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Ich krieg die Krätze!

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114 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Mai 2017 | www.diepta.de

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ie Krätze, medizi- nisch Scabies oder Skabies genannt, gehört zu den pa- rasitären Hauterkrankungen.

Ursache ist die Krätzemilbe, ein winziges, nur etwa 0,3 bis 0,5 Millimeter großes Spinnentier.

Die Weibchen bohren in der Epidermis der befallenen Men-

schen lange Gänge, in denen sie ab einem Alter von etwa zwei Wochen täglich bis zu vier Eier ablegen.

Extremer Juckreiz Bis zu sechs Wochen kann es dauern, bevor ein Befall mit Krätzemil- ben zu dem typischen, kaum aushaltbaren Juckreiz führt.

Dieser wird durch eine Immun- antwort auf Eier, Kot und Stoff- wechselprodukte der Weibchen in den gebohrten Kanälen aus- gelöst und ist nachts besonders schlimm. An den betroffenen Hautstellen kommt es zu Pus- tel- und Papelbildung. Durch ständiges Kratzen können darü- ber hinaus Läsionen entstehen,

die Krankheitserregern eine Eintrittspforte bieten, sodass Superinfektionen zu gefährli- chen Komplikationen bis hin zur Sepsis führen können. An Krätze kann man immer wieder erkranken. Beim erneuten Be- fall mit den Parasiten treten die Immunantwort und die damit verbundenen Symptome bereits

Ich krieg die Krätze!

Was als Ausdruck der Verzweiflung Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat, geht auf eine entsetzlich juckende Hauterkrankung zurück. Ausgelöst wird sie durch winzige Spinnentiere unter der Haut.

© Tharakorn / iStock / Thinkstock

PRAXIS HAUTERKRANKUNGEN

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Mai 2017 | www.diepta.de

nach einigen Tagen auf.

Krätzemilben brauchen hohe Feuchtigkeit, um sich fortpflan- zen zu können. Außerhalb eines Wirts sinkt ihre Überlebenszeit umso schneller, je wärmer und trockener die Luft ist. Meist sterben die Parasiten dann be- reits nach zwei Tagen.

Keine Frage der Hygiene Noch Anfang des 20. Jahrhun- derts war die Krätze eine weit verbreitete Krankheit. Danach schien sie kaum noch eine Rolle zu spielen. Seit 2007 haben sich die Fallzahlen jedoch fast ver- doppelt, vor allem Nordrhein- Westfalen meldete Ende 2016 eine stark ansteigende Häufig- keit. Einige sahen einen Zusam- menhang mit der hohen Zahl an Flüchtlingsunterkünften in diesem Bundesland und be- fürchteten, dass die Flüchtlinge uns die Krätze zurückgebracht hätten. Tatsache ist aber: Die Krätze war nie weg. Immer wieder gab es Ausbrüche in Se- nioreneinrichtungen, Kinderta- gesstätten und Obdachlosen- heimen. Krätze ist eine Zivilisa- tionskrankheit, die überall dort auftritt, wo viele Menschen auf engem Raum zusammen sind.

Denn Krätze ist ansteckend: Die Milben werden über Hautkon- takt weitergegeben, in sehr sel- tenen Fällen kann eine Anste- ckung auch über Textilien er- folgen. Ein kurzes Händeschüt- teln reicht zwar nicht aus, aber gemeinsames Spiel oder Schla- fen im selben Bett bergen ein hohes Risiko. Gerade in Ge- meinschaftseinrichtungen ha- ben die Spinnentiere also ein leichtes Spiel. Daher ist ein Krätzebefall dort auch melde- pflichtig.

Ein noch nicht vollständig aus- gebildetes oder geschwächtes Immunsystem bietet der Infek- tion Vorschub. Daher sind häu- fig Kinder oder Senioren be- troffen, ebenso Menschen mit

Immundefekten oder Vorer- krankungen. Diabeteskranke haben eine verminderte Juck- reiz-Wahrnehmung, genau wie Demenzkranke, sodass die In- fektion bei ihnen womöglich erst spät erkannt wird. Ein Vor- urteil ist jedoch endgültig über- holt, nämlich, dass Krätze ein Ausdruck von mangelnder Hy- giene und Verwahrlosung sei.

Das Infektionsrisiko lässt sich durch gute Hygiene nicht sen- ken. Lediglich die Ausprägung der Symptome ist durch Hygi- ene beeinflussbar.

Milben oder nicht? Bei der Krätze gibt es so gut wie nie eine Spontanheilung. Aller- dings sind die Symptome auch so unangenehm, dass kaum ein Betroffener den Arztbesuch lan- ge aufschiebt. Außerdem ist die Therapie unkompliziert. Krätze zu diagnostizieren ist jedoch nicht immer einfach, denn ge- rade im Anfangsstadium kann sie häufig mit Insektenstichen oder Flohbissen verwechselt werden. Auch sind die Hautver- änderungen bei Menschen, die eine intensive Körperhygiene betreiben, schwer zu erkennen.

Dann wird der starke Juckreiz womöglich auf eine Kosmetik- allergie zurückgeführt. Mit dem bloßen Auge sind die Milben- gänge kaum sichtbar, erst ein Mikroskop bringt Klarheit. Die Parasiten selbst sind manchmal als schwarze Punkte am Ende der Gänge erkennbar. Das Mi- kroskop hilft jedoch auch nicht weiter, wenn die Milbengänge aufgekratzt und verschorft sind – dann sind Erfahrung und ein geübtes Auge des Arztes unent- behrlich. Da Milben es gerne feuchtwarm haben, siedeln sie sich meist an Stellen an, wo die Haut vergleichsweise dünn und die Körpertemperatur hoch ist, wie unter den Achseln, im Leis- tenbereich, zwischen den Fin- gern oder hinter den Ohren.

Befinden sich die Milbengänge jedoch an anderen Stellen, kön- nen sie schnell mit Neuroder- mitis, Schuppenflechte oder Kontaktekzemen verwechselt werden.

Innerliche oder äußerliche Therapie möglich Ist eine Krätze diagnostiziert, gibt es mehrere Behandlungsmöglich- keiten. Zur äußerlichen Anwen- dung stehen Salben und Emul- sionen zur Verfügung, zur sys- temischen Therapie seit Mai 2016 auch Tabletten mit dem Wirkstoff Ivermectin. Ivermec- tin muss zweimal im Abstand von zwei Wochen eingenom- men werden. Es ist daher einfa- cher anzuwenden als Salben und hat auch weniger Neben- wirkungen.

Trotzdem wird in den meisten Fällen immer noch eine fünf- prozentige Permethrinsalbe eingesetzt. Dieses Präparat ist für Kinder ab drei Jahren zuge- lassen und auch für Schwangere und Stillende unbedenklich.

Um die Milben abzutöten, muss es nur einmal aufgetragen wer- den und dann acht bis zwölf Stunden einwirken. Eine preis- wertere, aber umständliche- re Lösung ist die Therapie mit Benzylbenzoat, einer Emulsion, mit der der Körper nach gründ- licher Reinigung vollständig eingerieben wird. Die Behand- lung muss an den darauf folgenden zwei Tagen jeweils wiederholt werden. Die belegte Wirksamkeit liegt jedoch deut- lich unter der des Ivermectin oder der Permethrinsalbe. Wel- che Therapie sinnvoll ist, wird der Arzt individuell entschei- den, er wird auch eine Kontroll- untersuchung nach vier Wo- chen durchführen. Auch wenn alle Milben abgetötet wurden, kann der Juckreiz noch einige Zeit bestehen bleiben, da der Körper auf die Milbenzerfall- produkte ebenfalls mit einer

Immunantwort reagieren kann.

Diese postskabiösen Sympto- me können mit antientzünd- lichen Salben und rückfetten- den Cremes gelindert werden.

Umgebung hygienisch hal- ten Da die Krätzemilben sich auch in Wohntextilien oder Handtüchern einnisten kön- nen, ist eine Behandlung aller Stoffe in der Wohnung unum- gänglich. Die Fälle, in denen ei- ne Ansteckung nicht über Kör- perkontakt, sondern lediglich über Textilien stattgefunden hat, sind zwar extrem selten, je- doch besteht immer ein Restri- siko. Alles, was dazu geeignet ist, sollte bei 80 °C gewaschen werden. Alle anderen Textilien kann man zumindest luftdicht für einige Tage in Plastiktüten verpacken und möglichst kühl lagern, um die Tiere abzutöten.

Schwer therapierbare Son- derform Eine echte therapeuti- sche Herausforderung kann eine „Scabies norvegica“ (Bor- kenkrätze) sein. An dieser spe- ziellen Form erkranken meist Menschen mit einer Immun- schwäche. Im Gegensatz zur herkömmlichen Krätze, bei de- nen es nur vereinzelte Milben- gänge gibt, ist der Körper der Patienten hier mit Milbengän- gen übersät und auf jeder Haut- schuppe finden sich mehrere tausend Tiere. Die Haut wird dadurch großflächig regelrecht borkig wie Baumrinde, wäh- rend der typische Juckreiz ganz fehlen kann. Meist bekommt man die Borkenkrätze nur durch eine langwierige Therapie in den Griff, bei der die Patien- ten isoliert werden müssen. ■

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

Referenzen

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