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Archiv "Tsunami im indischen Ozean: „Der Wiederaufbau ist abgeschlossen“" (21.12.2009)

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A 2552 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 51–52

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21. Dezember 2009

TSUNAMI IM INDISCHEN OZEAN

„Der Wiederaufbau ist abgeschlossen“

Als Jahrhundertkatastrophe ist das Seebeben

vor Indonesien in die Geschichtsbücher eingegangen.

Etwa 230 000 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Fünf Jahre danach ziehen die großen Verbände eine positive Bilanz der Hilfsaktionen.

E

s war 7.59 Uhr am 26. De- zember 2004, als der Meeres- boden bebte, keine 100 Kilometer vor der Westküste Sumatras. Das Beben hatte eine Stärke von 9,3 auf der Richterskala. Im Indischen Ozean bildete sich eine enorme, ringförmige Welle, die die Küsten- regionen aller umliegenden Länder verwüstete. Die ersten Bilder, die Deutschland erreichten, stammten aus den Urlaubsgebieten Thailands.

Erst Tage später realisierte die Welt, dass eine Region weit schlimmer betroffen war, die abgeschottet und von einem jahrzehntelangen Bür- gerkrieg ausgezehrt im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit lag:

die Region Aceh im nordwestlichen Teil Sumatras mit ihrem Hauptort Banda Aceh. Täglich wurde die Zahl der Todesopfer in dieser Re - gion nach oben korrigiert. Bald brachten Kamerateams Bilder von verwüsteten Landstrichen in die vielerorts noch weihnachtlich ge- schmückten Wohnzimmer und lös- ten eine nie gekannte Spendenbe- reitschaft aus.

„In den ersten Tagen nach der Katastrophe mussten die Überle- benden buchstäblich über Leichen gehen“, berichtet Rudi Tarneden von UNICEF. „Aus Angst vor Seu- chen wurden die Toten mit Bulldo- zern in Massengräber geschoben.“

Immer mehr Hilfsorganisationen erreichten das zerstörte Banda Aceh, um den Flutopfern zu helfen.

Viele hatten jedoch keine Partner vor Ort und wussten nicht, wie sie die Spendengelder sinnvoll einset- zen konnten. „Die ersten Tage und

Wochen nach der Katastrophe wa- ren extrem chaotisch“, sagt Tarne- den. „Die gesamte medizinische und soziale Infrastruktur der Region war zusammengebrochen, 500 000 Menschen allein in Banda Aceh wa- ren obdachlos.“ Zudem seien zeit- weilig bis zu 1 000 Hilfsorganisa- tionen in der Region gewesen.

„Später wurde diese Zeit ‚the crazy times‘ genannt“, so Tarneden. Um die Hilfsmaßnahmen besser zu ko- ordinieren, richtete Indonesien An- fang 2005 die Wiederaufbaubehör- de BRR ein. Viele Organisationen hatten ihre Hilfe zu diesem Zeit- punkt aber schon selbst arrangiert.

Unbehandelte Knochenbrüche Dr. med. Tankred Stöbe von Ärzte ohne Grenzen erreichte Banda Aceh im Februar 2005. „Wir haben schnell gesehen, dass es genug Hel- fer in der Stadt gab“, erklärt der heutige Präsident der Organisation.

„Deshalb haben wir einen Hub- schrauber gemietet und sind die Küste entlanggeflogen, um nach hilfebedürftigen Menschen zu su- chen.“ In der Stadt Sigli an der Ostküste Sumatras schlugen sie schließlich ein Lager auf, um die notleidenden Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen: Frisches Wasser und Lebensmittel kauften sie im Landesinneren, Medikamen- te, Heil- und Hilfsmittel erhielten sie aus ihrem Zentrallager im fran- zösischen Bordeaux. Stöbe arbeite- te fünf Wochen in einem alten, schlecht ausgestatteten Kranken- haus. „Viele Menschen kamen zu uns mit unbehandelten Knochen-

brüchen, Hautverletzungen oder eitrigen Wunden“, berichtet er.

Gleichzeitig versuchte Stöbe, den einheimischen Pflegern die Grund- lagen moderner Notfallmedizin zu vermitteln. „Bislang haben sie den Patienten streng nach zeitlicher Reihenfolge behandelt. Wir haben dann zusammen Triage trainiert“, sagt der Notfallmediziner. Abends nach der Arbeit hat sich Stöbe die Geschichten seiner indonesischen Mitarbeiter angehört: „Es gab kei- nen, der nicht Familienmitglieder oder Freunde verloren hat. Es war sehr beeindruckend zu sehen, mit wie viel Enthusiasmus sie dennoch mitgearbeitet haben.“

Fredrik Barkenhammar vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) be- fand sich einen Monat zuvor etwa 60 Kilometer weiter südlich in Teu- nom an der Westküste Sumatras.

Die Flutwelle hatte hier auch das örtliche Krankenhaus zerstört, so- dass das DRK eine mobile Klinik in Form von elf Zelten mit Untersu- chungsräumen, einem Operations- saal, einer Apotheke und einem La- bor errichtet hatte. „Als wir nach Teunom gekommen sind, haben wir eng mit einer jungen, indonesischen Ärztin zusammengearbeitet, die die Situation und die Menschen vor Ort gut kannte“, sagt der gebürtige

Beispiellose Zer- störung hinterließ der Tsunami 2004 im indonesischen Aceh – 2009 ist die Region weitgehend wiederaufgebaut.

T H E M E N D E R Z E I T

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21. Dezember 2009 A 2553 Schwede. „Denn ohne solche Hel-

fer ist man als Hilfsorganisation aufgeschmissen.“ Neben den Zelten befanden sich mehrere große, kis- senförmige Behälter: eine Trink- wasseraufbereitungsanlage, die das Wasser aus dem nahen Fluss in Trinkwasser umwandelte, 600 000 Liter am Tag.

Hilfe für traumatisierte Kinder Die Ersthilfe war in Indonesien zur Jahreshälfte 2005 abgeschlossen, und der Wiederaufbau begann. Das Deutsche Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen stellten Hand- werker und Bauarbeiter aus der Re- gion an, um Häuser und Straßen wiederaufzubauen. UNICEF wollte mit seinen Projekten in erster Linie Kindern helfen. „Viele Lehrer wa- ren durch den Tsunami getötet wor- den“, sagt Tarneden. „Deshalb ha- ben wir Notschulen eingerichtet und Hilfslehrer ausgebildet. Diese Ausbildung wurde auch von Psy- chologen unterstützt. Denn die neu- en Lehrer sollten lernen, den trau- matisierten Kindern zu helfen, zum Beispiel durch Gruppenspiele oder Zeichnen.“ Während des Wieder- aufbaus habe sich daraus ein ganzes Netz an Einrichtungen entwickelt, in denen Kinder beraten und unter- stützt werden.

Nach fünf Jahren sind nun nur noch wenige Helfer großer Organi- sationen vor Ort. Einer von ihnen ist Christian Fischer, Landesbeauftrag- ter von Caritas international in Indo- nesien. „In diesem Land hat sich seit der Flutkatastrophe viel verändert“, berichtet er. „Es gab freie Wahlen, die Wirtschaft wurde konsolidiert, und die Infrastruktur hat sich wesentlich verbessert.“ Und das im August 2005 geschlossene Friedensabkom- men zwischen der Regierung und den Aufständischen werde eingehal- ten. Auch Fredrik Barkenhammar vom DRK sagt: „Der Wiederaufbau ist weitgehend abgeschlossen.“ Als er im vergangenen Jahr erneut in Teunom war, hat er es nicht mehr er- kannt: „Es ist jetzt eine ganz norma- le Stadt. Die Häuser stehen wieder, und vom Tsunami sind keine Spuren zurückgeblieben.“ Die letzten Pro- jekte des DRK gelten der Katastro- phenvorsorge. Der Verband schult beispielsweise Kinder darin, wie sie sich bei einem erneuten Tsunami oder bei einem Erdbeben richtig verhalten. Nach der Frage, was bei der Hilfsaktion hätte besser laufen können, muss Barkenhammar lange überlegen. „Es ist schade, dass wir die Spenden ausschließlich für die Tsunamiregion verwenden durften“, meint er dann. „Nur ein kleiner Teil

dieser Spenden hätte zum Beispiel in Afrika viel bewirken können.“

Ärzte ohne Grenzen hat aus diesem Grund frühzeitig darum gebeten, nicht mehr zweckgebunden zu spen- den. „Für unsere Nothilfe brauchten wir etwa 25 Millionen Euro. Erhal- ten haben wir aber international 110 Millionen, die wir in der Region nicht sinnvoll verwenden konnten“, sagt Tankred Stöbe. Deshalb hätten sie jeden Spender persönlich kon- taktiert und darum gebeten, die Zweckbindung aufzuheben: „99 Pro - zent haben zugestimmt, dass ihre Spende innerhalb von zwei Jahren für einen anderen Notfalleinsatz verwendet wird.“

Fünf Jahre nach der Tsunami - katastrophe ziehen die großen Hilfs- organisationen eine durchweg posi- tive Bilanz. „Die Ersthilfe war sehr erfolgreich. Die befürchtete Katas- trophe nach der Katastrophe, also der Ausbruch von Seuchen wie Cholera, konnte verhindert wer- den“, betont Stöbe. „Wir wurden in Indonesien sehr herzlich aufgenom- men. Im Moment befinden wir uns am Übergang von der Katastro- phenhilfe in eine längerfristige Ent- wicklungshilfe. Wir unterstützen zum Beispiel Drogenprojekte oder die Arbeit mit Behinderten. Und nach wie vor sind wir als christliche Organisation in diesem muslimi- schen Land sehr willkommen“, sagt Fischer von der Caritas. Und Rudi Tarneden resümiert: „Die überwälti- gende Unterstützung aus aller Welt hat für viele Menschen in der Regi- on einen Neuanfang ermöglicht.“ ■ Falk Osterloh

In Indonesien verloren Schätzungen zufolge mehr als 165 000 Menschen durch den Tsunami ihr Leben. Viele Todesopfer gab es darüber hinaus in Sri Lanka (39 000), Indien (16 000) und Thailand (8 000). Noch im mehr als 4 000 Kilometer entfernten Somalia starben knapp 300 Menschen durch die Flutwelle. Hinzu kommen etwa 110 000 Verletzte. 1,7 Millionen Menschen wurden ob- dachlos. Die deutsche Regierung stellte 500 Millionen Eu- ro für die Soforthilfe und den Wiederaufbau zur Verfügung.

Auch die Spendenbereitschaft der deutschen Bevölkerung war mit 670 Millionen Euro im internationalen Vergleich sehr hoch.

230 000 TODESOPFER

Foto: Caro

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