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Archiv "Die aktive Schutzimpfung gegen Hepatitis A" (09.10.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Die aktive Schutzimpfung gegen Hepatitis A Wolfgang Jilg

D

as Hepatitis-A-Virus, der Er- reger der infektiösen Gelb- sucht, ist weltweit verbreitet.

Das Virus ist in weiten Gebieten Afrikas, Asiens und Südamerikas en- demisch; in vielen dieser Regionen ist nahezu die gesamte Bevölkerung durchseucht. In den Industrienatio- nen West- und Nordeuropas und Nordamerikas tritt die Hepatitis A dagegen nur noch sporadisch auf.

Hier wird der Erreger meist von Rei- senden eingeschleppt, die die Infek- tion in tropischen oder subtropi- schen Ländern erworben haben. Zur Prophylaxe einer Hepatitis A stand neben hygienischen Maßnahmen bis- her nur die passive Immunisierung mit normalem Immunklobulin zur Verfügung, eine Maßnahme, die zwar effektiv, aber nur von kurzer Daier ist. Durch die nun verfügbare aktive Impfung besteht erstmals die Möglichkeit, auch langfristig vor ei- ner Hepatitis A zu schützen.

Klinisches Bild

Das Bild der akuten Hepatitis A unterscheidet sich nicht von den Vi- rushepatitiden anderer Genese (He- patitis B, C, Delta, E): nach einem unspezifischen Prodromalstadium von mehreren Tagen treten die typi- schen Symptome wie Ikterus, Dun- kelfärbung des Urins und Entfär- bung des Stuhls auf, häufig begleitet von allgemeinem Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appe- titlosigkeit, abdominellen Beschwer- den und gelegentlich Fieber. Die Krankheitserscheinungen klingen in der Regel nach vier bis sechs Wo- chen ab. Chronische Hepatitis-A-In- fektionen wurden niemals beobach- tet, allerdings kommt es in etwa zehn Prozent aller Fälle zu protrahierten Erkrankungen mit einer Dauer von mehreren Monaten. Fulminante Ver- läufe, die meist tödlich enden, sind nach Hepatitis-A-Infektion selten (<0,1 Prozent aller Fälle). Die Ma- nifestationsrate der Infektion zeigt eine deutliche Altersabhängigkeit:

bei über 90 Prozent aller Kinder un- ter fünf Jahren verläuft die Infektion asymptomatisch, während Erwachse- ne in 70 bis 80 Prozent eine klinisch manifeste Hepatitis entwickeln.

Epidemiologie

Das Hepatitis-A-Virus wird fä- kal-oral übertragen. Die Infektion erfolgt vorwiegend durch engen Kontakt mit bereits infizierten Per- sonen, durch kontaminierte Lebens- mittel — eine bedeutende Rolle spie- len hier Muscheln und andere Scha- lentiere, die roh oder ungenügend gekocht verzehrt werden — und durch fäkal verunreinigtes Trinkwasser.

Die Verbreitung der Hepatitis A ist demzufolge eng an die herrschenden hygienischen Verhältnisse geknüpft und dementsprechend hoch, wo die- se schlecht sind. Die höchste Durch- seuchung ist daher in den Entwick- lungsländern Afrikas, Asiens und Südamerikas zu finden. Hier werden bereits die Kinder in den ersten Le- bensjahren infiziert und sind dann lebenslang immun; nachdem klinisch manifeste Hepatitis-A-Infektionen in dieser Altersgruppe sehr selten sind, spielt die Erkrankung für die einheimische Bevölkerung nur eine untergeordnete Rolle.

In der Bevölkerung der Indu- strienationen West- und Nordeuro- pas und Nordamerikas ist die Durch- seuchung dagegen gering. Nur weni- ger als zehn Prozent aller unter 40jährigen besitzen Antikörper ge- gen das Hepatitis-A-Virus; über 90 Prozent dieser Altersgruppe sind da- mit für die Infektion empfänglich, die bei Jugendlichen und Erwachse- nen meist zu einer klinisch manife- sten Hepatitis führt. Hauptinfekti- onsquelle für die Bevölkerung die- ser Länder sind Reisen in Hoch- endemiegebiete (Mittelmeerraum, Südostasien, Afrika, Südamerika).

Steffen und Mitarbeiter (1) geben für Normaltouristen in diesen Ge- genden ein Hepatitis-A-Risiko von drei bis sechs Erkrankungen pro tau-

send Reisende und Monat an, das bei den sogenannten Rucksacktouri- sten auf das sechsfache ansteigen kann Weitere Gruppen mit erhöh- tem Hepatitis-A-Risiko sind medizi- nisches Personal in pädiatrischen Abteilungen und Personal in Kinder- krippen oder Kindertagesstätten;

hier dürfte der Kontakt mit Stuhl die Hauptursache für eine Infektion dar- stellen. Wohl aus dem gleichen Grund findet sich eine höhere Hepa- titis-A-Inzidenz auch bei Laborper- sonal und bei Kanalisationsarbeiten (2,3). Stärker gefährdet als die Nor- malbevölkerung scheint auch Kü- chenpersonal zu sein (2), wobei hier die Ubertragung durch noch nicht zubereitete Lebensmittel erfolgen könnte, die möglicherweise in größe- rem Ausmaß als bisher angenommen mit Hepatitis-A-Virus kontaminiert sind (4,5). Eine höhere Hepatitis-A- Durchseuchung findet sich schließ- lich auch bei Drogenabhängigen; die Infektion wird hier vorwiegend durch engen Kontakt unter meist schlechten hygienischen Bedingun- gen, aber auch durch fäkal kontami- nierte Drogen oder parenteral durch gemeinsam benutzte Injektionsna- deln übertragen (6).

Der Hepatitis-A-Impfstoff Bei dem nun verfügbaren Hepa- titis-A-Impfstoff handelt es sich um einen Totimpfstoff aus inaktivier- tem, an Aluminiumhydroxid adsor- biertem Hepatitis-A-Virus. Für seine Herstellung wird das Virus in menschlichen diploiden Fibroblasten gezüchtet, durch Aufbrechen der Zellen freigesetzt und in mehreren Schritten von zellulären Begleitpro- teinen und Mediumbestandteilen be- freit. Die gereinigte Virussuspension wird für 15 bis 20 Tage mittels For- malin inaktiviert; eine anschließende Kontrolle mittels Gewebekulturver- fahren soll sicherstellen, daß keine vermehrungsfähigen Erreger mehr vorhanden sind. Abschließend wer- den die gereinigten, inaktivierten Vi- ruspartikel an Aluminiumhydroxid adsorbiert (7, 8, 9). Der Impfstoff kommt in Einzeldosen von 1 Millili- ter in den Handel und enthält pro Dosis etwa 25 Nanogramm virales Protein sowie 2-Phenoxyäthanol zur Konservierung.

A1-3334 (62) Dt. Ärztebl. 89, Heft 41, 9. Oktober 1992

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Klinische Studien mit mehreren tausend Probanden belegten die aus- gezeichnete Immunogenität und die Wirksamkeit des neuen Impfstoffs.

Die Verträglichkeit war durchweg sehr gut und vergleichbar der ähnli- cher Totimpfstoffe (Hepatitis-B- Impfstoff, Tetanusimpfstoff), oder sogar besser. Schwerere Nebenwir- kungen wurden niemals beobachtet (7, 8, 9). Bereits eine einzelne Impf- stoffdosis führte nach zwei Wochen zu einer Serokonversionsrate von 70 bis 100 Prozent; nach Verabreichung von zwei Dosen innerhalb von vier Wochen bildeten alle bis jetzt gete- steten Impflinge Antikörper im schützenden Bereich (10, 11, 12), dessen untere Grenze bei 10-20 IU/1 angenommen wird (13). Antikörper- spiegel nach drei Injektionen — zwei Injektionen in vierwöchigem Ab- stand und eine Auffrischimpfung („Booster") nach sechs bis zwölf Mo- naten — waren vergleichbar denen nach natürlicher Infektion und deut- lich höher als nach Verabreichung von Immunglobulin. Die Schutzdau- er nach kompletter Grundimmuni-

Kontraindikationen

Die einzige Kontraindikation stellt wie bei allen Impfungen ein akuter fieberhafter Infekt dar. Vor- sicht ist bei Überempfindlichkeiten (Allergien) gegen die im Impfstoff enthaltenen Begleitstoffe (Formalin, 2-Phenoxyäthanol) geboten; hier sollte eine Impfung nur nach Rück- sprache mit einem Allergologen er- folgen (eventuell fraktionierte Impf- stoffgabe). Über die Impfung in der Schwangerschaft liegen noch keine Erfahrungen vor; obwohl nicht mit einem Risiko für das Kind gerechnet werden muß, sollten Schwangere nur nach strenger Indikationsstellung ge- impft werden.

Kombination mit anderen Impfungen

Eine gleichzeitige Impfung gegen Hepatitis B (am kontralateralen Arm) kann ohne gegenseitige Beeinflus- sung der Immunantwort durchgeführt werden (14, 15). Über eine Kombina- tion der Hepatitis-A-Vakzine mit an- deren Tot- oder Lebendimpfstoffen liegen keine Erfahrungen vor, sie soll-

sierung wird gegenwärtig mit fünf bis 10 Jahren angenommen (13).

Durchführung der Impfung Die Impfung erfolgt intramusku- lär in den Oberarm (M. deltoideus).

Zur kompletten Grundimmunisie- rung sind wie bei den meisten Tot- impfstoffen drei Injektionen nötig, die zum Zeitpunkt 0, nach einem und nach sechs bis zwölf Monaten durchgeführt werden. Wird, wie häu- fig bei Reisenden, sehr rasch ein Impfschutz benötigt, kann der Ab- stand der beiden ersten Impfungen auf 14 Tage verkürzt werden; auch eine simultane Gabe der ersten zwei Injektionen in den rechten und lin- ken Arm ist möglich (10, 11, 12). In beiden Fällen ist mit einem Schutz zwei bis drei Wochen nach Impfbe- ginn zu rechnen, der zumindest für acht Wochen anhält; auf die Gabe von Immunglobulin kann also ver- zichtet werden. Auch bei der Ver- wendung dieser verkürzten Impf- schemata ist noch eine Boosterimp- fung nach sechs bis zwölf Monaten notwendig.

te aber grundsätzlich möglich sein.

Immunglobulin kann ohne nennens- werte Beeinträchtigung des Impfer- folges zusammen mit der aktiven Imp- fung verabreicht werden (16), eine derartige Simultanimpfung dürfte sich aber, wie oben ausgeführt, in den meisten Fällen erübrigen.

Antikörperbestimmung vor und nach der Impfung

Bei Personen über 40 Jahren kann vor einer geplanten Impfung ei- ne Bestimmung spezifischer Anti- körper (Anti-HAV) aus finanziellen Gründen sinnvoll sein, da in dieser Bevölkerungsgruppe 60 bis 80 Prozent bereits Anti-HAV-positiv sind; eine Impfung ist dann nicht mehr nötig.

Auf Grund der hohen Immunogenität des Impfstoffes kann auf eine Erfolgs- kontrolle nach der Impfung in der Re- gel verzichtet werden. Für die Durch- führung von Antikörperbestimmun- gen nach Impfung ist wichtig zu wis- sen, daß die meisten kommerziell ver- fügbaren Teste zur Bestimmung von Anti-HAV eine untere Empfindlich-

keitsgrenze von 100 bis 200 IU/1 besit- zen und niedrigere Konzentrationen daher nicht mehr entdecken.

Indikationen

Geimpft werden sollten alle Men- schen mit erhöhtem Risiko für eine Hepatitis-A-Infektion. Dazu gehören in erster Linie

• Reisende in Gebiete mit hoher He- patitis-A-Durchseuchung (südlicher und östlicher Mittelmeerraum, Tür- kei, Naher Osten, Indien, Südost- asien; alle Gebiete Afrikas und Süd- amerikas, deren hygienische Bedin- gungen nicht europäischem Standard entsprechen). Aufgrund beruflicher Exposition ist die Impfung außerdem indiziert bei

• medizinischem Personal in der Pädiatrie,

• Laborpersonal mit häufigem Stuhlkontakt,

• Personal in Kinderkrippen und Kindergärten,

• Kanalisationsarbeitern,

• Küchenpersonal in Großküchen, letzteres nicht zuletzt auch wegen der Gefahr der Weiterverbreitung im Fal- le einer Infektion.

Der beste Zeitpunkt der Impfung ist bei Reisenden vor der ersten Aus- landsreise; es sollten wenigstens die beiden ersten Injektionen verabreicht werden, notfalls in kürzerem Ab- stand. Die Boosterimpfung nach sechs bis zwölf Monaten kann dann vor der nächsten Reise durchgeführt werden. Beruflich Exponierte werden am besten bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit geimpft. Ob die Hepatitis- A-Impfung auch im Falle einer schon stattgehabten Infektion noch wirksam ist (als Inkubationsimpfung), ist der- zeit nicht bekannt.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -3334-3337 [Heft 41)

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Jilg Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 W-8400 Regensburg

Dt. Ärztebl. 89, Heft 41, 9. Oktober 1992 (65) A1-3337

Referenzen

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