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Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

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(1)

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-5581/2016 plo

U r t e i l v o m 8 . D e z e m b e r 2 0 1 7

Besetzung

Richter Hans Schürch (Vorsitz),

Richterin Regula Schenker Senn, Richterin Mia Fuchs, Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller Leibundgut.

Parteien A._______, geboren am (…),

Eritrea,

vertreten durch lic. iur. Isabelle Müller, Caritas Schweiz, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 17. August 2016 / N (…).

(2)

Sachverhalt:

A.

A.a Der Beschwerdeführer, ein eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Ethnie mit letztem Wohnsitz in B._______ (Zoba Maekel, Subzoba Berich), verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge im Dezember 2013 und gelangte über Äthiopien, den Sudan, Libyen und Italien am 17. Juli 2014 in die Schweiz, wo er am selben Tag um Asyl nachsuchte. Am 24. Juli 2014 führte das vormalige Bundesamt für Migration (BFM) die Befragung zur Person (BzP) durch und wies den Beschwerdeführer in der Folge für die Dauer des Verfahrens dem Kanton C._______ zu. Am 14. Juni 2016 erfolgte die Anhörung zu den Asylgründen.

A.b Zur Begründung seines Asylgesuchs brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe in den Jahren 2004 bis 2011 in D._______ ge- lebt und danach während ungefähr zwei Jahren in B._______. Nach Ab- schluss des elften Schuljahres sei er im Juli 2013 nach Sawa gegangen, um das zwölfte Schuljahr zu absolvieren. Er habe sich vom Schulabschluss eine gute Zukunft für sich und seine Familie erhofft. Schnell habe sich je- doch herausgestellt, dass es sich bei der Ausbildung in Sawa um eine mi- litärische Ausbildung handle. Er und die anderen Schüler seien bei der An- kunft in Sawa von Soldaten empfangen und verschiedenen Einheiten zu- geteilt worden. Ihn habe man der 2. Kompanie des 1. Bataillons der 1. Bri- gade des 5. Korps (Kifle-Serawit) zugewiesen. Der Alltag in Sawa sei mili- tärisch strukturiert gewesen: Sie hätten üblicherweise vor 5 Uhr aufstehen und auf nüchternen Magen drei bis vier Kilometer joggen müssen. Danach hätten sie karg gefrühstückt. Ab Ende August habe dann am Vormittag der Schulunterricht stattgefunden. Anschliessend hätten sie ihr Mittagessen er- halten, und an den Nachmittagen hätten sie trotz der herrschenden Hitze verschiedene militärische Märsche erlernen müssen. Ausser marschieren hätten sie in der Zeit bis zu seiner Flucht nichts gelernt. Danach hätten sie das Abendessen eingenommen, die Unterkunft gereinigt und seien früh zu Bett gegangen. Duschen sei nur in Abständen von mehreren Tagen mög- lich gewesen. An den Sonntagen hätten sie vom Wochenprogramm abwei- chende Aufgaben erhalten, unter anderem hätten sie als Plantagehelfer in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Unter der Woche hätten sie andere Zwangsarbeiten erledigen müssen. Die Ausbildner hätten ihre Funktion sehr ernst genommen; bereits kleine Fehler hätten schwere Strafen nach sich gezogen und mitunter sei sogar bestraft worden, wer sich nichts habe zuschulden lassen kommen. Dies sei auch ihm geschehen: Eines Tages, als er mit seiner Kompanie unterwegs zur Toilette gewesen sei, habe der

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Vizeoffizier namens A. ihn aufgefordert, aus der Reihe zu treten. Daraufhin sei er in der Otto-Form (Achterform) gefesselt und so einen Tag lang be- straft worden. Ihm sei zu Unrecht vorgeworfen worden, ein verbotenes Lied gesungen zu haben. Am Ende des Tages habe ihm der Vizeoffizier die Fes- sel abgenommen und sich entschuldigt, weil er ihn zu Unrecht gefesselt habe. Wie sich der Irrtum aufgeklärt habe, wisse er nicht. Aufgrund der ge- schilderten Umstände habe er psychische Probleme bekommen und den Wunsch entwickelt, aus Sawa zu fliehen, habe aber zunächst nicht ge- wusst, wie er diesen Entschluss umsetzen könnte. An einem Sonntag im Dezember 2013 habe sich dann eine günstige Gelegenheit geboten. An diesem Sonntag sei er zusammen mit weiteren Personen zur Feldarbeit nach Moluber geschickt worden. Auf dem Heimweg habe er in der Gruppe einen Kontrollposten passiert und sich dann alleine abgesetzt und im Wald versteckt. Dies sei möglich gewesen, weil die Leute nach der Feldarbeit jeweils müde gewesen und in grösseren Abständen zueinander gelaufen seien, so dass sein Verschwinden wohl nicht aufgefallen sei. Von seinem Versteck aus sei er dem Fluss entlang Richtung Shemere Adgi gelaufen, wo er mit drei weiteren ausreisewilligen Soldaten verabredet gewesen sei.

Von Shemere Adgi seien sie gemeinsam zu Fuss nach Kassala (Sudan) gelangt, wobei sie in der Nacht unterwegs gewesen seien, einerseits, um möglichst unentdeckt zu bleiben, andererseits, weil ihnen der Mond als Ori- entierungshilfe gedient habe.

A.c Der Beschwerdeführer reichte im Verlauf des vorinstanzlichen Verfah- rens lediglich eine Student Report Card zu den Akten.

B.

Mit Verfügung vom 17. August 2016 – eröffnet am 18. August 2016 – wies das SEM das Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.

Die Vorinstanz erwog, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die angeblichen Ereignisse im Zusammenhang mit dem Militärdienst glaubhaft vorzubringen. Zunächst könne ihm in Anbetracht der in Eritrea allgemein bekannten Tatsache, dass die Schüler in Sawa seit Jahren militärisch aus- gebildet würden, nicht geglaubt werden, dass er davon ausgegangen sei, er würde eine reguläre zwölfte Klasse besuchen. Sodann liessen seine Aussagen gesamthaft betrachtet die nötige Substanz vermissen, insbeson- dere auch in Anbetracht der behaupteten Aufenthaltsdauer von ungefähr fünf Monaten. Seine Antworten zum Militärdienst seien trotz wiederholtem Nachhaken oberflächlich, überwiegend detailarm und ohne persönlichen

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Bezug ausgefallen. Zwar habe er einige Details benennen können, aller- dings seien diese erlernbar. Da er keine persönlich gefärbten Schilderun- gen habe vorbringen können, sei sein Aufenthalt in Sawa nicht glaubhaft.

Erschwerend komme hinzu, dass der behauptete Ausreisetag kein Sonn- tag, sondern ein Dienstag gewesen sei. Zudem sei die Schilderung der il- legalen Ausreise ebenfalls unglaubhaft ausgefallen. Daher sei die Flücht- lingseigenschaft zu verneinen und das Asylgesuch abzulehnen. Den Voll- zug der Wegweisung nach Eritrea erachtete das SEM als zulässig, zumut- bar und möglich.

C.

C.a Mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 15. September 2016 liess der Beschwerdeführer beantragen, die vorinstanzliche Verfü- gung sei aufzuheben und es sei ihm Asyl zu gewähren, eventuell sei die Flüchtlingseigenschaft festzustellen und die vorläufige Aufnahme zu verfü- gen, subeventuell sei er infolge Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit oder Un- möglichkeit des Wegweisungsvollzugs in der Schweiz vorläufig aufzuneh- men. In prozessualer Hinsicht wurde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG, um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um amtliche Verbeiständung unter Beiordnung der mandatieren Rechtsvertreterin als amtliche Rechts- beiständin (Art. 110a Abs. 1 AsylG [SR 142.31]) ersucht.

C.b Zur Begründung der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Vorbringen des Beschwerdeführers seien entgegen der Auffassung der Vorinstanz durchaus als glaubhaft im Sinne von Art. 7 AsylG zu qualifizie- ren. Die Vorinstanz habe bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit die Reali- tätskennzeichen enthaltenden Angaben des Beschwerdeführers gänzlich unberücksichtigt gelassen. Beispielsweise habe er den Rekrutierungspro- zess, den Tagesablauf in Sawa und das Prozedere der Einteilung in die Einheit detailgerecht und nachvollziehbar beschrieben. Darüber hinaus habe er mit der Schilderung seiner Fesselung während eines Tages ein sehr prägendes Erlebnis beschreiben können. Ebensowenig trage der Ent- scheid dem Umstand Rechnung, dass die geschilderten Ereignisse als re- alistisch zu bezeichnen seien und überprüfbaren Tatsachen entsprächen;

so habe er das Einrücken und die Zeit während der zwölften Klasse in Sawa sehr genau beschrieben. Ausserdem habe er Angaben zur militäri- schen Ausbildung machen können, wie beispielsweise das Erlernen von Märschen. In diesem Zusammenhang wirkten die Bemerkungen der befra- genden Person, wonach sie die Märsche innerhalb einer Stunde erlernt hätte, befremdlich, liessen auf mangelnde Objektivität schliessen und den

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Beschwerdeführer lächerlich wirken. Es dürfe nicht vergessen werden, dass das repetitive, drillmässige Einüben von Mechanismen im eritrei- schen Kontext nachvollziehbar sei, selbst wenn es aus Schweizer Perspek- tive fragwürdig erscheine. Des Weiteren sei mit den eingereichten Fotos der Tatbeweis erbracht, dass sich der Beschwerdeführer in Sawa aufge- halten habe. Sodann habe das SEM aufgrund der Tatsache, dass es dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in Sawa nicht geglaubt habe, auch die geltend gemachte Desertion für unglaubhaft befunden und dem Beschwer- deführer auch diesbezüglich Ungereimtheiten vorgeworfen, beispielsweise die Angabe eines falschen Datums beziehungsweise Wochentages. Aller- dings habe der Befrager den Beschwerdeführer zur Nennung eines sol- chen gedrängt und dieser habe sofort eingeräumt, dass er sich bezüglich des Datums nicht sicher sei, wohl aber an welchem Wochentag er geflüch- tet sei, nämlich an einem Sonntag. Ausserdem habe der Beschwerdeführer entgegen der vorinstanzlichen Auffassung erklären können, wie er sich auf dem Weg von Moluber nach Sawa von seiner Gruppe habe absetzen kön- nen. Auch der Vorhalt, er habe die drei Personen, die mit ihm ausgereist seien, erst später erwähnt, könne so nicht gehört werden, da diese bei der ersten konkreten Frage namentlich genannt worden seien. Zusammenge- fasst überwögen bei einer Gesamtwürdigung aller Elemente diejenigen, die für die Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Beschwerdeführers sprächen.

Demnach sei davon auszugehen, dass sich die Ereignisse wie von ihm geschildert zugetragen hätten. Der Beschwerdeführer sei folglich als Flüchtling anzuerkennen, und es sei ihm Asyl zu gewähren.

C.c Der Beschwerde lagen folgende Unterlagen bei: eine Kopie der ange- fochtenen Verfügung, eine Vollmacht vom 6. September 2016, zwei Fotos der Identitätskarten seiner Eltern, vier Fotos von seinem Aufenthalt in Sawa, eine Luftaufnahme vom Camp in Sawa, eine Kopie des Zusatzblatts zum Kurzbericht der Hilfswerkvertretung, eine Fürsorgebestätigung vom 31. August 2016 sowie eine Auflistung der bisherigen Aufwendungen der Rechtsvertretung.

D.

D.a Mit Zwischenverfügung vom 19. September 2016 hiess der Instrukti- onsrichter die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG und amtliche Verbeiständung im Sinne von Art. 110a Abs. 1 AsylG gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kosten- vorschusses und ordnete dem Beschwerdeführer „lic. iur. Patricia Müller“

als amtliche Rechtsbeiständin bei. Die Akten wurden der Vorinstanz zur Vernehmlassung überwiesen.

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D.b Mit Instruktionsverfügung vom 21. September 2016 wurde Ziffer 3 des Dispositivs der Verfügung vom 19. September 2016 berichtigt, und dem Beschwerdeführer wurde lic. iur. Isabelle Müller als amtliche Rechtsbei- ständin beigeordnet.

E.

In ihrer Vernehmlassung vom 28. September 2016 hielt die Vorinstanz voll- umfänglich an ihren Erwägungen fest und führte dabei insbesondere aus, die Fotos des Beschwerdeführers könnten auch ausserhalb Sawas aufge- nommen worden sein und seien daher nicht geeignet, eine Verfolgung zu beweisen.

F.

Nach gewährter Fristerstreckung liess der Beschwerdeführer in der Replik vom 27. Oktober 2017 erwidern, die auf den Fotos abgebildeten Räumlich- keiten seien identisch mit im Internet verfügbaren Lagerbildern aus Sawa.

Gleiches gelte für die Uniformen und Overalls, die er auf den Fotos trage.

Somit lägen konkrete Indizien dafür vor, dass die Bilder tatsächlich in Sawa im Rahmen der dortigen militärischen Ausbildung beziehungsweise der Ab- solvierung des 12. Schuljahres aufgenommen worden seien. Sodann wird angefügt, es sei dem Beschwerdeführer keinesfalls zuzumuten, sich beim eritreischen Regime mit einem Reueschreiben zu entschuldigen und die- ses mit Steuerzahlungen zu unterstützen. Zu diesem Thema sowie zur Frage der Flüchtlingseigenschaft von illegal aus Eritrea ausgereisten Per- sonen sei auf die Resolution 2023 des UN-Sicherheitsrats vom 5. Dezem- ber 2011 sowie auf das Urteil MST and Others (national service – risk ca- tegories) Eritrea CG, [2016] UKUT 00443 (IAC), United Kingdom: Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber), vom 11. Oktober 2016 zu ver- weisen. Zudem wird vorgebracht, der EGMR habe einer am 13. Juli 2016 eingereichten Beschwerde eines eritreischen Beschwerdeführers wegen (möglicher) Verletzung von Art. 3 und 4 EMRK die aufschiebende Wirkung erteilt (Application no. 41282/16 M. O. against Switzerland).

Der Replik lag ein Auszug des Reports of the Commission of Inquiry on Human Richts (CIHR) in Eritrea aus dem Jahr 2015 bei.

G.

Mit Eingabe vom 23. Februar 2017 liess der Beschwerdeführer eine Bestä- tigung des UNHCR betreffend seine Registrierung im UNHCR-Flüchtlings- camp in Sudan vom 5. Dezember 2016 zu den Akten reichen.

(7)

H.

Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers erkundigte sich mit Schrei- ben vom 9. November 2017 nach dem Grund für die lange Verfahrens- dauer und ersuchte um beschleunigte Behandlung der Beschwerde.

Gleichzeitig brachte sie vor, es sei nach wie vor – auch nach dem am 30. Januar 2017 ergangenen Referenzurteil des Bundesverwaltungsge- richts (D-7898/2015) – davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft erfülle. Er müsse zudem im Falle einer Rückkehr nach Eritrea mit unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK sowie unzulässiger Zwangsarbeit im Sinne von Art. 4 EMRK rechnen, wes- halb der Wegweisungsvollzug unzulässig sei.

I.

Der Instruktionsrichter beantwortete die vorgenannte Anfrage mit Schrei- ben vom 14. November 2017.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gestützt auf Art. 31 VGG Be- schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer Vor- instanz im Sinne von Art. 33 VGG erlassen wurden, sofern keine das Sach- gebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG vorliegt. Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für die Beurteilung von Be- schwerden gegen Entscheide des SEM, welche in Anwendung des AsylG ergangen sind, und entscheidet in diesem Bereich in der Regel – und so auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 Bundes- gerichtsgesetz [BGG, SR 173.110]).

1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwer- deführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges In- teresse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG;

Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzu- treten.

(8)

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Aus- länderrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund- sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali- tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politi- schen Anschauungen wegen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen (Art. 7 Abs. 1 und 2 AsylG). Vorbringen sind dann glaubhaft, wenn sie genügend substantiiert, in sich schlüssig und plausibel sind; sie dürfen sich nicht in vagen Schilderungen erschöpfen oder den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung widersprechen, und sie dürfen nicht widersprüchlich sein oder der inneren Logik entbehren.

Darüber hinaus muss die asylsuchende Person persönlich glaubwürdig er- scheinen, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn sie ihre Vorbrin- gen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt (Art. 7 Abs. 3 AsylG), wichtige Tatsachen unterdrückt oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens Vorbringen auswechselt oder unbegründet nach- schiebt, mangelndes Interesse am Verfahren zeigt oder die nötige Mitwir- kung verweigert. Glaubhaftmachung bedeutet – im Gegensatz zum strikten Beweis – ein reduziertes Beweismass und lässt durchaus Raum für ge- wisse Einwände und Zweifel an den Vorbringen des Beschwerdeführers.

Eine Behauptung gilt bereits als glaubhaft gemacht, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit nicht völlig überzeugt ist, sie aber überwiegend für wahr hält, obwohl nicht alle Zweifel beseitigt sind. Für die Glaubhaftmachung reicht es demgegenüber nicht aus, wenn der Inhalt der Vorbringen zwar möglich ist, aber in Würdigung der gesamten Aspekte wesentliche und überwie- gende Umstände gegen die vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung spre- chen. Entscheidend ist im Sinne einer Gesamtwürdigung, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht; dabei ist auf eine objektivierte Sichtweise abzustellen.

(9)

3.3 Gemäss Art 3 Abs. 3 AsylG ist nicht Flüchtling, wer wegen Wehrdienst- verweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbe- halten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30).

4.

Nachfolgend ist zu prüfen, ob das SEM zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint und sein Asylgesuch abgewiesen hat.

4.1 Der Beschwerdeführer hat zur Begründung seines Asylgesuchs vorge- bracht, er habe vor der Ausreise fünf Monate im Militärcamp in Sawa ver- bracht und sei dann im Dezember 2013 desertiert und illegal aus Eritrea ausgereist. Das SEM hat in der angefochtenen Verfügung die Glaubhaf- tigkeit der geltend gemachten Fluchtgründe verneint. Dieser Meinung kann jedoch aus nachfolgenden Gründen nicht gefolgt werden.

4.1.1 Entgegen der Auffassung des SEM können die Schilderungen des Beschwerdeführers keineswegs als substanzlos und detailarm bezeichnet werden, und zwar weder bezüglich der geltend gemachten Einziehung nach Sawa im Juli 2013 noch bezüglich des von ihm geschilderten streng militärisch strukturierten Alltags im Camp. Vielmehr ist festzustellen, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers zahlreiche Realitätskennzei- chen enthalten und ausserdem widerspruchsfrei vorgetragen wurden. So war der Beschwerdeführer beispielsweise ohne weiteres in der Lage, den ersten Tag in Sawa detailliert und subjektiv geprägt wiederzugeben. Dabei führte er insbesondere aus, es sei für ihn ein Schock gewesen, dass er und seine Schulkameraden nicht derselben militärischen Einheit zugeteilt wor- den seien, und gab an, er habe sich beim Befolgen des Kommandos „Ab- ruch“ an seinen Kollegen orientieren müssen, weil er mit diesem noch nicht vertraut gewesen sei (vgl. A10 F73 und F92 f.). Ferner wusste er zu berich- ten, dass Schüler der 26. Runde am Abend des ersten Tages wieder nach Hause geschickt worden seien und erinnerte sich, dass er in der 27. Runde eingezogen worden sei (vgl. A10 F93 und F83). Bei der Durchsicht des Anhörungsprotokolls fällt weiter auf, dass er nicht nur mühelos seine Ein- heit präzise benennen, sondern auch schildern konnte, wie die Zuteilung erfolgt sei, mit wie vielen Kollegen er sich die Unterkunft geteilt, mit wem er sich am besten verstanden habe und wie die Raumaufteilung ausgestal- tet gewesen sei (vgl. A10 F80 und F92 ff.). Auch den Alltag in Sawa be- schrieb der Beschwerdeführer anschaulich (vgl. A10 F107 f.); es ist im Üb-

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rigen nachvollziehbar, dass sich die geltend gemachte Monotonie des All- tags im Militärcamp auch in den diesbezüglichen Aussagen widerspiegelt.

Der Beschwerdeführer schilderte sodann realitätsnah, wie er zu Unrecht des Singens eines verbotenen Liedes bezichtigt worden sei und wie er des- halb auf dem Toilettengang aus der Reihe genommen und mittels Fesse- lung nach der Otto-Form bestraft worden sei. Er ergänzte zudem, dass sich der Vizeoffizier später entschuldigt habe und dass er diesem auf seiner Flucht von Sudan nach Libyen nochmals begegnet sei (vgl. A10 F105). Da der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge lediglich fünf Monate lang in Sawa war, erscheint es im Weiteren auch nicht völlig unplausibel, dass er in dieser Zeit in militärischer Hinsicht einzig das Exerzieren respektive militärische Disziplin und Gehorsam erlernen musste. Der Beschwerdefüh- rer hat für den behaupteten Aufenthalt in Sawa zwar keine direkten Be- weise vorgelegt, jedoch sind die von ihm eingereichten Fotos immerhin ge- eignet, seine Vorbringen im Sinne von Indizien zu untermauern. Nach dem Gesagten ist der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Aufenthalt in Sawa als überwiegend glaubhaft zu erachten.

4.1.2 Das SEM führte in der angefochtenen Verfügung aus, die vom Be- schwerdeführer behauptete Desertion sei schon deswegen anzuzweifeln, weil der geltend gemachte Aufenthalt in Sawa nicht glaubhaft sei. Ange- sichts der vorstehenden Erwägungen und der daraus gezogenen Schluss- folgerung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Sawa entgegen der vom SEM vertretenen Auffassung als glaubhaft zu erachten ist, kann dieser Argumentation offensichtlich nicht gefolgt werden. Sodann ist fest- zustellen, dass der Beschwerdeführer entgegen der vorinstanzlichen Auf- fassung auch seine Desertion und die darauffolgende illegale Ausreise aus Eritrea überwiegend glaubhaft dargelegt hat. Hierzu führte er zusammen- gefasst aus, er habe sich an einem Sonntag mit drei ausreisewilligen Kol- legen aus seiner Einheit beim Berg „Shemere Adgi“ verabredet, habe sich dann auf dem Heimweg von der Feldarbeit nach der Kontrolle von seiner Einheit abgesetzt und in der stark bewaldeten Gegend von Moluber ver- steckt, sei in der Folge dem Fluss entlang zum vereinbarten Treffpunkt ge- langt und anschliessend zusammen mit seinen Kollegen illegal aus Eritrea ausgereist (vgl. A10 F132 ff., F152). Seine diesbezüglichen Aussagen sind zwar nicht sehr ausführlich ausgefallen, jedoch kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keine der ihm gestellten Fragen unbeantwortet liess, seine Angaben auf Nachfrage hin ergänzte und sich in keinerlei we- sentliche Widersprüche verstrickte. Der vom SEM aufgeführte vermeintli- che Widerspruch betreffend die Frage, ob er alleine oder mit anderen Per- sonen zusammen desertiert sei, erweist sich bei näherer Betrachtung als

(11)

inexistent: Zu den Umständen seiner Desertion befragt, gab der Beschwer- deführer an, er habe sich auf dem Heimweg von Moluber nach Sawa von seiner Einheit abgesetzt und im Wald versteckt, von wo aus er in Richtung Shemere Adgi marschiert sei (vgl. A10 F154). Auf die Frage, mit wem er ausgereist sei, antwortete er, er sei zusammen mit drei weiteren Personen ausgereist (vgl. A10 F177). Der Befrager hielt ihm daraufhin vor, er habe die drei Personen zuvor unerwähnt gelassen, worauf der Beschwerdefüh- rer in überzeugender Weise erklärte, er habe sich alleine von der Einheit abgesetzt, nachdem er tagsüber bei der Feldarbeit mit den erwähnten Per- sonen die Ausreise geplant und sich mit ihnen beim Berg Shemere Adgi verabredet habe (vgl. A10 F179 ff.). Hinsichtlich des Ausreisedatums sind die Angaben des Beschwerdeführers zwar tatsächlich insofern wider- sprüchlich ausgefallen, als er in der Anhörung einerseits erklärte, er sei an einem Sonntag ausgereist, andererseits geltend machte, dies sei der 10. Dezember 2013 gewesen (vgl. A10 F135 f.). Auf Vorhalt, der 10. De- zember 2013 sei ein Dienstag gewesen, räumte der Beschwerdeführer in- dessen ein, es könne sein, dass das Datum nicht stimme, er sei ein biss- chen verzweifelt gewesen, als er das gesagt habe (vgl. A10 F137). Diese Darstellung wird durch den Umstand bestätigt, dass er in der Erstbefragung noch aussagte, er wisse das genaue Ausreisedatum nicht, es sei aber im Dezember 2013 gewesen (vgl. A3 Ziff. 5.02). Der Beschwerdeführer legte sodann in der Anhörung in überzeugender Weise dar, dass die Ausreise an einem Sonntag erfolgt sei, zumal dies die einzige Möglichkeit zur Flucht gewesen sei, da sie sonntags ausserhalb der Kaserne gewesen seien (vgl.

A10 A137 ff.). Bei dieser Sachlage ist der erwähnte Widerspruch zwischen Datum und Wochentag als unwesentlich zu erachten. Entgegen der Auf- fassung des SEM konnte der Beschwerdeführer ferner auch in nachvoll- ziehbarer Weise begründen, weshalb er sich zur Desertion und Ausreise entschlossen habe (nämlich aufgrund der Umstände im Militärcamp, mit denen er nicht zu Recht gekommen sei; vgl. A10 F73) und weshalb er ge- rade an jenem Sonntag desertiert sei (weil sich ihm eine gute Gelegenheit geboten habe; vgl. A10 F139 f.). Es ist dabei zu berücksichtigen, dass ge- eignete Desertionsmöglichkeiten mutmasslich begrenzt sind und dass sich der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge schon seit Längerem mit dem Gedanken trug zu fliehen (vgl. A10 F 138 f.). In Anbetracht des ge- schilderten Sachverhalts (Fussmarsch in der Nacht, keine besonderen Vor- kommnisse oder Begegnungen) sowie der unspektakulären und dünn be- siedelten Gegend vor Ort sind die Aussagen des Beschwerdeführers zu seiner Desertion und Ausreise zudem als ausreichend substanziiert und plausibel zu erachten. Es trifft insbesondere zu, dass es in der Nähe des Militärcamps von Sawa (in ca. 9 km Entfernung) grosse Plantagen sowie

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einen Fluss gibt und dass die Gebiete darum herum teilweise bewaldet sind. Laut Protokoll kam der Beschwerdeführer auf dem Weg zur Grenze an einer Ortschaft namens „Aderset“ vorbei, wo es ein Gefängnis gebe (vgl.

A10 F169). Es kann davon ausgegangen werden, dass er damit den Ort Aderser gemeint hat, welcher ungefähr 17 km von den Plantagen entfernt liegt und wo es ein Militärcamp gibt. Es ist sodann plausibel, dass er sich mit seinen Kollegen bei einem in der Gegend allgemein bekannten natürli- chen Wahrzeichen verabredet hat. Insbesondere seine Beschreibung des Wahrzeichens (Berg in der Form eines Eselspenis; vgl. A10 F185) ist als Realkennzeichen zu werten. Auf entsprechende Nachfrage hin hat der Be- schwerdeführer ferner auch die in der Gruppe herrschende Stimmungslage beschrieben und plausible Angaben zur Verpflegung gemacht (vgl. A10 F197). Der vorinstanzlichen Auffassung, wonach er nicht habe darlegen können, wie sein Verschwinden habe unbemerkt bleiben können, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich in plausibler Weise vorgetragen, dass es immer wieder vorgekommen sei, dass nach der Feldarbeit müde Heimkehrer zurückgeblieben seien, sich der Gruppe später jedoch wieder angeschlossen hätten (vgl. A10 F153).

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass das auf Beschwerdeebene ein- gereichte Bestätigungsschreiben des UNHCR, wonach der Beschwerde- führer am 14. Dezember 2013 im sudanesischen Flüchtlingscamp ange- kommen sei, zumindest ein Indiz dafür darstellt, dass er tatsächlich Anfang Dezember 2013 in Richtung Sudan aus Eritrea ausgereist ist.

4.1.3 Eine Gesamtwürdigung der Asylvorbringen des Beschwerdeführers ergibt somit, dass seine Angaben als überwiegend glaubhaft zu erachten sind. Zudem stellt das SEM die eritreische Staatsbürgerschaft des Be- schwerdeführers nicht in Frage und äussert auch keine Zweifel an seiner Herkunft aus diesem Land. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Be- schwerdeführer den Akten zufolge lediglich fünf Monate in Sawa ver- brachte und im Zeitpunkt seiner Ausreise 22 Jahre alt war. Bei dieser Sach- lage kann offensichtlich nicht angenommen werden, dass er seine Militär- dienstpflicht schon erfüllt hat beziehungsweise regulär aus dem Dienst ent- lassen wurde, zumal er an keinen gesundheitlichen Problemen leidet.

Nach dem Gesagten ist somit davon auszugehen, dass sich der Beschwer- deführer vor der Ausreise zwecks Leistung des Militärdienstes im Camp Sawa aufhielt, dass er sich unerlaubt von seiner Einheit entfernte und in der Folge illegal ausreiste.

(13)

4.2 Demnach ist im Folgenden zu prüfen, ob der vom Beschwerdeführer glaubhaft gemachte Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Anerken- nung als Flüchtling und der Asylgewährung relevant ist.

4.2.1 Nach Lehre und Praxis setzt die Anerkennung der Flüchtlingseigen- schaft im Sinne von Art. 3 AsylG voraus, dass die asylsuchende Person ernsthafte Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungs- weise solche im Fall einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft befürchten muss. Die Nach- teile müssen gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive drohen oder zugefügt worden sein. Die betroffene Person muss zudem einer lan- desweiten Verfolgung ausgesetzt sein. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist die Frage, ob im Zeitpunkt der Ausreise eine Verfolgung oder eine begründete Furcht vor einer solchen bestand. Die Verfolgungsfurcht muss im Zeitpunkt des Asylentscheids noch aktuell sein.

Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen dem Ausreisezeitpunkt und dem Zeitpunkt des Asylentscheids sind deshalb zu- gunsten und zulasten der Asylsuchenden zu berücksichtigen (vgl. dazu BVGE 2010/57 E. 2, mit weiteren Hinweisen).

4.2.2 Wehrdienstverweigerung oder Desertion vermag für sich allein die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen, sondern nur dann, wenn damit eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG verbunden ist, mit ande- ren Worten die betroffene Person aus den in dieser Norm genannten Grün- den (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten so- zialen Gruppe oder politische Anschauungen) wegen ihrer Wehrdienstver- weigerung oder Desertion eine Behandlung zu gewärtigen hat, die ernst- haften Nachteilen gemäss Art. 3 Abs. 2 AsylG gleichkommt. Die Einführung von Art. 3 Abs. 3 AsylG (vgl. dazu vorstehend E. 3.3) hat die Rechtslage demnach nicht verändert (vgl. dazu BVGE 2015/3 E. 5.9).

4.2.3 Dienstverweigerung und Desertion werden in Eritrea unverhältnis- mässig streng bestraft. Die Furcht vor einer Bestrafung wegen Dienstver- weigerung oder Desertion ist dann begründet, wenn die betroffene Person in einem konkreten Kontakt zu den Militärbehörden stand. Ein solcher Kon- takt ist regelmässig anzunehmen, wenn die betroffene Person im aktiven Dienst stand und desertierte. In diesen Fällen droht nicht nur eine Haft- strafe, sondern eine Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen und Folter, wobei Deserteure regelmässig der Willkür ihrer Vorgesetzten aus- gesetzt sind. Die Desertion wird von den eritreischen Behörden als Aus- druck der Regimefeindlichkeit aufgefasst. Es ist daher davon auszugehen,

(14)

dass die einem Deserteur drohende Strafe nicht allein der Sicherstellung der Wehrpflicht dienen würde, was nach zu bestätigender Praxis ‒ immer unter der Voraussetzung rechtsstaatlicher und völkerrechtskonformer Rah- menbedingungen ‒ grundsätzlich als legitim zu erachten wäre; vielmehr wäre damit zu rechnen, dass die betroffene Person aufgrund ihrer Deser- tion als politischer Gegner qualifiziert und als solcher unverhältnismässig schwer bestraft würde. Mit anderen Worten hätte ein Deserteur, sollte das staatliche Regime seiner habhaft werden, eine politisch motivierte Bestra- fung und eine Behandlung zu erwarten, die einer flüchtlingsrechtlich rele- vanten Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG gleichkommt (vgl. dazu bei- spielsweise das Urteil D-1359/2015 des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 2017 E. 6.1 mit Hinweis auf Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 3).

4.2.4 Für den vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Beschwerdefüh- rer gemäss seinen als glaubhaft zu erachtenden Angaben fünf Monate lang in Sawa im Militärdienst war und danach desertierte. Er hat demnach be- gründete Furcht, im Falle einer Rückkehr nach Eritrea ernsthaften Nachtei- len ausgesetzt zu werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde ihm nicht offenstehen. Die Voraussetzungen für eine Asylgewährung (vgl. Art. 3 und 7 AsylG) sind damit erfüllt. Ergänzend ist festzustellen, dass der Be- schwerdeführer subjektive Nachfluchtgründe glaubhaft machen konnte (il- legale Ausreise). Seine Flüchtlingseigenschaft wäre daher bereits deswe- gen zu bejahen; denn gemäss dem Referenzurteil D-7898/2015 vom 30. Januar 2017 E. 5 ist dann von einer begründeten Furcht vor einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr wegen illegaler Ausreise auszugehen, wenn zur illegalen Ausreise weitere Faktoren hinzukommen, welche die asylsuchende Person in den Augen der eritreischen Behörden als missliebige Person erscheinen lassen. Diese Voraussetzung wäre vor- liegend angesichts der glaubhaft gemachten Desertion klarerweise zu be- jahen.

5.

Nach dem Gesagten ergibt sich insgesamt, dass die Voraussetzungen von Art. 3 und 7 AsylG erfüllt sind. Zudem sind den Akten keine Hinweise auf das Vorliegen von Asylausschlussgründen zu entnehmen. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung ist aufzuheben, und die Vorinstanz ist anzuweisen, die Flüchtlingseigenschaft des Be- schwerdeführers festzustellen und ihm Asyl zu gewähren.

(15)

6.

6.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).

6.2 Dem vertretenen Beschwerdeführer ist angesichts seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundes- verwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen. Massgeblich sind die in Art. 8 ff. VGKE genannten Bemessungsfaktoren. Der von der Rechtsvertreterin geltend gemachte Aufwand von neun Stunden (vgl. die entsprechende Bemerkung am Schluss der Replik vom 23. Februar 2017) sowie die Auslagenpauschale von Fr. 54.– erscheinen als angemessen.

Der ausgewiesene Stundenansatz von Fr. 180.– bewegt sich im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 VGKE. Somit hat das SEM dem Beschwerdeführer in Anwendung der genannten Bestimmungen eine Parteientschädigung von Fr. 1‘808.– (inklusive Mehrwertsteuerzuschlag) auszurichten.

(Dispositiv nächste Seite)

(16)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung des SEM vom 17. August 2016 wird aufgehoben, und die Vorinstanz wird angewiesen, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerde- führers festzustellen und ihm in der Schweiz Asyl zu gewähren.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1‘808.– auszurichten.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Hans Schürch Anna Dürmüller Leibundgut

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