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Gewaltfreie Kommunikation

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Academic year: 2022

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Junfermann

Verlag

GOTTFRIED ORTH

Gewaltfreie

Kommunikation

in Kirchen

und Gemeinden

REIHEKOMMUNIKATION• GFK & Gemeindearbeit

Die Nächsten lieben wie sich selbst

(2)

Gottfried Orth Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

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Ausführliche Informationen zu jedem unserer lieferbaren und geplanten Bücher finden Sie im Internet unter http://www.junfermann.de. Dort können Sie unseren Newsletter abonnieren und sicherstellen, dass Sie alles Wissenswerte über das Junfermann-Programm regelmäßig und aktuell erfahren. – Und wenn Sie an Geschichten aus dem Verlagsalltag und rund um unser Buch-Programm interessiert sind, besuchen Sie auch unseren Blog: http://blogweise.junfermann.de.

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GOTTFRIED ORTH

GEWALTFREIE KOMMUNIKATION IN KIRCHEN UND GEMEINDEN

DIE NÄCHSTEN LIEBEN WIE SICH SELBST

Mit Beiträgen von Gerlinde Fritsch Britta Lange-Geck

Jutta Salzmann Cornelia Timm Barbara Wündisch-Konz

Junfermann Verlag Paderborn 2016

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Copyright © Junfermann Verlag, Paderborn 2016 Coverfoto © Sirawit Klabdee – iStock

Covergestaltung / Reihenentwurf Christian Tschepp

Satz JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Bibliografische Information der Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Deutschen Nationalbibliothek Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95571-482-6

Dieses Buch erscheint parallel in diesen Formaten ISBN: 978-3-95571-480-2 (EPUB), 978-3-95571-481-9 (MOBI), 978-3-95571-479-6 (Print).

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Inhalt

Vorwort ... 9

TEIL I: GEWALTFREIE KOMMUNIKATION ENTDECKEN ... 13

1. Einleitung: „Sieh die Schönheit in mir …“ – Ein kurzer Überblick über Gewaltfreie Kommunikation ... 15

2. Bedürfnisse, Gefühle und Strategien – Das Zentrum Gewaltfreier Kommunikation ... 25

Was willst du, dass ich für dich tun soll? – Biblische Inspirationen ... 25

2.1 Bedürfnisse ... 30

2.2 Gefühle ... 38

2.3 Strategien ... 47

2.4 Zusammenfassung: Was habe ich Ihnen in diesem Kapitel angeboten? ... 53

3. Die vier Schritte des Kommunikationsmodells ... 55

Wer da bittet, der empfängt – Biblische Inspirationen ... 55

3.1 Die vier Schritte ... 59

3.2 Übungen zu Beobachtung und Bitte ... 65

3.3 Zusammenfassung: Was habe ich Ihnen in diesem Kapitel angeboten? .... 69

4. Gewaltfrei und wertschätzend „Nein“ sagen und hören ... 71

„Jetzt will ich Wein trinken und beten“ – Biblische Inspirationen ... 71

4.1 „Nein“ sagen ... 72

4.2 „Nein“ hören ... 73

4.3 Übungen, ein „Nein“ einfühlsam zu hören ... 76

4.4 Zusammenfassung: Was habe ich Ihnen in diesem Kapitel angeboten? .... 81

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5. Weil Beziehung so entscheidend ist … –

Wertschätzung, Selbst-Empathie und Empathie ... 83

„Das ist es, was ich wirklich bin“ – Biblische und theologische Inspirationen ... 83

5.1 Begeisterung ... 85

5.2 Wertschätzung ... 87

5.3 Was verstehen wir in Gewaltfreier Kommunikation unter Selbst-Empathie? – Einige Hinweise ... 89

5.4 Übungen zur Selbst-Empathie ... 95

5.5 Was verstehen wir in Gewaltfreier Kommunikation unter Empathie? – Einige Hinweise ... 105

5.6 Übungen zur Empathie ... 108

5.7 Übung zu Empathie und Selbst-Empathie ... 111

5.8 Zusammenfassung: Was habe ich Ihnen in diesem Kapitel angeboten? .... 115

6. Wertschätzung ausdrücken ... 117

„Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren“ – Biblische Inspirationen ... 117

6.1 Die Geschichte von Lars und seinem Vater... 119

6.2 Was verstehen wir in der Gewaltfreien Kommunikation unter Wertschätzung? – Einige Hinweise ... 119

6.3 … was haben Sie zu Lars gesagt? ... 122

6.4 (Selbst-)Reflexionen zum Lob ... 122

6.5 Wertschätzung üben ... 124

6.6 Wertschätzende Gemeindeentwicklung ... 125

6.7 Zusammenfassung: Was habe ich Ihnen in diesem Kapitel angeboten? .... 128

7. Umgang mit Macht ... 131

Urgeschichten: Fiktive Erzählungen zum Umgang mit Macht – Biblische Inspirationen ... 131

7.1 Macht-Situationen ... 133

7.2 Welches Verständnis haben wir in der Gewaltfreien Kommunikation von Macht? – Einige Hinweise ... 134

7.3 Schützender und strafender Machtgebrauch – Beispiele ... 138

7.4 Wie setzen Sie Macht ein? ... 141

7.5 Zusammenfassung: Was habe ich Ihnen in diesem Kapitel angeboten? .... 142

8. Perspektivenwechsel ... 143

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TEIL II: GEWALTFREIE KOMMUNIKATION IN KIRCHLICHER ARBEIT

UND THEOLOGISCHER REFLEXION ... 145

9. Das Bedürfnis nach Sinn und die Religion(en) – Einige Impulse ... 147

9.1 Zur Wiederentdeckung der Bedürfnisse in der evangelischen Theologie .. 147

9.2 Der Ausgangspunkt bei den Bedürfnissen im Dialog der Religionen ... 150

10. Gewaltfreie Kommunikation in der Evangelischen Erwachsenenbildung Niedersachsen – Modetrend oder profilbildendes Angebot? von Jutta Salzmann ... 153

11. Mit Gefühl biblische Texte lesen – Ein spielerischer Umgang mit Bibeltexten ... 159

12. „Eure Rede sei ja, ja – nein, nein“: Gewaltfrei predigen. Erste homiletische Überlegungen im Anschluss an Gewaltfreie Kommunikation von Barbara Wündisch-Konz ... 165

12.1 Gott sagt: Danke. Predigt über 2. Könige 2,1–14 ... 168

12.2 Ich liebe, ich bin solidarisch. Christen und ihr Verhältnis zu Israel – Predigt über Psalm 116 ... 169

12.3 Wir müssen gar nichts. Das Haus der Gnade – Predigt über Römer 5,1–5 .. 171

13. … wie Jonglieren ohne Bälle: Seelsorge und Gewaltfreie Kommunikation im Zerfall des Mittels von Britta Lange-Geck ... 173

13.1 Ins Spiel kommen ... 174

13.2 Ganz beim anderen sein und ganz bei mir ... 175

13.3 Worte haben ... 177

13.4 Trost finden ... 178

13.5 Der Zerfall der Mittel – Jonglieren ohne Bälle ... 179

14. Transformative Spiritualität – einige anfängliche Überlegungen ... 181

14.1 Der / die andere und Ich ... 182

14.2 Verbundenheit mit allem Leben in der Schöpfung ... 183

14.3 … und nicht dem Mammon dienen ... 186

14.4 Spirituelle und politische Wege der Gewaltfreiheit ... 189

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15. Heilende Gemeinschaften oder: Empathie ist nicht alles –

Ein Gespräch zwischen Gerlinde Ruth Fritsch und Gottfried Orth ... 191

16. Schluss mit schuldig? – Anfragen an die Selbstverständlichkeit christlicher Rede von Schuld ... 197

16.1 Zu den spirituellen Grundlagen der GFK ... 198

16.2 Wir machen niemals etwas falsch ... 199

16.3 „Damit die Kinder Abels / sich nicht mehr fürchten / weil Kain nicht Kain wird“ ... 201

16.4 Lebensbejahung und Gottesliebe ... 202

17. Dankbarkeit – Eine Haltung, die unser Leben bereichert von Cornelia Timm ... 205

Statt eines Nachworts: Hab recht – oder sei glücklich... 213

Literaturverzeichnis ... 215

Die Autorinnen ... 219

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Vorwort

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – wie macht man das? Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet – geht das überhaupt? Dies waren zwei der Fragen Mar- shall Rosenbergs, als er im Zusammenhang der US-amerikanischen Bürgerrechtsbe- wegung Gewaltfreie Kommunikation ‚erfunden‘ hat. Wertschätzung aller Menschen war ihm wie Martin Luther King zentrales politisches wie spirituelles Anliegen. In Beratungs- und Mediationsprozessen wie in innergesellschaftlicher und internatio- naler Politikberatung hat Rosenberg sodann seinen Kommunikationsansatz erprobt, weiterentwickelt und weltweit bekannt gemacht.

Wie geht das, den Nächsten lieben und sich selbst dabei nicht übersehen? Mit viel Engagement ehrenamtlich in der Kirchengemeinde mitarbeiten und zugleich ein liebevoller Ehemann oder eine treu sorgende Mutter sein? Als Pfarrerin oder Pfar- rer guten Gewissens Nein sagen? Oder wertschätzend ein Nein hören? Oftmals sind haupt- wie ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kirchen und Ge- meinden überlastet und wirken daher eher missmutig, als dass sie mit Freude ihre Arbeit tun können. Selbstwertschätzung und Selbstsorge sind wesentliches Anlie- gen Gewaltfreier Kommunikation – mit nachgewiesenen salutogenetischen, d. h.

gesundheitserhaltenden und gesundheitsfördernden Effekten. Sie nimmt damit ein traditionelles Anliegen christlicher Spiritualität auf, das Bernhard von Clairvaux so formulierte:

„Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale, nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger als Gott zu sein. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen. Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt über- zuströmen, nicht auszuströmen. Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.

Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle; wenn nicht, schone dich.“1

Dieses Zitat halte ich für so bedeutsam, dass es Ihnen an einer weiteren Stelle des Buchs begegnen wird.

1 Zit. nach: I. Christiansen u. a. (Red.), Freude. Hamburg 2014. S. 19.

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10 · Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

Grundlage dieser Methode Gewaltfreier Kommunikation ist eine Haltung, die einen wertschätzenden und gütigen Umgang mit sich selbst und anderen erleichtert und vertrauensvolle Beziehungen ermöglicht. Es geht darum, die Praxis des Gebets und der politischen Arbeit für den Frieden – Spiritualität und Straße gehören zusam- men! – zu ergänzen dadurch, dass wir lernen, auch eine Sprache des Friedens einzu- üben und zu sprechen. Dazu gehört es, uralte gesellschaftliche Konditionierungen zu durchbrechen und jenseits derer zu spüren und auszudrücken, was jetzt in mir lebendig ist. Darauf zu achten erscheint mir als ein Stück Herzensbildung bedeut- sam und friedensfördernd. Gewaltfreie Kommunikation ist ein Werkzeug, dies zu erlernen.

Das Buch führt im Sinne eines Lehrbuchs in Methode, Haltung und Spiritualität Ge- waltfreier Kommunikation ein und zeigt an konkreten Beispielen aus dem Gemein- deleben, wie Gewaltfreie Kommunikation helfen kann, lebendige, gewaltfreie und sanftmütige Beziehungen in Kirchen und Gemeinde zu gestalten. Dabei stand ich vor der Frage, wen ich direkt in den Übungen dieses Buchs ansprechen soll, kirchli- che Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen allgemein, Pfarrerinnen und Pfarrer, ehren- amtliche Frauen und Männer, die sich in ganz unterschiedlichen Bereichen unserer Kirchen und Gemeinden engagieren. Ich habe mich für die Pfarrerinnen und Pfarrer entschieden, weil sich bei Ihnen die unterschiedlichen Kommunika tionsstränge in Kirchen und Gemeinden kreuzen und zusammenkommen. Gleichwohl beansprucht das Buch, auch über diesen engeren Adressatenkreis hinaus lehrreich zu sein.

Das Buch gliedert sich in zwei große Teile. Den ersten Teil einleitend (1.) gebe ich Ihnen ausgehend von meiner ‚Entdeckung‘ Gewaltfreier Kommunikation einen kur- zen Überblick über diese. So können Sie sich vorstellen, was Sie im ersten Teil dieses Buchs erwartet. Ich folge dann der von Hilde Fritz und mir 2 entwickelten Systematik unserer Einführungen in Gewaltfreie Kommunikation, um Sie mit Erläuterungen und Übungen zu deren Haltung und Methode bekannt zu machen.

Ich lade Sie zunächst ein, Gewaltfreie Kommunikation als Haltung kennenzulernen und sich mit einem Denken vertraut zu machen, das seinen Ausgangspunkt bei den Bedürfnissen der Menschen nimmt, bei ihren Sehnsüchten und Wünschen (2.). Dem folgt (3.) ein Kapitel über die Methode Gewaltfreier Kommunikation, das vierschrit- tige Kommunikationsmodell, das Rosenberg entwickelt hat. Dieses Modell dient dem Gebrauch einer gewaltfreien und friedensförderlichen Sprache, der Einübung einer gewaltfreien Haltung und der immer wieder damit verbundenen Selbstrefle- xion. Haltung und Methode verbinden sich im 4. Kapitel in einem ersten großen

2 G. Orth, H. Fritz, Gewaltfreie Kommunikation in der Schule. Wie Wertschätzung gelingen kann.

Paderborn 2013. Dies., Bitten statt fordern. Paderborn 2014. G. Orth, Miteinander reden – einander verstehen. Paderborn 2015.

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Vor wor t · 11

Lernfeld, wenn Ihr Gesprächspartner oder Ihre Gesprächspartnerin eine Bitte Ihrer- seits mit „Nein“ beantwortet. Das Kapitel bietet Informationen und Übungen dazu an, auf ein Nein gewaltfrei und wertschätzend zu reagieren. Zur Haltung Gewalt- freier Kommunikation gehören Begeisterung, Wertschätzung mir selbst und ande- ren gegenüber, Selbst-Empathie und Empathie. Selbstliebe, Selbstsorge und Selbst- einfühlung sind Voraussetzung dafür, anderen Menschen empathisch begegnen zu können (5.). Dem Thema „Wertschätzung“ ist ein weiteres Kapitel gewidmet, in dem es vor allem um Selbstwertschätzung und um Möglichkeiten wertschätzender Ge- meindeentwicklung geht (6.). Den ersten Teil abschließend steht ein neuer Umgang mit Macht im Zentrum (7.): die Bevorzugung schützender und die Ablehnung stra- fender Anwendung von Macht.

Alle sieben Kapitel leite ich ein mit spirituellen Impulsen. Es sind meist Ideen zu oder kleine Auslegungen von biblischen Texten. Dabei geht es mir darum zu ver- deutlichen, dass Gewaltfreie Kommunikation sich auf vielfache Weise mit biblischen Traditionen verknüpfen lässt und oftmals ‚neue‘ Perspektiven zu ‚alten‘ Erzählungen ermöglicht.

Insgesamt mache ich Ihnen unterschiedliche Textangebote. So finden sich auch immer wieder mir wichtige kurze literarische, poetische, biblische oder wissen- schaftliche Texte, die zu Unterbrechungen einladen sollen. Sie können diese auch als Anregung für Kurzandachten oder Leseimpulse in ganz unterschiedlichen Zusam- menhängen Ihrer Arbeit nutzen.

Im zweiten Teil des Buchs finden sich Beiträge zu Gewaltfreier Kommunikation in verschiedenen kirchlichen Arbeitsfeldern sowie zu eher systematisch-theologischen Themen. Für diese Überlegungen habe ich Kolleginnen aus kirchlichen und anderen Arbeitsfeldern gewonnen. Die Texte, die unterschiedliche Formen von (eher) wis- senschaftlich bis (eher) essayistisch auszeichnen, samt einem Interview mit Gerlinde Fritsch, bei der ich wesentlich Gewaltfreie Kommunikation gelernt habe, sind alle- samt Versuche, Chancen der Integration Gewaltfreier Kommunikation in kirchliche Arbeitsfelder und theologische Reflexion zu bedenken. Ich danke Gerlinde Fritsch, Britta Lange-Geck, Jutta Salzmann, Cornelia Timm und Barbara Wündisch-Konz, dass sie sich mit ihren Praxiserfahrungen und Denkwegen auf dieses Wagnis einge- lassen haben. Wir alle wünschen uns Unterstützung und Kritik mit dem Ziel, eine gewaltfreie und wertschätzende Sprache, die die Autonomie der Menschen achtet und ihre Wünsche nach Geborgenheit und Gemeinschaft ernst nimmt, in Kirchen, Gemeinden und weit darüber hinaus zu erlernen und zu praktizieren.

Dass ich dieses Buch so schreiben konnte, verdanke ich neben den Mitautorinnen vielen Menschen: den Lehrenden und Studierenden an unserem Seminar für Evange- lische Theologie und Religionspädagogik an der TU Braunschweig, für die ich stell-

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12 · Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

vertretend Frau Miriam Löhr nennen möchte, die in großer Aufmerksamkeit und Klarheit das Buch in allen seinen Teilen Korrektur gelesen hat. Ich danke dem Team des ORCA-Instituts für Konfliktmanagement und Training und den Teilnehmen- den an meinen Fortbildungen in ganz verschiedenen Kontexten für Zustimmung und Skepsis. Dankbar bin ich schließlich für ungezählte Mailwechsel mit teilweise mir unbekannten Menschen, die für sich auf dem Weg sind, Gewaltfreie Kommuni- kation mit ihrem christlichen Glauben zu verknüpfen. Conny Timm beendet ihren diesen Band abschließenden Beitrag mit einem Satz, dem ich dankbar zustimmen mag: „Dankbarkeit ist der Schlüssel zur Lebensfreude.“

Für Zustimmung und Kritik und für Anfragen zu Fort- und Weiterbildungen wen- den Sie sich bitte per Mail an mich (g.orth@tu-bs.de) oder – speziell für Fortbildun- gen – auch an das ORCA-Institut (info@orca-institut.de).

An Pfingsten 2015 Gottfried Orth

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Teil I

Gewaltfreie

Kommunikation

entdecken

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Einleitung: „Sieh die Schönheit in mir …“ – ein kurzer Überblick über Gewaltfreie Kommunikation

2008 lernte ich Gewaltfreie Kommunikation kennen und entdeckte sie als eine lange gesuchte und immer wieder versuchte Möglichkeit, wie beispielsweise die neutes- tamentliche Weisheit und die ihr korrespondierende Einladung der Nächsten- und Selbstliebe praktisch gelebt werden können. Ich empfand diese Entdeckung zugleich als Bestätigung und Herausforderung zu kritischer Selbst- und Praxisreflexion: Was denke ich? Wie fühle ich mich in dieser Situation? Was brauche ich für mich? Was ist mir wichtig? Und mich faszinierte der Zusammenhang von Haltung und Methode, von Schönheit und ethischem Anspruch (klassisch: von Evangelium und Gesetz), von alltäglichen Möglichkeiten, sich selbst zu verändern und sein Leben reicher wer- den zu lassen und damit verbundener gesellschaftlicher Veränderung. Ja, so könnte es gehen! So könnte Gewalt 3 unterbrochen werden, vielleicht sogar Gewaltfreiheit möglich werden.

„Die franziskanische Tradition hat eine Ur-Geschichte solcher Gewaltunterbrechung fest- gehalten. Bei Gubbio in Umbrien lebte ein gewaltiger Wolf, der Tiere und Menschen ver- schlang. Aus Angst vor ihm trauten sich die Bewohner nicht mehr aus der Stadt. Franz von Assisi ging dem Wolf entgegen, seine Gefährten blieben aus Angst zurück. Der Wolf stürzte zähnefletschend auf ihn zu. Der Heilige sprach ihn als ‚Bruder Wolf‘ an und machte das Zeichen des Kreuzes über ihm. Der Wolf sperrte seinen schon geöffneten Rachen zu und ließ sich zu Füßen des kleinen unbewaffneten Mannes nieder. Franz sagte zu ihm: ‚Du bist jedermanns Feind. Ich aber möchte, Wolf, mein Bruder, dass Friede sei zwischen ihnen und dir.‘ Er schließt dann eine Art Bund, in dem die Einwohner sich verpflichten, den Wolf zu füttern, damit er niemals mehr Hunger leiden muss, und der Wolf ihm, Pfote in Hand, ver- spricht, niemandem, weder Mensch noch Tier, mehr Schaden zuzufügen. Dieser Vertrag wird öffentlich besiegelt, der Wolf lebt noch zwei Jahre, von den Bürgern geachtet und von den Kindern geliebt.“

3 Johan Galtung hat folgende Bestimmung von Gewalt vorgeschlagen, die mir plausibel erscheint:

„Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung.“ (J. Galtung, Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung. Reinbek bei Hamburg 1975. S. 9) Diese abs- trakte Definition hat den Vorteil, dass sie, wenn man sie um den Aspekt der psychischen Verwirkli- chung ergänzt, physische, psychische und sprachliche Gewalt umfasst.

1.

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16 · Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

Dorothee Sölle, bei der ich diese Geschichte gefunden habe, erzählt sie „nicht wegen des Wunders, sondern um den Begriff Unterbrechung der Gewalt zu klären.“ Sie erläutert:

„Er trägt zwei Elementen Rechnung, dem Realismus und der Hoffnungsfähigkeit. Er ver- leugnet die Realität der Kreisläufe nicht. ‚Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortwährend immer Böses muss gebären‘, heißt es bei Schiller im Wallenstein. Das Ziel des anderen Umgangs mit der Gewalt ist es nicht, eine konfliktfreie Welt zu schaffen und mög- lichst alle Wölfe auszurotten. Doch es gibt auch die Unterbrechung ihrer Zwangsläufigkeit, die Überraschung und die Möglichkeit, der alles beherrschenden Gewalt ein ‚Nein‘ entge- genzusetzen, das ihren absolut erscheinenden Zwang unterbricht.“4

Es ist zunächst der Blick nach außen, den diese Ur-Geschichte der Gewaltunterbre- chung ermöglicht. Auf ihre Weise macht diese franziskanische Geschichte einen ge- wichtigen Teil des bereits formulierten Zusammenhangs von Selbstveränderung und gesellschaftlicher Veränderung deutlich. 5 Und sie ermöglicht auch einen Blick nach innen, lädt dazu ein, ‚den inneren Wolf‘ zu umarmen.

Darauf spielt Lisa F. Oesterheld in einem kleinen unveröffentlichten Gedicht an, wenn sie schreibt:

4 D. Sölle, Gewalt. Gewöhnen will ich mich nicht. Dies., Gesammelte Werke. Bd. 4. Stuttgart 2006.

S. 171–204. Zitat S. 191.

5 Hinter der kleinen Anekdote aus franziskanischer Tradition steht die biblische Hoffnung des Tier- friedens aus Jesaja 65, 25 und 11, 6. Hier wird erhofft, dass einst der Wolf beim Schaf wohnen wird, die Starken also bei den Schwachen. Weiter lässt sich denken an die Aussendung der zwölf Jünger durch Jesus, der sie wie Schafe unter die Wölfe schickt; in den Städten Israels, so die Ankündigung, werden sie Gewalt erfahren und sollen ihrerseits ‚nicht einmal in Gedanken sich an ihren Verfolgern rächen‘ (Basilius d. Gr). In beiden Fällen geht es um die Unterbrechung von Gewalt.

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Einleitung · 17

unter Wölfen den inneren Wolf

in mir und dir anschauen die Sehnsucht sehen

die lebendige welche uns verbindet

dem Wolf die Hand reichen und staunen

wenn Pfote Hand und Herz einander berühren

Mit freundlicher Genehmigung von Lisa F. Oesterheld. http://www.lisaoesterheld.de/

Seit 2008 nun lerne ich, wie Pfote, Hand und Herz einander berühren können, und gebe Gewaltfreie Kommunikation weiter in Workshops und Fortbildungen. Ich mer- ke dabei, wie dominant alte erlernte Verhaltensmuster sind, und zugleich bin ich be- geistert, kritischer, zweifelnder und immer wieder auch mühsamer Lerner Gewalt- freier Kommunikation zu bleiben.

Die Theorie erscheint einfacher als die Praxis. Ich wurde 2009 Dekan an der Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften und nahm mir vor, mein Dekanat mit den Möglichkeiten Gewaltfreier Kommunikation zu gestalten. Es sind viele beglückende Erfahrungen, die dadurch möglich wurden. Als ich nach dem Dekanat 2011 wieder

‚normales‘ Fakultätsratsmitglied wurde, wurde es anstrengender, diese Haltung fort- zuführen. Inhaltliche Auseinandersetzungen und Mehrheitsentscheidungen, um die gerungen werden muss, machen Gewaltfreiheit und Wertschätzung schwieriger als in der unabhängigeren ‚Machtposition‘ ohne Stimmrecht im Fakultätsrat.

Ich entdecke die Vielfalt und Differenziertheit von Gefühlen, ihrer Wahrnehmung und ihres Ausdrucks und um wie vieles bunter und lebendiger die Welt um mich he- rum wird, wenn ich sie differenziert wahrnehmen und benennen lerne. Bedeutsam wurde mir die Unterscheidung zwischen Bedürfnissen und Strategien: Wie oft strei- ten wir um Strategien und verrennen uns darin. Ein typisches Beispiel: „Ich möchte heute Abend gerne mit dir ausgehen.“ – „Och nee, schau doch lieber mit mir das Fußballspiel im Fernsehen an, das ich so gerne heute Abend sehen will.“ Und schon beginnt ein Streit in dieser Paarbeziehung: Fernsehfußball oder Ausgehen. Es geht

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18 · Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

um Strategien. Das vielleicht dahinter stehende Bedürfnis nach Gemeinsamkeit und Nähe kommt dabei gar nicht zur Sprache. Fußball oder Ausgehen sind Thema und nicht mehr das, was sich dahinter vielleicht verbirgt und beiden wichtig ist: sich das Bedürfnis nach Nähe, Gemeinschaft und Verbundenheit zu erfüllen …

An diesem Lernen und Üben möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, anhand von Beispielen aus dem alltäglichen Leben in Familie, Kirche oder Gemeinde gerne teilhaben lassen. Dazu zunächst ein Überblick, was Sie in diesem Buch erwartet. Ich möchten Sie vertraut machen mit den fünf Grundannahmen Gewaltfreier Kommu- nikation:

„ „Alle Menschen möchten ihre Bedürfnisse erfüllt bekommen.

„ Wir leben in anregenden und wohltuenden Beziehungen, wenn wir diese Bedürf- nisse durch Zusammenarbeit statt durch aggressives Verhalten erfüllen.

„ Jeder Mensch hat bemerkenswerte Ressourcen und Potenziale, die uns erfahrbar werden, wenn wir durch Einfühlung mit ihnen in Kontakt kommen.

„ Jedes Verhalten ist der mehr oder weniger gelungene Versuch, ein Bedürfnis zu erfüllen.

„ Jedes Bedürfnis dient dem Leben, insofern gibt es keine negativen Bedürfnisse!“ 6 Im Zentrum Gewaltfreier Kommunikation steht also die Wahrnehmung dessen, was ich selbst und andere Menschen zum Leben brauchen. Verbindung zu mir selbst und anderen, so die bereichernde Erfahrung Gewaltfreier Kommunikation, wird mög- lich, wenn ich meine eigenen Bedürfnisse ebenso wahr- und wichtig nehme wie die meiner Mitmenschen. Bedürfnisse zeigen die Schönheit der Menschen.

Doch wie spüren wir eigentlich, ob unsere Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht? Das zeigen uns unsere Gefühle. Sie sind so etwas wie der Wegweiser zu unseren Bedürf- nissen. Deshalb kann es eine Hilfe sein, sie differenziert zu spüren und ausdrücken zu können. Es gibt mehr Gefühle als „gut“ oder „schlecht“, mehr als „geil“, „scheiße“,

„cool“ oder „geht so“ …

Um den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen auf die Spur zu kommen, hat Marshall B. Rosenberg das Modell der vier Schritte entwickelt. Er versteht diese Schritte als Hilfe, die Haltung Gewaltfreier Kommunikation einzuüben, und sie sind für mich zu einem wichtigen Instrument der Selbstreflexion meines Denkens, Sprechens und Handelns geworden.

6 K.-D. Gens, http://www.gewaltfrei.de. Text leicht verändert.

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Einleitung · 19

Vier Schritte im Selbstausdruck Vier Schritte in der Empathie gegenüber anderen

Wie Sie den GFK-Prozeß anwenden können

Ehrlich ausdrücken, wie ich bin, ohne

zu beschuldigen oder zu kritisieren Empathisch aufnehmen, wie du bist, ohne Be- schuldigungen oder Kritik zu hören

Beobachtungen

1. Was ich beobachte (sehe, höre, an was ich mich erinne- re, was ich mir vorstelle, frei von meinen Bewertun- gen), das zu meinem Wohlbefinden beiträgt oder nicht:

„Wenn ich sehe / höre ...“

1. Was du beobachtest (siehst, hörst, an was du dich erin- nerst, was du dir vorstellst, frei von deinen Bewertun- gen), das zu deinem Wohlbefinden beiträgt oder nicht:

„Wenn du siehst / hörst ...“

(Wird beim Anbieten von Empathie manchmal wegge- lassen.)

Gefühle

2. Wie ich mich fühle (Emotionen oder Empfindungen statt Gedanken) in Beziehung zu dem, was ich beob- achte:

„Ich fühle ...“

2. Wie du dich fühlst (Emotionen oder Empfindungen statt Gedanken) in Beziehung zu dem, was du beobachtest:

„Du fühlst ...“

Bedürfnisse

3. Was ich brauche oder schätze (statt einer Präferenz oder einer spezifischen Handlung), das meine Gefühle verursacht:

„... weil ich brauche / mir wichtig ist ...“

Klar um etwas bitten, das mein Leben berei- chern würde, ohne zu fordern

3. Was du brauchst oder schätzt (statt einer Präferenz oder einer spezifischen Handlung), das deine Gefühle verursacht:

„... weil du brauchst / dir wichtig ist ...“

Empathisch aufnehmen, was dein Leben be- reichern würde, ohne irgendeine Forderung zu hören

Bitten

4. Die konkreten Handlungen, von denen ich mir wün- sche, dass sie in die Tat umgesetzt werden:

„Wärest du bereit zu ...?“

„Und würdest du bitte ...“

4. Die konkreten Handlungen, von denen du dir wünschst, dass sie geschehen:

„Würdest du gern ...?“

(Wird beim Anbieten von Empathie manchmal wegge- lassen.)

© Marshall Rosenberg

Weitere Informationen über Marshall Rosenberg bzw. das Center for Nonviolent Communication im Internet unter www.CNVC.org.

GEFÜHLE TUN

BEDÜRFNISSE•BEDÜ E ÜHL GEF BI T T ENENNGTUBEOCHBA RFN

B BITTE ISSE

N

EOBA NGE CHTU

N ÜHL GEF

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BE

RFNISSEBITTENBEOBACH GEN

Weitere Informationen über Marshall Rosenberg bzw. das Center for Nonviolent Communication im Internet unter http://www.CNVC.org.

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20 · Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

Die vier Schritte bedeuten ganz selbstverständlich zunächst eine Entschleunigung der Situation und unserer Reaktionen. Allein dies erscheint mir als ein großer Vor- teil: Ich kann den Zwischenraum zwischen Reiz und Reaktion vergrößern und damit Freiheitsspielräume entdecken, anders zu reagieren, als ich konditioniert bin und es gewöhnlich tue. Und: Auch die geringfügigste Entschleunigung erscheint mir heute als politischer Akt.

Marshall B. Rosenberg hat dieses Kommunikationsmodell im Kontext der amerika- nischen Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren nicht zuletzt aufgrund eigener Gewalterfahrungen wie eigener Gewaltanwendung als Jugendlicher in seinem da- maligen Heimatstadtteil in Detroit entwickelt. Rosenberg praktizierte es und entwi- ckelte es weiter als Hilfe in sowohl alltagssprachlichen Zusammenhängen als auch bei persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Konflikten. So ging es ihm nicht lediglich um eine gewaltfreie und wertschätzende Art zu kommunizieren, sondern immer auch um social change in unterschiedlichen gesellschaftlichen Institutionen und Kontexten.

„Jedem Menschen eine grundsätzliche Wertschätzung entgegenzubringen ist die schönste Umgangsform, die wir uns selbst gegenüber wählen können. Wenn ich mich dafür ent- scheide, in jedem Menschen seine Schönheit zu sehen, dann behandle ich auch mich selbst mit Liebe. Das habe ich mir nicht ausgedacht, alle Religionen sagen das auf ihre Weise:

‚Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet‘, ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘.“7

Bei seinen Workshops benutzte M. Ro- senberg zwei Handpuppen: den Wolf und die Giraffe. Das habe ich in meinen Fort- bildungen übernommen, und so begeg- nen Ihnen in diesem Buch und anderen Texten zur Gewaltfreien Kommunikation auch diese beiden symbolisch gebrauch- ten Tiere: Wolf und Giraffe oder auch die Ausdrücke „wölfisch“ und „giraffisch“.

Wenn ich Kinder frage, wofür die Giraf- fe steht, so antworten sie oft: „Das ist das Tier, das von oben guckt.“ Das empfinde auch ich als eine zutreffende Kennzeich- nung. „Giraffen“ haben viel Überblick.

7 M. B. Rosenberg, Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Freiburg 2009, S. 88.

© Etan J. Tal

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Einleitung · 21

Zudem ist die Giraffe das Landtier mit dem größten Herzen. Und da Gewaltfreie Kommunikation sich selbst als eine Sprache des Herzens versteht, hat Rosenberg dafür die Giraffe gewählt. Der Wolf steht – und damit tun wir ihm, wenn man sich die Sozialstruktur und Lebensweise von Wolfsrudeln anschaut, sicherlich Unrecht, denn es ist hier eher der Wolf der Märchen gemeint – für Aggressivität und Gewalt, für Fressen und Gefressenwerden. So hat Gewaltfreie Kommunikation als Puppen- spiel auch etwas Spielerisches und Leichtes.

Und Wolf und Giraffe haben auch ganz unterschiedliche Ohren: Ja, sie hören ganz verschieden. Und auf das Hören kommt es in Gewaltfreier Kommunikation genauso an wie auf das Sprechen: Wenn M. Rosenberg in seinen Workshops die Wolfs- oder Giraffenohren aufsetzt, dann kann er damit vier Arten verdeutlichen, wie Menschen hören können:

„ Die Wolfsohren kann er nach innen richten: Ich urteile (negativ oder positiv) über mich, z. B. „Das schaff ich nie, da bin ich viel zu faul dazu“ oder „Ich bin der Schönste“ …

„ Die Wolfsohren kann er nach außen richten: Er urteilt über andere oder belegt sie mit Etiketten, z. B. „Der ist ja nur blöd“ oder „So ein Depp“ …

Man kann aber auch die Giraffenohren aufziehen, und dann verändert sich das Hö- ren radikal!

„ Die Giraffenohren kann Rosenberg nach innen richten, und er hört in sich hinein, was ihn bewegt: Er achtet auf seine Gefühle und seine Bedürfnisse.

„ Schließlich kann er die Giraffenohren nach außen richten und hören, was eine an- dere oder einen anderen bewegt: Er achtet auf ihre / seine Gefühle und ihre / seine Bedürfnisse.

Wenn ich Gewaltfreie Kommunikation als Haltung verstehe, dann sind die Ohren entscheidend, denn mit Giraffenohren kann ‚ich‘ hören, was ‚du‘ nicht sagst – und eine neue Verständigung kann möglich werden. 8

Die Einleitung abschließend möchte ich die Frage beantworten, warum ich es für chancenreich erachte, dass Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden praktiziert wird. Ich sehe mindestens sieben Chancen:

„ Gewaltfreie Kommunikation tut gut! Sie hat erwiesenermaßen einen salutoge- netischen Effekt – was bei der chronischen Arbeitsüberlastung vieler hauptamt- licher MitarbeiterInnen in Kirchen und Gemeinden bereits einen Wert für sich darstellt, wenn möglichst viele lernen, gut für sich selbst zu sorgen und zu akzep- tieren, dass andere dies auch tun.

8 Anregungen zu diesem Absatz aus einer Seminarmitteilung von Gerlinde Fritsch im November 2012. Vgl. dazu auch S. Pásztor und K.-D. Gens, Ich höre was, was du nicht sagst. Gewaltfreie Kom- munikation in Beziehungen. Paderborn 2008.

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22 · Gewaltfreie Kommunikation in Kirchen und Gemeinden

„ Gewaltfreie Kommunikation erlebe ich als eine Umgangsform, die auf wech- selseitiger Achtung und gegenseitiger Wertschätzung beruht. Sie kann so dazu beitragen, im Miteinander Selbstverantwortung für jeweils den eigenen Beitrag anzuregen und Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber einzuüben.

„ Gewaltfreie Kommunikation hilft dabei, in Konflikten die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu formulieren. So können Schuldzuweisungen eher vermieden und Diagnosen eher unterlassen werden. Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten und mit Heterogenität wird möglich.

„ Gewaltfreie Kommunikation kann dazu beitragen, einvernehmliche Vereinba- rungen zu treffen, um die immer wieder neu gebeten werden kann. Dabei können wir mit Gewaltfreier Kommunikation üben, ein „Nein“ auf eine Bitte von uns konstruktiv zu hören oder auf Bitten anderer selbst „Nein“ zu sagen.

„ Gewaltfreie Kommunikation hilft zur Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion.

„ Gewaltfreie Kommunikation kann dabei helfen, unterschiedliche Felder haupt- und ehrenamtlicher Arbeit in Kirchen und Gemeinden zu integrieren, weil wir gut mit uns selbst verbunden unsere Arbeit neu wahrnehmen und konkrete Auf- gaben bejahen und ablehnen lernen.

„ Gewaltfreie Kommunikation hilft dabei, gesellschaftliche Handlungsmöglichkei- ten zu entdecken und spirituelle und politische Wege der Gewaltfreiheit zu gehen.

Aufgrund dieses Chancenblicks und meines eigenen Lernprozesses wage ich eine prognostische Antwort auf eine Frage, die Sie sich vielleicht stellen: Was verändert sich eigentlich, wenn ich Gewaltfreie Kommunikation lerne? Meine Antworten:

„ In jedem Fall: Sie selbst …

„ In jedem Fall: Ihre Art und Intensität des Zuhörens …

„ Wahrscheinlich: Ihre Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern und den vielen Menschen, die in Kirchen und Gemeinden ein Stück Heimat (auf Zeit) suchen oder gefunden haben …

„ Wahrscheinlich: Der Arbeitsalltag von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern, weil sie in ihren Arbeits- und Lebenszusammen- hängen glücklich(er) werden können …

„ Vielleicht: Das Leben in Kirchen und Gemeinden wird leichter und schöner – und ansteckender …

„ Vielleicht: All die vielen großen und kleinen Arbeiten, die zum Gelingen des Le- bens in Kirchen und Gemeinden beitragen, glücken eher, weil Bedürfnisse wich- tig genommen werden und Beziehungen wachsen können, weil empathischer Umgang entspannt und Sicherheit schenkt im Verstandensein und Verstehenwol- len – und so können wir die Wunder vielleicht sehen, die auf uns warten, denn es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden …

Referenzen

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