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Dieser Amerikaner heißt Comelius van Alen van Dyck

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als Lehrbuchautor und Förderer des arabischen

Wissenschaftsjoumalismus *

Von Dagmar Glass, Leipzig

Am 13. November 1995 jährte sich zum 100. Male der Todestag eines Amerikaners, der

sein Lebenswerk im Raum Syrien/Libanon vollbracht hat; es ist auf das engste mit jenem

Prozeß des kulturellen Umbruchs verbunden, der auf arabisch an-nahda al-'ümlya

genannt wird. Dieser Amerikaner heißt Comelius van Alen van Dyck; der Name deutet

aufdie niederländische Herkunft seiner Familie. Er wurde am 13. August 1818 als Sohn

eines Landarztes in Kinderhook (Bundesstaat New York) geboren. Nachdem der junge

Comelius sein Medizinstudiiun am Jefferson College in Philadelphia abgeschlossen hatte, trat er in den Dienst des American Board of Commissioners for Foreign Missions

(ABCFM), also derjenigen (presbyterianischen) Missionsgesellsehaft, welche ab den

1 820er Jahren im Nahen Osten aktiv zu werden begaim.

Unter denjenigen, die aus dem Westen in den arabischen Orient des 19. Jh.s drängten, tat sich dieser Comelius van Dyck in einer Weise hervor, die den bekannten Historiker George Antonius' veranlaßte, über ihn zu schreiben:

"Of all the foreigners who came to work in Syria in the nineteenth century, he entered more intimately into the life of the people than any other. So far as the power of example went, his was probably the most valuable and effective single influence ever exerted by a foreigner in the cultural development of the country."

Weder ein kirchenpolitischer Plan noch eine koloniale Strategie konnten van Dyck für sich vereinnahmen. Es waren andere Prinzipien, die ihn leiteten, nämlich philanthropi¬

sche tmd humanistische. Und diese sensibilisierten ihn auch fur die ureigenen und

wahrhaften Bedürfnisse des kulturellen Gegenübers.

Wer von den jimgen arabischen Intellektuellen, die bald als arkän an-nahda agieren sollten, mit van Dyck persönlich in Kontakt kam, lemte ihn schätzen tmd verehren,

angefangen von seinen Schülem Ya'QOb SarrOf (1852-1927), FÄRis Nimr (1856-

* Mit diesem Thema befaßt sich die Verfasserin im Rahmen einer größeren Studie noch ausführhcher.

' G. Antonius: The Arab Awakening. The Story ofthe Arab National Movement. London 1938, S. 48.

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1951)^ und Iskandar al-BärOdI (1856-1921)' bis hin zu ÖurGi Zaidän (1861-1914)".

Später haben sich daim auch arabische Historiker mit Leben imd Werk speziell dieses

Missionars zu beschäftigen begoimen. So wären, neben Antonius, beispielsweise

Namen zu nermen wie Tarräzi \ Sa'di ', TibawiTamim*, Farag' , HOrI '° oder

Gihä' '. Die Orientalistik hingegen hat sich, soweit ich sehe, kaum näher fiir Comelius van Dyck interessiert.

Er war im April 1840 - gerade 22 Jahre alt - nach Beimt gekommen. In Syrien, d.h.

dem unter osmanischer Herrschaft stehenden arabischen Osten, ging gerade die Dekade

der ägyptischen Okkupation durch die Tmppen Ibrähim Päsäs, Sohn des Muhammad

'All (reg. 1805-1848), zu Ende. In dieser Periode hatte der ostarabische Raum ver¬

schiedene Modemisierungsanstöße erhalten, z.B. im Bildungswesen. Und auch den

ausländischen Missionen waren größere Freiräume zugestanden worden als vorher.'^

In jenem Syrien zu behandeln - dazu hatte man den jungen Comelius van Dyck

^ Y. SarrOf/ F. Nimr: ad-Duktür Kumiliyüsßn Daik. In: al-Muqtataf [im folgenden: Muq.] 19 (1895), S. 881-888, bzw. 20 (1896), S. 1-5; DIES.: ad-Duktür fin Daik In: Muq. 14 (1890), S. 320-323; Y.

SarrOf: Timtälä d-Duktürain al-mutafiddilain ad-Duktür fin Daik wa-d-Duktür Würtabät. In: Muq.

42(1913), S. 521.

^ 1. al-BärOdI (Hrsg.): Hayät Kumiliyüs fin Daik. Ba"bdä 1900.

" G. Zaidän: Kumiliyüs fin Daik. In: al-Hiläl 4 (1895), S. 3-8 bzw. S. 42-48. (Auf beiden Artikeln fußt der Aufsatz über van Dyck in Zaidäns Werk Tarägim masähir as-Sarq. Bd. 2. Kairo 1903, S. 52-70.) Zu Zaidäns Ansichten über den Hochschullehrer und Missionar sowie das SPC s. auch S. ad-DIn al- MunaGGid (Hrsg.): Mudakkirät öurgi Zaidän. Beimt 1966 (od. 1967); eine engl. Übersetzung findet sich in Th. Philipp: Öurgi Zaidän. His Life and Thought Beirat 1979, S. 121-219, s. insb. S. 178-180.

' F. d. TarräzI: Tärih as-sihäfa al-arabiya. Teile 1 und 2. Beirut 1913 (ReprinO, insb. Teil 1, S.

134-150.

' L. M. Sa'di: Al-Hakim Comelius Van Alen Van Dyek (1818-1895). In: Isis 77 (1937), S. 20-45.

' A. L. Tibawi: American Interests in Syria 1800-1901. A Study of Educational, Literary and Religious Work. Oxford 1966; DERS.: The Genesis and Early History of the Syrian Protestant College. In: DERS.

(Hrsg.): Arabic and Islamic Themes. London 1976, S. 253-285 (= Reprint seines Beitrages zum Festival Book anläßlich des lOOjährigen Bestehens der Amerikanischen Universität Beimt, Beirat 1967).

' S. Tamim: A Bibliography of A.U.B. Faculty Publications 1866-1966. Beirat 1967.

' N. FaraG: al-Muqtataf 1876-1900: A Study of the Influence of Victorian Thought on Modern Arabic Thought. (Unveröff Phil-Thesis), Oxford 1969, insb. S. 14 f , und DIES.: The Lewis Affair and the Fortunes of al-Muqtataf In: Middle Eastem Studies 8 (1972), S. 73-83.

Y. Q. HOrI: ad-Duktür Kumiliyüs fin Daik wa-nahdat ad-Diyär ai-Sämiya al-'ilmiya fi l-qam al- täsi' 'aSar. London 1990.

" §. ÖIHÄ: Dänvin wa-azmat 1882 bi-d-Dä'ira at-TU)biya wa-awwcd tqura tulläbiya fi l-'älam al-'arabi bi-l-KulTiya as-Süriya al-Ingltlya. Beirat 1991.

'2 S. dazu u.a. J. Richter: Mission und Evangelisation im Orient. Gütersloh 1908 (2. Aufl. 1930); P.

Kawerau: Amerika und die orientalischen Kirchen. Ursprung und Anfang der amerikanischen Mission unter den Nationalkirchen Westasiens. Berlin 1958; J. A. FIELD: From Gibraltar to the Middle East America and the Mediterranean World, 1776-1882. Princeton 1969 (new ed. 1991) und A. SCHÖLCH:

Der arabisehe Osten im neunzehnten Jahrhundert, 1800-1914. In: U. HAARMANN (Hrsg.): Geschichte der arabischen Weh. München M991, S. 365-431 (zu Quellen und weiterführender Literatur s. ibid., S.

660-662).

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dorthin entsandt. Sein Aufenthah sollte sich jedoch anders gestalten als ursprünglich

vorgesehen und dem Arzt nicht nur sein medizinisches Können abverlangen. So fmden

wir denn seinen Namen im Laufe der Zeit mh den verschiedensten Missionsstationen bzw. Bildungsprojekten verknüpft. Der Bogen spannt sich von der Missionsschule

'Abeih" im öabal Lubnän, wo van Dyck zwischen 1840 und 1850 als Lehrer und

Schuldirektor eingesetzt war, über die Beimter Wissenschaftsgesellschaften'" bis hin zur al-Madrasa as-Sürlya al-Kulliya al-Ingiliya (besser bekannt als "Syrian Protestant College", abgek.: SPC)'*, wo er von 1867 bis 1882 den Lehrstuhl für Innere Medizin

und allgemeine Pathologie innehatte und, daneben, in den Fächem Chemie, Meteoro¬

logie und Astronomie unterrichtete.

1. Van Dycks Publikationen: eine Quelle des arabischen Wissenschaftsjoumalismus Van Dycks Wirken für die nahda 'ilmlya äußert sich auch in einer umfangreichen Publikationstätigkeit auf arabisch. So zeichnet van Dyck, nach Eli Smith (1801-1857), für das Missionsprojekt der Bibelübersetzung ins Arabische verantwortlich; im vorlie¬

genden Zusammenhang kommt jedoch seinen 29 arabischsprachigen Büchem und etwa

20 Aufsätzen eine größere Bedeutung zu. Diese Publikationen sind sowohl das Ergebnis der Übersetzung englischsprachiger Lehrwerke wie auch eines eigenständigen Schaffens.

Zudem gab er drei arabischsprachige Missionsperiodika" heraus.

Von den insgesamt 29 Büchem greifen 8 christlich-religiöse Themen auf" 21 Pu-

" Diese höhere Missionsschule von 'Abeih ('Abai, 'Bayy, landläufig auch: Abeih od. 'Abaih), eine ursprünglich englischsprachige "Kaderschmiede" zur Heranbildung von einheimischem Missions¬

nachwuchs, verwandelte van Dyck mit Hilfe des Lehrerkollegiums in eine der ersten modemen Schulen Syriens. Vgl. dazu u.a. R. H. Lindsay: Nineteenth Century American Schools in the Levant:

a Study of Purposes. Ann Arbor 1965, S. 106 und 159 ff.

Die erste dieser Gesellschaften, die öam'iya Süriya li-ktisäb al-'Ulüm wa-l-Funün, wurde 1847 in Beirut gegründet.

1866 von der amerikanischen Mission gegründet; heute imter dem Namen American University of Beirut (AUB) bekannt.

" Bs handelt sich hierbei um die sämtlich in Beirut erschienenen Periodika Ahbär 'an intisär al-Ingilfi amäkin muhtalifa (1863-1868), an-Nasra as-Sahriya (1868-1870) und an-Nasra al-Usbü'iya (1871-?), das bedeutendste der drei Periodika. Vgl. dazu HOrI, op. cit (Anm. 10), insb. S. 66-69.

" Dazu gehören, neben einem Werk der Traktatsliteratur über Entstellungen in der Bilder- und Statuen- verehnmg, 2 Katechismen, 2 Sammlungen von Predigten und 3 größere Übersetzungsarbeiten, die man unter dem Oberbegriff "religionshistorische Erzählliteratur" zusammenfassen könnte. Letztere drei sind arabische Übersetzungen amerikanischer Vorlagen. Dazu gehört, erstens, J. H. DOUBIGNE: History of the Reformation. New York 1869 (1877 unter dem arabischen Titel Tärih al-isläh fi l-qarn as-sädis 'asar in Beimt erschienen) - das Werk schließt auch eine Luther-Biographie ein. (1913 erschien das ursprünglich zweibändige Werk in einer einbändigen Neufassung, die IbrAhIm al-HauränI besorgt hatte.) Vgl. HORI: op. cit (Anm. 10), insb. S. 69 f Die beiden anderen Arbeiten sind E. R. CHARLES:

Chronicles of the Schoenberg-Cotta Family. New York 1864 (Qis.^at bait Sünbirg wa-Kuttä. Beimt 1885) und L. WALLACE: Ben Hur. New York 1890 (Buzüg an-nür 'alä Ibn Hür. Beirut 1896). Das Werk über die Reformationsgeschichte und die Familienchronik erschienen zunächst als Fortsetzungen in an-Nasra al-Usbü'iya. Vgl, HOrI: op. cit (Anm. 10), S. 59-78.

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blikationen, also weit mehr als die Hälfte, sind dagegen wissenschaftliche Schul- bzw.

Lehrbücher, die allgemeinbildende Stoffe (wie z.B. Geographie), Themen aus der

Naturwissenschaft oder medizinische Fragen behandeln (s. dazu die Übersicht). Mithin ist der Großteil seiner Publikationen keine christliche Literatiu: im engeren, religiösen Sinne.

Bedenkt man, daß zu jener Zeit aufgrund des gravierenden Mangels an arabischen Texten nicht-religiösen, allgemeinbildenden und (natur-)wissenschaftlichen Inhalts ein effektiver Unterricht, sei es auf elementarem oder Hochschulniveau, kaum möglich war,

dürfte der Stellenwert dieser Komponente des Wirkens van Dycks ohne weiteres ein¬

leuchten.

Das Lehrbuchschaffen begaim der Missionar während seiner Zeit in 'Abeih; es

währte bis 1893. Als Erstlingswerk gilt das Geographiebuch Kitäb al-mir'ät al-wadiya fi l-kura al-ardiya (478 S.), dessen 1. Auflage bereits 1851" in Beirut erschien. Wohl

(noch) mit Hilfe von Butrus al-Bustäni (1819-1883) verfaßt - der zu jener Zeh in 'Abeih Arabisch und Mathematik unterrichtete -, avancierte es rasch zu einem Standardwerk"

und fand beachtliche Verbreitung^". Später wurde es übrigens auch ins Persische^' über¬

setzt. Das berühmteste Alterslehrwerk van Dycks ist hingegen das Kitäb an-naqs fi

l-hagar (auch unter den Titeln Silsilat oder Magmü'at an-naqs fi l-hagar bekannt); es

erschien zwischen 1886 und 1889 in Beirut. Es besteht aus 8 Teilen, die - wie der

Übersicht am Schluß des Aufsatzes zu entnehmen - jeder für sich in ein anderes Wis¬

sensgebiet einführen. Zunächst als eine Lemhilfe zur Vorbereitung auf ein Studium am SPC verwendet, ist an-Naqs fi l-ha^ar später auch von den ägyptischen Schulbehörden

- auf Empfehlung Ya'qüb SarrOf's - als Unterrichtsmittel zugelassen worden.^^ Der

AUB-Dozent Fu'äd SarrOf - ein Neffe Ya'qübs und nach seinem Onkel Herausgeber

der Zeitschrift al-Muqtataf - charakterisierte es als "das erste allgemeinverständliche Lehrwerk zu den modemen Wissenschaften in arabischer Sprache"".

Comelius van Dyck heißt auch der Verfasser des Chemiebuches Usül al-kimiyä (412

S.), des ersten modemen Hochschullehrbuches Syriens; bald nach seinem Erscheinen wurde es ebenfalls ein Standardwerk. Es ist ein Resultat seiner ersten beiden Unterrichts-

Vgl. ibid, S. 107, 109 und 215. Tibawi: op. cit. (The Genesis ... Anm. 7), S. 284, datiert dagegen die 1. Auflage auf das Jahr 1852. Wie auch immer, dieses Geographiebuch wurde in der Folge mehrfach aufgelegt; die 2., verbesserte Auflage erschien 1870 in Beimt, vgl. yORl: op. cit (Anm. 10), S. 110. Mir war in der British Library/Oriental and India Office CoUections eine Auflage von 1852 zugänglich, deren Titelblatt in Sa'di: op. cit (Anm. 6), S. 40, abgebildet ist.

" Vgl. Tibawi: op. cit (American Interests ... Anm. 7), S. 251.

^"Ibid.S. 307.

^' Vgl. dazu Sa'dI: op. cit (Arun, 6), S. 40; dort ist auch das Titelblatt der persischen Ausgabe abge¬

bildet.

Vgl. HÜRl: op. cit (Anm. 10), S. 162.

" F. SARROF: Ya'qüb Sarrüf. In: Risälat al-'ilm 25 (1958), S. 402.

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jähre am SPC und mnde 1869 in Beimt gedmckt. Man setze hinzu: auf seine eigenen

Kosten. Denn die Missionsleitimg sparte (nach wie vor) besonders darm, werm es tun

nicht-religiöse Literatiu ging."

Und schließlich - weil für die hier vorgenommene Dokumentation des Lehrbuch¬

schaffens van Dycks ebenso von besonderem Interesse - soll noch das Buch mit dem

Titel Kitäb an-naja'is li-talämidat al-madäris {IIA S.) hervorgehoben werden. Es

handelt sich dabei um eine arabische Chrestomathie, besser vielleicht Fibel oder Lese¬

buch, die sowohl literarische und historische als auch naturwissenschaftliche Texte beinhaltet. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Missionar zusammengestellt tmd herausgegeben worden.

Diejenigen Zielgmppen, aufdie sich der Lehrbuchautor van Dyck am meisten kon¬

zentrierte, waren zum einen die Smdenten des Beimter SPC und zum anderen Schüler, die höhere Studien anstrebten. Primär an diese jungen (angehenden) Akademiker richte¬

ten sich seine 8 Hochschullehrbücher bzw. das K. an-Naqs fi l-ha^ar. Nur 5 seiner

Bücher waren dagegen für ein elementares bzw. mittleres Schulniveau bestimmt. Van

Dycks Buchschaffen zielte demnach hauptsächlich auf die künftige intelligentsia Syriens.

Nicht unerwähnt bleiben sollen hier Stimmen, denen zufolge seine Lehrbücher auch außerhalb des christlichen Rahmens der "Culturbestrebungen in Beimt" bei musli¬

mischen Autoritäten Beachtung fanden. So enthält HüRls Arbeit den Hinweis, daß auch

der bekannte Reformer Muhammad RaSd Ridä (1865-1935) an-Naqs fi l-hagar gelesen

habe.^* Ja sogar in Kreisen der Azhar seien van Dycks Lehrbücher mit Wohlwollen bedacht worden." Was schließlich ebenso für eine Anerkennung von muslimischer Seite

spricht, ist das Engagement des Reformers Muhammad 'Abduh (1849-1905) in der

Vorbereitung des 50. Jahrestages der Ankunft van Dycks in Syrien."

Über seine Arbeitsweise als Lehrbuchautor und darüber, wie er das Ausdmcks-

handicap zu überwinden verstand, dem sich die arabische Sprache im 19. Jh. gegen¬

übersah, ist uns nur weniges bekaimt. Bisher hat sich wohl nur HÜRl (1990) - und auch er nur ansatzweise - mit dieser Frage befaßt.

Aber schon die wenigen verfügbaren Fakten lassen den Schluß zu, daß van Dyck

arabische Wissenschaftstradition und europäische Modeme zu harmonisieren versuchte.

So geht aus HOrI's Studie u.a. hervor, daß der Missionar dem arabischen Erbe große

" Vgl. Tibawi: op. cit. {American Interests ... Anm. 7), S. 184 f.

" HORl: op. cit (Anm. 10), S. 165/Anm. 14.

" S. dazu Sa'di: op. cit (Anm. 6), S. 36.

" Die Feierlichkeiten fanden am 2. April 1890 in Beimt statt. Zum Bericht über ihre Vorbereimng s.

SarrOf/Nimr: op. cit {ad-Duktürßn Daik ... Anm. 2): 'Abduh koordinierte den ägyptischen Beitrag, vgl. ibid, S. 321.

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Aufmerksamkeit schenkte. Dazu bediente er sich vermutlich europäischer Editionen arabischer Werke (ggf auch ihrer Übersetzungen).

Zu van Dycks klassischem Handapparat gehörten u.a. das Kitäb al-qänün fi t-Tibb des Ibn Smä (gest. 428/1037)^* und das Wafayät al-a'yän fi anbä' abnä' az-zamän des Ibn Hallikän (gest. 681/1282)^'. Des weiteren lassen seine Arbeiten auch eine Bezugnahme

auf andere Werke erkermen, z.B. die des Geographen Yäqüt ar-Rümi al-HamawI (gest.

626/1229), des Mathematikers Abü l-Wafa' al-Buzgäni (gest. 387/997 od. 388/998), des

Mediziners Däwüd ibn 'Umar al-Antäki (gest. 1008/1599), des Biographen Ibn Abi

Usaibi'a (gest. 668/1270) oder der Historiographen Abü 1-Fara| ibn 'Ibri (Barhebräus;

gest. 1286), Abü 1-Fidä' (gest. 732/1329) und Ibn Qädi Suhba (gest. 851/1448).'°

Die Bibliothek des Missionars im einzelnen zu erschließen wie auch das Maß zu

beurteilen, in welchem er klassische Werke bzw. andere als Vorlage heranzog (etwa

auch ägyptische Lehrbücher oder von der englischen Church Missionary Society auf

Malta gedruckte Bücher bzw. westliche Werke) - all das bleibt einer genaueren Untersu¬

chung, inklusive entsprechenden Textvergleichen, anheimgestellt. Vorläufig muß man

sich mit der allgemeinen Feststellung begnügen, daß van Dyck im Rahmen seiner

Möglichkeiten große Anstrengungen untemahm, die arabischen Vorleistungen des

Mittelalters zu berücksichtigen imd - vomehmlich in bezug auf die Termini - eine

Kontinuität zu wahren."

2. Van Dyck als Förderer des arabischen Wissenschaftsjoumalismus Allgemeines

Was der Missionar begonnen hatte, sollten seine Schüler Sarrüf und Nimr, insbesondere

in ihrer Eigenschaft als Herausgeber der Wissenschafts- und Kulturzeitschrift al-

Muqtataf, fortsetzen. Dieser sein Einfluß auf den arabischen Zeitschriftenjoumalismus ist bislang jedoch meistens nur am Rande erwähnt worden.

Der Joumalismus, eine fiir die Araber neue Art von literarischem Untemehmen, begarm sich in der 2. Hälfte des 19. Jh.s zu entwickehi. Von daher darf man wohl sagen,

daß dieses Untemehmen, was Themenwahl und Darstellungsformen angeht, zu Zeiten

van Dycks gerade im Begriff stand, eine Experimentieiphase zu durchlaufen.

Man könnte nun des Missionars Engagement fur den arabischen Joumahsmus anhand

verschiedener Periodika diskutieren. Neben an-Nasra al-Usbü'iya ("Der Wochenbe-

" Vgl. HORl: op. cit (Anm. 10), S. 119. Verfasser stützt sich hier auf eine Mitteilung Y. SarrOFs: al- öuz' at-tßni min an-naqs fi l-hagar. In: Muq. 11 (1886), S. 62.

^Ubid.,S. 128 und 134.

"'Ibid.,S. HO, S. 118, S. 128 bzw. S. 134.

" Van Dyck soll z.T. sogar mehr Mühe als die ägyptischen Übersetzer darauf verwendet haben, originäre arabische Äquivalente für westliche Termini zu finden, vgl. ibid., S. 108.

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rieht")" muß dabei aber der libanesischen Zeitschrift al-Muqtataf besondere Auftnerk¬

samkeit zuteil werden; seine beiden Meisterschüler Ya'qüb Sarrüf und Färis Nimr hatten sie 1876 im Milieu des Beimter SPC gegründet."

Zu jenem Zeitpunkt gehörten die beiden arabischen Christen, die dem Missionar einst

als Studenten begegnet waren, schon dem Lehrkörper des SPC an. Mit dem Muqtataf

entstand eine Zeitschrift, die auf das gesamte Geiure modellbildend wirken sollte. Sie tmg entscheidend dazu bei, die Presse als Mediimi der öffentlichen Kommunikation auch im arabischen Orient zu verankem und die arabische Sprache dafür entsprechend

aus- (bzw. um-)zurüsten. Möglicherweise ging mit dem Muqtataf auch ein Traum van

Dycks m Erfüllung, den mit an-Nasra al-Usbü'iya za verwirklichen ihm versagt blieb - das ist vorerst jedoch nicht mehr als eine Spekulation.

Vom Lehrbuch zur Zeitschrift

Um den Lehr-und Lemprozeß der nahda abzustützen, reichten - auf lange Sicht - Schul¬

bzw. Lehrbücher mehr oder weniger elementaren Charakters natürlich nicht aus, zumal dieser Prozeß ja auch nicht nur auf ein (Hoch-)Schulmilieu beschränkt bleiben, sondem ebenso andere Bevölkemngsgmppen erfassen sollte. Hinzu kam folgende Schwierigkeit:

Sich der Wissensentwicklung rasch anzupassen - das fällt Lehrbüchem bzw. deren

Autoren generell schwer; ein arabisches Lehrbuch des 19. Jh.s für Chemie, Medizin etc.

war dazu aber noch viel weniger in der Lage. Das Medium, welches Grenzen solcher Art überspringen koimte, mußte qualitativ anders beschaffen sein.

Solche Gründe, neben anderen, bewogen junge arabische Intellektuelle zu jener Zeit, sich in wachsendem Maße flir Periodika, d.h. Zeitungen imd Zeitschriften, zu inter¬

essieren. Darüber, was Sarrüf und Nimr veranlaßte, den Muqtataf zu gründen, reflektier¬

ten sie - Jahre später - wie folgt:

"Zu jener Zeit [d.h. um 1876 - D.G.] schien es uns unmöghch zu sein, den westlichen Nationen (umam garbiya) in den Wissenschaften folgen zu können, weim wir uns weiter nur auf [Lehr-]Bücher (kutub) stützten ... Dazu schritten die modemen Wissenschaften ('ulüm hadita) viel zu schnell voran. Was einer in einem Jahr schrieb, nannten andere im

" Diese Sseitige, illustrierte Wochenzeitung (Format: 28cm x 17cm) erschien ab 10. Januar 1871 bis wenigsten in die erste Dekade des 20. Jh.s. Ihre Themen reichten von Missionsnachrichten über religionsgeschichtliche Erzählungen und Biographien bis hin zu naturwissenschaftlichen Aufsätzen (z.B. über Fragen der Astronomie, Zoologie, Botanik, Medizin und Meteorologie). Van Dyck leitete die Zeining bis 1879; dann entzog man ihm diese Aufgabe. Ab 1880 betteute IbrähIM al-HauränI (1844-

1916) die Zeitung. Zu I. AL-HauräNI s. u.a. K. AL-YÄZIGI: as-Saih Ibrähim al-Hauräni fi fagr an- nahda al-hadita, 1844-1916. Beimt 1960. Zu weiteren Details über an-Nasra al-Usbü'iya s. F. D.

TarräzI: op. cit. (Anm. 5), Teil 2, S. 20 f und ^ÜRl: op. cit (Anm. 10), S. 67-69.

" Eine Monatszeitschrift im Format 15cm x 23cm, die ab Mai 1876 zimächst in Beirut herausgegeben wurde imd 1884/85 nach Kairo umzog. Dort erschien sie kontinuierlich bis Dezember 1952. Die ersten 5 Jahrgänge bestehen aus 12 Heften zu je 24 Seiten; danach verdreifacht sich die Seitenzahl pro Heft.

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nächsten schon veraltet.

Eine Zeitschrift (ganda) war notwendig geworden, die Monat für Monat die Früchte der (natur-)wissenschaftlichen Erkenntnisse und Forschungen (timär al-ma'ärif wa- l-mabähit al-'ilmlya) pflückte (taqtatifu), um [auch] die arabischen Länder in ihren Genuß zu bringen. Deshalb faßten wir den Vorsatz, al-Muqtataf zu gründen."'''

Die beiden beabsichtigten, wie sie im Vorwort zum ersten Heft vom Mai 1876

schrieben, wissenschaftliche Fragen mehr tmter dem Aspekt ihrer Anwendimg zu

behandeln. Derm die Europäer, so meinten sie, hätten die Araber auch deshalb über¬

flügelt, weil sie Wissenschaft aus den Gelehrtenstuben in die Werkstätten überführt, d.h.

für Handwerk, Gewerbe und Landwirtschaft produktiv gemacht hätten.

Diese Orientierung auf die praktische Seite der Wissenschaft aber machte es notwen¬

dig, sich nicht nur neuen Wissensinhalten zuzuwenden (die auch für nicht-akademische

Bevölkenmgsgruppen Relevanz besaßen), sondem auch neue, beweglichere Formen der

Wissensverbreitung und Unterweisung zu schaffen.

So sehr die junge Zeitschrift nun aber darum rang, sich vom Lehrbuch zu emanzipie¬

ren - zunächst bheb sie, mehr oder weniger, dem Lehrplan des SPC verhaftet, ja war im Grunde doch eher eine Unterrichtshilfe deim etwas anderes. Erst in einem längeren

Prozeß konnte der Muqtataf den Einzugsbereich des Lehrbuches verlassen und ein

eigenständiges Profil gewinnen. Das, was man heute vor allem in der Zeitschrift Sarrüfs und Nimrs sieht, nämlich eines der führenden kulttorellen Foren, koimte die Zeitschrift letztlich erst in ihrer ägyptischen Periode ab 1885 werden.

Van Dycks Starthilfe für den Muqtataf

Der frühe Muqtataf profitierte auf verschiedene Weise von Comelius van Dyck. So

gewährte der Missionar den jimgen Libanesen z. B. erstens organisatorisch-technische Starthilfe und inspirierte sie zweitens in sprachlich-inhaltlicher Hinsicht.

1) Van Dycks Starthilfe begann mit dem entscheidenden Benennungsvorschlag und

reichte bis hin zur dmcktechnischen Realisierung.

"Uns wollte", so schrieben Sarrüf und Nimr," "kein passender Name einfallen. So gingen wir zu unserem Lehrer, Dr. van Dyck um ihn um Rat zu bitten ... Wir fragten ihn, ob er nicht einen Namen für das wüßte, was wir vorhatten ... Er sagte: Nennt die Zeitschrift doch 'al-Muqtataf und macht sie so, wie sie heißt ...

Darm schrieb er an Halil al-Hüri", den berühmten Dichter, der seinerzeit dem Dmck

" SarrOf/Nimr: op. cit (ad-Duktür Kumiliyüs ... Anm. 2), S. 887.

" Vgl. DIES., in Muq. 1 (1876/77), S. 1.

" Dies.: op. cit. (ad-Duktür Kumiliyüs ... Anm. 2), S. 887.

" Al-HürT (1836-1907) ist vomehmlich als der Gründer der ersten nicht-staatlichen Zeitang Beimts, der Hadiqat al-Aljbär (gegr. 1858) bekannt. Für das arabische Dmckwesen Bemrts war er von 1860 bis

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wesen Syriens vorstand. Er bat ihn, uns behilflich zu sein, um vom Sultan so schnell wie möglich eine Lizenz (ruf}sa) zu erhalten ... Und kaum daß ein Monat vergangen war, bekamen wir diese Lizenz."

Femer sorgte van Dyck in seiner Eigenschaft als Leiter der Missionsdmckerei auch

dafür, den Muqtataf in deren Verlagsprogramm aufzimehmen; obendrein hatte er mit

Sähin Makäriyüs (1853-1910)'* einen fähigen Dmcker an der Hand. Solcherlei Unter-

stützimg war natürlich zur damaligen Zeit, da sich das arabische Dmckwesen gerade zu entfalten begaim, von imschätzbarem Wert.

2) Zudem steuerte van Dyck auch selbst einige Aufsätze zum Muqtataf hei?'' So

prägte er - zusammen mit anderen SPC-Lehrkräften, wie z.B. Harvey Porter, George

Post oder Edwin Lewis, die gleich ihm verschiedene Beiträge schrieben - auch als Autor das Gesicht der jimgen Zeitschrift mit.

Mehr hervorhcbenswert scheint mir aber der Umstand zu sein, daß van Dyck die

Zeitschrift mit seinen Lehrbüchem vorbereitet hatte, wenn auch nicht allein nur er. Ein

Vergleich des Chemiebuches Usül al-kimiyä (im folgendeniUK) von 1869 mit Texten

des Muqtataf (im folgenden: Muq.) macht verschiedene Seiten dieser Art von Einflu߬

nahme deutlich. Was dabei sofort ins Auge fällt, sind eine Reihe von Abbildungen, z.B.

chemischer Apparaturen, die zuerst in UK und dann emeut im Muq. vorkommen.

Abgesehen davon stellte das Lehrbuch auch einen wichtigen Teil des sprachlichen Rüstzeugs der Joumahsten; dazu gehörten, neben dem glatten, schmucklosen Stil, vor allem die wissenschaftlich-technischen Fachtermini. So ist eben z.B. die chemische Terminologie des Muq. weitestgehend mit der in UK verwendeten identisch.

Wie UK benutzte auch Muq. beispielsweise zirnih für "Arsen", krüm för "Chrom", kübah für "Kobalt", blätin für "Platin", zi'baq (auch: zibaq) fiir "Quecksilber", uksigin für "Sauerstoff, haidrügin (bzw. hidrugln) für "Wasserstoff, qasdir für "Zinn" und tütiyä oder zink für "Zink". Wie UK schrieb auch Muq. uksid für "Oxid", ballür{-ät) (oder: billaurl-ät) fur "Kristall(e)", ballüri (oder: billauri) für "kristallin" und tabalwara für "sich kristallisieren" bzw. "kristallisiert werden" oder karbünät für "Karbonat", klürid an-nuhäs für "Kupferchlorid", kibritit für "Sulfit", hämid haidrüklürik für

"Salzsäure", hämid kibritlk für "Schwefelsäure" und hämid kibritüs für "schweflige

1888 verantwortlich. Zu weiteren Details s. den Nachmf in Muq. 33/12 (1908/ Dezember), S. 993-1002, bzw. 34/1 (1909/ Januar ), S. 12-14, und Y. A. DAGlR: Masädir ad-diräsa al-adabiya. Bd. 2. Beirut

1955, S. 344-347.

" Makäriyüs, der bald zum "inneren Kreis des Muqtataf gehörte, gründete später in Ägypten die literarische Zeitschrift a/-/,arä';/(erschien 1886-1896). Zu weiteren Details s. u.a. SarrOf/Nimr: Sähin Bek Makäriyüs. In: Muq. 37 (1910), S. 617-622, N. Farag: op. cit (Anm. 9), S. 48-56, und Y. A.

DäGir: op. cit (Anm. 37), Bd. 3, Bemit 1972, S. 1271 f

Z.B. den großen Fortsetzungsartikel Tärif) Atibbä' al-Yünän wa-s-Sarq. In: Muq. 1 (1876/77), S. 25- 28; S. 49-51; S. 73-75 und S. 97 f über die Geschichte der Medizm .

(10)

Säure".

Sprachkritikem, die nur die Nisbe-Ableitung von kibrit (Schwefel), nämlich kibrifi, zulassen wollten, nicht aber Ableitungen auf -lk (für engl.: -ic) bzw. -üs (für engl.: -ous), erwiderten Sarrüf und Nimr in einem Aufsatz von 1908:

Die modeme Chemie unterscheidet zwischen Schwefelsäure und schwefliger Säure. Wie Experten wissen, handeh es sich dabei um zwei verschiedene Substanzen. Um sie genau auseinanderhalten zu können, benutzen wir diese zwei Ableitungen von kibrit. "Wer keinen Unterschied macht und nur hämid kibrift verwendet - der sagt auch zum Pferd Esel, weil beide Tiere einen Kopf und einen Schwanz haben."'"'

Die Beobachtimg, daß Muq. anfangs UK noch sehr nahe ist, drängt sich bei einem

Vergleich des ersten Bandes der Zeitschrift mit dem Lehrbuch van Dycks geradezu

massiv auf Von den 94 größeren Muq.-Artikeln beschäftigen sich allein 15 mit der

chemischen Zusammensetzimg von Elementen, Mineralien und Werkstoffen (wie z.B.

Glas und Eisen). Bezieht man daneben auch die 9 Beiträge über landwirtschaftliche und die 9 Artikel zu handwerklichen Fragen in die Betrachtung mit ein, die in der Regel ebenfalls mit chemischen Termini angereichert sind (und dazu noch die kleineren Texte wie beispielsweise die sog. fawä'id, die u.a. den Einsatz bestimmter chemischer Sub¬

stanzen zum Färben von Stoffen oder zur Oberflächenveredlung beschreiben) - daim

scheint UK in der Zeitschrift quasi (noch) allgegenwärtig zu sein."'

Von der Zeitschrift (zurück) ins Lehrbuch: das Kitäb an-naja'is

Schließlich deutet manches daraufhin, daß van Dyck auch aufdie Rezeption von Muq.- Texten Einfluß genommen hat. In diesem Zusammenhang ist das Lesebuch (Chrestoma¬

thie, Fibel) Kitäb an-nafa'is li-talämidat al-madäris von besonderem Interesse (im

folgenden: K. an-nafa'is).

Eine Zwischenbemerkung

Eine nähere Beschreibung dieses Buches habe ich in der einschlägigen Fachliteratur

Muq. 33 (1908), S. 563. Der Aufsatz Uslübunä fi t-ta'rlb, dem dieses Zitat entnommen ist, wurde 1908 erstmals veröffentlicht (s. Muq. 33, S. 559-565; Reprint in Muq. 70 (1927/ Jan.-Jun.), S. 481-487).

Im übrigen hat die noch heute gebräuchliche arabische Fachsprache der Chemie die Beiträge des Missionars und seiner Kollegen weitgehend bewahrt. Vgl. dazu u.a. G. Krahl: Die technischen und wissenschaftlichen Termini im modemen Arabisch. Eine Untersuchung zur arabischen Wortbildung.

(Unveröff. Diss.) Leipzig 1967, insb. S. 125-131, bzw. A. S. M. ALI: A Linguistic Study of the Develop¬

ment of Scientifiic Vocabulary in Standard Arabic. London und New York 1987.

'" In Muq. 1 (1876/77) befassen sich femer 10 größere Aufsätze mit Fragen der Physik, 9 mit Astrono¬

mie, 7 mit Biologie, 6 mit Wissenschaftsgeschichte, 5 mit Medizin und Gesundheitsfürsorge, 4 mit Kultur- imd Sozialgesehichte, 4 mit Gerätekunde und Technik, 3 mit Geographie, 2 mit der Evolutions¬

theorie, 2 mit Psychologie bzw. Parapsychologie, 2 mit der Biographie des englischen Naturforschers Isaac Nevv^on, 1 mit Sprachgeschichte und 1 mit Mathematik. 5 Aufsätze fallen unter Sonstiges.

(11)

bislang vergeblich gesucht. Und wenn es überhaupt Erwähnung fmdet, stößt man auf Unstimmigkeiten.

Weil auf dem Titelblatt des Kitäb an-nqß'is - im Unterschied zu den anderen

Lehrbüchem - der Name Comehus van Dyck fehlt, ist nicht zweifelsfrei zu bestimmen, ob es zu den Publikationen des Missionars gehört. Einiges spricht dafür, anderes da¬

gegen. Tamim verzeichnet es in seiner Bibliographie"^ nicht, Tibawi "' hingegen fiihrt es unter den Werken van Dycks mit auf, ohne allerdings ein Erscheinungsjahr zu nennen.

Ein Hinweis auf den Missionar als Herausgeber fmdet sich auch im Arabica-Katalog der British Library (BL) von 1894"". Demzufolge soll es sich bei der 1886er Ausgabe des Buches aber schon um die 2. Auflage handeln.

Meine Ausführungen basieren nun auf eben diesem Exemplar der BL. Danach ist das

Buch, wie gesagt, 1886 - mit Genehmigung des Maglis Ma'ärif Wiläyat Süriya al-

öatila - in Beimt gedmckt worden. Nichts an dieser Edition deutet allerdings daraufhin, daß es sich hierbei tatsächlich schon um die zweite Ausgabe handelt.

Das K. an-nafa'is besteht aus 8 Abschnitten (aqsäm), die Texte aus verschiedenen Bereichen umfassen, z.B. aus der Literatur, der Historiographie und den Naturwissen¬

schaften. Es vereint klassische und zeitgenössische arabische Stücke."' Der äußere Zuschnitt erinnert im übrigen sehr an Lesebücher für europäische Bildungsvereine des

19. Jh.s.

Was das Buch nun im gegebenen Zusammenhang besonders interessant macht, ist der

Umstand, daß 3 von den 8 Abschnitten Muq.-Aufsätze enthalten und ein Abschnitt,

nämlich der fünfte (Nubad Ulmiya), ausschließlich aus solchen besteht. Letztgenannter beinhaltet 22 zumeist naturkundliche Beiträge, die mehrheitlich von Sarrüf und Nimr verfaßt worden sind."' Aufgrund der Tatsache, daß diese Aufsätze sämtlich aus den ersten beiden Jahrgängen der Zeitschrift (1876/77 und 1877/78) stammen, ist natürlich nicht auszuschließen, daß das Buch auch schon vor 1886 aufgelegt worden ist.

Im K. an-nafa'is hatten Lehrbuch und Zeitschrift die Rollen getauscht. Hier war es der Lehrer - (vermutlich) van Dyck -, der Texte von seinen Schülem genommen hatte, und zwar - wie wohl unterstellt werden darf - in der Absicht, sie über den Rahmen des

Tamim: op. cit. (Anm. 8), S. 330 f.

TIBAWI: op. cit (The Genesis ... Anm. 7), S. 284.

" Catalogue of Arabic Books. Bd. I. London 1894, Sp. 515; hier ist das/:, a/i-nö/ä'is mit der Signatiu- 14586.b.26. verzeichnet.

Die Abschnittsüberschriften lauten im einzelnen: 1) Hikäyät wa-nawädir, 2) Amtäl, 3) Tarägim ba'd al-a'läm wa-l-masähir, 4) Fusül tärilfiya, 5) Nubad 'ilmiya, 6) Hikam mansüba ilä l-lmäm 'Ali ibn Abi Tälib, 7) As'är und 8) Maqämät.

" Dazu gehören beispielsweise die Aufsätze mit den Überschriften al-Qamar ("Der Mond") (Erstver¬

öffentlichung in Muq. 1 [1876/ Mai], S. 7-13), al-Matar ("Der Regen") (ibid., S. 21-22) oder Garä'ib al-gauw ("Die Merkwürdigkeiten der Atmosphäre") (Muq. 2 [1877/August], S. 65-67).

(12)

SPC hinaus nutzbar und pubhk zu machen. Die Zielgruppe des Kitäb an-nqß'is deckt sich offensichtlich nicht mit der Studentenschaft. Hier werden vielmehr die talämidat al- madäris, also Schüler (und vielleicht auch deren Eltem), angesprochen.

Auf diese Weise aber strebte man nach zweierlei: Ztun einen versuchte man - neben

den Akademikem - auch andere soziale Gmppen an die neuen Wissensinhalte her¬

anzuführen, zimi anderen brachte man ebendiesen anderen Gmppen auch neue "literari¬

sche Muster", z.B. joumalistische Texte, näher und warb so - wenn auch indirekt - um künftige Zeitschriftenleser.

Gesetzt den Fall, es wäre möglich, die Distribution des K. an-naß'is (oder ähnlicher Lesebücher) im einzelnen zu verfolgen, ist die Aufdeckung einer bisher kaum beachteten

"Umlaufbahn" für frühe joumalistische Texte nicht ausgeschlossen. Damit könnte man möglicherweise dazu beitragen, offene Fragen bezüglich des Modus von Zukulation und Rezeption der arabischen Presse zu klären. Aussagen zu diesen Sachverhalten stützen sich ja in der Regel zumeist nur auf unsichere (gewöhnlich von den Joumahsten selbst

"ermittelte") Abonnentenzahlen bzw. "Leserstatistiken". Dafür, daß es dtu'chaus siimvoll ist, in diese Richtung weiter zu recherchieren, spricht auch, was Avalon in seinem erst imlängst erschienenen Buch über die Geschichte der arabischen Presse schreibt:

"The question of press circulation in the Arabic-speaking countries is perhaps the most elusive issue in the history of the medium. The notion of a circulation audit would have been more novel (and perhaps odder) than that of the publication of periodicals itself in these countries, nor did any other mechanism evolve for systematically recording and publishing this kind of data."*'

Schlußbemerkimg: Der amerikanische Missionar Comelius van Dyck predigte weniger

Religion als vielmehr Wissenschaft. Konsequent bediente er sich dazu der arabischen Sprache. Schon zu Lebzeiten in seiner Wahlheimat Beimt verehrt, setzte man ihm dort nach seinem Tode gleich mehrere Denkmäler. Als das jüngste gilt das 1932 eröffnete Comelius-van-Dyck-Gebäude der Amerikanischen Universität zu Beimt, als das älteste

das Marmorstandbild vor dem Beimter Krankenhaus St. Georg. Ein noch älteres Denk¬

mal aber hatte er sich selbst gesetzt. Es ist nicht in Stein gehauen, sondem manifestiert sich in Texten. Seme Gestah am besten erkeimen kann derjenige, der die wissenschaftli¬

chen Lehrbücher des Missionars tmd Akademikers mit dem Muqtataf seiner Schüler

vergleicht - mit dem Saih al-magallät al-'arablya, wie diese arabische Wissenschafts¬

und Kulturzeitschrift auch genannt wird.

A. Avalon: The Press in the Arab Middle East A History. New York und Oxford 1995, S. 145.

(13)

Übersicht: Die Lehrbücher des Comelius van Dyck"'

Thema bzw. Reihen titel Buchtitel,

Erscheinungsj ahr

Schulniveau

ES VHS HS*

Geographie Kitäb (K.) al-miral-

wadfyaßl-kura al-

ar d^ra. 1851 oder 1852

+ ~ ~

Mathematik K. ar-rauda az-zahriya fi

l-usül al-^abriya. 1853

+ - -

dto. K.fi l-usül al-handasiya' .

1857

+ - -

Metrik Muhit ad-dä'ira fi 'ilmai

al-'arüd wa-l-qäfiya.

1857

+ ~

Chemie Usa al-kmiyä. 1869 - - +

Medizin Risäla fl l-^adari

wa-l-hasba li-r-Räzi^.

1872

~~ " +

Mathematik K. fi l-lugäridmät ay al-

ansäb. 1873 (Teil 2:

öadäwil ansäbal-guyüb wa-l-mumässät)

+

Astronomie Usül 'ilm al-hai'a. 1874 - - +

dto. Muhtasar tärlh 'Um al-

hai'a. 1874?

- - +

Medizin Usül at-tashis at-tabi'i.

1874

- - +

dto. Usül al-bätülü^iya ad-

dähiBya. 1877

- - +

Lesebuch K. an-nafäls li-talämidat

al-madäris. 1886?

- + -

" Die Übersicht basiert auf HOrI: op. cit (Anm. 10); Tamim: op. cit. (Anm. 8), S. 330 f ; Tibawi: op.

cit. (The Genesis ... Anm. 7), S. 284, Y. I. SaRKIS: Mu'gam al-matbü'ät al-'arabiya wa-l-mu'arraba.

Kairo 1928, Sp. 1462-1465, sowie auf den Ergebnissen eigener Recherchen u.a. in London tmd Beirut.

(14)

Thema bzw. Reihentitel Buchtitel,

Erscheinungsj ahr

Schulniveau

ES VHS HS*

an-Naqs fi l-hagar 8 Teile

- + -

Teil 1 (Einfiihrung in die Naturwiss.)

- fi t-tabVa wa-l-'ilm 1886

Teil 2 (Chemie) -fi 'Um al-kimiyä\ 1886

Teil 3 (Physik) -fi t-tabi'iyät. 1886

Teil 4 (Geographie) -fi l-^ugräfiya at-

tabl'iya. 1887

Teil 5 (Geologie) - fl l-^iyülügiya ay

tabaqät as-suhür. 1887

Teil 6 (Astronomie) -fi 'Um al-hai'a. 1888

Teil 7 (Botanik) -fi 'Um an-nabät. 1888

Teil 8 (Logik) -fi 'Um al-mantiq. 1889

Astronomie K. irwä' az-iamä' min

mahäsin al-qubba az- zarqa" . 1893

+

* ES: Elementares Schulniveau; VHS: Vorbereitimg für höhere Studien; HS: Hochschulniveau 1 Ein Lehrbuch zur euklidischen Geometrie.

2 Arabische Edition des Textes von Abü Bakr ar-RäzT (251/865-313/925); s. GAL I, 233, Nr. 9 (3) bzw. GAL SL 417, Nr. 9 (3).

(15)

Von Wolfhart Heinrichs, Harvard

"Dichterische Rede" ist hier mit Bedacht anstelle des Begriffs "Dichtung" gewählt worden. Im folgenden geht es nicht um die rein formalen Merkmale von Dichtung, d.h.

Metrum und Reim, sondem um Äußemngen der Theoretiker, welche der Dichtung

einen spezifischen Inhalt oder eine besondere Aussageweise zuschreiben. Ähnliche

Überlegungen haben schon die arabischen Philosophen veranlaßt, vom qawl si'ri (pl.

aqäwll si'riyya) zu reden, werm es ihnen um das Wesen, nicht um die Form der dichte¬

rischen Aussage zu tim war.' Solche Äußemngen zu den nicht-formalen Aspekten des

Dichtens sind natürhch zu einem beträchthchen Ausmaß prädeterminiert erstens durch die Dichtung, welche sie charakterisieren sollen, und zweitens durch die Dichtungs¬

theorie, deren Bestandteil sie bilden. Eine kurze Skizze, die den Rahmen der Theorien

dichterischer Rede umreißt, ist damm angebracht. Die drei materiellen Ausgangs¬

punkte für das, was im späteren Mittelalter als Htm al-baläga "die Wissenschaft von der Beredsamkeit" ausformuhert wurde, sind die zwei gmndlegenden Textkorpora der islamischen Kultur, von denen das eine einen doppelten Charakter hat: a) der Koran als göttliche Botschaft, b) der Koran als prophetenbestätigendes Wunder und c) die vor-

und frühislamische Dichtung, welche zusammen mit dem Koran als Repositorium

korrekter Sprache und zu einem gewissen Grade auch als hterarisches ModeU galt. Im

einzelnen hegen die Dinge so:

a) Die Offenbamng bedurfte der Interpretation, besonders auch im Blick auf ihre

praktische Anwendung. Dafür wurde eine Hermeneutik entwickelt, welche die stilisti¬

schen und idiomatischen Eigentümhchkeiten der arabischen Sprache (magäz im

weitesten Sirme des Wortes) deuten konnte. Viele Werke zur Rechtsmethodologie (usül

al-fiqh) enthalten eigene Kapitel über Hermeneutik unter dem Titel bayän, wörtl.

"klarer Ausdmck".^

' So z.B. schon in al-Färäbi: Risäla fl qawänin sinä'at aS-Su'arä\ Ed. und übers. A. J. ARBERRY u.d.T.

Färäbi's Canons of Poetry. In: Rivista degli Studi Orientali 17 (1938), S. 266-278, hier 267-69 (arab.), 273-75 (engl.). Arberry übersetzt mit "poetical statement". Die Auffassungen der Philosophen über si'r und Ijatäba als logische Disziplinen bleiben im folgenden außer Betracht. Dies gilt auch für solche Autoren (besonders der maghrebinischen "Schule"), die hierin von den Philosophen abhängig sind.

Interessant ist hier die Bemerkung von as-Sigilmäsi, daß die einheimischen Theoretiker poetische und rhetorische Aussagen nicht auseinanderhalten konnten. Siehe al-Manza' al-badi' fi tagnis asälib al- badi'. Ed. "AllAl al-GäzI (Rabat 1401/1980), S. 219.

" Der Begriff bayän bedeutet sowohl "Klarheit" wie auch "Erklärung", wie die verschiedenen Definitionen in den Werken zur Rechtsmethodologie deutlich implizieren. In den meisten Fällen ist es jedoch die zweite Bedeutung, die dem Terminus technicus zugrundeliegt. Zu bemerken ist, daß der Umfang des Begriffes oft weiter ist als der eines simplen magäz-Dekodierers. Im ältesten erhaltenen Werk zur Rechtsmethodologie, der Risäla von aä-§äfi'I, umfaßt bayän alles, was das göttliche Gebot

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