den Nucleonen (Protonen, Neutronen) und Elektronen aufgebaut.
Während das Auftreten von Isotopen aus dem Aufbau des Atomkerns verständlich wird, resultieren die chemischen Eigenschaften aus der Elektronenstruktur. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Beschreibung elektronischer Zustände durch die vier Quantenzahlen n, l, m
lund m
s. Von diesen wird zuerst die Hauptquantenzahl n eingeführt, mit deren Hilfe sich die Lage der Emissionslinien im Wasserstoffspektrum deuten lassen. Anschließend werden die elektronischen Aufenthaltsräume, die Orbitale, im Detail betrachtet. Die Zuordnung von Elektronenkonfigurationen zu den Grundzuständen der Atome führt zum Periodensystem der Elemente (PSE). Umgekehrt zeigen Atomeigenschaften wie die Ionisierungsenergie oder die Elektronenaffinität einen charakteristischen Gang im PSE.
Mortimer: 2, 6 Binnewies: 2, 3 Riedel: 1.2, 1.4
3.1 Elementarteilchen
Die kleinsten Teilchen eines chemischen Elementes, die Atome, sind aus den Elementarteilchen Elektronen, Protonen und Neutronen aufgebaut, die sich in Masse und elektrischer Ladung unterscheiden. Der Atomkern wird durch positiv geladene Protonen der relativen Masse 1,007277 und der Ladung +e sowie durch elektrisch neutrale Neutronen der Masse 1,008665 gebildet. Elektronen sind gegenüber den Kernteilchen, den Nukleonen, nahezu masselos (ca. 1/2000), sie tragen die Ladung −e. 1 e ist die Elementarladung, die kleinste elektrische Ladung; alle auftretenden Ladungsmengen sind ganzzahlige Vielfache dieser Elementarladung. Ihr Betrag ist:
1 e = 1,6022 × 10
−19C
Die Radien der Atomkerne sind von der Größenordnung 10
−2bis 10
−3pm (1 pm = 10
−12m; vergleiche zum Beispiel den Radius eines Kupferatoms von 128 pm, vgl. das
Atome 20
Rutherfordsche Experiment). Der im Vergleich zum gesamten Atom sehr kleine Atomkern enthält fast die gesamte Masse des Atoms. Die Zahl der Protonen bestimmt die Größe der positiven Ladung des Kerns, die Kernladungszahl, die der Protonenzahl gleich ist. Die Gesamtzahl der Protonen und Neutronen bestimmt die Masse des Kerns und angenähert die des Atoms, sie wird daher Massenzahl genannt. Ein chemisches Element besteht aus Atomen gleicher Protonenzahl (Kernladungszahl), die Zahl der Neutronen kann jedoch unterschiedlich sein. Die für das Element charakteristische Protonenzahl wird auch Ordnungszahl genannt.
Eine durch Kernladungszahl und Neutronenzahl charakterisierte Atomsorte bezeichnet man als Nuklid. Nuklide mit gleicher Protonenzahl, aber verschiedener Neutronenzahl heißen Isotope. Beispiele sind die Isotope von Wasserstoff (beachte die übliche Schreibweise, die Massenzahl links oben und die Kernladungszahl links unten am Elementsymbol zu notieren):
21H, (= D, Deuterium),
31H (= T, Tritium).
Da die Information über die Ordnungszahl bereits durch das Atomsymbol gegeben wird, werden Nuklide oft nur durch die Massenzahl beschrieben, zum Beispiel bei den verschiedenen Kohlenstoffisotopen:
12
C,
13C,
14C
oder bei den Isotopen von Stickstoff:
14