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IV. Täglicher Suq und Wochenmärkte in Sa´da, Jemen — erdkunde

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Da sich die Marktrotationen teilweise stark ver zweigen, und die Mehrzahl der Handler nicht an alien Wochentagen ihre Waren feilbietet, differieren die Zahlen der an den einzelnen Wochentagen stattfinden den Markte erheblich. So verteilen sich die 115 im Un

tersuchungsgebiet abgehaltenen Wochenmarkte folgen dermafien auf die einzelnen Wochentage:

Sonntag 11

Montag 17

Dienstag 14 Mittwoch 14

Donnerstag 16

Freitag 27 Samstag 16 Durchschnitt 16,4

Es heben sich vor allem zwei Wochentage stark vom Durchschnitt ab: Der Sonntag fallt durch eine relativ geringe Zahl von Markten auf, wahrend der Freitag mit grofiem Abstand die meisten Wochenmarkte auf

sich vereinigt. Letzteres verwundert kaum, da der Be such eines Freitagsmarktes mit dem Moscheebesuch verbunden werden kann. Entsprechend ihrer hohen

Zahl ist die Beschickung der Freitagsmarkte zwangs laufig geringer als die eines durchschnittlichen Wochen marktes. Sonntagsmarkte sind nicht nur zahlenmafiig

unterdurchschnittlich gering vertreten, sondern sie um fassen auch nur eine geringe Zahl von Marktstanden.

Wahrend der Wochenmarkt (?pazar") in der Tiirkei urspriinglich in engem Bezug zum Sonntag (?pazar gunu") stand, arbeitet die Mehrzahl der Handler an diesem Tage nicht mehr, seit er unter Kemal Atatiirk offlziell zum Ruhetag erklart wurde.

Die vorstehende Skizzierung von tiirkischen Wo chenmarkten beschrankte sich auf einige ausgewahlte

Aspekte, vor allem auf das Zusammenspiel von festen

Laden und Wochenmarkt und auf die wochentliche Rotation der Markte. Noch offen bleibt eine grofie Zahl weiterer Fragen, fiir die bisher nur Indizien vor

liegen. Interessant ware insbesondere eine Untersu

chung der historischen Entwicklung der anatolischen

Marktsysteme. Waren die Marktrotationen urspriing

lich vollig geschlossen, oder nahm jeder Handler sei nen eigenen Weg? Auch bleibt noch festzustellen, wie stabil sich die Rotationen iiber grofiere Zeitraume hin

weg verhalten. Besonders die weitlaufigen Rotationen

diirften vor Beginn der Motorisierung nicht in dieser

Form existiert haben, und es ist anzunehmen, dafi der

Ausbau des Wegenetzes nicht ohne Einflufi auf den Verlauf der Marktrotationen gewesen ist. Offen bleibt schliefilich die Frage nach den zukiinftigen Entwick

lungstendenzen oder dem Einflufi der allgemeinen

Verwestlichung auf das System der Wochenmarkte.

Diese und andere Gesichtspunkte mussen kunftigen Arbeiten vorbehalten bleiben.

IV. TAGLICHER SUQ UND WOCHENMARKT IN SA'DA, JEMEN

Mit einer Beilage (II)

Elke Niewohner-Eberhard

Die Stadt Sa'da ist mit z. 2. etwa 6000 Einwohnern der Verwaltungshauptort der gleichnamigen Nordpro vinz der Arabischen Republik Jemen. Als Marktort hat Sa'da jedoch bis heute kaum mehr als lokale Be

deutung besessen. Sa'das Bazar (suq) zeigt dement

sprechend die typischen Merkmale eines kleinen Land stadtbazars, wie sie E. Wirth (1974, S. 219) gekenn zeichnet hat: ?In kleineren Landstadten abseits der grofien Handelsstrafien, die im wesentlichen nur zen

tralortliche Funktionen fiir ihr agrarisches Umland ha ben, findet man oft recht einfach strukturierte Bazare:

In Analogie zu entsprechenden Landstadten des vor industriellen Europa sind hier Einzelhandel, einfache Dienstleistungen und Handwerk - welches entweder im Kundenauftrag produziert oder zumindest ohne Zwischenhandel direkt an den Kunden verkauft - die wichtigsten, gelegentlich sogar die einzigen Wirt

schaftssektoren." Allerdings hat der suq von Sa'da,

wie wohl alle Bazare, ganz spezielle, nicht zur allge

meinen Regel gehorende Eigenheiten; von diesen sei en - im Anschlufi an eine allgemeine Einfiihrung und eine knappe Beschreibung des heutigen suqs vonSa'da nachstehend die drei auffallendsten geschildert. Als Grundlage dienen Beobachtungen, Befragungen und Kartierungen, die die Verfasserin anlafilich zweier Aufenthalte in Sa'da von insgesamt 16 Wochen Dauer

durchfiihren konnte.

Der suq von Sa'da ist ein Flachenbazar, ein ?Kom plex paralleler und sich kreuzender Bazargassen"

(E. Wirth 1974, S. 252) mit etwa 450 eingeschossigen Lehmboxen ohne Wohnungen, die immer zu mehreren als Boxenzeile eine Baueinheit bilden und die Gassen

konstituieren. Die raumliche Anordnung der Laden

boxen und Marktstande sowie die Branchengliederung ist in dem beigefiigten Plan (Beil. II) dargestellt. Wie in kleineren Landstadten iiblich, sind auch in Sa'da die fiir

den Jemen typischen unuberdachten Bazargassen das

einzige Bauelement des suqs. Es gibt keine hallenartigen

(2)

Wochenmarkte, Marktorte und Marktzyklen in Vorderasien 25

Gebaude und aufgrund der sehr beschrankten Grofi

handelsfunktionen Sa'das auch keine Khane. Aller

dings gehoren zum Komplex der grofien Moschee, am Rand des suqs gelegen, zwei grofie, khan-ahnliche La

gerhauser fiir Getreide aus den Einnahmen der Stif

tungen der Moschee. In gewissem Sinne konnten wohl diese Gebaude, von denen nur eins mit einem Innenhof typischen Khan-Charakter tragt, noch als Elemente

des suqs angesehen werden. Die grofie Moschee von Sa'da mit ihren Stiftungen war bis zum Beginn des jemenitischen Biirgerkriegs im Jahr 1962 einer der wenigen und wohl der grofite ?Kapitalist" in Sa'da

im Sinne rentenkapitalistischer Organisation. Noch heute gehort mindestens die Halfte aller Bazarboxen und der Grund, auf dem sie stehen, zur Stiftung der Moschee, und die Kaufleute bezahlen die Miete fiir

ihre Boxen an die Moschee.

Der heutige suq von Sa'da ist ein geplanter Bazar.

Er wurde in den dreifiiger Jahren dieses Jahrhunderts von dem damaligen Kronprinzen Ahmad, dem spate

ren vorletzten Imam des Jemen, bei seinem Aufenthalt

als militarischer Oberbefehlshaber der Nordprovinz in Sa'da angelegt, und zwar auf einem freien Platz

innerhalb der Stadtmauer, der, wie wir sehen werden,

schon eine Tradition als Marktstandort hatte. Zu den jeweils in sich abgeschlossenen Wohnvierteln der Stadt steht dieser Platz in keiner aufierlich erkennbaren funktionalen Verbindung. Offensichtlich sind die Ge baudekomplexe des suqs im Siiden die alteren; die Aus dehnung geht dementsprechend nach Norden.

Da der Imam im Jemen fiir die Zaiditen gleichzeitig religioses und weltliches Oberhaupt war, hat Prinz Ahmad als Vertreter des Imams die suq-Anlage wohl

im Zusammengehen mit der waqf-(Stiftungs-)Orga nisation der grofien Moschee vorgenommen; das diirfte

in Sa'da besonders unproblematisch gewesen sein, weil die grofie Moschee als Grabmoschee des ersten zaiditi

schen Imams im Jemen immer in enger Verbindung

zum von Sa'da anerkannten Imam stand. Moglicher

weise hat Ahmad auch einen Teil des im Besitz des Imams befindlichen Bodens an die grofie Moschee ge

stiftet. Der stadtische suq von Sa'da ist damit seit sei

ner Errichtung in einer fiir den Jemen sehr typischen Weise eine Einrichtung der staatlichen Zentralgewalt

und steht in einem gewissen Gegensatz zu der Institu tion der im Jemen meist stammesorientierten, regel

mafiig rotierenden Wochenmarkte aufierhalb der Stadte (W. Dostal nach E. Wirth 1974, S. 207). -

Vor diesem allgemeinen Hintergrund stellen sich nun drei speziellere Fragen:

1. Welche Funktionen hat dieser stadtische suq ange sichts der Tatsache, dafi die auf dem Land abgehal tenen Wochenmarkte fiir ihren jeweiligen Einzugs bereich heute noch dieselbe grundlegende Bedeutung besitzen wie vor der Anlage des suqs in Sa'da?

2. Wer oder welche Einrichtung hat vor der Errichtung

des suqs von Sa'da dessen heutige Funktion wahr genommen?

3. In welcher Weise sind im Marktgeschehen des suqs

von Sa'da stationarer taglicher Markt und ambu

lanter periodischer Markt miteinander verkniipft?

Der suq von Sa'da hat als stadtischer Markt zu

nachst einmal die Aufgabe, die Stadtbevolkerung mit

den Giitern des taglichen Lebensunterhalts zu versor

gen. Das sind insbesondere frische Landprodukte (Vik

tualien); sie werden am Vormittag von Bauerinnen

der umgebenden Agrargebiete, die ihre Waren auf dem

Boden ausbreiten, angeboten. Dazu kommen frisches,

in der Stadt geschlachtetes Fleisch, Griinfutter fiir die in vielen Hausern gehaltenen Schafe oder Ziegen, alle

Arten einfacher einheimischer und importierter Fer tigprodukte, sowie in begrenztem Mafi Reparatur Handwerk und einfache Dienstleistungen.

Die Stellung Sa'das als Verwaltungshauptort der Nordprovinz strahlt in gewisser Weise auch auf die Funktionen des suqs aus: Handler in Sa'da sind die Mittelsleute zwischen den ambulanten Kaufleuten auf

den Wochenmarkten der umliegenden Stammesgebiete

einerseits und dem Grofihandel in San'a', Hodeida, Nagran (Saudi-Arabien) und sogar ar-Riyad anderer

seits. Auch werden auswartige Besucher der Provinz

behorden in Sa'da vom suq der Stadt mit Waren und

Dienstleistungen versorgt.

Diese Handels- und Versorgungsfunktionen bewe

gen sich aber in einer so geringen Grofienordnung,

dafi an den meisten Wochentagen nur etwa ein Viertel

aller Boxen auf dem suq geoffnet ist - vorzugsweise

diejenigen an den passantenbegiinstigten Gassen. Nur einmal in der Woche werden auch die meisten anderen

Ladenlokale geoffnet; bis zum Beginn des Biirger

kriegs war dies am Freitag, seitdem ist es am Sonntag.

An diesem ?Haupt-Markttag" kommt dariiber hin

aus eine grofie Zahl von ambulanten Handlern in die Stadt; sie lassen sich auf den Gassen und Platzen des

suqs nieder. Damit erscheint der stadtische, von staat

licher Seite angelegte und ?in festem Gebaudebestand installierte" (E. Wirth, 1974, S. 207) suq Sa'das voll in das System der nordjemenitischen Wochenmarkte eingegliedert: Einmal in der Woche wird der rotie rende, periodische landliche Markt der Region inner halb der Stadtmauern von Sa'da im Bereich des suqs abgehalten. Bis 1962 konnte dabei der Marktbesuch am Freitag gleich mit dem Besuch der Freitagsmoschee in Sa'da verbunden werden. Alle landlichen Wochen markte der Nordprovinz sparten demgegenuber gera

de den Freitag als Markttag aus.

Aufgrund dieser Periodizitat wird der stadtische, fest installierte Markt in Sa'da nur an denjenigen Tagen voll genutzt, an denen er mit dem an und fiir

sich landlichen Wochenmarkt verbunden ist ; nur dann sind die meisten Boxen des suqs geoffnet. Das Ge

schlossen-Halten der Boxen des suqs von Sa'da an den

(3)

meisten anderen Tagen der Woche erklart sich aus der Struktur und den Bediirfnissen der dortigen Handler

schaft. Erstens gibt es besonders aus dem Kreise alt

eingesessener Familien Kaufleute, die gleichzeitig als Gelehrte an der Moschee oder in einem mit ihr ver

bundenen Btiro tatig sind, und die von daher auch ein gewisses Einkommen beziehen. Sie offnen ihren Laden

auf dem suq nur an Wochenmarkttagen; meist fun

gieren sie dann als Zwischenhandler fiir die nur am

Markttag in der Stadt anwesenden ambulanten Kauf

leute. In fruherer Zeit soli diese ihre Kaufmanns tatigkeit ihr Hauptverdienst gewesen sein. Ob das auch fiir die heutige Zeit noch zutrifft, ist zweifelhaft;

denn neuerdings beginnt eine ganze Reihe auswartiger

Zwischenhandler damit, sich in der Stadt niederzu

lassen und mit besseren Verbindungen besonders nach San'a* als Konkurrenz aufzutreten. Auch sie offnen

ihre Laden meist nur an Wochenmarkttagen.

Zweitens besitzen viele der ambulanten Wochen markthandler eine eigene Boxe auf dem suq von Sa'da,

die sie natiirlich nur am dortigen Wochenmarkttag off nen konnen. Gewohnlich sind diese Boxen mehr ein Lager als ein Verkaufsraum. Die Ware wird vor ihnen

auf der Gasse zum Verkauf ausgebreitet oder ganz und gar zu einem Stand in einer giinstigeren Bazargasse ge

bracht; denn die Boxen der ambulanten Handler liegen sehr oft am Rand des suqs in Gassen mit nur sehr gerin

gem Passantenverkehr. In solchen Fallen sind die Bo

xen auch am Markttag nur fiir kurze Zeit geoffnet, wenn der Handler dort Ware abholt oder hinbringt.

Das gleiche gilt iibrigens auch fiir einige taglich auf

dem suq anwesende Kaufleute, deren Boxen so ungiin

stig liegen, dafi sie ihre Ware immer auf einem giinsti ger gelegenen Platz anbieten.

Drittens gibt es einige in Sa'da ansassige Kaufleute und Handwerker, die bestimmte grofie und von Sa'da

aus leicht zu erreichende Wochenmarkte der umgeben

den Agargebiete als ambulante Handler besuchen. De ren Laden in Sa'da sind demzufolge ebenfalls nur am dortigen Wochenmarkttag mit Sicherheit geoffnet.

Viertens schliefilich besitzen manche Kaufleute mehrere Boxen, die sie zum Teil nur als Lager benutzen und deswegen gewohnlich geschlossen halten.

So ist der tagliche suq in Sa'da aufierhalb des Haupt markttages auf einen Bruchteil der ganzen suq-Anlage

beschrankt; er dient zur Hauptsache der Versorgung der Stadtbevolkerung. Am Tag des Wochenmarktes

sind dagegen nicht nur die meisten Laden geoffnet, sondern auch die Gassen dicht von ambulanten Hand lern besetzt, zwischen denen sich eine unubersehbare

Menge von Kaufern drangt. Trotzdem ist der Wochen

markt von Sa'da nicht der wichtigste Wochenmarkt

der Nordprovinz. Mindestens zwei andere, rein land

liche Markte sind grofier und fiir die Stammesbevolke rung wirtschaftlich bedeutender; der eine, Suq a;-Talh, liegt etwa 12 km, der andere, Magz, etwa 22 km nord

westlich von Sa'da. Der Wochenmarkt von Sa'da hat

im Rahmen der Nordprovinz nur insofern eine heraus ragende Funktion, als er der einzige ist, der sich inner

halb einer Stadt und damit nicht stammesgebunden abspielt. Damit bietet sich dem Kaufer die Moglichkeit, gleichzeitig stadtische Institutionen und Behorden so wie die Freitagsmoschee zu besuchen und Kontakte zu

anderen Stammesgruppen zu pflegen, wahrend der am

bulante Handler an Ort und Stelle Verbindung mit

einem Zwischenhandler aufnehmen kann.

Bei der Erorterung der Frage, welche Einrichtung

vor der Errichtung des suqs von Sa'da dessen heutige Funktion wahrgenommen hat, ist Verf. neben eigenen Beobachtungen auf Aussagen einheimischer Gewahrs

leute angewiesen, da schriftliche Quellen nicht bekannt sind. Nach diesen durchaus glaubwiirdigen Informa tionen soil auf dem gleichen Gelande, auf dem jetzt der suq steht, schon vor dessen Anlage durch den Imam Ahmad ein traditioneller wochentlicher Markt statt

gefunden haben. Der ganze Platz soil damals unbe

baut gewesen sein. Nur in der Nahe der grofien Mo

schee, also am Rand des Wochenmarktareals, sollen

sich einige wenige Laden befunden haben, die den tag lichen Bedarf der Stadtbevolkerung deckten.

Die iibrigen Handelsgeschafte, die jetzt taglich oder

wochentlich in den Bazarboxen getatigt werden, hatten damals einen grundlegend anderen Standort: Der

grofite Teil der heute im suq vorhandenen Verkaufs

lokale war nicht in einem nur Handelszwecken dienen den gesonderten Bazarkomplex zusammengefafit, son

dern er befand sich raumlich verstreut in den Wohn hausern der jeweiligen Kaufleute innerhalb der einzel

nen Stadtviertel.

Im untersten, sehr hohen Stockwerk dieser Stein

Lehmziegel-Hauser, die zum Teil nach dem Datum ihrer Erbauung bis vor die erste tiirkische Eroberung im 16. Jahrhundert zuriickreichen, findet man noch

heute Lager- und Verkaufsraume, manchmal auch noch Ladeneinrichtungen, und immer eine von der Decke

herabhangende Eisenkette, an der die Waage befestigt

war. Nur seiten haben diese Ladenraume einen direk

ten Zugang von der Gasse her; gewohnlich erreicht man sie nur durch die einzige Tur des Hauses, die von

der Gasse in eine ebenerdige, mehr oder weniger grofie Halle fiihrt, von der wiederum die einzelnen Raume

abzweigen. Heute werden diese ehemaligen Geschafts

raume hauptsachlich zum Lagern hauslicher Gebrauchs

giiter benutzt. Manchmal dienen sie einem Kaufmann auch noch als kommerzieller Lagerraum.

Nach der Meinung der Bewohner Sa'das ist die An lage von Geschaftsraumen innerhalb der Wohnhauser auf die katastrophalen Sicherheitsverhaltnisse gerade

im nordlichen Jemen seit etwa dem 13. Jahrhundert zuriickzufiihren. Auf die gleiche Unsicherheit geht wohl

auch die Stadtanlage in mehreren, vollig voneinander und von der Aufienwelt abschliefibaren Vierteln zu

riick. Anscheinend liefi sich die Handelsware friiher nur durch den doppelten Schutz von absperrbarem

(4)

Wochenmarkte, Marktorte und Marktzyklen in Vorderasien 27

Viertel und unzuganglichem Wohnhaus vor Raub und Pliinderung bewahren. Moglicherweise war auch die

Privatsphare und Intimitat der Familienwohnung

durch religiose oder juristische Sanktionen besonders

geschiitzt.

Damit stellen die Verhaltnisse in Sa'da offensichtlich

einen interessanten Sonderfall dar; denn die Vereini gung von Wohn- und Geschaftsfunktion in einem

Haus widerspricht den von E. Wirth (1974, S. 237) geaufierten Uberlegungen zur generell in orientalischen

Bazaren auftretenden Trennung von Wohnen und Wirtschaften. Nur diese Trennung gewahre ?einen ge

wissen Schutz gegen Diebstahl, in Notzeiten wohl auch gegen Raub und Pliinderung", da sich der Bazar ohne Wohnbevolkerung als ganzes und in Teilen absperren

lasse.

Warum in Sa'da gerade die umgekehrte Praktik den gleichen Zweck erfiillte, liegt wohl an kulturellen, ju ristischen, regionalen und vielleicht auch historischen

Sonderbedingungen, die hier nicht weiter erortert wer

den konnen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dafi

z. B. die in San'a' ansassigen Juden ebenfalls aus Sicher heitsgrunden ihre Wohnhauser zum Lagern von Waren

benutzten und dies gleich beim Bau der Hauser beriick

sichtigten (s. C. Rathjens sen. 1957).

Dafi die Vereinigung von Wohnen und Wirt schaften in Sa'da dem Bediirfnis nach Sicherheit ent sprang, ist nicht zuletzt auch an folgendem abzule sen: Nicht lange nach dem endgiiltigen Herrschafts antritt des Imams Yahya im Jahre 1918 und der da mit beginnenden allgemeinen Befriedung im Jemen wurde der jetzige suq errichtet, und er hat sich seitdem

nicht nur behauptet, sondern auch weiter ausgedehnt.

Wahrscheinlich wurde iibrigens schon friiher einmal

der Versuch gemacht, das Marktwesen von Sa'da in einem festen Gebaudekomplex zu konzentrieren. In

der suq-Gegend, nicht weit von der grofien Moschee, findet sich namlich ein im Innern verfallenes, gro

fies Gebaude, das ?samsarat al-ma'arif" (Lagerhaus

der Notablen, auf dem Plan als S gekennzeichnet) genannt wird und mehrere hundert Ladenboxen enthalten haben soli. Ob allerdings dieses Gebaude iiber langere Zeit hinweg als Marktzentrum benutzt wurde, und ob es ein Ersatz fiir die Laden in den

Wohnhausern war, ist nicht bekannt. Im grofien und

ganzen bestatigt sich also am Beispiel von Sa'da sehr

eindrucksvoll die von W. Dostal vertretene These,

derzufolge sich der stationare stadtische suq gegeniiber

den unter Stammesautoritat stehenden Wochenmarkten nur dort durchsetzen kann, wo die staatliche Zentral gewalt anerkannt wird und fiir Frieden sorgt..

Literatur

Dostal, W.: Sozio-okonomische Aspekte der Stammesdemo kratie in Nordost-Yemen. Sociologus 24 (1974), S. 1-15.

Rathjens sen., C: Jewish Domestic Architecture in San'a, Yemen. Oriental Notes and Studies no. 7 (Jerusalem

1957), S. 21-24.

Wirth, E.: Zum Problem des Bazars (suq, carsi). Versuch einer Begriffsbestimmung und Theorie des traditionellen Wirtschaftszentrums der orientalisch-islamischen Stadt.

Der Islam 51 (1974), S. 203-260; 52 (1975), S. 6-46.

V. DER WOCHENMARKT IN HANASIR/NORD SYRIEN

Mit 2 Abbildungen

Heinz Gaube

Am Freitag, dem muslimischen ?Sonntag", ruht die Arbeit in den meisten islamischen Landern. Bauern

ziehen in Marktflecken oder Kleinstadte, um am Frei

tagsgottesdienst teilzunehmen, ihre Produkte zu ver

kaufen und notige Einkaufe zu tatigen. An diesem Wochentag finden im Halbkreis ostlich um die nord

syrische Metropole Aleppo in (von Nord nach Sud) Menbig, Bab, Sfire, Hanasir und Abu Shur Wochen

markte statt. Unter ihnen ist der von Hanasir der

kleinste und jiingste. Hanasirs Lage fast am Ostrand des syrischen Jungsiedellandes, die aufiergewohnliche

Zusammensetzung seiner Bevolkerung-sowie die durch Lage und Bevolkerungszusammensetzung bestimm

te Strukturierung der Kaufer- und Verkauferschaft geben dem Wochenmarkt von Hanasir Akzente, die so

wohl fiir den Geographen wie fiir den Zeitgeschichtler

von Interesse sind.

Hanasir liegt ca. 80 km siidostlich von Aleppo am Ost-Fufi des Gebel-Hass. Nach Norden, Siiden und

Osten ist der Ort von bewasserten Garten und unbe

wasserten Feldern umgeben. Jenseits der Felder beginnt die bddiya (die syrische Wiistensteppe), aus der sich, ca. 20 km ostlich von Hanasir, das Basaltplateau des

<3ebel-Sbet erhebt.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde Hanasir an der Stelle des alten Chunasara als Siedlung eingewan derter Tscherkessen gegriindet. Der Ort zahlt heute etwa 2000 Einwohner, 2/3 von ihnen sind Tscherkessen, Vs sind Araber. Schon seit geraumer Zeit wandern Tscherkessen nach Aleppo ab. Heiraten zwischen

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B Lampenreparatur S Teestube und Garkiiche im Untersuchungszeitraum

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Referenzen

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