Herbst 2020
BIHK
Konjunkturbericht
Die bayerische Wirtschaft erholt sich vom Corona-Schock schneller als erwartet. Die Wachstums- dynamik lässt allerdings in den kommenden Monaten bereits nach. Mit einer Rückkehr der Ge- schäftstätigkeit auf das Vor-Corona-Niveau ist frühestens 2022 zu rechnen.
Das Stimmungsbarometer der bayerischen Wirtschaft – der BIHK-Konjunkturindex – ist von 81 auf 107 Punkte angestiegen. Der als geometrisches Mittel aus Lageurteilen und Geschäftserwartungen ermittelte Indikator hat damit 70 % seines Corona bedingten Einbruchs aufgeholt.
Mit dem Ende des Lockdowns konnten die meisten Branchen ihre Geschäftstätigkeit schrittweise hochfahren. Begleitet von massiven staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und einer kräfti- gen Erholung Chinas, des Handelspartners Nummer Eins, gelang der Neustart. Dies spiegelt der starke Anstieg der Geschäftslage von -18 Saldenpunkten auf +9 Punkte wider. Die anfänglichen Befürchtungen - eine zu starke Abhängigkeit und fragile internationale Lieferketten würden ein schnelles Hochfahren verhindern - haben sich damit nicht bewahrheitet.
Die Unternehmen rechnen allerdings nur mit einem geringen Wachstum in den kommenden Mo- naten: Zwar haben sie ihre Geschäftserwartungen per Saldo von -20 auf + 5 Punkte ebenfalls sehr kräftig angehoben. Im Vergleich zur Lagebewertung sowie zu früheren Erholungen nach Rezessionen liegt der Saldo jedoch auf einem niedrigen Niveau. Dies hat folgende Gründe: In einzelnen Branchen wie insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe, der Kulturwirtschaft oder der Reisebranche ist die Geschäftstätigkeit aufgrund von anhaltenden Beschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus weiterhin stark limitiert (90 %-Ökonomie). Zudem dämpfen strukturelle Herausforderungen (Abkehr vom Verbrennungsmotor, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Verschlechterung der Wettbewerbs- fähigkeit) das Wachstumspotenzial. Darüber hinaus ist die Unsicherheit nicht nur in Bezug auf die Corona-Pandemie außerordentlich hoch, sondern auch mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (Bürokratie, Brexit, schwelender Handelsstreit zwischen China / USA / EU).
Aufgabe der Wirtschaftspolitik muss es sein, die Erholung zu stützen und den Strukturwandel zu fördern. Dabei sollte das Motto gelten: Veränderung belohnen, nicht den Stillstand. Damit die Unternehmen den notwendigen Wandel gestalten können, brauchen sie entsprechende finanzielle Möglichkeiten. Um den Rückgang des Eigenkapitals besser abfedern zu können, sollten die Unter- nehmenssteuern gesenkt und der Verlustrücktrag ausgeweitet werden.
* Herbst 2017 bis Herbst 2020; Differenz der Anteile aus positiven und negativen Bewertungen.
Bayerische Wirtschaft überwindet den Corona-Schock - Wachstumsdynamik lässt jedoch nach
Kurzübersicht *
der Unternehmen fordern 56 %
staatliche Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals
Lage
Erwartungen
Investitionen
Beschäftigung
-60 0 60
H17 H18 H19 H20
-30 0 30
H17 H18 H19 H20
-30 0 30
H17 H18 H19 H20
-30 0 30
H17 H18 H19 H20
93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 H20
Überdurchschnittliche Stimmung
Unterdurchschnittliche Stimmung
Indexpunkte
60 70 80 90 100 110 120 130 140 150
Durchschnitt BIHK Konjunkturindex *
107
* Der BIHK-Konjunkturindex wird als geometrisches Mittel der Salden der Lageurteile und der Erwartungen gebildet.
BRANCHENÜBERBLICK
Die bayerische Industrie erholt sich schneller vom Corona-Stillstand als Anfangs befürchtet. Im Vergleich zum Frühjahr haben die Unternehmen ihre Umsatz- prognosen für 2020 angehoben.
Die Geschäfte laufen allerdings trotz der spürbaren Erholung vergleichsweise schlecht (Saldo -4 Punkte).
Die Unternehmen scheinen nur mit einem geringen Wachstum zu rechnen: Zwar haben sie ihre Geschäfts- erwartungen unerwartet stark angehoben, sie halten sich jedoch beim Investieren zurück und müssen weitere Stellen streichen.
Im bayerischen Dienstleistungsgewerbe ist der Neu- start ebenfalls geglückt. Weiterhin schlecht laufen die Geschäfte allerdings in der Werbebranche sowie in der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Die bayerischen Dienstleister blicken wenig optimistisch in die Zukunft.
Auch im Dienstleistungsgewerbe wird sich der Stellenabbau fortsetzen: Zwar ist der Saldo der Beschäftigungspläne im Vergleich zum Frühjahr an- gestiegen, mit -8 Punkten liegt er jedoch weiterhin klar im Minus.
Im bayerischen Handel hat sich die Stimmung besonders stark erholt. Die Geschäfte laufen insgesamt wieder recht ordentlich.
Für die kommenden Monate rechnen die Händler allerdings lediglich mit einer stabilen Entwicklung.
Die Corona-Pandemie hat den strukturellen Umbruch im Handel nochmals spürbar beschleunigt: Der Online- handel profitiert, der stationäre Handel verliert.
Das bayerische Baugewerbe hat im Frühjahr nicht so stark unter den Corona-Auswirkungen gelitten wie andere Branchen, denn die Auftragsbücher waren noch voll. Auch aktuell laufen die Geschäfte auf einem guten Niveau.
Der Höhenflug im Baugewerbe scheint jedoch auszu- laufen. Die Betriebe blicken vergleichsweise skeptisch auf die kommenden Monate. Sie rechnen mit weniger Aufträgen im Bereich des Wirtschaftsbaus und der öffentlichen Hand.
Neben der Kultur- und Kreativwirtschaft leidet der bay- erische Tourismus am stärksten unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Jedes zweite Unternehmen be- wertet seine aktuelle Lage als „schlecht“. Der Saldo liegt mit -32 Punkten weiterhin klar im negativen Bereich.
Besonders kritisch ist die Situation bei den Reisebüros und den Reiseveranstaltern.
Die Tourismusbranche hat wenig Hoffnung, dass sich in den kommenden Monaten die Lage verbessert. Das Hotel- und Gastgewerbe geht sogar von einer erneuten Eintrübung aus. Daher beabsichtigen 40 % der Betreiber von Hotels und Gaststätten Personal zu streichen.
Industrie
Bau- branche
Handel
Tourismus Dienst- leistungen
Saldo
-100 -50 0 50 100
H08 H09 H10 H11 H12 H13 H14 H15 H16 H17 H18 H19 H20
Lage Erwartungen Investitionen Beschäftigung
Geschäftslage Geschäftserwartungen
Investitionspläne Beschäftigungserwartungen
Saldo
-100 -50 0 50 100
H08 H09 H10 H11 H12 H13 H14 H15 H16 H17 H18 H19 H20
Lage Erwartungen Investitionen Beschäftigung
Geschäftslage Geschäftserwartungen
Investitionspläne Beschäftigungserwartungen
Saldo
-100 -50 0 50 100
H08 H09 H10 H11 H12 H13 H14 H15 H16 H17 H18 H19 H20
Lage Erwartungen Investitionen Beschäftigung
Geschäftslage Geschäftserwartungen
Investitionspläne Beschäftigungserwartungen
Saldo
-100 -50 0 50 100
H08 H09 H10 H11 H12 H13 H14 H15 H16 H17 H18 H19 H20
Lage Erwartungen Investitionen Beschäftigung
Geschäftslage Geschäftserwartungen
Investitionspläne Beschäftigungserwartungen
Saldo
-100 -50 0 50 100
H08 H09 H10 H11 H12 H13 H14 H15 H16 H17 H18 H19 H20
Lage Erwartungen Investitionen Beschäftigung
Geschäftslage Geschäftserwartungen
Investitionspläne Beschäftigungserwartungen
BRANCHENÜBERBLICK
3 % 2 %
11 % 28 % 20 %
37 % Prognose Herbst 2020
6 % 2 % 18 % 31 %
19 % 24 % Prognose Frühjahr 2020
Wie wird sich der Umsatz Ihres Unternehmens im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 entwickeln?
konstant oder steigen
bis -10 % -10 % bis -25 % -25 % bis -50 % mehr als -50 % keine Prognose
möglich
3 % 3 %
11 % 20 % 17 %
46 %
6 % 5 % 18 % 32 %
15 %
24 % oder steigen konstant bis -10 % -10 % bis -25 % -25 % bis -50 % mehr als -50 % keine Prognose
möglich
Prognose Herbst 2020 Prognose Frühjahr 2020
Wie wird sich der Umsatz Ihres Unternehmens im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 entwickeln?
4 %
42 % 29 % 10 % 4 %
12 %
10 % 50 %
28 % 9 %
1 %
2 % oder steigen konstant bis -10 % -10 % bis -25 % -25 % bis -50 % mehr als -50 % keine Prognose
möglich
Prognose Herbst 2020 Prognose Frühjahr 2020
Wie wird sich der Umsatz Ihres Unternehmens im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 entwickeln?
4 % 1 %
4 % 11 %
16 %
63 %
4 % 1 % 4 % 15 % 21 %
55 % oder steigen konstant
bis -10 % -10 % bis -25 % -25 % bis -50 % mehr als -50 % keine Prognose
möglich
Prognose Herbst 2020 Prognose Frühjahr 2020
Wie wird sich der Umsatz Ihres Unternehmens im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 entwickeln?
2 % 8 %
10 % 17 % 15 %
47 %
7 % 7 % 14 % 23 %
16 %
33 % oder steigen konstant bis -10 % -10 % bis -25 % -25 % bis -50 % mehr als -50 % keine Prognose
möglich
Prognose Herbst 2020 Prognose Frühjahr 2020
Wie wird sich der Umsatz Ihres Unternehmens im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 entwickeln?
bereits wieder auf oder über Vorkrisenauslastung Rückkehr noch im Laufe des Jahres 2020 Rückkehr im 1. Halbjahr 2021 Rückkehr im 2. Halbjahr 2021 Rückkehr nach 2021 Wir rechnen nicht mit einer Rückkehr zur Normalität
Derzeit keine Einschätzung möglich 17 % 5 %
22 % 21 % 12 % 3 %
19 %
Mit Blick auf die COVID-19-Pandemie: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit (Vor-Corona-Niveau) für Ihr Unternehmen?
bereits wieder auf oder über Vorkrisenauslastung Rückkehr noch im Laufe des Jahres 2020 Rückkehr im 1. Halbjahr 2021 Rückkehr im 2. Halbjahr 2021 Rückkehr nach 2021 Wir rechnen nicht mit einer Rückkehr zur Normalität
Derzeit keine Einschätzung möglich 24 %
13 %
35 % 19 %
3 % 1 %
5 %
Mit Blick auf die COVID-19-Pandemie: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit (Vor-Corona-Niveau) für Ihr Unternehmen?
bereits wieder auf oder über Vorkrisenauslastung Rückkehr noch im Laufe des Jahres 2020 Rückkehr im 1. Halbjahr 2021 Rückkehr im 2. Halbjahr 2021 Rückkehr nach 2021 Wir rechnen nicht mit einer Rückkehr zur Normalität
Derzeit keine Einschätzung möglich 21 %
4 %
18 % 7 %
7 % 4 %
39 % Mit Blick auf die COVID-19-Pandemie: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur
normalen Geschäftstätigkeit (Vor-Corona-Niveau) für Ihr Unternehmen?
bereits wieder auf oder über Vorkrisenauslastung Rückkehr noch im Laufe des Jahres 2020 Rückkehr im 1. Halbjahr 2021 Rückkehr im 2. Halbjahr 2021 Rückkehr nach 2021 Wir rechnen nicht mit einer Rückkehr zur Normalität
Derzeit keine Einschätzung möglich 16 % 8 %
16 % 17 % 12 % 4 %
26 % Mit Blick auf die COVID-19-Pandemie: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur
normalen Geschäftstätigkeit (Vor-Corona-Niveau) für Ihr Unternehmen?
bereits wieder auf oder über Vorkrisenauslastung Rückkehr noch im Laufe des Jahres 2020 Rückkehr im 1. Halbjahr 2021 Rückkehr im 2. Halbjahr 2021 Rückkehr nach 2021 Wir rechnen nicht mit einer Rückkehr zur Normalität
Derzeit keine Einschätzung möglich 18 %
8 % 17 % 16 % 13 % 5 %
24 % Mit Blick auf die COVID-19-Pandemie: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur
normalen Geschäftstätigkeit (Vor-Corona-Niveau) für Ihr Unternehmen?
UNTERSTÜTZUNGSPROGRAMME, LIQUIDITÄT UND WIRTSCHAFTSPOLITISCHE FORDERUNGEN
Weitere Informationen:
Dr. Jochen Wiegmann
IHK für München und Oberbayern 089 5116-0
jochen.wiegmann@muenchen.ihk.de
Ausführliche Erläuterungen zu den Umfrage- ergebnissen finden Sie im Internet unter
ihk-muenchen.de/konjunkturbericht
Kontakt Risiken
Der Neustart ist besser geglückt als er- wartet: Im Vergleich zum Frühjahr haben die Unternehmen ihre Umsatzprognosen für 2020 angehoben.
Die Mehrheit der Unternehmen (53 %) rechnet allerdings im Jahr 2020 mit Um- satzeinbußen.
Mit einer Rückkehr der Geschäftstätigkeit auf das Vor-Corona-Niveau ist frühestens 2022 zu rechnen.
Bei rund jedem vierten Unternehmen laufen die Geschäfte aktuell auf oder über dem Vor-Corona-Niveau und rund jedes Dritte rechnet mit einer vollständigen Erholung bis spätestens Ende nächsten Jahres.
Knapp jedes Fünfte erwartet erst nach 2021 eine Rückkehr zur Vor-Corona- Normalität und 7 % rechnen nicht mit einer Normalisierung.
Die Unsicherheit ist hoch: 18 % trauen sich keine Prognose zu.
3 % 7 %
11 % 19 % 16 %
44 %
7 % 7 % 16 % 25 %
16 %
29 % oder steigen konstant bis -10 % -10 % bis -25 % -25 % bis -50 % mehr als -50 % keine Prognose
möglich
Prognose Herbst 2020 Prognose Frühjahr 2020
Wie wird sich der Umsatz Ihres Unternehmens im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 entwickeln?
bereits wieder auf oder über Vorkrisenauslastung Rückkehr noch im Laufe des Jahres 2020 Rückkehr im 1. Halbjahr 2021 Rückkehr im 2. Halbjahr 2021 Rückkehr nach 2021 Wir rechnen nicht mit einer Rückkehr zur Normalität
Derzeit keine Einschätzung möglich 18 %
7 %
19 % 17 % 12 % 4 %
23 % Mit Blick auf die COVID-19-Pandemie: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zur
normalen Geschäftstätigkeit (Vor-Corona-Niveau) für Ihr Unternehmen?
Umsatzprognosen
Rückkehr der Geschäftstätigkeit auf Vor-Corona-Niveau
Inlandsnachfrage Wirtschaftspol.
Rahmenbed.
Fachkräftemangel Arbeitskosten Auslandsnachfrage Energie- und Rohstoffpreise
Finanzierung Wechselkurs 3 11
21 33 28
41 49
65
7 3 31
18 39
51 53 48
8 4 32
20 38
55 51 49
9 4 32
19 43
61 43 47
Wo sehen die bayerischen Unternehmen die größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens in den kommenden 12 Monaten?
Mehrfachantworten möglich, in %, Frühjahr 2019, Herbst 2019, Jahresbeginn 2020, Herbst 2020 (von links nach rechts); Hinweis: Keine Abfrage im Frühjahr 2020