Im zu entscheidenden Fall verlangte die Klägerin Scha- denersatz wegen eines Impf- schadens. Sie ist an Kinder- lähmung erkrankt.
Die Betroffene hatte im Rahmen der Vorsorgeunter- suchung U 4 von der Kin- derärztin eine Grundimmuni- sierung gegen Diphtherie, Te- tanus, Pertussis und Haemo- philus Typ B sowie ein Drei- fach-Lebend-Impfstoff-Prä- parat gegen Poliomyelitis er- halten. Zuvor hatte die Sprech- stundenhilfe der beklagten Ärztin der Mutter der Klä- gerin ein Merkblatt der re- gionalen Kinderärzte zu Imp- fungen ausgehändigt. Es ent- hielt zu Poliomyelitis un- ter anderem die Bemerkung, dass eine solche Impfung in der Regel komplikationslos vertragen wird, in seltenen Fällen aber fieberhafte Reak- tionen auftreten, extrem sel- ten auch Lähmungen (ein Fall auf fünf Millionen Imp- fungen).
Nach der Zweitimpfung hatte die Klägerin fünf Ta- ge später Fieber, 12 Tage da- nach wurde eine Schonhal- tung des linken Beins festge- stellt. Der Bundesgerichtshof meint gleichwohl, es liege kein Behandlungsfehler vor.
Er folgt nicht der Meinung der Klägerin, ihre Mutter habe mangels hinreichender Auf- klärung nicht wirksam in die Impfung eingewilligt.
Zunächst seien die schrift- lichen Hinweise in dem Merk- blatt inhaltlich nicht zu bean- standen. Der darin enthalte- ne Gefahrenhinweis sei aus- reichend. Der Mutter der Klä- gerin sei eine richtige Vorstel- lung von der Schaden-Nut- zen-Relation vermittelt wor- den.
Auch entsprach 1994 die Impfung dem medizinischen Standard. Die Diskussion um die Zweckmäßigkeit von Po- lio-Impfungen mit Lebendvi- ren, die 1998 zu einer Ände- rung der Impfempfehlungen vonseiten der Ständigen Impf- kommission führte, habe erst danach eingesetzt.
Die Aufklärung sei nach Meinung des Bundesgerichts- hofs auch rechtzeitig erfolgt.
Es sei nicht erforderlich, das Merkblatt einer Mutter mit nach Hause zu geben, damit sie es dort in Ruhe lesen und bedenken könnte, um dann gesondert zu impfen. Da- durch würden an den Arzt überzogene Anforderungen gestellt. Da die Mutter bei Eintritt in das Behandlungs- zimmer gefragt worden sei, ob sie das Merkblatt über Impfungen gelesen habe, sei ihr ausreichend Gelegenheit zu weiteren Informationen durch ein Gespräch mit dem Arzt gegeben worden. (Bun- desgerichtshof, Urteil vom 29. Februar 2000, Az.: VI ZR
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V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 10½½9. März 2001 AA629
Merkblatt über Impfungen
Rechtzeitige und ausreichende Aufklärung
Prüfung von Disziplinarverfahren
Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot
Eine Kumulation mehrerer Disziplinarmaßnahmen ist nach § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V nicht statthaft. Das Gesetz verbietet eine gleichzeitige Sanktionierung mit einem Verweis und einer Geldbuße, weil § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V eine aufsteigende Stufenfol- ge aneinander ausschließen- der selbstständiger Diszipli- narverfahren vorsieht. Eine Disziplinarordnung der Kas-
senärztlichen Vereinigung ver- stößt nach Meinung des Bun- dessozialgerichtes insoweit gegen höherrangiges Recht.
Dem Kläger, der wiederholt gegen das Wirtschaftlichkeits- gebot verstoßen hatte, durfte damit neben der Verhängung eines Verweises keine Geld- buße mehr auferlegt werden.
(Bundessozialgericht, Urteil vom 8. März 2000, Az.: B 6 KA
62/98 R) Be
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