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V o n Frauen und Feiern

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Christoph Kühberger

V o n Frauen und Feiern

Die inszenierte Integration von Frauen in den NS-Staat

1. Einführung

Politische Feierlichkeiten waren eine der Arenen, in der das natio- nalsozialistische Deutschland seine Herrschaft zur Schau stellte und seine rassistisch-weltanschaulichen Visionen inszenierte. Hier wurde eine als Ideal angestrebte Weltordnung zelebriert und kommuniziert. Lange Zeit galten die politischen Feierlichkeiten der Nationalsozialisten als Chiffren einer patriarchalen Machtde- monstration. Die kollektive Erinnerung ist geprägt von marschie- renden Männern auf den Reichsparteitagen in Nürnberg. Doch wo war in diesem Kosmos, der weit über die Reichsparteitage hinaus- ging, der Raum der Frauen? Welche Möglichkeiten der Teilnahme boten sich ihnen? Inwieweit kann dies als Partizipationsform be- schrieben werden?

2. Politische Feierlichkeiten als Arenen weiblicher Partizipation

Politische Feierlichkeiten dienten zur Stabilisierung von Herr- schaft und stellten damit eine Form von Partizipation dar. Nach Fernando Ferrara und Luigi Coppola ermöglichen es politische Feste den Machthabern, anhand der dabei kommunizierten Bot- schaften herauszufinden, ob das politische System (oder auch nur einzelne Ideen) noch ausreichend Unterstützung erfährt. Im Zwei- ten Weltkrieg veränderten sich beispielsweise die Rückmeldungen aus der Gesellschaft. Zum einen wurden negative Befindlichkeiten gegenüber dem NS-Regime artikuliert, zum anderen schwand die Unterstützung so stark, dass die politischen Feierlichkeiten nur noch schwach besucht und damit zu inszenierten Manifestationen ohne Rückhalt wurden1.

Das Fest stellt damit nicht nur einen idealen Raum zur Auto- repräsentation dar, sondern auch ein Feedbacksystem, welches die

1 Vgl. Christoph Kühberger, Grenzen der Inszenierung. Die Störanfälligkeit von NS-Veranstaltungen in Österreich, in: Jahrbuch des Oberösterreichi- schen Musealvereins 145 (2000), S. 189-216, hier S. 196ff.

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B e z i e h u n g zwischen d e r politischen F ü h r u n g u n d d e r Bevölke- r u n g überwacht, u m ein Gleichgewicht zu halten, das d e n Herr- s c h e n d e n die Macht sichert2. Auf diese Weise k o n n t e n politische Feierlichkeiten im nationalsozialistischen Regime A r e n e n sein, in d e n e n legale u n d s p o n t a n e beziehungsweise u n k o n v e n t i o n e l l e Partizipation stattfand. Dies galt auch f ü r die weibliche Bevölkerung.

F r a u e n waren im Dritten Reich n i c h t n u r auf die private Sphäre (Mutterschaft, Haushalt, Familie) reduziert. Vielmehr gab es a u c h spezifische weibliche Verwirklichungsmuster im öffentlichen Raum.

Gisela Bock konstatiert f ü r d e n Nationalsozialismus ein Paradox, das sie u n t e r a n d e r e m im Widerspruch zwischen weiblichen Massen- organisationen u n d d e r Zuweisung d e r F r a u e n in d e n privaten R a u m sieht3. Dieser scheinbare Gegensatz löste sich in d e r politi- schen Festkultur teilweise auf. Es galt: J e niedriger die E b e n e d e r NS-Institutionenhierarchie war, desto m e h r w u r d e n F r a u e n in die offizielle Repräsentation e i n g e b u n d e n4. U m diese T h e s e zu disku- tieren, w e r d e n im F o l g e n d e n n e b e n d e r nationalen E b e n e a u c h regionale u n d lokale Fallbeispiele beleuchtet, o h n e j e d o c h auf spe- zifische Veranstaltungen u n d Feiern d e r NS-Frauenschaft einzu- g e h e n . Diese im Kleinen organisierten politischen Veranstaltungen u n d Treffen (u.a. Gartenfeste, F r a u e n a b e n d e ) stellten zwar wichtige F r a u e n r ä u m e dar, d e r Fokus des vorliegenden Aufsatzes zielt je- d o c h auf die Möglichkeiten weiblicher Partizipation an d e n h o h e n Feiertagen u n d d e n d a m i t v e r b u n d e n e n Veranstaltungen des NS- Regimes5. Aus d e n s e l b e n G r ü n d e n w e r d e n auch die „Muttertags"- Feierlichkeiten aus d e n f o l g e n d e n B e t r a c h t u n g e n ausgeklammert.

3. „Frauen und Nichtmarschierer". Die weibliche Bevölkerung und die hohen Feiertage

Es gibt Beispiele, die schnell zur H a n d sind u n d die eine Integration von F r a u e n in die offiziellen Feierlichkeiten d e r NSDAP belegen.

Doch Frauen wie Schwester Pia (Eleonore Baur), die als Blutsorden-

2 Vgl. Fernando Ferrara/Luigi Coppola, Le feste e il potere, Rom 1983, S. 45.

3 Vgl. Gisela Bock, Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000, S.275.

4 Vgl. Christoph Kühberger, Politische Feierlichkeiten und weibliche Parti- zipation in Oberdonau, in: Gabriella Hauch (Hrsg.), Frauen im Reichsgau Oberdonau. Geschlechterspezifische Bruchlinien im Nationalsozialismus, Linz 2006, S. 89-106, hier S. 105.

5 Dazu zähle ich hier v.a. die gesetzlich geregelten Feiertage (9. November, Heldengedenken, Erntedank) sowie die Reichsparteitage.

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trägerin bei d e n Feierlichkeiten zum 9. November („Gedenktag an die Gefallenen d e r Bewegung") im Festzug in M ü n c h e n mitmar- schieren d u r f t e , bildeten die A u s n a h m e . In d e r Regel spielten F r a u e n eine N e b e n - o d e r Stellvertreterrolle, zum Beispiel als Wit- wen von getöteten Putschisten, die auf E h r e n p l ä t z e n an d e r Feier- lichkeit t e i l n a h m e n . In d e n meisten Fällen, vor allem bei streng militärischen beziehungsweise militanten Feierlichkeiten der NSDAP o d e r des Staats, präsentierte sich e i n e reine Männergesellschaft.

F r a u e n h ä t t e n d o r t n u r das heroische E l e m e n t gestört o d e r einen Frauentypus präsentiert, d e r nicht zur Geschlechterrollenideolo- gie d e r NS-Propaganda passte. Die Integration d e r F r a u e n bei d e n h o h e n Feiertagen d e r Partei f a n d d a h e r meist n u r im politischen Diskurs statt, wo F r a u e n das Leiden d e r Bevölkerung repräsentier- ten u n d als weicher, gefühlvoller G e g e n p o l zum h e l d e n h a f t e n Männlichkeitskonzept stilisiert w u r d e n . So heißt es etwa anlässlich des H e l d e n g e d e n k t a g s im März 1936 im „Völkischen Beobachter":

„Heute, am Helden-Sonntag, wollen wir ihrer g e d e n k e n , dieser stillen D u l d e r i n n e n , dieser t r e u e n G e f ä h r t i n n e n , die ihr einzi- ges, ihr alles opferten am Altar des bedrängten Vaterlandes. [...]

Deutschlands Frauen, Mütter, Söhne u n d T ö c h t e r u n d die Väter tragen ihr Schicksal mit Würde, gedenken ihrer teuersten Toten, verwalten d e r e n Vermächtnis oft in härtesten, bittersten T a g e n u n d J a h r e n , die F r a u e n aber u n d die Mütter, sie t r u g e n , sie tra- gen das Schwerste [...] u n d das Schönste zugleich: D e r Opfer- g a n g i h r e r Lieben als Saat z u m n e u e n , freien Deutschland!"6

Auch in d e r Provinz - f e r n a b d e r „Weihestätte" d e r nationalsozia- listischen Bewegung - waren erwachsene F r a u e n am 9. N o v e m b e r weitgehend unsichtbar. W e n n sie auf E h r e n p l ä t z e n in Erschei- n u n g traten, wie dies Zeitungsberichte d e r Lokalpresse vereinzelt v e r m e r k e n , d a n n hauptsächlich in ihrer Mutterrolle7. Dabei muss m a n sich bewusst m a c h e n , dass dies m i t u n t e r als eine A u f w e r t u n g d e r Frau in e i n e m dualen u n d sich e r g ä n z e n d e n Geschlechterarran- g e m e n t verstanden wurde.

Auch die Reichsparteitage b o t e n n u r wenig Raum f ü r weibliche Partizipation. So k o n n t e es etwa die „alte Kämpferin" I r e n e Seydel 1933 am Reichsparteitag kaum glauben, dass es im siebentägigen P r o g r a m m keine einzige Frauenveranstaltung gab. Bei vorangegan- g e n e n Parteitagen war dies d u r c h a u s üblich gewesen8. Der G r u n d

6 Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 8.3.1936, S.9.

7 Tages-Post vom 11.11.1940, S. 5.

8 Vgl. Claudia Koonz, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, Frei- burg 1991, S. 180; Siegfried Zelnhefer, Die Reichsparteitage der NSDAP.

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für den Ausschluss der Frauen vom Parteitag 1933 lag wohl in den damaligen Organisationsproblemen der Frauenverbände. Da sich weder Hitler noch die Partei vor 1931/32 sonderlich intensiv mit der nationalsozialistischen Frauenbewegung beschäftigten, existierte bis zu diesen Zeitpunkt ein frauenpolitischer Pluralismus, der sich ohne Führerbefehl organisierte und weitgehend frei entwickeln konnte. Ende 1933 verloren die Frauen diese Unabhängigkeit und

„alte Kämpferinnen" wurden entlassen. Gertrud Scholtz-Klink sollte nunmehr als „Reichsfrauenführerin" eine parteikonforme Linie vorgeben9.

1934 wurde den Frauenorganisationen auf dem Reichsparteitag wieder eine eigene Veranstaltung zugebilligt. An einem Abend fand die NS-Frauenschaftstagung in der Kongresshalle statt, die für die weiblichen Organisationen zweifelsohne einen Höhepunkt ihrer politischen Tätigkeit darstellte. Doch stand diese Veranstaltung - gemessen am Umfang des Programms des Parteitags - im Schatten der traditionsreichen Aufmärsche der männlichen Organisationen in der Luitpoldarena oder auf dem Zeppelinfeld. So erging es auch den 500 Führerinnen des Frauenarbeitsdiensts auf dem Reichs- parteitag 1935, die beim Appell des Reichsarbeitsdiensts ihre 54000 männlichen Kollegen nur von den Zuschauerrängen aus be- obachten konnten, als passive Dekoration der männlichen Selbst- darstellung. Eine Parade oder ein Appell in aller Öffentlichkeit, wie ihn alle anderen männlichen Gliederungen hatten, blieb den nationalsozialistischen Frauen versagt. Einzig die zum Veranstal- tungsort ziehenden Frauenabordnungen aus dem Deutschen Reich suggerierten eine Aufmarschszenerie10. Auch Gertrud Scholtz- Klink hatte auf dem „Frauenkongreß"11 keine führende Rolle. Sie durfte zwar eine Rede halten, aber wenn der Reichsleiter der NS- Volkswohlfahrt, Erich Hilgenfeldt, anwesend war, konnte sie nicht einmal die Veranstaltung eröffnen12. Die anwesenden Frauen der

Geschichte, Struktur und Bedeutung der größten Propagandafeste im natio- nalsozialistischen Feieijahr, Neustadt a.d. Aisch 1991, S. 29.

9 Vgl. Claudia Koonz, Frauen schaffen ihren „Lebensraum" im Dritten Reich, in: Barbara Schaeffer-Hegel (Hrsg.), Frauen u n d Macht. Der alltäg- liche Beitrag der Frauen zur Politik des Patriarchats, Berlin 1984, S. 47-57, hier S. 53.

10 Vgl. u.a. Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 13.9.1935, S.2.

11 Vgl. zur Bezeichnung: Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 18.9.1935, S . I I .

12 Vgl. u.a. Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 16.9.1936, S. 12, u n d vom 12.9.1937, S.8.

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unterschiedlichsten nationalsozialistischen Organisationen, nach Parteiangaben waren es 1936 20000 , wurden auf die passive Rolle von Zuhörerinnen reduziert. Sie gehörten also zu j e n e r Kategorie, die schon vor ihrer Ankunft auf den kleinen braunen Sonderzug- tickets vermerkt war: „Frauen und Nichtmarschierer"14.

Die weibliche Bevölkerung schien in der offiziellen Repräsenta- tion des NS-Staats keine Rolle zu spielen. Selbst die Frauen der hohen nationalsozialistischen Würdenträger wurden systematisch aus der Selbstdarstellung der Partei ausgeschlossen. Nicht nur der

„Führer", sondern jeder Führer, auch in den unteren Rängen, hatte sich offensichtlich mit der Aura würdevoller Einsamkeit zu umgeben, um seine Position als Leitfigur zu unterstreichen. So hieß es in einer parteiinternen Anordnung aus dem J a h r 1934:

„Es macht auf jeden Zuschauer einen denkbar schlechten Ein- druck, wenn auf dem Weg zu und von offiziellen Veranstaltungen des Reiches oder der Partei, zumal bei solchen, bei denen Spalier gebildet wird, Nationalsozialisten, die an ihrer Uniform als Füh- rer kenntlich sind und denen entsprechende Ehrenbezeugungen erwiesen werden, ihre Frauen im Auto bei sich haben."15

Überhaupt deutet vieles auf eine von der Partei verordnete Ge- schlechtertrennung in der offiziellen Repräsentation hin, die sich auch auf das Publikum übertrug. Wenn man dem Bericht des „Völ- kischen Beobachters" vom 9. November 1934 Glauben schenkt, unterwarf sich in München der Großteil der Frauen dieser Haltung:

„Es summte und wogte wie von hundert Bienenschwärmen.

Gaben die Männer am Mittag dem Gedenkakt an der Feldherrn- halle das Gepräge, so kann man mit Genugtuung feststellen, daß ein großer Teil der Münchner Frauenwelt den Abend im Odeon [die Weihestunde für den 9. November] für sich in An- spruch nimmt."16

Auch der l.Mai in Berlin, ab 1934 der „nationale Feiertag des deutschen Volkes", war eindeutig von Männern geprägt. Dieser Feiertag, ebenso wie das Erntedankfest am Bückeberg, sollte im Sinn der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft" begangen wer- den und nicht primär zur Reproduktion von Parteimythen dienen, und trotzdem: Eine ausgewogene öffentliche Repräsentation der Geschlechter fand auch hier nicht statt - bei den Protagonisten

13 Vgl. Offizieller Bericht über den Verlauf der Reichsparteitage mit sämt- lichen Kongreßreden, München 1936, S. 161.

14 Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 16.9.1936, S. 12.

15 BA Berlin, NS 6/216, Anordnung vom 13.4.1934.

16 Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 10.11.1934, S. 13.

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ohnehin nicht, die meist aus Abordnungen der SA, SS, NSBO, des Freiwilligen Arbeitsdienste und der Technischen Nothilfe bestan- den, aber auch im Publikum nicht, das ebenfalls von Männern dominiert wurde. Die Festzüge, die sich am l.Mai 1934 sternförmig auf das T e m p e l h o f e r Feld in Berlin zubewegten, bestanden durch- wegs aus männlichen Vertretern der Parteiorganisationen und der verschiedenen Berufsgruppen. Frauen stellten auch hier die Aus- nahme dar17. Mancherorts wurden sie von den Festzügen sogar ganz ausgeschlossen. So war es Jugendlichen unter 15 Jahren und Frauen am l . M a i 1933 in Bremen verboten, am Maiumzug teil- zunehmen. Sie durften den Vorbeiziehenden lediglich Erfrischungs- getränke reichen18. Ahnlich war es in Salzburg 1938, wo der Fest- zug nur aus männlichen „Volksgenossen" bestand19.

Allerdings trat vielerorts eine „Maikönigin" als Fruchtbarkeits- symbol in den Umzügen auf20. Die „Maikönigin", der manchmal ein „Maikönig" zur Seite stand, sollte ein junges, frisch und gut aussehendes Mädchen sein, das zur „lebendigen Verkörperung der Kraft von Volk und Nation" geeignet sei. Die nationalsozialisti- sche Weltanschauung verlangte eine „Beibehaltung oder Wieder- einführung der ursprünglichen, oft bis in die germanische und nordische Vorzeit zurückreichende Ausrufung von Maikönigin und Maikönig"21. Damit sollte eine katholische Nutzung des als

„germanisch" betrachteten Brauchs für den Marienkult verhindert werden. Im letzten groß inszenierten Maifestzug in Berlin 1934 fuhr auch eine Maikönigin mit. Geschmückt mit Blumen, begleitet von jungen Mädchen als Ehrenjungfrauen, saß sie auf einem Fest- wagen unter einem Baldachin aus Lilien. Sie wurde sogar in der Reichskanzlei empfangen und als „sich der Führer mit der Mai- königin am Fenster zeigte, wollte die Begeisterung der Menge kein Ende nehmen"22. Diese volkstümliche Spielform findet man auch auf lokaler Ebene. Dort ist zu beobachten, dass neben dem BdM, der regelmäßig - nicht zuletzt wegen der Organisationsstruktur - in die offizielle Repräsentation eingebaut war, auch die NS-Frauen-

17 Vgl. Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 2.5.1934, S. 1 f.

18 Vgl. Klaus Dyck/Jens Joost-Krüger, Unserer Zukunft eine Gasse. Eine Lokalgeschichte der Bremer Maifeiern, in: Inge Marßolek (Hrsg.), 100 Jahre Zukunft. Zur Geschichte des l.Mai, Frankfurt a.M. 1990, S. 191-257, hier S. 228.

19 Vgl. Salzburger Volksblatt vom 30.4.1938, S. 10.

20 Vgl. Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 30.4.1938, S. 26.

21 Otto Schmidt, Nationaler Feiertag des deutschen Volkes, in: Schriftreihe

„Feste und Feiern im Jahresring". Berlin o.J, S. 54f.

22 Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 2.5.1934, S. 2.

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schaft mobilisiert wurde. J e kleiner die Orte, an d e n e n die Ver- anstaltungen abgehalten wurden, desto notwendiger waren Frauen, u m a u c h quantitativ j e n e n I n s z e n i e r u n g s a n s p r ü c h e n gerecht zu werden, die von d e r Partei g e f o r d e r t w u r d e n . Am Beispiel des Gaus O b e r d o n a u zeigt sich, dass F r a u e n bereits ab 1938 häufig in- tegriert w u r d e n . Sie traten j e d o c h , abgesehen von d e n J u g e n d - organisationen, v o r n e h m l i c h als „Volk" u n d d a meist in T r a c h t auf, nicht j e d o c h als „Parteimitglieder"2 3.

4. Frauen in vorderster Reihe: das Erntedankfest

Einzig die offiziellen Erntedankfeierlichkeiten n e h m e n im Kreis d e r h o h e n Feiertage des Regimes eine Sonderstellung ein, da hier F r a u e n a u c h in d e r Selbstdarstellung d e r Partei eine beträchtliche Rolle spielten. Nicht n u r im Publikum war das Verhältnis d e r Ge- schlechter relativ ausgewogen, 800 Bäuerinnen erhielten am Bücke- b e r g sogar die Gelegenheit, ein Ehrenspalier f ü r d e n „Führer" zu bilden, d u r c h das Hitler 1935 zur T r i b ü n e schritt24. Auch anderswo war das Landvolk d u r c h Bauern u n d B ä u e r i n n e n , d u r c h Mägde u n d Knechte vertreten. Die Nationalsozialisten schienen e r k a n n t zu h a b e n , dass bei Erntedankfeierlichkeiten, die j a u n v e r k e n n b a r bäuerliche Mentalitäten u n d S e h n s ü c h t e nach d e r heilen Welt d e s Dorfs u n d des heimischen B r a u c h t u m s ansprachen2 5, beide Ge- schlechter zur a u t h e n t i s c h e n U m s e t z u n g dieser idyllischen, aber politisierten G r u n d i d e e des Fests nötig waren. N u r so ist es zu erklären, dass m a n m a r s c h i e r e n d e B ä u e r i n n e n , in Vierer- o d e r Sechserreihen in d e n Festzügen, wie etwa in M ü n c h e n , akzeptierte.

Gerade diese Festzüge waren es, die die starre Geschlechtertrennung ü b e r w a n d e n . Auf d e n Erntewägen saßen Mägde n e b e n K n e c h t e n im H e u , u n d S c h n i t t e r i n n e n marschierten mit i h r e n m ä n n l i c h e n Kollegen a m Publikum vorbei.

Das Fest a m Bückeberg hatte trotz dieser Zugeständnisse an F r a u e n ein überwiegend militärisches Gepräge. Selbst die Worte d e r Bäuerin, die Hitler d e n E r n t e k r a n z überreichte, klangen mar- tialisch: „Mein F ü h r e r ! Sie schützen mit starker H a n d u n s e r Land, u n s e r Volk, u n s e r e n Stand!"2 6 Dass j e d o c h eine J u n g b ä u e r i n die

23 Vgl. u.a. Tages-Post vom 4.5.1938, S. 8.

24 Vgl. die Fotos in: Hans Ostwald (Hrsg.), Erntedankfest. 1.Oktober 1933.

Der deutschen Bauern Ehrentag, Berlin 1934, S.59ÍF.

25 Vgl. Bernhard Gelderblom, Die Reichserntedankfeste auf dem Bücke- berg 1933-1937, Hameln 1998, S.50.

26 Helmut Rosenfeld, Deutsches Emte-Dankfest 1933, Potsdam 1933, S.48ÉF.

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Erntekrone an Hitler übergab, k n ü p f t e an die bäuerliche Tradition an, w o n a c h die Mägde die s e l b s t g e b u n d e n e Krone d e m Bauern u n d seiner Frau mit Glückwünschen überreichten2 7. Als die gro- ß e n Erntedankfeierlichkeiten bei H a m e l n n a c h 1937 nicht m e h r stattfanden, versuchten die nationalsozialistischen P r o p a g a n d i s t e n das Fest ab 1942 auf Gau- u n d O r t s e b e n e wiederzubeleben. Mit dieser R ü c k k e h r des bäuerlichen Hochfests im Krieg kam es zu einer zusätzlichen Stärkung d e r weiblichen Partizipation. Laut einer I n f o r m a t i o n s b r o s c h ü r e d e r G a u p r o p a g a n d a l e i t u n g O b e r d o n a u f ü r das E r n t e d a n k f e s t 1943 sollte in d e n D ö r f e r n , n e b e n d e n ge- w o h n t e n E r n t e z ü g e n eine „ E h r u n g d e r B ä u e r i n n e n " vorgenom- m e n werden. Es sollten vor allem solche B ä u e r i n n e n gewürdigt werden, die auf sich alleine gestellt waren, weil ihre M ä n n e r u n d S ö h n e im Feld standen, u n d die sich höchstens auf ausländische Arbeitskräfte o d e r auf Nachbarschaftshilfe stützen k o n n t e n . Be- sondere Aufmerksamkeit erhielten j e n e Bäuerinnen, d e r e n M ä n n e r o d e r S ö h n e gefallen waren. Die HJ sollte i h n e n ein S t ä n d c h e n b r i n g e n u n d Blumen ü b e r r e i c h e n2 8.

D e r Reichsgau O b e r d o n a u setzte diese I d e e n am 2. u n d 3. Ok- t o b e r 1943 auf d e m G a u e r n t e d a n k f e s t in Ried im Innkreis um2 9. S o n d e r z ü g e u n d Busse b r a c h t e n die Gäste zum Veranstaltungsort.

N e b e n d e r E r ö f f n u n g d e r Milchleistungsschau, einer M o r g e n f e i e r u n d e i n e m Volksfest bildete ein E r n t e z u g des Reichsarbeitsdiensts d e n Kern d e r Veranstaltung. Das bäuerliche Milieu w u r d e dabei in szenenartigen Schaubildern auf Festwägen inszeniert. An d e r Spitze des Zugs marschierten Vertreter des RAD mit geschulterten Spaten, d a n a c h k a m e n Bauern auf P f e r d e n u n d historische Schaubilder.

Es folgte die E r n t e k r o n e , die von ,Arbeitsmaiden" getragen wurde.

N e b e n d e n .Arbeitsmaiden" u n d G o l d h a u b e n t r ä g e r i n n e n waren j e d o c h auch a n d e r e Frauen am Umzug beteiligt. Einige schwangen

mit M ä n n e r n d e n Dreschflegel o d e r waren Teil einer bäuerlichen R e i t e r g r u p p e ; a n d e r e f ü h r t e n ihr geschmücktes Vieh an e i n e m Strick o d e r j u b e l t e n im Publikum3 0. Besonders gewürdigt wurde ein Festwagen aus der G e m e i n d e Weilbach, d e r die „Fruchtbarkeit"

27 Vgl. Franz Kolbrand, Der Grün- und Baumschmuck. Brauchtum, Feier- gestaltung und Festschmuck, Berlin 1937, S. 76; Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, vom 7.10.1935, S. 2.

28 Vgl. Oberösterreichisches Landesarchiv, Flugblattsammlung 1187, Zum Erntedank 1943 im Gau Oberdonau, Linz 1943, hrsg. von der Gaupropa- gandaleitung/Landesbauernschaft Oberdonau.

29 Vgl. Tages-Post vom 4.10.1943.

30 Vgl. hier und im Folgenden Innviertier Heimatblatt vom 22.10.1943, S. 9, vom 8.10.1943, S. 6 und vom 15.10.1943, S. 6.

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inszenierte. Auf ihm war jedoch kein Erntegut zu bestaunen, son- dern „eine j u n g e Frau unter einer Birke, umringt von einer Schar fröhlicher Kinder." Auch andere Wagen hoben die weibliche Dimen- sion des Bauerntums hervor: Inszenierte Arbeiten wie das Backen, das Melken, die Flachsverarbeitung, das Spinnen und Weben unter- strichen die idealtypisch konstruierte Geschlechterdifferenz im bäuerlichen Alltag. Während die Frauen im Festzug die traditio- nellen Grenzen zwischen privat und öffentlich überschritten, re- produzierten sie in einem Prozess des gespielten „doing gender"

geschlechterspezifische Rollenbilder und Rollenerwartungen. Die Erntedankfeierlichkeiten bildeten im Bezug auf weibliche Partizi- pation eine Ausnahme. Frauen wurden hier sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene in die Inszenierungen aufgenommen und nicht nur in die passive Rolle des Publikums gedrängt.

5. Schlussbetrachtung

Analysiert man die hohen politischen Feierlichkeiten des National- sozialismus in geschlechtergeschichtlicher Perspektive, fällt folgen- der Zusammenhang auf: Unabhängig von der zeitlichen Dimension und den kriegsbedingten Verschiebungen der Veranstaltungen (weg von der nationalen hin zur regionalen und lokalen Ebene) existiert ein erheblicher Unterschied zwischen den offiziellen Feier- lichkeiten des Regimes an zentralen Orten wie München, Bücke- berg oder Berlin und den Umsetzungen dieser Feiertage in der Provinz. Frauen, besonders j e n e der Parteigliederungen, hatten prinzipiell die Möglichkeit, bei den Feierlichkeiten eine aktive Rolle einzunehmen, wurden teilweise sogar dafür mobilisiert. Ihnen kam zumal auf regionaler und lokaler Ebene große Bedeutung zu, da man für die Regime-Inszenierungen (vor allem während des Kriegs) auch die „Volkmasse" benötigte. Generell wurden Staat und Partei jedoch primär durch Männer repräsentiert. Die geschlechts- politischen Vorgaben des NS-Regimes wurden so idealtypisch re- produziert. Das Fest war eine Arena, in der sich das Spannungs- verhältnis zwischen dem politischem Ideal einer wahren „Volks- gemeinschaft" und den gelebten gesellschaftlichen Realitäten zeigte .

Es erscheint daher zulässig, für die weibliche Partizipation bei politischen Feierlichkeiten des NS-Regimes jene „regressive Moder-

31 Vgl. Christoph Kühberger, Sexualisierter Rausch in der Diktatur? Ge- schlecht und Masse im italienischen Faschismus und im nationalsozialisti- schen Deutschland, in: ZfG 51 (2003), S.912-922, hier S.918f.

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nisierung" auszumachen, die in anderen Zusammenhängen be- reits herausgearbeitet wurde32. Denn einerseits weitete sich der weibliche Aktionsradius in der Öffentlichkeit aus, die Integration der „deutschen" Frauen in das öffentliche Leben außerhalb des Hauses war sogar erwünscht. Ihr Realeinfluss auf die Politik war jedoch andererseits gering und die ihnen zugewiesenen Rollen

blieben traditionell.

32 Vgl. z.B. Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20.Jahrhundert, Wien 1994, S. 348ff.

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