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I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß 3 AsylG 2005 idgf als unbegründet abgewiesen.

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Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 21.08.2014

Geschäftszahl W202 1429337-1

Spruch

W202 1429337-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.08.2012, Zahl 12 08.136-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.07.2014 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte II. wird stattgegeben und XXXX gemäß

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 21.08.2015 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 02.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab der Beschwerdeführer betreffend den Fluchtgrund zu Protokoll, dass die Taliban von ihm verlangt hätten, dass er für sie kämpfe, das habe er nicht wollen. Darauf hätten ihn die Taliban abholen wollen, weshalb sich sein Vater entschlossen habe, den Beschwerdeführer und seinen Bruder mittels Schlepper nach Europa zu schicken. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er für die Taliban kämpfen müsse, was er nicht wolle.

Außerdem stehe seine Familie wirtschaftlich so schlecht da, dass seine Rückkehr unmöglich sei.

Am 16.08.2012 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt einvernommen. Dabei hat sich im Wesentlichen Folgendes ergeben:

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"LA: Haben Sie im Verfahren bis dato - insbesondere bei vorangegangen Befragungen und Einvernahmen - der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht und wurden Ihnen diese Angaben rückübersetzt und richtig protokolliert?

AW: Ja. Ich habe nur zusammengefasst meine Fluchtgründe erzählt.

LA: Möchten Sie Ihr bisheriges Vorbringen von selbst ergänzen?

AW: Sie können fragen, ich beantworte die Fragen.

LA: Wie geht es Ihnen heute?

AW: Mir geht es gut, danke.

LA: Zunächst zu Ihrem Leben hier in Österreich:

LA: Wovon und wie leben Sie derzeit in Österreich?

AW: Ich lebe in einer Pension in XXXX und werde vom Staat erhalten.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

AW: Es gibt in Österreich einen Afghanen namens XXXX. Meine Großeltern mütterlicherseits haben ihn aufgezogen, nachdem seine Eltern verstorben waren. Er ist für uns wie ein Onkel mütterlicherseits. Er wohnt hier in Österreich in "XXXX" in der Nähe von Linz. Er hat uns einmal zu sich mitgenommen, deshalb weiß ich wo das ist. Auf Nachfrage wie lange er schon in Österreich ist gebe ich an, dass weiß ich nicht genau. Nachdem die Taliban an die Macht kamen, flüchtete er aus Afghanistan.

Weiters ist noch mein Bruder XXXX hier, welcher gemeinsam mit mir aus Afghanistan hierher gekommen ist.

LA: Wie ist Ihr Kontakt zu XXXX?

AW: Ich habe ihn nur einmal gesehen. Er weiß wo wir wohnen und er kann uns besuchen kommen. Aber ich habe von ihm keine Telefonnummer, gar nichts.

LA: Hatten Sie in Afghanistan Kontakt zu XXXX?

AW: Ich war klein, da habe ich ihn vielleicht ein oder zweimal gesehen.

LA: Besuchen Sie Kurse (z.B. Deutschkurs) oder machen Sie Ausbildungen?

AW: Nein.

LA: Sind Sie Mitglied in einem Verein, einer Moschee oder einer Organisation hier in Ö.?

AW: Nein.

LA: Sind Sie religiös, besuchen Sie regelmäßig die Moschee hier in Ö?

AW: Ich bin religiös. Ich faste derzeit und bete auch, aber nur zu Hause, da es in unserer Gegend keine Moschee gibt.

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Mit wem haben Sie Kontakt?

AW: Ich habe ein deutsches Buch (Lehrbuch) bekommen. Ich versuche das zu lernen. Ich betreibe Sport und spiele Fußball.

LA: Haben Sie österreichische Freunde oder sonstige soziale Kontakte zu Österreichern?

(3)

AW: Nein.

LA: Sind Sie gesund?

AW: Ja.

LA: Sind Sie in Österreich wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden?

Wenn ja, wann? Und wo?

AW: Nein.

LA: Verfügen Sie über Eigentum in Österreich? (Wohnung?)

AW: Nein.

LA: Zu Ihrem Heimatland:

LA: Welchen Namen führen Sie, wann sind Sie geboren?

AW: Ich heiße XXXX und bin XXXX Jahre alt, mehr weiß ich nicht.

LA: Wo sind Sie geboren?

AW: Ich bin im Dorf XXXX, im Bezirk XXXX, in der Provinz Maydan Wardak, geboren.

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

AW: Afghanistan.

LA: Verfügen Sie über Dokumente aus welchen ihre Identität hervorgeht (z.B. Reisepass, Personalausweis,...) und können Sie diese vorlegen?

AW: Ich habe eine Tazkira. Diese ist unterwegs hierher. Ich habe lediglich eine Kopie auf einem USB-Stick.

LA: Hatten Sie jemals einen eigenen Reisepass?

AW: Nein.

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

AW: Ich bin Tadschike und sunnitischen Glaubens.

LA: Welche Schule bzw. Schulen haben Sie besucht? Bitte geben Sie gleich an wo und von wann bis wann!

AW: Ich habe keine Schule besucht. Ich habe lediglich sechs oder acht Monate eine Koranschule besucht. Ich glaube ich war damals ungefähr 9 Jahre alt. Auf Nachfrage gebe ich an, ich kann ein bisschen lesen und schreiben.

LA: Welchen Namen führt Ihr Vater und ist dieser noch am Leben?

AW: Mein Vater heißt XXXX. Er ist ungefähr XXXX Jahre alt.

LA: Welchen Namen führt Ihre Mutter und ist diese noch am Leben?

AW: Meine Mutter heißt XXXX und ist ca. XXXX Jahre alt.

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LA: Haben Sie Geschwister?

AW: Ich habe 4 Brüder und 1 Schwester.

LA: Namen und Alter?

AW: Meine Brüder heißen XXXX Jahre alt, XXXX Jahre alt, XXXX Jahre alt und mein in Österreich befindlicher Bruder heißt XXXX XXXX Jahre. Meine verheiratete Schwester XXXX ist XXXX Jahre alt.

LA: Wo leben Ihre Eltern im Augenblick?

AW: In unserem Dorf in XXXX, Bezirk XXXX, Provinz Maydan Wardak

LA: Wer aller lebt dort in XXXX Im Augenblick?

AW: Dort leben meine Eltern und mein Bruder XXXX. Die beiden älteren Brüder sind seit ca. zweieinhalb Jahren abgängig. Meine Schwester ist verheiratet und lebt im Dorf XXXX.

LA: Wo leben Ihre Eltern dort, ist das ein Haus oder eine Wohnung?

AW: Das ist ein Lehmhaus. Befragt gebe ich an, es ist gemietet. Es gehört einem gewissen XXXX. Unser eigenes Haus ist zerstört.

LA: Welche Namen führen Ihre Onkel väterlicherseits? Wie alt sind sie, wo wohnen sie und womit bestreiten diese Ihren Lebensunterhalt?

AW: Ich habe drei Halbonkel väterlicherseits. Sie heißen XXXX. Ich weiß nicht wie alt diese sind. Sie leben im gleichen Dorf wie wir in XXXX. Sie leben alle drei von der Landwirtschaft.

LA: Welche Namen führen Ihre Onkel mütterlicherseits? Wie alt sind sie, wo wohnen sie und womit bestreiten diese Ihren Lebensunterhalt?

AW: Meine Onkel mütterlicherseits heißen XXXX. Wie alt sie sind weiß ich nicht. Sie sind alle drei Landwirte und leben im Dorf XXXX. Auf Nachfrage gebe ich an, XXXX liegt in unserem Bezirk, in XXXX.

LA: Leben Ihre Großeltern noch?

AW: Ich habe noch zwei Großmütter. Meine Großväter sind bereits verstorben.

LA: Wie heißen Ihre Großmütter und wo leben diese?

AW: Meine Großmutter mütterlicherseits heißt XXXX und lebt bei meinen Onkeln mütterlicherseits. Diese leben alle zusammen, in einem Haus. Meine Großmutter väterlicherseits heißt XXXX und lebt bei meinen Halbonkeln väterlicherseits in XXXX. Auch diese leben alle drei zusammen.

LA: Hatten Sie Kontakt zu Ihren Onkeln in Afghanistan, z.B. Besuche usw.?

AW: Ja.

LA: Ihr Bruder XXXX hat angegeben, Ihre Halbonkeln väterlicherseits leben im Dorf XXXX und sie sagen nunmehr, diese leben auch in ihrem Dorf XXXX. Erklären Sie das!

AW: Nein, sie leben in XXXX, er hat sich geirrt.

LA: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

AW: Nein.

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LA: Wo überall haben Sie seit Geburt gelebt?

AW: Ich bin in XXXX geboren und dort aufgewachsen.

LA: Wo haben Sie zuletzt, vor dem Verlassen von Afghanistan, gelebt?

AW: Ich war ca. 1,5 Monate im Dorf XXXX versteckt. Das ist zwei Dörfer von unserem Dorf entfernt. Es ist ca.

1 Stunde zu Fuß.

LA: Und zuvor wo haben Sie da gelebt?

AW: In unserem Haus in XXXX.

LA: Mit wem haben Sie da im Dorf in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

AW: Mit meinen Eltern und meinen Brüdern XXXX und XXXX. Befragt wo meine Schwester nunmehr wohnt gebe ich an, in XXXX.

LA: Wie bzw. wovon hat Ihre Familie den Lebensunterhalt in Afghanistan bestritten?

AW: Wir haben Grund und Boden und als Landwirte gelebt.

LA: Was haben Sie beruflich gemacht und wovon haben Sie gelebt?

AW: Ich habe in der eigenen Landwirtschaft mitgearbeitet und habe auch für Fremde Obst gepflückt.

LA: Wie lange arbeiten Sie nunmehr schon in der Landwirtschaft?

AW: Mit 9 Jahren habe ich damit begonnen.

LA: Wie würden sie Ihre wirtschaftliche bzw. finanzielle Situation zuletzt, d.h. vor Ihrer Flucht, im Heimatland - gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen (z.B. gut/mittel/schlecht)?

AW: Schlecht, es ging uns schlechter als den Nachbarn.

LA: Waren oder sind Sie im Heimatland Mitglied einer politischen Organisation oder eines

politischen Vereins?

AW: Nein.

LA: Waren Sie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung?

AW: Nein.

LA: Sind Sie nun das erste Mal außerhalb Afghanistans?

AW: Ja, das erste Mal.

LA: Haben Sie noch Kontakt ins Heimatland? (telefonisch, e-mail, postalisch, etc.)

AW: Ein Cousin von mir lebt in Kabul. Einmal habe ich diesen angerufen und als meine Eltern bei ihm waren, habe ich mit diesen gesprochen. Befragt wann das war gebe ich an, vor ca. 2 Wochen.

LA: Wie haben Sie gewusst, dass Ihre Eltern gerade jetzt bei Ihrem Cousin sind?

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AW: Ich habe zuvor meinen Cousin angerufen und ihn gebeten, dass er dafür sorgt, dass meine Tazkira nach Österreich geschickt wird. Als dann meine Eltern bei ihm waren rief er mich an und ich habe mit ihnen gesprochen.

LA: Wie geht es ihren Eltern?

AW: Es geht ihnen gut.

LA: Was war der Inhalt dieses Gespräches? Hat dies ihren Fluchtgrund betroffen oder waren es nur private Gespräche?

AW: Ich habe lediglich mitgeteilt, dass wir hier angekommen sind und ich meine Tazkira benötige. Wir haben nur ganz kurz gesprochen.

LA: Wann im Konkreten waren Sie letztmals in Afghansitan in ihrem Dorf XXXX aufhältig?

AW: Um den 20. Hamal 1391 (= lt. Dolmetscher der 08.04.2012) bin ich von XXXX nach XXXX gegangen um mich dort zu verstecken.

LA: Und von wo aus haben Sie Afghanistan verlassen?

AW: Mein Vater hat mich von XXXX abgeholt und nach Kabul gebracht. Mein Onkel war auch dabei.

LA: Wann konkret sind Sie aus Afghanistan ausgereist?

AW: Um den 22. Joza 1391 (= lt. Dolmetscher der 11. Juni 2012) bin ich ausgereist.

LA: Auf welchem Weg reisten Sie von XXXX ins Ausland?

AW: Mit einem Auto sind wir ich nach Kabul zu einem Schlepper gefahren. Er hat mir einen Reisepass gegeben und die Anweisungen gegeben. Von Kabul bin ich nach Teheran geflogen.

LA: War es Ihnen problemlos möglich von XXXX nach Kabul zu gelangen?

AW: Ich war sehr aufgeregt, aber es gab keine Probleme. Befragt gebe ich an, wir sind mit einem Kleinbus gefahren.

LA: Wer organisierte Ihre Flucht?

AW: Mein Onkel XXXX.

LA: Was hat Sie Ihre Flucht insgesamt gekostet? (Schlepperkosten)

AW: Das weiß ich nicht.

LA: Wie konnten Sie die Reise nach Europa finanzieren?

AW: Mein Vater hat den Geldbetrag aufgebracht. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

LA: Wie gelangten Sie dann von Teheran nach Österreich?

AW: Wir sind mit verschiedenen Autos und teils zu Fuß nach Österreich gelangt. Auf Nachfrage gebe ich an, dass ich nicht mehr dazu angeben kann. Auch mit dem Zug sind wir gefahren und eine kurze Strecke mit einem Schlauchboot.

LA: Wie lange hat Ihre Flucht insgesamt gedauert?

AW: Ca. 45 bis 50 Tage.

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LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Afghanistan verlassen? Schildern Sie Ihre Fluchtgründe.

AW: Um den 25. Mizan 1390 (= lt. Dolmetscher der 17. Oktober 2011) waren ein paar ISAF Soldaten in unserem Dorf und haben mich gefragt, ob ich etwas über die Taliban im Dorf weiß, ob es Unruhen gibt. Ich habe ihnen erzählt, dass die Taliban im Dorf Bomben verlegen, das sie Leute entführen, die Jugendlichen zum Kampf auffordern. Ich habe auch den Namen ihres Anführers genannt, nämlich Mulla XXXX. Ich habe sogar gesagt wo er wohnt. Etwa 2,5 Monate nachdem ich mit diesen ISAF Leuten gesprochen habe, wurden in unserer Region von den Taliban zwei Panzer der ISAF Truppen angegriffen. Ca. einem Monat nach diesem Vorfall haben dann die ISAF Truppen mit Hilfe eines Hubschraubers den Mulla XXXX in seinem Haus ertappt und dort erschossen.

In unserem Dorf hat sich herumgesprochen, dass ich den Mulla XXXX verraten habe, weil ich dieses Interview den ISAF Leuten gegeben habe. Die Dorfbewohner haben mir gesagt, ich soll mich nicht bei den Taliban zeigen, dass sie mich früher oder später festnehmen würden. Das war alles zur Winterzeit, wo die Taliban sich nicht so oft wegen der Kälte zeigen.

Im Frühjahr sind die Taliban in unser Dorf gekommen und dann hat ein Cousin von mir namens XXXX, er ist ein Sohn von XXXX, dass die Taliban nach mir suchen. Ich bin sofort von unseren Feldern - wo ich zu diesem Zeitpunkt gearbeitet habe - ins Dorf XXXX zu einer Tante meines Vaters geflüchtet. Ich hielt mich dort auf, bis mein Vater mich abholte und ich dann über Kabul ins Ausland floh. Das war mein Fluchtgrund.

LA: Waren das all Ihre Fluchtgründe?

AW: Das war mein Fluchtgrund und auch die Tatsache, dass es uns finanziell nicht gut gegangen ist.

LA: Schildern Sie mir die Situation näher, als die ISAF Soldaten damals ins Dorf kamen und mit Ihnen dieses Interview führten!

AW: Ich war dabei im Dorf auf meinem Esel Äpfel zu transportieren. Es sind viele ISAF Soldaten sowie afghanische Soldaten in unserem Dorf unterwegs gewesen, als mich zwei ISAF Soldaten und ihr Dolmetscher wegen den Taliban angesprochen haben. Sie haben mich gefragt ob die Taliban in unser Dorf kommen, ob sie Bomben legen. Ich habe erzählt, dass wir große Angst vor den Taliban haben und wir uns nach Dunkelheit nicht auf die Straße trauen, da die Taliban mit ihren Motorrädern das Dorf unsicher machen. Die ISAF Soldaten fragten mich, ob ich den Anführer der Taliban kennen würde und ich habe ihnen gesagt das ist Mulla XXXX. Ich habe ihnen sogar gesagt, dass er im Dorf XXXX lebt.

LA: Wann war das?

AW: Es war am 25. Mizan. Auf Nachfrage gebe ich an es war gegen 13.00 Uhr.

LA: Wo fand dieses Gespräch statt?

AW: Auf der Straße, auf einer Schotterstraße.

LA: Wie lange dauerte dieses Gespräch bzw. Interview?

AW: Ich glaube eine halbe Stunde hat es schon gedauert.

LA: Wer war damals alles dabei?

AW: Es waren die beiden ISAF Soldaten, der Dolmetscher, ich und viele Dorfbewohner, Erwachsene und Kinder dabei. Es ist auch üblich, dass wenn Fremde ins Dorf kommen, die Dorfbevölkerung sich um diese Fremden sammelt.

LA: Haben nur Sie mit den ISAF Soldaten gesprochen?

AW: Nur ich allein wurde befragt und ich will auch noch dazu sagen, dass sie mich gleich am Anfang danach befragt haben, ob ich weiß wo der Dorfvorsteher wohnt. Ich habe sie dann zu

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seinem Haus geführt, aber er war nicht zu Hause. Dann haben sie mir die Fragen nach den Taliban gestellt.

LA: Und mit den anderen Anwesenden haben diese ISAF Soldaten nicht gesprochen, das ist doch ungewöhnlich, dass nur Sie befragt wurden!

AW: Die Soldaten haben die anderen auch gefragt, aber diese haben aus Angst gesagt, sie wissen nichts, obwohl sie über die Taliban bescheid gewusst haben.

LA: Warum haben Sie dann vor allen Anwesenden die Fragen der ISAF Soldaten beantwortet?

AW: Weil ich mit den Taliban schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich konnte die Schule nicht besuchen. Sie haben unser Dorf unsicher gemacht. Sie haben Bomben verlegt.

LA: Und nach diesem Interview sind diese ISAF Soldaten weitergezogen?

AW: Sie sind durch das Dorf durchgegangen und haben dieses dann verlassen.

LA: Die Taliban haben zu Ihnen selbst nicht Kontakt aufgenommen?

AW: Nein, mit mir haben sie keinen Kontakt aufgenommen, aber mein Bruder wurde ja mitgenommen. Mein Bruder war zwei Nächte bei den Taliban.

LA: Wann war ihr Bruder bei den Taliban?

AW: Es war entweder am 20. oder am 25. Saur 1391 (= lt. Dolmetscher der 9. Mai bzw. der 14. Mai 2012).

LA: Warum wissen Sie das so genau?

AW: Ich kann mich gut an diese Daten erinnern. Wenn ich das Datum weiß sage ich es und wenn nicht sage ich nichts.

LA: Waren Sie damals zu Hause als ihr Bruder von den Taliban mitgenommen wurde?

AW: Nein, ich war in XXXX.

LA: War dieser Anführer der Taliban, Mulla XXXX, in ihrem Dorf bzw. ihrer Region sehr bekannt?

AW: Ja er war bekannt. Ich habe ihn einmal in einem anderen Dorf gesehen. Auf Nachfrage gebe ich an, man hat ihn in unserer Region allgemein gekannt.

LA: Wussten die Leute in Ihrer Region, dass dieser Mulla XXXX ein Anführer der Taliban war?

AW: Einige der Dorfbewohner haben das gewusst. Nicht alle.

LA: Wieso haben Sie gewusst, dass Mulla XXXX ein Anführer der Taliban ist?

AW: Ein Bekannter von mir wurde einmal zu Mulla XXXX gebracht. Er wurde von Mulla XXXX geschlagen.

Es gelang ihm jedoch die Flucht und er hat mir erzählt, dass Mulla XXXX einer der Anführer der Taliban ist.

LA: Und Sie sind nur aufgrund der Hinweise bzw. Gerüchte der Dorfbewohner aus ihrem Dorf geflüchtet und haben sich in XXXX versteckt?

AW: Das war wegen dem Hinweis meines Cousins XXXX, als ich dann in das Dorf XXXX geflüchtet bin.

LA: Die Taliban selbst haben Sie persönlich nie kontaktiert?

AW: Nein.

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LA: Wie lange nachdem dieser Mulla XXXX erschossen wurde, haben Sie noch Zuhause gelebt?

AW: Ich war danach noch ca. 2 oder 2,5 Monate zu Hause.

LA: Wie war das damals, als dieser Mulla XXXX erschossen wurde. Können Sie dazu nähere Angaben machen?

AW: Ich habe nur nach seiner Ermordung das Bild seines Leichnams in Handy¿s von verschiedenen Burschen gesehen. Auf Nachfrage gebe ich an, zur Ermordung selbst kann ich nichts angeben. Ich war ja nicht dabei, sondern habe das nur gehört.

LA: Wo genau wohnt denn dieser Mulla XXXX?

AW: Im Dorf XXXX. Auf Nachfrage gebe ich an, von unserem Dorf ca. 2,5 oder 3 Stunden zu Fuß.

LA: Und wo in diesem Dorf?

AW: Ich kenne nur das Dorf, mehr weiß ich nicht.

LA: Warum sollten die Taliban jetzt mehrere Monate nach ihrem Gespräch mit den ISAF Soldaten jetzt ausgerechnet auf Ihre Person kommen und annehmen, Sie hätten ihren Anführer verraten?

AW: Zweieinhalb Monate nach dem Interview wurden die Panzer von den Taliban angegriffen. Einen Monat später war der Hubschraubereinsatz mit der Ermordung von Mulla XXXX. Einige Zeit später wurde dann von den Taliban nach mir gefragt.

LA: Ja, aber wie sollen die Taliban mehrere Monate nach ihrem Gespräch gerade auf Sie kommen?

AW: Weil ich vor den Dorfbewohnern den Namen Mulla XXXX genannt habe.

LA: War es gefährlich, den ISAF Soldaten den Namen des Mulla XXXX zu nennen?

AW: Ja, es war schon gefährlich, aber ich habe gegenüber den Taliban einen Zorn gehabt, weil die unser ganzes Leben ruinieren.

LA: Trotzdem oder gerade deshalb ist nicht nachvollziehbar, dass Sie den ISAF Soldaten vor allen anwesenden Dorfbewohnern den Namen des Mulla XXXX dann genannt haben!

AW: Ich war sehr zornig auf die Taliban und wollte mit den ISAF Soldaten zusammenarbeiten.

LA: Waren das all Ihre Gründe, oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

AW: Ja ich habe alles gesagt und meine Tazkira ist unterwegs. Diese müsste in ein oder zwei Wochen hier eintreffen.

LA: Waren Sie im Heimatland oder anderswo in Strafhaft? Wenn ja, weshalb?

AW: Nein.

LA: Besteht gegen Sie ein offizieller Haftbefehl im Heimatland?

AW: Nein.

LA: Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr befürchten?

AW: Ich habe Angst vor den Taliban. Außerdem ist meine wirtschaftliche Lage in Afghanistan sehr schlecht.

LA: Geben Sie nochmals konkret an, warum aus welchem Grund, Sie Angst vor den Taliban haben?

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AW: Die Taliban würden mich festnehmen, weil ich den Namen ihres Anführers an die ISAF-Soldaten verraten habe.

LA: Sie sagten, sie hatten sich damals bereits in XXXX versteckt, als Ihr Bruder von den Taliban mitgenommen wurde. Wieso wissen Sie dann das genaue Datum, wann dieser Vorfall war und wie lange ihr Bruder festgehalten wurde?

AW: Als mein Bruder bereits verschleppt wurde war mein Vater am nächsten Tag bei mir in XXXX und erzählte mir, dass mein Bruder jetzt bei den Taliban ist und er morgen darauf mit einem Mullah zu den Taliban gehen werde, um die Freilassung meines Bruders zu erwirken. Und tatsächlich nach insgesamt zwei Tagen wurde mein Bruder freigelassen.

LA: Von wem wissen Sie, dass Ihr Bruder nach zwei Tagen frei gelassen wurde?

AW: Mein Vater hat mir bei einem neuerlichen Besuch in XXXX erzählt, dass mein Bruder zwei Tage bei den Taliban war und er hat mir gesagt, dass wir außer Landes gebracht werden.

LA: Warum haben Sie bezüglich Ihres Fluchtvorbringens bei der Polizei bei der Erstbefragung nichts erwähnt?

AW: Ich musste damals nur zusammenfassend meine Fluchtgründe vorbringen und ich habe erzählt, dass die Taliban meinen Esel mitnehmen wollten.

LA: Sie haben heute gar nichts von ihrem Esel erwähnt?

AW: Das habe ich heute vergessen zu sagen.

LA: Sie haben aber auch damals bei der Polizei nichts von Ihrem Esel erzählt. Nehmen Sie Stellung!

AW: Ich habe das erzählt, aber ich weiß nicht warum das nicht geschrieben wurde.

LA: Ihre Angaben bei der Polizei wurden Ihnen rückübersetzt und Sie haben deren Richtigkeit bestätigt.

Nehmen Sie Stellung!

AW: Damals war ich sehr müde als ich aufgegriffen wurde. Ich war auch sehr müde und habe nicht aufgepasst.

LA: Was war also mit denn mit Ihrem Esel?

AW: Einmal wollten die Taliban meinen Esel zum Waffentransport mitnehmen. Ich habe geweint und dann haben Sie den Esel nicht mitgenommen. Auf Nachfrage gebe ich an, das war vor ca. 2 Jahren.

LA: Wo war dieser Vorfall und wer war damals alles dabei?

AW: Nach der Arbeit vom Feld war ich mit meinem Esel alleine unterwegs nach Hause, als die Taliban mich anhielten und meinen Esel für Waffentransporte mitnehmen wollten.

LA: Wie viele Taliban waren das damals?

AW: Sie waren etwa 10 Personen auf Motorrädern.

LA: Nur weil Sie geweint haben, haben die Taliban davon Abstand genommen den Esel zu nehmen?

AW: Richtig, ja.

LA: Waren das nunmehr all Ihre Probleme mit den Taliban?

AW: Ja.

LA: Sonst gab es mit den Taliban keine Vorfälle, Ihre Person betreffend?

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AW: Nein.

LA: Was haben Sie damals bei Ihrer Erstbefragung bei der Polizei bezüglich Ihres Flucht-grundes angegeben?

AW: Ich habe gesagt, dass die Taliban die Menschen in der Nacht entführen und das es uns wirtschaftlich schlecht gegangen ist.

LA: Sie haben bei Ihrer Erstbefragung abweichend von heute angegeben, die Taliban hätten Sie aufgefordert für sie zu kämpfen und deshalb hat Sie Ihr Vater fortgeschickt. Heute erwähnten Sie davon gar nichts. Nehmen Sie Stellung!

AW: Wenn ich meine, dass die ‚Taliban die Menschen in der Nacht entführen würden meine ich damit, dass die Taliban diese Personen an die Kriegsfront schicken.

LA: Sind die Taliban an Sie persönlich herangetreten, dass Sie für die Taliban kämpfen sollen?

AW: Nein.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich anderswo ins Heimatland zu begeben, um sich den angegebenen Übergriffen/Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht - z.B. in ein anderes Gebiet bzw. bestünde diese Möglichkeit jetzt?

AW: Ich konnte mich in anderen Regionen nicht wirtschaftlich erhalten.

LA: Und Sie haben die ganze Reise hierher gemeinsam mit Ihrem Bruder XXXX gemacht?

AW: Ja."

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 31.08.2012, Zahl: 12 08.136-BAT, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.).

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt zum behaupteten Fluchtgrund aus, dass auffallend sei, dass weder der Beschwerdeführer noch sein Bruder im Zuge der Erstbefragung durch die Polizei am 02.07.2012 etwas bezüglich des Fluchtvorbringens, das der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt angegeben hatte, auch nur ansatzweise erwähnt habe. Im Rahmen der Beweiswürdigung sei grundsätzlich den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit zuzumessen, als späteren Vorbringen. Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen.

Nicht nachvollziehbar und plausibel sei, dass der Beschwerdeführer den ISAF-Soldaten den Namen dieses Anführers dieser Taliban in Anwesenheit zahlreicher anderer Dorfbewohner genannt hätte. Wie der Beschwerdeführer auf Nachfrage selbst bestätigt habe, sei er sich der Gefährlichkeit dieses Handelns durchaus bewusst gewesen und hätte er somit eventuell für ihn damit verbundene Konsequenzen durchaus abschätzen können. Seine Begründung, er sei zornig auf die Taliban gewesen und hätte deshalb mit den ISAF-Soldaten zusammenarbeiten wollen, erscheine in Anbetracht der mit einer solchen Handlungsweise vorhersehbaren Konsequenzen nicht logisch. Es sei somit nicht nachvollziehbar und glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer im Bewusstsein über die Gefährlichkeit einer solchen Handlung den ISAF-Soldaten den Namen des Talibanführers genannt hätte.

Nicht logisch sei demnach auch, dass die Taliban etwa ein halbes Jahr später dann ausgerechnet den Beschwerdeführer gesucht hätten und diese davon ausgegangen wären, der Talibanführer sei aufgrund seines Gespräches mit den ISAF-Soldaten erschossen worden. Seiner Schilderung nach sei der Talibanführer dann Ende Jänner bzw. Anfang Februar 2012 erschossen worden. Wie er auf Nachfrage selbst ausgeführt habe, sei dieser Mullah in seinem Dorf bzw. auch in der Region durchaus bekannt gewesen und sei nicht nachvollziehbar, dass die Taliban ausgerechnet davon ausgehen sollten, dass der Beschwerdeführer den Mullah verraten hätte.

Überdies seien die Kenntnisse des Beschwerdeführers über diesen Mullah sehr vage. Nachdem dieser Mullah

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erschossen worden sei, hätte er noch ca. zwei oder zweieinhalb Monate zu Hause gelebt. Von den Taliban selbst sei der Beschwerdeführer nie persönlich kontaktiert worden.

Auf Nachfrage habe er angegeben, die Taliban seien mit ihm selbst nicht in Kontakt getreten, er habe aber betont, sein Bruder sei von den Taliban mitgenommen worden. Dieser sei zwei Nächte bei den Taliban gewesen.

Dazu im Widerspruch stehend habe sein Bruder angegeben, dass er vier Tage von den Taliban festgehalten worden sei. Nicht nachvollziehbar seien seine Ausführungen auf die Frage, warum er bezüglich seines nunmehrigen Fluchtvorbringens bei seiner Erstbefragung nichts erwähnt habe. Widersprüchlich zur Erstbefragung, wo er angegeben habe, die Taliban hätten von ihm verlangt, dass er für sie kämpfe und deshalb hätte sich sein Vater entschlossen, ihn und seinen Bruder mittels Schlepper nach Europa zu schicken, habe er dann ausgeführt, er hätte damals bei der Erstbefragung seine Fluchtgründe nur zusammenfassend vorbringen müssen und hätte damals erzählt, dass die Taliban seinen Esel hätten mitnehmen wollen. Nach Aufforderung habe er dann geschildert, dass er vor zwei Jahren alleine mit seinem Esel vom Feld nach Hause unterwegs gewesen sei. Zehn Taliban, die mit Motorrädern unterwegs gewesen seien, hätten ihm damals seinen Esel für Waffentransporte wegnehmen wollen. Da er geweint habe, hätten die Taliban dann den Esel nicht mitgenommen. Dies sei so jedenfalls nicht nachzuvollziehen, dass zehn Taliban dann einfach davon Abstand genommen hätten, nur weil der Beschwerdeführer geweint hätte.

Es sei dem Beschwerdeführer gesamtbetrachtet nicht gelungen, sein Vorbringen glaubhaft zu machen und habe die von ihm behauptete Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation für seine Person nicht als maßgeblichen Sachverhalt festgestellt werden können.

Rechtlich führte das Bundesasylamt zu Spruchpunkt I. aus, dass, wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt worden sei, der Beschwerdeführer eine Verfolgung seiner Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung im Sinne der GFK nicht habe glaubhaft machen können. Auch sonstige Fluchtgründe hätten nicht festgestellt werden können.

Zudem knüpfe eine allfällige Zwangsrekrutierung an keinem asylrelevanten Merkmal an, und liege im Umstand, dass in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesasylamt aus, dass, wie unter Spruchpunkt I. dargelegt, sein Vorbringen nicht glaubhaft gewesen sei und diesen somit keinerlei aktuelle Gefährdung seiner Person glaubhaft habe entnommen werden können, weshalb im Falle einer Rückkehr seiner Person in seinen Heimatstaat Afghanistan nicht mit einer Gefahr im Sinne des § 8 AsylG zu rechnen sei. Aus der allgemeinen Lage in seinem Heimatland allein ergebe sich keine Gefährdung und sei demnach auch kein Abschiebungshindernis iSd. § 8 AsylG ersichtlich. Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers sei zwar durchaus als gefährlich einzustufen, jedoch sei festzuhalten, dass eine konkrete lokale Bedrohung durch den Asylwerber glaubhaft zu machen sei. Auch sei es ihm ohne Probleme möglich gewesen, nach Kabul zu gelangen und von dort nach Teheran zu fliegen und sei auch in diesem Zusammenhang keine Gefährdung aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage erkennbar. Er verfüge in seiner Heimatprovinz über Familienangehörige, und es sei davon auszugehen, dass er sich aus eigenen Kräften ein notdürftiges Leben zu sichern imstande sei.

Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keinerlei familiäre oder soziale Bindungen verfüge, er erst vor wenigen Wochen illegal nach Österreich eingereist sei und sein derzeitiger Aufenthalt sich lediglich auf seinen Asylantrag stütze. Auch bei seiner Antragstellung habe ihm klar sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich ein vorübergehender sei. Auch seien im gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine besondere Integration seiner Person in Österreich rückschließen ließen. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen könnten keine Hinweise gefunden werden, die den Schluss zuließen, dass durch seine Ausweisung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs.

2 EMRK in sein Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen würde.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

Die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Die Behörde stufe seine Person als unglaubwürdig ein, da er im Zuge seiner Erstbefragung ein anderes Fluchtvorbringen als im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vorgebracht habe. Dem sei entgegen zu halten, dass es hier keine widersprüchlichen Angaben gebe, sondern es sich um eine Ergänzung handle. Während des ersten Interviews vor der Polizei habe er gar keine Möglichkeit gehabt, ausführlich auf seine Fluchtgeschichte einzugehen.

Darüber hinaus sei er sehr müde gewesen und es sei ihm nicht gut gegangen. Er könne sich an sein erstes Interview nicht genau erinnern, vielleicht habe es auch ein Missverständnis gegeben. Er wisse noch, dass der

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Dolmetscher aus dem Iran gewesen sei und er ihn nicht so gut verstanden habe. Es stimme, dass die Taliban zuerst gewollt hätten, dass er für sie arbeite. In ihrem Dorf würden die Männer immer wieder von den Taliban festgehalten und gezwungen werden, nötige Arbeiten zu verrichten. Nach Beendigung dieser Arbeiten würden die Männer dann wieder freigelassen werden. Auch in seinem Fall sei das so passiert. Als die Taliban ihn eines Tages aufgehalten hätten, hätten sie nicht nur seinen Esel für den Waffentransport wollen, sie hätten auch ihn mitgenommen, um ihn zu rekrutieren. Zwei Tage lang sei er von den Taliban festgehalten worden und er habe für die Taliban arbeiten müssen. Die Taliban würden aus seinem Dorf stammen und alle Dorfbewohner kennen.

Sie hätten auch ihn gekannt und nachdem er zwei Tage lang geweint hätte und sie angefleht hätte, ihn gehen zu lassen, hätten sie wohl Erbarmen mit ihm gehabt und hätten ihn gehen lassen. Damals sei er noch nicht volljährig gewesen. Erst später seien die Probleme der Bedrohungen durch die Taliban hinzugekommen, da er den Namen eines Führers an ISAF-Soldaten verraten habe. Die Taliban hätten seinen Bruder zwei Nächte festgehalten. Diese Angaben stimmten mit seinem Bruder deshalb nicht überein, da dieser in absoluter Dunkelheit festgehalten worden sei und für ihn Tag und Nacht verschwommen seien. Er habe die Tage und Nächte getrennt gezählt, somit ergebe sich eine Differenz. Der Beurteilung der Behörde, dass die Angaben zu den fluchtauslösenden Ereignissen unglaubwürdig seien, müsse mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. Die Behörde werfe ihm vor, seine Fluchtgeschichte sei nicht glaubhaft, da er den Namen des Talibanführers in Anwesenheit zahlreicher anderer Dorfbewohner genannt habe. Die Gefährlichkeit dieses Handelns hätte ihm bewusst sein müssen. Tatsächlich sei es so gewesen, dass er sich der Gefährlichkeit dieses Handelns sehr wohl bewusst gewesen sei und den Namen des Talibananführers auch nicht sofort verraten habe. Erst auf Druck der ISAF- Soldaten und nachdem ihm von diesen Schutz versprochen worden sei, habe er den Namen schließlich genannt.

Die ISAF-Soldaten hätten ihm versprochen, dass er nichts zu befürchten hätte, da sie die ganze Gruppierung der Taliban in seinem Dorf und in der gesamten Umgebung ausheben würden und außerdem eine neue Polizeistation errichtet werden würde. Es wäre nicht mehr möglich, ihn zu verfolgen und er unterstünde dem persönlichen Schutz der ISAF-Einheit. Aus diesem Grund habe er ihnen schließlich vertraut und im Endeffekt den Namen des Talibanführers verraten. Nachdem dieser von den ISAF-Soldaten getötet worden sei, seien die Taliban nur kurz untergetaucht. Es sei gar nie dazu gekommen, dass die ISAF-Soldaten die gesamte Taliban-Einheit hätten ausheben können. Die Taliban seien tatsächlich ca. sechs Monaten nach der Ermordung ihres Führers schließlich wieder in ihr Dorf zurückgekehrt und hätten begonnen, nach dem Beschwerdeführer zu suchen. Die ISAF- Soldaten seien dann schon längst nicht mehr da gewesen und hätten ihm auch den versprochenen Schutz nicht gewährleisten können. Die Taliban hätten gewusst, dass der Beschwerdeführer der Verräter gewesen sei, da er in Anwesenheit zahlreicher anderer Dorfbewohner die Information an die ISAF-Soldaten weitergegeben habe. Es sei durchaus nicht unüblich, dass Spitzel der Taliban sich unter das Volk mischten bzw. Dorfbewohner Informationen an die Taliban heimlich weitergeben. Die Taliban seien in einer Gruppe gekommen und hätten ein Foto von ihm in seinem Dorf herumgereicht, um zu erfahren, wo er sich aufhalte. Sein Cousin sei anwesend gewesen, als dies passiert sei und habe ihn sofort verständigt, um ihn zu warnen. Wenn die Taliban so aggressiv vorgingen, gelte es keine Zeit zu verlieren. Sobald die Taliban ihn gefunden hätten, hätten sie ihn sofort getötet.

Aus diesem Grund sei er auch sofort untergetaucht. Jeder wisse, wie gefährlich die Taliban seien und dass diese zu allem bereit seien. Es sei absolut lebensgefährlich abzuwarten, was passieren werde, sollte man von den Taliban aufgespürt werden. Die Taliban hätten, nachdem sie ihn nicht hätten finden können, seinen kleinen Bruder verhaftet und festgehalten und hätten von ihm wissen wollen, wo sich der Beschwerdeführer befinde. Der Bruder sei erst nach Intervention des Mullahs seines Dorfes und seines Vaters wieder freigelassen worden. Die genaue Adresse des Talibananführers sei ihm nicht bekannt gewesen. Die Taliban hielten sich im Untergrund auf und würden Informationen nicht preisgeben. Er habe den Talibanführer gekannt und habe ihn persönlich in der Moschee gesehen. Der Beschwerdeführer befinde sich aus wohlbegründeter Furcht aus Konventionsgründen verfolgt zu werden außerhalb seines Heimatlandes und sei nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht gewillt, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zu § 8 AsylG führte die Beschwerde aus, dass der Beschwerdeführer einer persönlichen Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt sei. In seine Heimatstadt könne er nicht zurückkehren, da er von den Taliban gesucht werde. Er sei außerdem in keiner anderen Region in Afghanistan in der Lage, völlig auf sich allein gestellt und entgegen jeglicher Tradition ein Leben aufzubauen. Er könne auf kein soziales Netz zurückgreifen. Seine Familie sei noch immer in seiner Heimatprovinz wohnhaft. Dorthin zurückzukehren wäre aber mit dem Verlust seines Lebens verbunden. Die Taliban beherrschten diese Region sehr stark, die Lage habe sich keineswegs gebessert und seine Person sei noch immer in Gefahr. Ein menschenwürdiges Leben sei im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht zu erwarten.

Zur Ausweisung führte der Beschwerdeführer aus, dass eine Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich sei, da er in Österreich ein neues Leben in Sicherheit begonnen habe. Sein Bruder und er besuchten einen Deutschkurs, sie seien auch regelmäßig mit ihrem Onkel, der in Linz lebe, und sie regelmäßig besuchen komme, in Kontakt.

Die gegenständliche Ausweisung sei nicht zu Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten.

Am 02.07.2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:

(14)

"Befragung von BF1:

R: Was hat Sie bewogen Ihr Heimatland zu verlassen?

BF: Ich bin in Maidan Wardak, Dorf XXXX, geboren und lebte auch dort. Am 25. Mizan 1390 (= 17.10.2011), als ich mit meinem Esel Äpfel transportierte, wurde ich von Nato- und Kräften der ISAF mit einem Dolmetscher angehalten. Sie wollten, dass ich ihnen das Haus unseres Dorfvorstehers zeige. Sie fragten mich zunächst, ob ich weiß wo er lebt. Ich sagte ja und sagte ihnen, dass ich sie dort hinbringen könnte. Als wir dort waren, war der Dorfvorsteher nicht zu Hause. Es waren auch Soldaten der afghanischen Nationalarmee dabei. Die Amerikaner fragten mich mittels Dolmetscher, ob ich ihnen etwas unser Dorf sagen könnte. Ich sagte ja. Ich wurde über die Sicherheitslage in unserem Dorf befragt. Ich antwortete, dass die Taliban in unserem Dorf aktiv sind und viel unterwegs sind. Sie platzieren Bomben auf Straßen und deshalb können die Kinder die Schule nicht besuchen.

Am Abend kommen sie auf Motorrädern ins Dorf und nehmen Jugendliche mit. Ich sagte ihnen auch, dass es sehr schwer ist in diesem Dorf zu leben. Auf die Frage, ob ich einen Talib kenne, sagte ich ja und nannte einen Mann namens Mullah XXXX. Dieser ist Talibanführer. Weiter wurde ich befragt, wo dieser Mullah XXXX lebt und ich sagte, dass er in XXXX lebe. Weiter wurde ich befragt, wie lange man bis dorthin braucht. Ich sagte ihnen, dass man zu Fuß zweieinhalb bis drei Stunden braucht. Ca. zweieinhalb Monate nach diesem Interview explodierte eine Bombe, die von den Taliban platziert wurde. Dabei wurden zwei Panzer der Amerikaner zerstört. Ca. ein Monat später wurde Mullah XXXX von Amerikanern durch Luftangriffe getötet. Er wurde durch ein Bombardement getötet. Viele Leute sagten mir, dass mein Leben, auf Grund dieses Interviews, in Gefahr sei und da jetzt Mullah XXXX getötet worden war, werden die Taliban mich auch töten. Es wurde dann Frühling und die Taliban waren deshalb viel unterwegs. Eines Tages, als ich in der Arbeit war, fragten die Taliban meinen Cousin väterlicherseits mit dem Namen XXXX nach mir. Mein Cousin informierte mich davon.

Aus Angst um mein Leben ging ich ins Dorf XXXX, zu der Tante mütterlicherseits meines Vaters nach Hause.

Dort hielt ich mich ca. eineinhalb Monate auf. Auch in dieser Zeit suchten die Taliban nach mir. Die Taliban zeigten ein Foto von mir den Jugendlichen und fragten, ob sie mich kennen. Diese sagten ihnen, dass ich XXXX heißen würde. Die Jugendlichen zeigten den Taliban meinen Bruder XXXX. Mein Bruder XXXX wurde von ihnen am 20. oder 25. Saur 1391 (=10. oder 15. Mai 2012) mitgenommen. Davon erzählte mir mein Vater als er zu mir nach XXXX kam. Mein Bruder wurde von den Taliban zwei Nächte angehalten, wurde dort bedroht und geschlagen. Während der Anhaltung wurde mein Bruder nach meinem Aufenthaltsort gefragt. Er kam mit Hilfe meines Vaters, meines Onkels väterlicherseits und Mullah der Moschee, wieder frei. Nach diesem Vorfall suchten die Taliban erneut nach meinem Bruder XXXX. Die Taliban waren bei uns zu Hause. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt nicht daheim. Meine Mutter sprach mit ihnen durch die verschlossene Gartentür. Meine Mutter hat meinen Bruder im Holzraum, wo man Heu und Holz und Viehfutter lagert, versteckt gehabt. Die Taliban wollten unser Haus durchsuchen, aber obwohl meine Mutter ihnen sagte, dass mein Vater nicht zu Hause sei, durchsuchten sie trotzdem unser Haus. Sie fanden nichts und daher gingen sie wieder weg. Nach diesem Vorfall wurde mein Vater von meinem Onkel väterlicherseits und vom Mullah der Moschee beraten, dass er seine Söhne ins Ausland schickt.

VR: Wer von Ihrer Familie lebt noch in Afghanistan?

BF: Meine Eltern sind vor ca. einem Jahr verstorben, meine Schwester lebte in XXXX, aber sie hat auch inzwischen Afghanistan verlassen, so glaube ich, wo sie jetzt lebt, weiß ich nicht, vielleicht im Iran. Mein kleiner Bruder mit Namen Parvez lebt bei meinen Halbonkeln väterlicherseits in XXXX. Ob sie aber immer noch dort leben weiß ich nicht.

VR: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt nach Afghanistan?

BF: Vor ca. einem Jahr. Damals habe ich mit dem Sohn meiner Tante väterlicherseits gesprochen. Er sagte mir auch, dass meine Eltern gestorben sind.

VR: Wieso haben Sie so lange keinen Kontakt mehr nach Afghanistan?

BF: Mein letzter Kontakt war, wie erzählt, vor einem Jahr. Ich habe damals telefoniert.

VR: Warum rufen Sie jetzt nicht mehr dort an?

BF: Ich habe nicht so viel Geld für eine Wertkarte. Außerdem sind meine Eltern tot, mit wem soll ich sonst Kontakt aufnehmen?

(15)

VR: Mit Ihrem Bruder zum Beispiel.

BF: Wo mein Bruder lebt, funktionieren die Telefone wegen der Taliban nicht. Das vorher erwähnte Telefonat ist zustande gekommen, weil dieser Cousin von mir in Kabul lebt. Inzwischen habe ich auch mein Handy verloren und somit auch die gespeicherte Telefonnummer. Deshalb kann ich keinen Kontakt mehr aufnehmen.

Auch vor diesem Interview wurde ich von den Taliban verfolgt. Sie wollten, dass ich ihnen meinen Esel zur Verfügung stelle. Sie wollten, dass ich mit meinem Esel für Sie Bomben transportiere.

VR: Wann war dieser Vorfall?

BF: Ca. zwei oder zweieinhalb Jahre vor diesem Interview mit den Amerikanern.

VR: Können Sie den Vorfall mit dem Esel ein wenig näher schildern?

BF: Auch damals war ich mit meinem Esel unterwegs und wurde von 10 Taliban, die mit Motorrädern unterwegs waren, angehalten. Sie sagten, ich solle mit ihnen mit meinem Esel mitgehen und für sie Bomben, dort wo die Straßen nicht gut sind, transportieren. Ich sagte ihnen, dass ich ein armer Mensch bin und mit meinem Esel arbeite. Ich möchte gerne in der Landwirtschaft weiter arbeiten. Sie sagten aber zu mir, dass ich mit ihnen gehen muss. Da die Gesichter sehr wild waren, ist mir nichts anderes übrig geblieben, als zu weinen. Aus Angst weinte ich. Ich glaube, es war unter ihnen eine Person aus unserem Dorf, und dieser sagte, dass ich weitergehen solle. Die anderen meinten aber, dass ich mitkommen soll. Dann durfte ich aber doch weggehen.

Seit diesem Vorfall versuchte ich immer zeitig nach Hause zu kommen.

VR: Hat es sonst noch Vorfälle gegeben?

BF: Weiters sind die Taliban ca. sechsmal zu uns nach Hause und wollten meinen Bruder XXXX mitnehmen.

Für Taliban sind junge Menschen sehr interessant, sie wollen aus Ihnen Selbstmordattentäter machen.

VR: Sie wollte man nicht mitnehmen?

BF: Ich war ja auch gefährdet, ich habe ja vom Versuch, wo man mich mitnehmen wollte, erzählt. Die ganz jungen Buben sind für die Taliban mehr interessant, sie kann man leichter ausbilden.

VR: Haben Sie selbst das miterlebt, dass Ihr Bruder sechsmal mitgenommen werden sollte?

BF: Teilweise ja, weil ich ja in der Arbeit war.

VR: Erzählen Sie von so einem Vorfall, bei dem Sie dabei waren.

BF: Die Taliban klopften an unsere Gartentüre und fragten meinen Vater und mich nach meinem Bruder XXXX.

Mein Vater fragte sie, was sie mit ihm zu tun haben. Die Taliban meinten, dass er mit ihnen in den Krieg gehen soll. Mein Vater sagte ihnen, dass er noch sehr jung wäre und er das nicht könne, aber die Taliban bestanden darauf. Nach einer Diskussion, wo auch die Nachbarn hinkamen, gingen die Taliban wieder weg. Mein Vater ist ein Weißbärtiger. Wenn die Nachbarn nicht gekommen wären, hätten die Taliban ihn auch geschlagen.

VR: Wann war das?

BF: Das weiß ich nicht mehr genau, das war vor dem genannten Interview.

VR: Wie lange vor dem genannten Interview, ungefähr?

BF: Ich glaube es waren drei oder vier Jahre davor.

VR: Hat es danach auch noch solche Vorfälle gegeben?

BF: Danach waren diese Vorfälle, die ich Ihnen vorher schon erzählt habe.

VR: Ich meinte Vorfälle, bei denen man Ihren Bruder rekrutieren wollte.

(16)

BF: Insgesamt waren sie sechsmal bei uns und fragten nach XXXX.

VR: Wo war damals Ihr Bruder?

BF: Er war zu diesem Zeitpunkt zu Hause.

VR: Hat er den Vorfall auch miterlebt?

BF: Nein.

VR: Wo genau hat er sich aufgehalten?

BF: Ich weiß nicht, mein Vater hatte ihn versteckt.

VR: Zu welcher Uhrzeit sind die Taliban bei Ihnen erschienen?

BF: Es war tagsüber, die Sonne hat noch geschienen.

VR: War es am Nachmittag?

BF: Das weiß ich nicht mehr, ob es Vor- oder Nachmittag war.

VR: Sind Sie jemals von den Taliban mitgenommen worden?

BF: Ja, auch ich wurde einmal von ihnen mitgenommen und für zwei Nächte angehalten.

VR: Wann war das?

BF: Nach dem Vorfall mit dem Esel war das.

VR: Erzählen Sie davon.

BF: Ich war auf der Straße unterwegs und begegnete den Taliban. Sie haben mich auf einem Motorrad mitgenommen.

VR: Ich das alles was Sie darüber erzählen können?

BF: Ich wurde Richtung XXXX gebracht. Dort wurde ich in ein Zimmer gebracht in dem viele Taliban saßen.

Sie sagten zu mir, ich solle mit ihnen in den Krieg ziehen. Ich bin ein Mensch, der nicht einmal eine Ameise töten kann. Ich konnte doch mit ihnen nicht in den Krieg gehen. Ich bin dann mit Hilfe von Taliban, die aus unserem Dorf kamen, geflohen.

VR: Wie sind Sie geflohen?

BF: Diese Taliban zeigten mir den Weg und als ich dann sah, dass die anderen Taliban in den Krieg gingen und sehr beschäftigt waren, lief ich von dort weg.

VR: Die Taliban ließen Sie also nicht freiwillig gehen, sondern sind Sie geflohen?

BF: Ja, die anderen Taliban haben mir geholfen.

VR: Wann war dieser Vorfall?

BF: Ein genaues Datum kann ich leider nicht sagen.

VR: Wo kann man diesen Vorfall zeitlich einordnen?

(17)

BF: Es war ca. eineinhalb oder fast zwei Jahre vor dem besagten Interview.

VR: Warum haben Sie diesen Vorfall vor dem BAA nicht erzählt?

BF: Das habe ich schon erwähnt.

VR: Nein, das haben Sie nicht getan.

BF: Das weiß ich jetzt nicht.

VR: Warum haben Sie bei Ihrer Erstbefragung nicht Ihren eigentlichen Fluchtgrund erzählt?

BF: Das weiß ich jetzt nicht mehr genau.

VR: Beim BAA haben Sie das Interview erzählt, auch den Vorfall mit dem Esel und dann wurden Sie gefragt, ob das alle Ihre Probleme mit den Taliban waren und das haben Sie bejaht.

BF schweigt.

VR: Es kommt dieser Vorfall, als sie zwei Tage bei den Taliban gewesen wären, nicht vor.

Nachdem dieser Mullah bombardiert worden ist, wie lange hat es gedauert, dass nach Ihnen gesucht worden ist?

BF: Ich glaube ca. zweieinhalb bis drei Monate. Das war im Frühling, als das Wetter ein wenig wärmer wurde.

VR: Warum steht in der Beschwerde, dass die Taliban ca. 6 Monate nach dem Tod ihres Führers nach Ihnen gesucht haben?

BF: Nein, das habe ich bei meiner Beschwerde nicht so gesagt. Ich hatte keinen Dolmetscher. Es gab jemanden, der in Englisch übersetzt hat. 6 Monate habe ich sicher nicht gesagt.

VR: Wie sind Ihre Eltern verstorben?

BF: Meine Eltern waren von unserem Dorf nach XXXX zu meinem Onkel mütterlicherseits unterwegs. Sie wollten ihn besuchen. Auf dem Weg waren Kriegshandlungen zwischen den Taliban und der Nato ausgebrochen. Bei einer Bombardierung kamen meine Eltern und auch viele Taliban ums Leben.

VR: Warum haben Sie den Natokräften freiwillig alles über die Taliban erzählt, zumindest das was Sie wussten?

BF: Weil unser Leben wegen der Taliban dort sehr schwer war. Sie platzierten Bomben auf Straßen, man konnte ihretwegen sich nicht frei bewegen. Wenn ein Auto der Regierung vorbeigefahren ist, hatten wir immer Angst, dass es zu einem Krieg zwischen den Taliban und der Regierung kommt. Alle hatten Angst um ihr Leben und man konnte auch die Schule nicht besuchen.

VR: Sie haben auch erzählt, dass bei den Taliban auch Leute aus dem Dorf waren. Sie mussten doch gewusst haben, dass, wenn Sie das den Natokräften erzählen, es für Sie Folgen haben wird und warum hat es nicht schneller Reaktionen auf Ihre Aussagen gegeben?

BF: Das war mir bewusst, aber wie lange sollten wir noch so leben. Ich wollte das sagen, damit uns geholfen wird.

VR: Wer hat Ihre Aussagen gehört?

BF: Es waren viele Dorfbewohner und auch viele Kinder dabei. Wenn ein Ausländer wo hin kommt, kommen viele Menschen dort hin um diese zu sehen.

VR: Warum ist dann nicht sofort eine Reaktion der Taliban erfolgt, sondern hat gewartet, bis der Mullah wirklich ums Leben gekommen ist?

(18)

BF: Es war so, dass im Winter die Taliban nicht so viel unterwegs sind. Sie werden schnell entdeckt, da die Bäume nicht mehr grün sind. Wenn das Wetter wärmer wird, kommen sie wieder.

VR: Aber die Taliban waren doch auch aus Ihrem Dorf, die brauchen ja gar nicht erst kommen.

BF: Auch diese Taliban sind im Winter nicht unterwegs, sie kommen erst im Frühling wieder.

VR: Haben gewisse Taliban nicht in Ihrem Dorf gewohnt?

BF: Ja, sie wohnten zwar in der Nähe und in unserem Dorf, aber nur ihre Familien. Im Winter waren die Männer, die Taliban waren, mit ihrer Gruppe unterwegs.

VR: Wie Sie schildern, ist ein Talibanführer durch Ihre Schuld ums Leben gekommen. Wie kann es dann sein, dass Ihr Vater zu den Taliban hingehen kann, ohne dass ihm etwas geschieht? Tritt da nicht so etwas wie Blutrache in Kraft?

BF: Wie gesagt, mein Vater war ein Weißbärtiger. Mit diesen haben die Taliban nicht viel zu tun. Jetzt ist mein Vater tot.

VR: Von wo aus haben Sie Ihre Flucht angetreten?

BF: Von XXXX aus.

VR: Sie waren dann nicht mehr in Ihrem Heimatdorf?

BF: Nein. Ich bin von unserem Dorf nach XXXX geflohen und kehrte nicht mehr in unser Dorf zurück.

VR: Wo und wann sind Sie auf Ihrer Flucht mit Ihrem Bruder zusammengetroffen?

BF: In Kabul habe ich meinen Bruder wieder gesehen. Ich wurde von XXXX nach Kabul gebracht.

VR: Wer hat Sie von XXXX nach Kabul gebracht?

BF: Mein Vater und mein Onkel väterlicherseits haben mich hingebracht.

VR: Wissen Sie wie Ihr Bruder nach Kabul gekommen ist?

BF: Mein Bruder war bereits vor mir dort.

VR: Wo hat er in Kabul gelebt?

BF: Das weiß ich nicht, ich glaube, dass er kurz vor mir, am gleichen Tag, nach Kabul gebracht.

VR: Warum sind Sie nicht gemeinsam nach Kabul gefahren?

BF: Das weiß ich nicht. Vielleicht hatten Sie Angst, dass wir erwischt werden.

VR: Wurde Ihnen von den Natotruppen etwas versprochen?

BF: Ja, sie gaben mir die Hand und sagten, dass sie für die Sicherheit in unserem Dorf sorgen werden und sagten mir auch, dass ich, falls ich sehe dass jemand eine Bombe platziert oder sonst etwas plant, solle ich sie informieren.

VR: Sonst nichts?

BF: Sie fragten mich nur, ob ich sie weiter unterstützen möchte, was ich bejahte.

VR: Ihren persönlichen Schutz hat man Ihnen nicht zugesagt?

(19)

BF: Nein.

VR: So ähnlich steht es aber in Ihrer Beschwerde.

BF: Nein, so etwas habe ich nicht gesagt.

VR: "Ich unterstünde dem persönlichen Schutz der ISAF-Einheit" steht in der Beschwerde.

BF: Ich weiß es nicht, jemand hat für mich Englisch übersetzt. Mehr weiß ich nicht.

VR: Wie lange war Ihr Bruder bei den Taliban, bzw. wie lange wurde er festgehalten.

BF: Zwei Nächte.

VR: Ihr Bruder sprach beim BAA von vier Tagen.

BF: Mein Bruder war in einem dunklen Raum, er konnte Tag und Nacht nicht unterscheiden. Mein Vater sagte, dass er zwei Tage dort gewesen wäre.

VR: Wann hat man Ihren Bruder festgehalten?

BF: Es war am 20. oder 25 Saur.

VR: Wie lange danach haben Sie sich in Afghanistan noch aufgehalten?

BF: Wir sind am 22. Jauza (ist 12.Juni 2012) von XXXX aus weggefahren und dann nach Kabul.

VR: Haben Sie noch Fragen an den BF1:

BFV: Zum Vorhalt, dass der BF nicht das gesamte Vorbringen bei der Erstbefragung genannt hat, möchte ich sagen, dass gem. § 19 Abs. 1 AsylG er sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Er hat ausgesagt, dass er hätte für die Taliban kämpfen sollen. Bei der weiteren Einvernahme vor dem BAA hat er die Fluchtgründe ausführlicher geschildert. Zum Vorhalt, weshalb der BF nach der Information an die ISAF- Soldaten nicht sofort belangt wurde, möchte ich sagen, dass sich aus der Aktenlage ergibt, dass die ISAF für die Sicherheit des Dorfes garantierten und deshalb die Taliban in dieser Zeit in diesem Dorf nicht aktiv waren. Erst später konnten die Taliban wieder mehr Aktivitäten setzen.

Mir liegen zahlreiche Länderberichte vor, wonach die Taliban in Wardak aktiv sind, insbesonders im Diskrikt XXXX.

VR: Wie lange waren diese ISAF-Truppen in Ihrem Dorf?

BF: Ca. eine halbe Stunde.

VR: Sind diese wieder gekommen?

BF: Ja, sie sind schon vorbeigekommen, aber nachdem ihre zwei Panzer durch eine Bombenexplosion zerstört wurden, kamen sie nicht mehr.

VR: Spreche Sie Deutsch?

BF: Ein wenig, aber nicht sehr gut (antwortet auf Deutsch). Ich habe zweieinhalb Monate Deutschkurs privat bezahlt. Ich möchte aber die Sprache weiter erlernen.

BFV legt Unterlagen betreffend Deutschkursen vor, diese werden als Beilage 1 zum Akt genommen.

VR: Haben Sie außer Ihrem Bruder noch andere Familienangehörige hier in Österreich?

(20)

BF: Ja, einen Halbonkel mütterlicherseits mit Namen XXXX. Dieser lebt in XXXX in Österreich.

VR: Haben Sie persönlichen Kontakt zum ihm?

BF: Ab und zu telefoniere ich mit ihm.

VR: Gehen Sie einer Arbeit nach?

BF: Nein. Ich möchte gerne weiter die Sprache lernen, aber ich kann für die Kosten nicht aufkommen. Da ich sehr gut war, erklärte man mir, dass ich demnächst mit dem A2 Kurs beginnen kann.

VR: Was machen Sie in Ihrer Freizeit, haben Sie Kontakte zu Österreichern, sind Sie Mitglied in Vereinen etc?

BF: Ich spiele mit österreichischen Jugendlichen Fußball, habe auch österreichische Freunde, in einem Verein bin ich aber nicht.

VR: Leben Sie hier in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Ich wohne mit anderen Afghanen in einer Wohnung, mein Bruder lebt in XXXX.

Verhandlung wird mit Befragung von BF2 (Anm.: Bruder des Beschwerdeführers) fortgesetzt:

VR: Erzählen Sie über Ihre Fluchtgründe.

BF: Wir hatten einen Esel, meine Familie. Mit diesem haben wir gearbeitet. Die Taliban wollten unseren Esel mitnehmen. Ich habe geweint, dann nahmen die Taliban den Esel meiner Freunde. Nach zwei Tagen haben sie aber den Esel wieder erhalten. Zwei oder drei Tage später kamen die Taliban wieder und sagten mir, ich solle mit meinem Esel mit ihnen gehen. Sie bedrohten mich auch mit einer Waffe. Sie haben mich geschlagen und gingen weg. Mein Bruder hat einen Talibanführer verraten. Eines Tages, als ich mit anderen Jugendlichen beisammen saß, kamen vier Taliban auf Motorrädern. Sie hielten ihre Gesichter bedeckt und fragten uns, ob wir XXXX kennen. Die anderen Jugendlichen sagten, ja und zeigten auf mich und sagten, dass ich sein Bruder wäre.

Die Taliban nahmen mich dann mit dem Motorrad mit. Sie haben ein Tuch über meinen Kopf geworfen. Ich wurde in einem dunklen Kellerraum für vier Tage eingesperrt. Sie haben mir ein wenig Brot und Kartoffelgulasch zum Essen gegeben. Mein Vater, mein Onkel und der Mullah von der Moschee haben dann dafür gesorgt, dass ich wieder frei komme. Sie brachten mich nach Hause. Ca. drei Tage später kamen die Taliban wieder zu uns nach Hause. Mein Vater war nicht zu Hause. Meine Mutter hat mich in einem Keller, wo wir Viehfutter und das Grünzeug gelagert haben, versteckt. Die Taliban haben unser Haus zwar durchsucht, haben mich aber nicht gefunden und sind wieder gegangen. Mein Onkel väterlicherseits sagte meinem Vater, dass er uns, also seine Söhne, aus Afghanistan wegschicken soll. Mein Bruder war ca. eineinhalb Monate im Dorf XXXX, er hat sich dort versteckt gehalten. Mein Vater und mein Onkel väterlicherseits haben dann Geld für unsere Ausreise, glaube ich, ausgeborgt und haben uns weggeschickt.

VR: Ist das alles?

BF: Ja.

VR: Wo haben Sie auf Ihrer Flucht Ihren Bruder wieder gesehen?

BF: Mein Bruder war in XXXX und mein Vater hat ihn von dort abgeholt. Ich habe ihn im Auto wieder gesehen.

VR: Wo waren Sie da mit dem Auto, in XXXX?

BF: Mein Vater hat ihn von XXXX abgeholt. Ich habe meinen Bruder in meinem Heimatdorf XXXX,wieder gesehen.

VR: Das heißt, Ihr Vater ist mit Ihrem Bruder zurück ins Heimatdorf, hat Sie mitgenommen und ist dann weiter gefahren?

(21)

BF: Ja, wir wurden dann nach Kabul gebracht.

VR: Ihr Bruder hat ausgesagt, dass er Sie erst in Kabul wieder gesehen hat.

BF: Nein, das war in XXXX.

VR: Außer den bisher geschilderten Vorfällen, hat es noch andere Vorfälle gegeben?

BF: Nein.

VR: Ihr Bruder hat ausgesagt, dass Sie zwei Nächte von den Taliban festgehalten worden sind, Sie sagen, dass Sie 4 Tage bei ihnen waren?

BF: Ich habe das so gezählt, zwei Tage und zwei Nächte, das wären dann vier Tage.

VR: Zählen Sie die Tage immer so?

BF: Es war dort sehr dunkel, es brannte zwar eine kleine Lampe, aber ich konnte Tag und Nacht nicht unterscheiden.

VR: Gerade haben Sie aber gesagt, sie haben Tage und Nächte zusammengezählt, also war Ihnen bewusst, wann Nacht und wann Tag gewesen ist.

BF: Ich meinte, dass ich nicht wusste, ob Tag oder Nacht war.

VR: Wann sind Sie festgehalten worden?

BF: Es war im Frühling, das genaue Datum weiß ich aber nicht.

VR: Wie lange nach Ihrer Festnahme haben Sie sich noch in Afghanistan aufgehalten?

BF: Es dürften vier oder fünf Tage gewesen sein.

VR: Nach Aussage Ihres Bruders wäre es ca. ein Monat gewesen.

BF: Meinen Sie jetzt in Kabul oder dort wo wir waren?

VR: Ich meine die Flucht, wie lange waren Sie in Kabul?

BF: In Kabul waren wir ungefähr ein Monat.

VR: Wo haben Sie sich in Kabul aufgehalten?

BF: Dort lebten wir bei Verwandten.

VR: Bei welchen Verwandten, nennen Sie mir Namen bzw. Verwandtschaftsgrad?

BF: Es waren eher Bekannte vom Onkel väterlicherseits. Ihre Namen kenne ich nicht.

VR: Beim BAA haben Sie gesagt, dass sie am gleichen Tag Ihr Dorf und Afghanistan verlassen haben, heute geben Sie an, dass Sie noch ein Monat in Kabul aufhältig waren.

BF: Vielleicht hat der Dolmetscher damals falsch übersetzt.

VR: Außer nach dem Vorfall, wo Sie festgehalten worden sind, haben die Taliban nach Ihnen gesucht?

BF: Ja, schon.

(22)

VR: Wann war das und warum wurde nach Ihnen gesucht?

BF: Sie waren nicht alleine hinter mir her, sondern suchten sie alle Jugendliche aus unserem Dorf und wollten, dass wir mit ihnen gehen und gegen die Amerikaner kämpfen, aber wir wollten nicht.

VR: Hat man nach Ihnen persönlich gesucht?

BF: Ja, nach mir haben sie sechsmal gesucht.

VR: Wann, wo, wie war das, erzählen Sie, wie sich das abgespielt hat.

BF: Einmal kamen sie zu mir, als ich auf den Feldern war. Aber das habe ich vorhin schon erzählt, da wollten sie meinen Esel mitnehmen. Danach kamen sie zu uns nach Hause und suchten und fragten nach mir.

VR: Schildern Sie so einen Vorfall und war dabei auch Ihr Bruder anwesend?

BF: Nein, mein Bruder war nicht dabei.

VR: Kein einziges Mal?

BF: Nein.

VR: Wo war Ihr Bruder?

BF: Er war in der Arbeit.

VR: Ihr Bruder hat aber gerade einen Vorfall geschildert, bei dem er zu Hause war, als man nach Ihnen gesucht hat.

BF: Vielleicht habe ich es nicht mitbekommen. Sie haben sechsmal nach mir gefragt und gesucht. Mein Bruder war immer Obst pflücken, er hat gearbeitet. Vielleicht habe ich es nicht mitbekommen, dass er einmal dabei war.

VR: Ihr Bruder hat aber geschildert, dass auch Sie zu Hause waren, als er selbst bei einem derartigen Vorfall daheim war.

BF: Nein, als mein Vater mich versteckt hat und die Taliban bei uns waren, war mein Bruder in XXXX.

VR: Ich rede von einem der sechs Vorfälle, bei denen die Taliban Sie mitnehmen wollten, damit Sie mit ihnen kämpfen.

BF schweigt.

VR: Warum haben Sie bei der Erstbefragung keinen konkreten Vorfall geschildert, sondern nur allgemein vom Krieg?

BF: Ich habe sowohl bei der Erstbefragung als auch vor dem BAA alles erzählt.

VR an BFV: Haben Sie Fragen?

BFV: Zum Vorhalt, weshalb der BF bei der polizeilichen Erstbefragung, nicht sein komplettes Fluchtvorbringen angegeben hat, möchte ich sagen, dass er minderjährig ist, damals erst XXXX Jahre alt war und die Erstbefragung ohne gesetzlichen Vertreter stattfand. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit zum Vorbringen des minderjährigen BF möchte ich auf diese Tatsache hinweisen, dass er minderjährig ist mangelnde Schulbildung vorliegt und verweise auf die ständige Rechtsprechung.

VR: Wer von Ihrer Familie lebt noch im Heimatland?

(23)

BF: Meine Eltern sind vor ca. einem Jahr verstorben. Meine Schwester lebte noch in Afghanistan, wir wissen nicht, wo sie sich jetzt aufhält. Ich glaube, der Sohn meiner Tante väterlicherseits sagte einmal am Telefon, dass sie im Iran ist.

VR: Haben Sie sonst noch Angehörige dort?

BF: Mein kleiner Bruder lebt bei meinem Onkel väterlicherseits, dort wird er schlecht behandelt, aber ich weiß nicht, ob mein Onkel noch im Dorf XXXX ist. Seit längerer Zeit haben wir keinen Kontakt.

VR: Woher wissen Sie dann, dass Ihr Bruder beim Onkel schlecht behandelt wird?

BF: Der Sohn meiner Tante väterlicherseits hat das meinem Bruder am Telefon erzählt.

VR: Sprechen Sie Deutsch?

BF: Ein bisschen.

VR: Woher können Sie Deutsch, wo haben Sie das gelernt?

BF: In XXXX.

VR: Besuchen Sie Deutschkurse?

BF: Ja, ich habe auch schon die Hauptschule abgeschlossen.

Die BFV legt ein Konvolut an Unterlagen vor, betreffend die Integration des BF, welche als Beilage 2 zum Akt genommen werden.

VR: Erzählen Sie mir von sich, was machen Sie in Ihrer Freizeit, wie verbringen Sie den Tag?

BF: Ich besuche einen Deutschkurs und am Praterstern trainiere ich Wrestling. Ich spiele auch Fußball. Nächste Woche habe ich auch einen Wettbewerb mit den Deutschen, das findet in der Shopping City Süd statt.

BF1 wird wieder in den Verhandlungssaal geholt.

VR: Gibt es einen Cousin hier in Österreich?

BF: Nein.

Erörtert und zum Akt genommen werden Länderfeststellungen

1 Bericht der Staatendokumentation, Beilage A,

1 Bericht des UNHCR, Beilage B,

2 weitere Berichte aus der Staatendokumentation, Beilagen C und D,

2 Berichte von ACCORD, Beilagen E und F.

BFV gibt ein Konvolut an Länderberichten, Medienberichte und eine vorläufige Stellungnahme zum Akt, welche als Beilage 3 zum Akt genommen werden.

VR: Möchten Sie noch etwas abschließend vorbringen?

BF: Nein.

Die BFV ersucht um eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen, diese wird erteilt."

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