Standard "Messung des Blutdrucks"
Definition: Die Messung des arteriellen Blutdrucks ist ein
unverzichtbares Element der Diagnostik. Sie dient der Kontrolle der Herz-Kreislauffunktionen des Bewohners und liefert erste Hinweise auf eine mögliche Erkrankung des Herzens oder der Arterien.
Wir nutzen dafür die Blutdruckmessung nach Riva-Rocci und erfassen zwei Messwerte: Der obere (systolische) Blutdruckwert entsteht während der Kontraktion der Herzkammer, der untere (diastolische) Wert wird während der sich anschließenden Herzfüllungsphase erreicht. Die Werte werden in mmHG ("Millimeter Quecksilbersäule") ausgedrückt.
Die Messung erfolgt über ein am Oberarm angelegtes Blutdruckmessgerät ("nach Recklinghausen"), das aus einer Druckmanschette, einem Manometer, einem Ballon und einem Stethoskop besteht. Die Manschette wird unter Druck gesetzt und hemmt den Blutstrom in der Ellenbeuge so weit, dass in der Speichenarterie ("A.
Radialis") kein Puls mehr spürbar ist. Während der kontrollierten Druckreduktion wird das Gefäß nun mittels Stethoskop abgehört und bestimmt, bei welchen
Druckwerten die ersten Klopfgeräusche wieder hörbar werden bzw. wann die Strömungsgeräusche ganz verschwinden.
Grundsätze: Die Blutdruckmessung per Blutdruckmanschette und Stethoskop erfordert große Konzentration. Daher sollte die Maßnahme stets mit der gebotenen Sorgfalt
durchgeführt werden.
Wir bevorzugen die auskultatorische Messmethode, da diese deutlich präzisere Werte als die elektronische Blutdruckmessung liefert.
Wir bleiben stets skeptisch gegenüber einmaligen Messungen, da viele Fehlerquellen das Ergebnis
verfälschen könnten. Belastbare Aussagen sind ggf. erst nach mehreren zeitlich versetzten Messungen möglich.
Ziele: Der Blutdruck wird zuverlässig erfasst.
Fehlerquellen werden minimiert.
Krankhafte Veränderungen werden schnell und korrekt erkannt.
Die Effektivität von therapeutischen Maßnahmen wie etwa Medikamenten wird korrekt erfasst.
Vorbereitung: Indikation Wir messen den Blutdruck unter folgenden Bedingungen:
Herzkreislauferkrankungen
Hypertonie oder Hypotonie
Einnahme von Medikamenten, die den Blutdruck beeinflussen
starke Schwankungen des Blutdrucks
Schock, Unfälle
Schmerzen im Brust- oder im Bauchraum
Sehstörungen
Flüssigkeitsverluste
BZ-Entgleisungen
Krankheiten wie Fieber
vor und nach belastenden Pflegemaßnahmen (Einläufe, Mobilisierungen usw.)
Sicherstellung einheitlicher
Messbedingungen
Der Bewohner sollte eine halbe Stunde vor der Messung keinen Stressfaktoren ausgesetzt oder körperlich aktiv gewesen sein. Dazu zählen auch aufregende
Familienbesuche, Streit mit Mitbewohnern usw.
Innerhalb der letzten 30 Minuten sollte der Bewohner überdies kein Nikotin oder Koffein konsumiert haben.
Der Bewohner sollte direkt vor der Messung nicht trinken oder essen.
Es wird stets zur gleichen Tageszeit gemessen, am besten vor dem Aufstehen.
Die Messung erfolgt stets in gleicher Körperhaltung, also wahlweise im Sitzen oder im Liegen. Eine einmal gewählte Position sollte in den folgenden Wochen beibehalten werden, da nur so präzise
Vergleichswerte ermittelt werden können.
Geräuschquellen sollten immer minimiert werden. Die Pflegekraft schaltet das Radio und den
Fernseher aus, schließt Türen und Fenster und bittet anwesende Personen um Ruhe.
Es wird immer am gleichen Arm gemessen, zumeist am rechten. Ein
Arm kann unter bestimmten
Bedingungen nicht für eine Messung genutzt werden:
o Brustamputation auf der gleichen Seite / Lymphödem
o Shunt
(Kurzschlussverbindung zwischen arteriellen und venösen Blutgefäßen bzw.
Gefäßsystemen)
o sonstige Gefäßzugänge
o Hemiparese
(Halbseitenlähmung); also keine Messung an der betroffenen Seite
o Verletzungen oder Entzündungen im Arm Hauterkrankungen oder Hautverletzungen im Bereich der vorgesehenen Messstelle am Arm
benötigtes Material
Blutdruckmanschette. Es wird darauf geachtet, dass die
Manschettenbreite dem
Oberarmumfang angemessen ist.
Bei zu dicken Oberarmen würden sonst zu hohe und bei dünnen Armen zu niedrige Werte angezeigt werden. Bei kachektischen
Bewohnern (Armumfang 16 cm bis 22 cm) kann eine XS-Manschette oder eine Kindermanschette verwendet werden. Für korpulente Bewohner (32 bis 40 cm
Oberarmumfang) werden spezielle XL- Manschetten angeboten.
Manometer
Ballon
Stethoskop
Organisation Der Bewohner wird ggf. in die Handhabung eines elektronischen Blutdruckmessgerätes eingewiesen.
Falls möglich sollte er die Messung eigenständig durchführen.
Elektronische Blutdruckmessgeräte sind nicht sinnvoll bei tief liegenden Arterien, bei Morbus Parkinson, bei
schwachem Bindegewebe sowie bei Herzrhythmusstörungen.
Die korrekte Durchführung der Blutdruckmessung wird regelmäßig per Pflegevisite überprüft.
In regelmäßigen Abständen sowie bei Neuaufnahmen eines Bewohners messen wir den Blutdruck an beiden Armen. Insbesondere bei einer Verengung der A. subclavia
("Unterschlüsselbeinarterie") kann es zu einer Druckdifferenz vor mehr als 20 mmHg kommen. Ist diese Anomalie bekannt, wird zukünftig immer am Arm mit dem höheren Messwert gemessen. Dieses muss deutlich aus der
Pflegedokumentation hervorgehen.
Der behandelnde Hausarzt wird ebenfalls informiert.
Unsere Messgeräte werden alle zwei Jahre geeicht.
weitere Maßnahmen
Der Bewohner wird über die Maßnahme informiert und um Zustimmung gebeten.
Dem Bewohner wird ein Toilettengang angeboten.
Insbesondere starker Harndrang kann den Wert nach oben
verändern.
Das Bett wird auf eine angenehme Arbeitshöhe gebracht.
Vor der Maßnahme führt die Pflegekraft eine hygienische Händedesinfektion durch.
Der Oberarm wird von einengender Kleidung befreit, da ansonsten beide gemessene Werte (systolisch und diastolisch) zu gering wären. Ggf.
muss der Bewohner dafür das Hemd oder den Pullover ausziehen. In diesem Fall müssen Vorkehrungen zur Wahrung der Intimsphäre getroffen werden.
Ggf. wird der Arm mit einem Kissen unterlagert.
Durchführung: Die zuvor restlos entleerte Manschette wird eng
anliegend und ohne Faltenwurf um den unbekleideten Oberarm gelegt. Es bleiben ca. 3 cm Abstand zur Ellenbeuge ("zwei Finger breiter Abstand").
Der Arm wird auf Herzhöhe bequem auf glatter
Oberfläche gelagert. Eine Position ober- oder unterhalb dieser Linie würde zu deutlich verfälschten
Messergebnissen führen. Die Hand ist leicht geöffnet.
Der Arm ist leicht gebeugt und nicht gestreckt.
Die Manschette wird mittels Klettverschluss am Oberarm fixiert.
Die Pflegekraft prüft die Funktionsfähigkeit des Stethoskops.
Die Pflegekraft schließt das Ventil am Pumpsystem.
Sofern notwendig, werden die Schläuche vom Ballon zur Manschette geordnet. Wenn die Schläuche auf der Ellenbeuge liegen, können sie das Geräuschbild verfälschen.
Die Pflegekraft fühlt nach dem Radialispuls. Sie pumpt zügig Luft in die Manschette, bis der Druck so hoch ist, dass der Radialispuls nicht mehr spürbar ist. Danach wird der Druck um weitere 30 mmHg erhöht. Bei späteren Blutdruckmessungen kann dieser Schritt ggf.
übersprungen werden. Die Pflegekraft legt dann einen Druck an, der den für den Bewohner üblichen Wert um ca. 30 mmHg übersteigt. Ein zu geringer Startdruck führt zu einem zu niedrigen systolischen Wert.
Die Oliven (Endstücke des Stethoskops) werden in die
äußeren Gehörgänge eingeführt aber nicht hineingedrückt.
Die Pflegekraft legt den Schallempfänger mit minimalem Druck auf die Ellenbeuge. Ein zu hoher Auflagedruck würde das Gefäß zusammendrücken.
Der Empfänger muss genau oberhalb der dort
verlaufenden Arterie aufliegen. Ggf. kann die Pflegekraft den Rand des Messtrichters unter die Manschette
klemmen und so fixieren. Sofern notwendig kann der Schalltrichter vor dem ersten Auflegen mit der
Handfläche aufgewärmt werden.
Die Pflegekraft senkt den Druck langsam um einen Wert von rund 2 bis 3 mmHg pro Sekunde ab. Ein zu schneller Druckverlust führt zu einem zu niedrigen systolischen und zu einem zu hohen diastolischen Wert. Eine zu langsame Druckabsenkung würde beide Messwerte nach oben beeinflussen.
Sobald das erste Geräusch hörbar wird, liest die Pflegekraft das Manometer ab und merkt sich diesen Wert als systolischen Blutdruck. Die Geräusche (Korotkow-Töne) sind als Klopfen hörbar.
Der Manschettendruck wird weiter gesenkt, bis die pulssynchronen Geräusche aufhören oder deutlich nachlassen. Der vom Manometer angezeigte Druck ist der diastolische Blutdruck.
Wichtig: Wenn ein Bewohner unter schwerer
Arteriosklerose leidet, lässt sich die Arterie nur noch eingeschränkt komprimieren. Bei manchen Betroffenen sind Strömungsgeräusche auch noch bei 0 mmHg hörbar. In diesem Fall achtet die Pflegekraft auf den Punkt, an dem das Geräusch deutlich abnimmt. Dieser gilt als Messpunkt für den diastolischen Blutdruck.
Die restliche Luft wird aus der Manschette abgelassen.
Die Manschette wird entfernt.
Hinweise:
Wenn die Strömungsgeräusche schlecht hörbar sind, entfernt die Pflegekraft die Manschette und wartet fünf Minuten. Sie bittet nun den Bewohner, den Arm kurz in die Höhe zu heben. Dadurch wird der Venendruck reduziert. Die Geräusche werden intensiviert. Die Pflegekraft misst nun erneut den Blutdruck.
Mitunter ist eine auskultatorische Blutdruckmessung komplett unmöglich. In diesem Fall kann die Pflegekraft zur groben Orientierung alternativ zum Abhören per Stethoskop den Puls tasten. Auch hier wird der Druck in der Manschette so lange erhöht, bis der Puls nicht mehr spürbar ist. Nun wird der Druck wieder reduziert. Sobald der Puls wieder spürbar wird, kann der systolische Wert
am Manometer abgelesen werden. Eine Bestimmung des diastolischen Wertes ist auf diese Weise aber nicht möglich.
Nachbereitung: Falls die Messung misslingt oder wenn der gemessene Wert deutlich von den ansonsten üblichen Werten abweicht, wird die Messung nach fünf Minuten wiederholt. Der Bewohner wird über den Grund ggf.
zunächst nicht informiert, da dieses zu Aufregung und somit zu einer Ergebnisverfälschung führen würde. Die Notwendigkeit der erneuten Messung kann etwa mit technischen Problemen begründet werden. Bei erneut anormalen Werten wird ggf. der Hausarzt informiert.
Wenn die Pflegekraft aufgrund von
Hintergrundgeräuschen die Werte nicht korrekt
bestimmen konnte, bittet sie das Umfeld für eine zweite Messung nachdrücklich um Ruhe.
Sobald die Daten korrekt ermittelt wurden, wird der Bewohner über das Ergebnis informiert. Ggf. kann eine kurze Bewertung gegeben werden ("Wert in Ordnung",
"Blutdruck etwas zu niedrig" usw.). Wenn der Bewohner noch Fragen hat, werden diese von der Pflegekraft beantwortet.
Der Bewohner wird wieder angekleidet und bequem gelagert.
Die ermittelten Werte werden mit Datum, Uhrzeit und Handzeichen im Vitaldatenblatt vermerkt. Die Daten werden nicht gerundet, sondern genau dokumentiert.
(Hinweis: Viele Pflegekräfte runden die Werte auf die nächste "0" auf oder ab. Dadurch wird der
Genauigkeitsvorteil gegenüber einem vollautomatischen Blutdruckmessgerät wieder zunichte gemacht.)
Wenn die Messungen wiederholt deutlich von der Norm abweichende Werte ergeben, muss die Pflegekraft
entsprechende Maßnahmen einleiten. Insbesondere sind die Vorgaben des Notfallstandards "hypertensive Krise"
zu beachten.
Der systolische Wert wird mittels eines Querstriches vom diastolischen Wert getrennt, etwa 130/75 mmHg. Die Körperlage des Bewohners wird vermerkt
(sitzend/stehend). Wenn die Messbedingungen von der Norm abweichen, wird dieses ebenfalls notiert, etwa
"Bewohner war sehr unruhig". Vermerkt wird auch, an welchem Arm (links/rechts) gemessen wurde. (Hinweis:
Bei Bewohnern, bei denen häufig eine
Blutdruckuntersuchung durchgeführt werden muss, wird ggf. eine Überwachungskurve angelegt. In diese
grafische Darstellung wird mit einem Farbstift eingetragen.)
Das Material wird unter Beachtung der
Herstellervorgaben gesäubert. Die Blutdruckmanschette (Textil) wird mit einem Desinfektionsmittel behandelt. Die Ohr-Oliven und der Trichter des Stethoskops werden mit 70-prozentigem Alkohol abgerieben.
Die Pflegekraft erkundigt sich nach dem Befinden des Bewohners. Sie stellt sicher, dass sich die Rufanlage in Reichweite befindet.
Dokumente: Vitaldatenblatt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
alle Pflegekräfte