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granat apfel 7– 8|2013

KuLtur & GeseLLsChAFt reise

ger gewesen, hätte weniger Stress verursacht und einen höheren Erholungsfaktor gehabt.

Reisen jedenfalls ist das nicht, sondern bloß ein Ortswechsel.

Reisen mit allen Sinnen

Aber kann man heute noch reisen? Wie Goe- the? Wie Lawrence Durrell, D. H. Lawrence oder Hermann Hesse? Langsam, mit Bedacht, aufmerksam und mit Empfindsamkeit. Rei- sen mit Muße zum Schauen, Riechen, Hören, Begegnen? Reisen mit allen Sinnen also? Ein Abenteuer der Sinne und der Seele erleben, ohne verordnetes Spektakel? Man kann. In ge- wisser Hinsicht zumindest.

Wenn schon auf den Spuren von Goethe, Durrell, Lawrence und Hesse, dann muss es Italien sein. Vom Norden bis in den Süden,

Die Kunst des Reisens

Man müsste den Mut Goethes haben. Bei nacht und nebel aufbrechen, alles hinter sich lassen und zwei Jahre durch italien reisen. Zeit haben, monatelang an einem Ort bleiben zu können, zu spüren, wie es sich hier lebt. Frei sein und weiterreisen.

text: BArBArA sternthAL

eien wir ehrlich: Urlaub und Reisen machen heutzutage nahezu ebenso viel Stress wie der Job. Arbeiten bis zur letzten Sekunde. Koffer packen. Zu nachtschlafender Zeit zum Flughafen. In das enge Flugzeug, das in null Komma nichts Klimazonen durch- fliegt und uns, ohne dass die Seele eine Chan- ce gehabt hätte mitzukommen, in irgendeiner fremden Gegend wieder auslässt. Was folgt, ist das pauschal gebuchte Ressort. Ein Retor- tenort ohne Zusammenhang mit dem Ambi- ente, eine Künstlichkeit ohne Substanz, die man sich schönredet, damit die Realität dem Wunschdenken standhält. Nach Hause zu- rückgekehrt hält man mit aller Kraft den auf- keimenden Verdacht nieder, dass man diese zwei Wochen eigentlich besser im örtlichen Schwimmbad verbracht hätte. Das wäre billi-

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Fotos: ronnybass/Fotolia.com, Lonut davic/Fotolia.com

Zypressen prägen das Landschaftsbild in der Toskana.

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vom Brenner bis nach Palermo mit öffent- lichen Verkehrsmitteln – also auch mit dem kleinstmöglichen ökologischen Fußabdruck.

Ein wenig Zeit sollte man haben. Und leichtes Gepäck. Weniger ist mehr, kombinieren alles – und man macht trotzdem die obligatorische

„bella figura“.

Der Vorteil, wenn man in der Bahn und nicht hinter dem Steuer sitzt: Man kann den Blick schweifen lassen, den Veränderungen der Landschaft folgen. Von den Alpen über die Weingärten Südtirols bis zu den Hügeln um Verona und der Ebene der Emilia-Romagna.

Die ersten Zypressen gibt es bei Rovereto, ab Verona leuchten silbrige Olivenbäume. Das Pano rama wird italienisch, arkadisch – Villen an den Hängen der Veroneser Hügel, weite Gemüse- und Getreidefelder in der Emilia, alte Gutshöfe wie in Bertoluccis „Novecento“.

Die Strecke Bologna–Neapel führt über Flo- renz und Rom und dauert mit dem komfortab- len Frecciarossa, dem Hochgeschwindigkeits- zug, vier Stunden. Vier Stunden, in denen die vorbeiziehende Vegetation zum Indikator für südlichere Breitengrade wird. Napoli Centrale.

Man spürt den Süden selbst am Bahnhof. Das Italienisch ist weicher geworden, alles ist leicht- lebiger, unkomplizierter als im Norden, auf dem Platz vor dem Bahnhof wachsen Palmen.

Zeit für ein Abenteuer

Es wird Zeit für ein Abenteuer: mit der Circum- vesuviana bis Sorrent und mit dem Linienbus bis Amalfi. Inmitten von Schülern, Hausfrau- en und Pendlern sitzt man (mit Glück – wer die falsche Zeit erwischt, der steht) auf har-

ten Schalensitzen und fährt durch die tristen Weichteile Neapels, unterbrochen von verlo- ckenden Lautsprecheransagen: Ercolano, Pom- peji Scavi e Villa Misteria. Doch die Relikte der Antike müssen warten. Auf eine andere Reise.

Die Fahrt von Sorrent bis Amalfi (und später bis Salerno, um die Reise in den Sü- den fortzusetzen) ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven oder empfindlichen Mä- gen. Wer Vertrauen in das Sein hat (und in die Fahrtüchtigkeit des Buschauffeurs), dem wird diese Fahrt entlang der SS 163, der Amalfi-

tana, zur reinen, zur unvergesslichen Freude.

Es ist Frühling, der Him- mel azur-, das Meer sa- phirblau. An den steilen Hängen blüht alles. Rot, purpur, blau, gelb, weiß, grün, üppig. Keine Halb- heiten, alles hundert- prozentig und verschwenderisch. Die Stra- ße ist schmal, es geht links kerzengerade in die Höhe und rechts ebenso nach unten. Ein entgegenkommender Bus in einer Haarnadel- kurve, das Reversieren wird zum kunstvollen Pas des deux. Der Beruhigungsversuch des Chauffeurs angesichts blasser Passagiere: „Da unten ist ja nur Wasser, wir können doch alle schwimmen.“

Die Strecke von Amalfi nach Salerno ist immer noch prächtig, immer noch aufre- gend, wenn auch – vor allem in Maiori mit den Hotelburgen in Plattenbauweise – mit schmerzhaften Schönheitsfehlern. Die Reali- tät ist das integrative Element, das vor Illusi- onen bewahrt.

Nahezu durchgehend die Küste entlang und über weite Teile – vor allem im Cilento – von geradezu berückender Schönheit ist die Passage von Kampanien bis an die Zehenspit- ze des Stiefels. Reggio di Calabria mit seiner Uferpromenade, diesem „schönsten Kilome- ter Italiens“, von der aus Messina zu sehen ist und, wenn das Wetter klar ist, der Ätna, ist eine unkomplizierte kleine Stadt. Liebens- wert und der perfekte Standort, um sich auf Sizilien zu freuen. Dorthin nimmt man dann einfach das Traghetto. Eine gute halbe Stunde dauert die Überquerung der Straße von Messi- na. Dann ist man angekommen.

Und Sizilien? Sizilien ist eine neue Ge- schichte. Denn: „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: Hier ist erst der Schlüssel zu allem.“ Goethes Feststellung ist nichts hinzuzufügen.

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Napoli Centrale.

Alles ist leichtlebiger, unkomplizierter als im Norden, auf dem Platz vor dem Bahnhof wachsen Palmen.

Südliches Flair in Palermo, bedeutendste Kirche ist die mehr als 800 Jahre alte Kathedrale.

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