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Archiv "Kein sicherer Infektionsschutz" (19.03.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 11

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19. März 2010 193

M E D I Z I N

DISKUSSION

Einschränkung von Grundrechten

Die Autoren propagieren die Zwangsimpfung medizini- schen Personals gegen Influenza. Für unbelehrbare Mit- arbeiter, und nur für diese, halten sie das Tragen eines Mundschutzes zum Wohle der Patienten für indiziert und vermelden hohe Impfraten als Folge dieser Stigmatisie- rung. Man stelle sich die Beunruhigung und das Befrem- den eines Kranken gegenüber Einzelpersonal mit Mund- schutz vor. Der Patient, in Unkenntnis der Hintergründe, wird eine unkalkulierbare Bedrohung assoziieren.

Die Einschränkung des Grundrechtes der Unantastbar- keit der Menschenwürde und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit werden mithilfe der Literaturauswahl le- gitimiert. Dabei wird auch der Influenza-Experte der un- abhängigen Cochrane Collaboration T. Jefferson zitiert.

Dessen Fazit fällt allerdings verheerend aus. In einem In- terview mit dem SPIEGEL antwortet Jefferson auf die Frage, ob es überhaupt einen guten Grund für die Grip- peimpfung gebe: „Ich sehe keinen“. Seine systematische Auswertung von Studien ergab, dass 93 Prozent der grip- peartigen Erkrankungen eben nicht dem Influenzavirus zuzuschreiben sind und damit auch die RKI-Zahl von jährlich zehntausend Influenzatoten falsch ist (1).

Die Verträglichkeit der Influenzaimpfung wird fort- laufend betont – trotz lückenhafter Daten. Dazu ein Bei- spiel: Ein bisher gesunder 45-jähriger Mann sucht mich wegen Vitiligo beider Hände und Unterarme auf. Die Anamnese ergibt nichts außer einer Influenzaimpfung vier Wochen zuvor. Es entspricht meiner Erfahrung, dass nur wenige Kollegen hier einen denkbaren Zusammen- hang sehen, geschweige denn melden. Das gilt mehr noch für Autoimmunerkrankungen mit langer Latenzzeit.

Mit dem bestehenden passiven Meldesystem können sie von der Arzneimittelkommission nicht erfasst werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0193a

LITERATUR

1. Demicheli V, Di Pietrantonj C, Jefferson T: Vaccines for preventing influenza in healthy adults. Cochrane Database of Systematic Re- views. 2007.

2. Wicker S, Rabenau HF, Kempf V, Brandt C: Vaccination against clas- sical influenza in health-care workers: self-protection and patient protection [Impfung gegen die klassische Influenza bei medizini- schem Personal: Selbstschutz und Patientenschutz]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(36): 567–72.

Dr. med. Eckart Lattmann Rotenberg 9

21386 Betzendorf

E-Mail: eckart.lattmann@googlemail.com

Ein weiterer Schritt in Richtung DDR

Nach Lektüre des Artikels zur Influenza-Impfung von medizinischem Personal sehe ich das deutsche Gesundheitswesen auf einem weiteren Schritt in Richtung DDR, die ich aus politischen Gründen ver- lassen habe und auch in dieser Hinsicht eigentlich nicht wiederholt sehen möchte. Die Symbolik der Verpflichtung zum Tragen eines Mundschutzes für kritische medizinische Mitarbeiter aus höheren (so- zialethischen) Beweggründen unter Angebot einer Entlastung durch offensichtlich gegen die individu- elle Überzeugung vorgenommener Impfung kann vielleicht nur ermessen, wer ähnliche Situationen in einer nach außen verschlossenen Systemstruktur selbst erlebt hat. Allerdings stellt sich mir hier schon die Frage, welche Grenzen der Duldungspflicht the- rapeutischer Eingriffe an medizinischen Arbeitneh- mern in zukünftiger Abwägung zwischen Persönlich- keitsrecht und einer oft nur scheinbar allgemeinen Interessenlage noch gelten sollen. Wenn, wie dies die Autoren zutreffend ermittelt haben, die Überzeugung durch Argumente für eine breite Anwendung der In- fluenza-Impfung bisher nicht gelungen ist, dann soll- te gerade auch im Interesse der Durchsetzung von Krankenhaushygiene von demokratischen Prinzipien wie der Diskussion nicht leichtfertig abgerückt wer- den, damit der medizinisch sinnvolle Mundschutz auch zukünftig nicht zum symbolischen Maulkorb wird.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0193b LITERATUR

1. Wicker S, Rabenau HF, Kempf V, Brandt C: Vaccination against classical influenza in health-care workers: self-protection and patient protection [Impfung gegen die klassische Influenza bei medizinischem Personal: Selbstschutz und Patientenschutz].

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(36): 567–72.

Dr. med. Stefan Kothe Feldmühlenweg 43 59494 Soest

E-Mail: weissflogkothe@t-online.de

Kein sicherer Infektionsschutz

Der ausführlich zitierte Mund-Nasen-Schutz (MNS) ist besonders für erkrankte Patienten im Rahmen der Zumutbarkeit geeignet, um Aerosolabgabe in die Umgebung vor allem beim Husten zu vermindern.

Für das medizinische Personal ist er in der ange- gebenen Form als chirurgischer Mundschutz nur all- gemein vorbeugend vor allem im Sinne des Patien- ten-und Drittschutzes zu diskutieren.

Für das betreuende medizinische Personal von grippeinfizierten Patienten stellt dieser MNS jedoch keinen sicheren Infektionsschutz dar, und wäre daher nach den Regeln der zuständigen Unfallversiche- rungsträger und Arbeitsschutzbehörden durch ge- prüfte FFP-Masken, der empfohlenen Partikel- zu dem Beitrag

Impfung gegen die klassische Influenza

bei medizinischem Personal: Selbstschutz und Patientenschutz

von Dr. med. Sabine Wicker, Prof. Dr. rer. med. Holger F. Rabenau, Prof. Dr. med.

Volkhard A. Kempf, Dr. med. Christian Brandt in Heft 36/2009

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schutzklassen 1, 2 oder 3 entsprechend der Expositi- onsgefahr zu ersetzen. (Siehe auch Hinweise der GUV vom 30. 4. 2009 – Presseinformation der BGW – sowie Beschluss des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe – ABAS – 609 v. Dez. 2006).

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0193c LITERATUR

1. Wicker S, Rabenau HF, Kempf V, Brandt C: Vaccination against classical influenza in health-care workers: self-protection and patient protection [Impfung gegen die klassische Influenza bei medizini- schem Personal: Selbstschutz und Patientenschutz]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(36): 567–72.

Götz J. Friedenberg Cheruskerstraße 32 10829 Berlin

Schlusswort

Die Autoren danken den Kollegen für die Leserbriefe und die Gelegenheit, mögliche Missverständnisse rich- tig zu stellen. Zu den einzelnen Leserbriefen möchten wir wie folgt antworten:

Herr Dr. Lattmann zitiert aus dem Beitrag nicht zu- treffend. Wichtig war, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Autoren keine „Zwangsimpfung propagieren“, sondern dass „eine Impfpflicht für Beschäftigte, die im- munsupprimierte Patienten betreuen, in Erwägung ge- zogen werden sollte“. Die Autoren wünschen sich klare Regelungen im Umgang mit diesen besonders vulner- ablen Patienten. Bei Beschäftigten mit chronisch-vira- len Infektionserkrankungen (HIV- oder Hepatitis- B/-C-Infektion) existieren seit Jahren entsprechende Regelungen. Dass bei anderen akut verlaufenden Infek- tionserkrankungen wie zum Beispiel bei Influenza A nicht immer emotionsfrei diskutiert wird, hatten die Autoren bereits im Vorfeld vermutet. Im Hinblick auf die Einzelfallbeschreibung einer Vitiligo nach Grippe- Impfung ist anzumerken, dass ein zeitlicher Zusam- menhang einer Erstmanifestation einer Erkrankung nach einer Impfung nicht zwangsläufig den Kausalzu- sammenhang zur Impfung belegt.

Über den Kommentar von Herr Dr. Kothe, dass ihn betriebsärztliche sowie krankenhaushygienische Maß- nahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen an das Staatsregime der DDR erinnern, können sich die Autoren nur wundern. Zur Information sei angemerkt, dass in Ländern wie den USA (die nun keinesfalls ein sozialistisches Staatsregime besitzen), die beschriebe- nen Maßnahmen bereits seit Jahren fest im Gesund- heitssystem verankert sind. Infektionsschutz im Kran- kenhaus (zum Beispiel durch Impfungen oder durch das Tragen von Mundschutz) ist kein „Rückschritt“, sondern verhindert nosokomiale Infektionen und schützt sowohl die Mitarbeiter als auch die Patienten.

Formulierungen wie „Zwangsimpfungen“ und „Maul- korb“ erscheinen erneut ein Beleg für eine unsachliche und emotional geführte Debatte über Impfungen. Den- noch danken die Autoren Herrn Dr. Lattmann und Herrn Dr. Kothe für ihre Kommentare, die deutlich ma- chen, dass weitere Aufklärung und interdisziplinäre Diskussion dringend erforderlich sind. Der Leserbrief

von Herrn Friedenberg gibt Gelegenheit, auf die Pro- blematik der „Wahl des richtigen Mund- und Atem- schutzes“ näher einzugehen. Die Frage, welche Maske angemessen ist, wird zum jetzigen Zeitpunkt kontro- vers diskutiert (1–4). Aktuelle Daten belegen jedoch ei- ne vergleichbare Schutzwirkung zwischen dem chirur- gischen Mundschutz und den FFP2-Masken (2, 3). Im Vergleich zum chirurgischen Mundschutz weisen FFP2-Atemschutzmasken wegen des erhöhten Atem- wegwiderstandes und etwaiger Hautirritationen aller- dings eine schlechtere Akzeptanz bei den medizini- schen Beschäftigten auf (1). Die erforderlichen Schutz- maßnahmen für Beschäftigte, die Patienten mit aerogen übertragbaren Infektionen betreuen, müssen im weite- ren Zeitverlauf evaluiert werden, um sowohl den größt- möglichen Schutz der medizinischen Beschäftigten als auch die Akzeptanz der Beschäftigten, die bereitgestell- ten Schutzmaßnahmen zu verwenden, zu gewährleis- ten.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0194 LITERATUR

1. Jefferson T, Del Mar C, Dooley L, et al.: Physical interventions to in- terrupt or reduce the spread of respiratory viruses: systematic re- view. BMJ 2009; 339: 3675.

2. Johnson DF, Druce JD, Birch C, Grayson ML: A quantitative assess- ment of the efficacy of surgical and N95 masks to filter influenza vi- rus in patients with acute influenza infection. CID 2009; 49: 2757.

3. Loeb M, Dafoe N, Mahony J, et al.: Surgical mask vs N95 respirator for preventing influenza among health care workers: A randomized trial. JAMA 2009; 302: 1865–71.

4. Shine KI, Rogers B, Goldfrank LR: Novel H1N1 influenza and respir- atory protection for health care workers. N Engl J Med 2009; 361:

1823–5.

5. Wicker S, Rabenau HF, Kempf V, Brandt C: Vaccination against classical influenza in health-care workers: self-protection and patient protection [Impfung gegen die klassische Influenza bei medizini- schem Personal: Selbstschutz und Patientenschutz]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(36): 567–72.

Prof. Dr. rer. med. Holger F. Rabenau Prof. Dr. med. Volkhard A. J. Kempf Dr. med. Christian Brandt

Dr. med. Dr. med. habil. Sabine Wicker Betriebsärztlicher Dienst

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main E-Mail: Sabine.Wicker@kgu.de

Interessenkonflikte

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Referenzen

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