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ie Geschichte des Dä- nen Hans Christian Andersen (1805–1875) ist die Geschichte des Auf- stiegs eines Jungen, dessen Kinderjahre in Odense durch Armut und Elend geprägt waren. Der Auf- stiegswille war es, der ihn bereits mit 14 Jahren ohne einen konkreten Anlass nach Kopenhagen aufbre- chen ließ, um in der Hauptstadt am Königli- chen Theater sein Glück zu suchen: „Ich will be- rühmt werden!“ An diesem Ziel hielt er sein ganzes Leben hindurch fest und verfolgte es stets konse- quent.Wer kennt nicht „Das Feuerzeug“, „Des Kaisers neue Kleider“, „Das Mäd- chen mit den Schwefelhöl- zern“, „Die Schneekönigin“
oder „Der Tannenbaum“?
Als Verfasser von Kinder- märchen und Geschichten dürfte Andersen weit mehr Menschen bekannt sein als manch anderer Autor der Weltliteratur. In mehr als hundert Sprachen übersetzt, werden seine Märchen und Geschichten in einer Millio- nenauflage herausgegeben.
Zur Entstehung seiner Mär- chen schrieb Andersen: „Sie lagen wie ein Samenkorn in meinen Gedanken: es bedurf- te nur eines Lufthauchs, eines Sonnenstrahls, eines Tropfens Wermut und sie entfalteten sich zur Blüte.“ Andersen schrieb manche Märchen an wenigen Abenden.
Frühe Erfahrungen im Königlichen Theater
Andersen war auch als Dra- matiker, Lyriker, Reise- und Romanschriftsteller produk- tiv. Was er aber weder als Dra- matiker noch als Lyriker er- reichte, wurde ihm als Roman-
schriftsteller zuteil. Sein erster Roman „Der Improvisator“
(1835) brachte für ihn den Durchbruch, es folgten „O.Z.“
(1836), „Nur ein Spielmann“
(1837), „Die beiden Baronin- nen“, „Sein oder Nichtsein“
(1837) und „Glücks-Peer“
(1870).
Andersens letzter Roman
„Glücks-Peter“ (Peer) ist ei- ne heitere Variation seines Lieblingsthemas, die Faszina- tion des Theaters. Der Titel- held Peter ist am gleichen Tag geboren wie Felix, der Sohn einer reichen Kaufmannsfa- milie, die ein großes Haus be- wohnt, in dessen Dachge- schoss auch Peters Eltern wohnen, allerdings eher schlecht als recht. Trotz widri- ger Umstände ist es die Le- bensgeschichte eines armen Jungen, der dann dank seiner künstlerischen Begabung zu Ruhm und Ehren gelangt.
Am Schluss des Romans stirbt Peter auf dem Höhe-
punkt seines künstleri- schen Triumphes auf der Bühne an einem Herzan- fall, „umjubelt von denen, die ihn lieb hatten, glück- lich zu preisen unter Mil- lionen“. In den Roman flossen Andersens frühe Erfahrungen im Königli- chen Theater von Kopen- hagen ein. Schon als Kind faszinierte ihn das Thea- ter, ganz gleich, ob es sich um Ballett, Gesang oder Schauspiel handelte.
Die Lektüre seines Werdeganges verdeut- licht, wie man aus der Routine, aus den Zwängen der genetischen und sozia- len Konditionierung aus- brechen und sein Leben kreativ gestalten kann.
Die Erfolge der kreativen Persönlichkeit Andersen waren zu einem großen Teil von Zufällen abhängig. Er hatte das Glück, in einer un- terstützenden Umwelt aufzu- wachsen, und befand sich meist zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Neben diesen Faktoren, vom Zufall gelenkten Faktoren, war sei- ne persönliche Entschlossen- heit, selbst über sein Schicksal
zu bestimmen, entscheidend.
Jonas Collin, sein Wohltäter, der ihm mit königlicher Un- terstützung die Schulbildung ermöglichte, der ihm auch im- mer wieder Mut einflößte, sagte zu ihm: „Schlagen Sie nur in Gottes Namen den Weg ein, für den Sie sicherlich geschaffen sind, es ist be- stimmt das Beste.“
Mit 27 Jahren schrieb An- dersen seine erste Autobio- grafie „Lebenstück“ (Lev- nedsbog). Für die Zeit nach 1832 sind in deutscher Spra- che Andersens Biografie
„Das Märchen meines Le- bens ohne Dichtung“ (1847) und deren erweiterte Fassung
„Das Märchen meines Le- bens“ erschienen, die wichtig- sten Quellen, die durch seine Tagebücher und Briefe er- gänzt werden. Sein Ruhm al- lerdings beruht ausschließlich auf den Märchen.
Dr. med. habil. Klaus Janowski V A R I A
Hans Christian Andersen
Das Talent zum Glück
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 131. April 2005 AA925
Feuilleton
An dem Ziel, berühmt zu wer- den, hielt der dänische Dichter Andersen sein Leben lang fest.
Fotos:dpa
Hans Christian Andersen liest jungen adligen Damen vor. Auf- nahme von 1863
Die Kleine Meerjungfrau – das Wahrzeichen der Stadt Kopenhagen