Notar Thomas Grauel, Wolfratshausen
Vorsorgevollmacht und
Patientenverfügung
Ablauf
Einführung
Grundlagen des Betreuungsrechts Vorsorgeverfügungen
Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung Patientenverfügung
Einführung
vier klassische juristische „Lebensrisiken“
- Tod
- Betreuungsbedürftigkeit - Scheidung
- Insolvenz
zunehmende Betreuungsproblematik
- steigende statistische Lebenserwartung der Bevölkerung:
2030 jeder dritte Deutsche über 60 Jahre alt
- aber auch junge Menschen können durch Unfall, Krankheit betreuungsbedürftig werden
- 2011 ca. 240.000 neue Betreuungen in Deutschland
- jährlich ca. 1,3 Mio. laufenden Betreuungen in Deutschland
Betreuungsrecht -Betreuungsbedürftigkeit
Wer durch Krankheit, Alter oder Unfall seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen kann, ist betreuungsbedürftig.
Er erhält auf seinen Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer.
Ehepartner und Kinder sind nicht automatisch vertretungs- berechtigt.
Betreuungsrecht - Auswahl des Betreuers
Auswahl durch das Betreuungsgericht
regelmäßig nahe Familienangehörige des Betreuten
Bei Uneinigkeit in der Familie ist aber auch die Bestellung familien- fremder Dritter als Betreuer möglich
Betreuungsrecht -
Aufgaben und Befugnisse des Betreuers
Vermögenssorge und/oder Personensorge
Aufgabenkreis wird durch das Betreuungsgericht individuell im Einzelfall festgelegt
Betreuer ist gesetzlicher Vertreter des Betreuten, wie z.B. Eltern für ihre minderjährigen Kinder
Betreuungsrecht - Gerichtliche Kontrolle
Auskunfts-, Berichts- und Rechnungslegungspflicht des Betreuers, auch bei nahen Angehörigen
Genehmigungspflichten
in bestimmten Vermögens- und persönlichen Angelegenheiten
Betreuungsrecht - Genehmigungspflichten in persönlichen Angelegenheiten
Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich für:
- medizinische Eingriffe mit Lebensgefahr oder Gefahr von dauerhaften Gesundheitsschäden (z.B. Herzoperation, Amputation) und bei Maßnahmen der passiven Sterbehilfe, aber nur bei Uneinig- keit mit dem behandelnden Arzt.
- freiheitsentziehende Unterbringung (geschlossene Anstalt) - freiheitsbeschränkende Maßnahmen (z.B. Bettgitter)
Betreuungsrecht - Genehmigungspflichten in Vermögensangelegenheiten
Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich insbesondere bei:
- Verkauf und Kauf von Immobilien
- Veräußerung von Unternehmen oder Gesellschaftsbeteiligungen - Bestellung von Grundschulden
- Abschluss von Mietverträgen über Wohnraum
- Abschluss von sonstigen Miet- und Pachtverträgen für länger als vier Jahre
- Aufnahme von Darlehen und Übernahme von Bürgschaften
Bsp.: Unternehmer ist geschäftsunfähig. Seine Ehefrau ist seine Betreuerin. Sie kann das Unternehmen nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts verkaufen.
Betreuungsrecht - Schenkungsverbot
Der Betreuer unterliegt grundsätzlich einem Schenkungsverbot, z.B.
- keine größeren Geldschenkungen
- keine Überlassungen von Grundbesitz - keine Betriebsübergaben
Bsp. 1: Ehemann besitzt eine Immobilie im Wert von 1,6 Mio. Geplant ist, diese ohne Anfall von Schenkungsteuer auf den gemeinsamen Sohn der Ehepartner zu übertragen. Ehemann wird betreuungs-bedürftig.
Steuerliche Gestaltungen zur Ausnutzung der Freibeträge von Kindern in Höhe von 400.000 EUR nach jedem Elternteil alle 10 Jahre sind hier nicht mehr möglich.
Bsp. 2: Unternehmer wird betreuungsbedürftig. Seine Ehefrau kann als dessen Betreuerin das Unternehmen nicht vorzeitig an den gemeinsa- men Sohn übergeben.
Betreuungsrecht - Kosten
Jährliche Betreuungskosten für Gericht und Betreuer bei einem Vermögen von 400.000 EUR:
- bei Berufsbetreuung mindestens ca. 1.600 EUR
- bei ehrenamtlicher Betreuung mindestens ca. 700 EUR
Vorsorgeverfügungen
Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung Patientenverfügung
Vorsorgevollmacht - Begriff u. Bevollmächtigter
Begriff:
- Vorsorgevollmacht (VSV) = Generalvollmacht für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit
- Vorsorgevollmacht vermeidet ein Betreuungsverfahren
Bevollmächtigter:
- freie Wahl des/der Bevollmächtigen (z.B. Ehepartner)
- Absolute Vertrauensperson, da VSV quasi eine Blankovollmacht ist.
- Bestimmung eines/mehrerer Ersatzbevollmächtigter (z.B. Kinder) für den Fall des Ausfalls des Hauptbevollmächtigten.
Vorsorgevollmacht - Vertretungsbefugnis
Mehrere Bevollmächtigte:
- jeder einzeln oder alle Bevollmächtigten nur gemeinsam
- auch Differenzierung möglich: jeder Bevollmächtigte allein, aber nur gemeinsam bei wichtigen Geschäften, z.B. bei Grundstücksge- schäften, größeren Schenkungen;
- Praxis: jeder Bevollmächtigte kann allein vertreten, muss sich aber intern vorher mit dem anderen Bevollmächtigten abstimmen, soweit möglich.
Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht
Befugnis zu Rechtsgeschäften mit sich selbst (Befreiung von
§ 181 BGB)
Vorsorgevollmacht - Geschäftsfähigkeit u. Form
Geschäftsfähigkeit:
- ein Geschäftsunfähiger kann keine VSV mehr erteilen
- Rechtzeitiges Handeln veranlasst; sonst droht eine Betreuung auf Lebenszeit
Form
- schriftliche Vollmacht grundsätzlich ausreichend;
- notarielle Vollmacht erforderlich für: Grundbuchangelegenheiten und Registersachen sowie allgemeine Darlehensvollmachten.
Liegt für diese Angelegenheiten keine notarielle Vollmacht vor, muss hierfür ein Betreuer bestellt werden.
- Vorteile notarieller Vollmacht: Notar prüft Geschäftsfähigkeit, sachgerechte Formulierung, höhere Akzeptanz bei Banken und
Behörden
Vorsorgevollmacht – Weisungen
Der Vollmachtgeber kann dem Bevollmächtigten Weisungen für den Gebrauch der Vollmacht erteilen
Beispiele:
- Pflicht zur vorherigen Abstimmung bei mehreren Bevollmächtigten - Auswahl eines bestimmten Pflegeheims
- Beibehaltung der eigenen Wohnung solange wie möglich - bestimmte Verwendung oder Verwaltung des Vermögens - Patientenverfügung
- Gebrauch der Vollmacht erst, wenn Vollmachtgeber betreuungsbe- dürftig.
Ähnlich wie dienstliche Weisungen an einem GmbH-Geschäftsführer haben die Weisungen nur interne Wirkung.
Vorsorgevollmacht – Wirksamkeit (1)
Bsp.: Vater hat seinem Sohn eine VSV erteilt. Vater ist bei bester Gesundheit. Trotzdem hebt der Sohn unter Vorlage der Vollmacht von dessen Konto eigenmächtig einen größeren Geldbetrag ab und verbraucht das Geld.
Problem: Vollmacht soll erst wirksam werden, wenn Betreuungsbe- dürftigkeit eingetreten ist, um vorherigen Missbrauch auszuschließen.
Eine Vollmacht unter derartiger Bedingung kann aber im Rechts- verkehr nicht überall verwendet werden bzw. wird nicht akzeptiert, z.B.
nicht in Grundbuchangelegenheiten.
Außerdem müsste Bevollmächtigter bei Gebrauch der Vollmacht ein aktuelles ärztliches Attest vorlegen.
Vorsorgevollmacht – Wirksamkeit (2)
Praxis: Der Bevollmächtigte wird intern angewiesen, die Vollmacht nur im Falle der Betreuungsbedürftigkeit zu verwenden. Die Vollmacht wird nach außen aber ohne diese Einschränkung erteilt.
Außerdem erhält der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde erst ausgehändigt, wenn die Betreuungsbedürftigkeit eingetreten ist.
Hierdurch wird ein gewisser Missbrauchsschutz erreicht.
Vorsorgevollmacht - Umfang
Grundsatz:
VSV umfasst alle vermögensrechtlichen und persönliche Angelegen- heiten, bei denen eine Vertretung gesetzlich zulässig ist.
Ausnahme:
Keine Vertretung bei höchstpersönlichen Angelegenheiten, z.B. Testamenten, Eheschließung, Scheidung
Individuelle Einschränkungen der VSV möglich, z.B.
- keine größeren Schenkungen - keine Grundstücksgeschäfte
Vorsorgevollmacht – Personensorge (1)
persönliche Angelegenheiten:
- Aufenthaltsbestimmung
- Unterbringung in Pflegeheim - medizinische Maßnahmen
Vollmacht umfasst aber bestimmte persönliche Angelegenheiten nur, wenn sie ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt sind, und zwar:
a) medizinische Eingriffe mit Lebensgefahr oder Gefahr von dauer- haften Gesundheitsschäden (z.B. Herzoperation, Amputation) b) Maßnahmen der passiven Sterbehilfe
c) freiheitsentziehende Unterbringung (geschlossene Anstalt) d) freiheitsbeschränkende Maßnahmen (z.B. Bettgitter)
Vorsorgevollmacht – Personensorge (2)
Generalvollmachten und ältere Vorsorgevollmachten (vor 2010) sind zu prüfen, ob sie die unter a) bis d) genannten Angelegenheiten enthalten, und sind ggf. zu ergänzen
Genehmigung des Betreuungsgerichts auch bei Vorsorgevoll- macht erforderlich für:
- medizinische Eingriffe mit Lebensgefahr oder Gefahr von
dauerhaften Gesundheitsschäden (z.B. Herzoperation, Amputation) und bei Maßnahmen der passiven Sterbehilfe, aber nur bei Uneinig- keit mit dem behandelnden Arzt.
- freiheitsentziehende Unterbringung (geschlossene Anstalt) - freiheitsbeschränkende Maßnahmen (z.B. Bettgitter)
Vorsorgevollmacht - Vermögenssorge
VSV umfasst alle vermögensrechtlichen Geschäfte.
Im Vermögensbereich findet keine Kontrolle durch das Betreuungsgericht statt. Es ist somit keine betreuungsgerichtliche Genehmigung ist nötig für:
- Grundstücksgeschäfte - Unternehmensverkäufe
- Miet-, Pacht- und Darlehensverträge
Der Bevollmächtigte unterliegt keinem Schenkungsverbot, d.h. mit Vorsorgevollmacht können vorgenommen werden:
- Geldschenkungen
- Überlassungen von Grundbesitz - Betriebsübergaben
Vorsorgevollmacht - Befugnisvergleich
Genehmigung BetrG Genehmigung BetrG
Schwerwiegende medizinische Maßnahmen und passive Ster- behilfe bei Uneinigkeit mit Arzt
Genehmigung BetrG Genehmigung BetrG
Freiheitsentziehende und -beschränkende Maßnahmen
Genehmigung BetrG Ja
Darlehensverträge
Genehmigung BetrG Ja
Mietverträge über Wohnraum;
Miet- u. Pachtverträge für länger als 4 Jahre
Genehmigung BetrG Ja
Unternehmensverkauf und -kauf
Genehmigung BetrG Ja
Immobilienkauf und -verkauf
Nein Ja
Schenkungen, Betriebsübergaben
Betreuer Bevollmächtigter
Gegenstand
Vorsorgevollmacht – Geltungsdauer, Widerruf
Geltungsdauer:
Die Vorsorgevollmacht gilt regelmäßig unbefristet, auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus: d.h. Bevollmächtigter hat Zugriff auf alle Konten des Vollmachtgebers vor allem bis zur Erbenfeststellung durch Erbscheinserteilung bzw. Testamentseröffnung.
Widerruf der Vollmacht:
- Die VSV ist jederzeit einseitig widerruflich.
- Auch mündlich möglich, aber aus Beweisgründen ist Schriftform zu empfehlen.
- Wenn die Vollmacht (Original oder Ausfertigung) schon ausgehändigt wurde, muss sie zurückgefordert werden. Anderenfalls könnte sie
Vorsorgevollmacht –
Notarkosten u. Registrierung
Zentrales Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer - Ende 2011: ca. 1,5 Mio. Vollmachten registriert
- Anfragemöglichkeit aller Betreuungsgerichte in der Bundesrepublik (2011: ca. 235.000 Anfragen, davon ca. 17.000 positiv beantwortet) - einmalige Gebühr, z.B. bei drei Bevollmächtigten max. 24,50 EUR Notarkosten bestimmen sich nach Reinvermögen:
- bei 100.000 EUR ca. 120 EUR
- bei 400.000 EUR ca. 300 EUR
- bei 700.000 EUR oder mehr (Höchstwert) ca. 500 EUR
Vorsorgevollmacht - Vorteile
Vermeidung eines Betreuungsverfahrens schnelles und flexibles Handeln
keine Genehmigungspflichten im Vermögensbereich kein Schenkungsverbot
Bevollmächtigter wird selbst ausgewählt
billiger als Betreuung, da keine jährlichen Kosten entstehen
Betreuungsverfügung
sinnvoll, wenn keine Vertrauensperson vorhanden oder deren gerichtliche Kontrolle erwünscht
Inhalt: Bestimmung der Person des Betreuers und ggf. Wünsche für die Durchführung der Betreuung
vermeidet kein Betreuungsverfahren Bindung des Betreuungsgerichts
Patientenverfügung - Problematik
Jährlich ca. 800.000 Todesfälle in Deutschland nach längerer Krankheit
Medizinischer Fortschritt ermöglicht Lebenserhaltung und Lebensverlängerung
Lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahmen bedürfen der Einwilligung des Patienten
seit Mitte 2009 gesetzliche Regelung durch Gesetz zur Patienten- verfügung
Patientenverfügung -Inhalt u. Form
Inhalt: Volljährige können in einer Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können.
Beispiele:
- keine künstliche Ernährung bei unheilbarer Krankheit im Endstadium - Ablehnung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnah-
men bei Wachkoma oder im Falle hochgradiger Demenz - Schmerzmittel statt Chemotherapie
- auch Wunsch nach Maximaltherapie möglich
Grenze: Verlangen von aktiver Sterbehilfe unzulässig Form: mindestens Schriftform erforderlich
Patientenverfügung -
Wirkung u. Genehmigung
Wirkung
- zeitlich unbegrenzt, d.h. keine regelmäßige Bestätigung nötig - Verbindlichkeit der Patientenverfügung für den Betreuer oder
Bevollmächtigen
- moralische Unterstützung für Angehörige, Vertreter und Ärzte Genehmigungsvorbehalt
- Genehmigung des Betreuungsgerichts nur bei Uneinigkeit zwischen Arzt und Bevollmächtigtem über den Willen des Patienten nötig
- Kein freies Ermessen des Betreuungsgerichts, sondern Bindung an Patientenverfügung
Vorsorgevollmacht - Patientenverfügung
Die Vorsorgevollmacht bestimmt, wer über lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahmen entscheidet.
Die Patientenverfügung legt fest, wie der Bevollmächtigte über
lebenserhaltende und lebensverlängernde Maßnahmen zu entschei- den hat.
Vollmacht gewährleistet schnellere Umsetzung der Patienten- verfügung
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
= Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts
Broschüren, Kontakt
Referent:
Notar Thomas Grauel
Notare Rudolf Huber / Thomas Grauel Sauerlacher Str. 7-9,
82515 Wolfratshausen
Tel: +49 (0 81 71) 41 95 – 0 Fax: +49 (0 81 71) 41 95 – 25
Anlage:
Muster einer Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung
Weiterführende Broschüren:
- Bundesjustizministerium: „Betreuungsrecht“ (www.bmj.de)
- Bayer. Justizministerium: „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“
(www.verwaltung.bayern.de)
Amtstag in Sauerlach:
Rathaus,Bahnhofstr. 1, 82054 Sauerlach (jeden Donnerstag ab 14:00 Uhr)