• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Der neue Pauschalen-EBM 2008: Die Kritik hält an" (07.01.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Der neue Pauschalen-EBM 2008: Die Kritik hält an" (07.01.2008)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

P O L I T I K

A

lle Ampeln stehen auf Grün, aber viele Vertragsärzte sehen nur rot. Dafür gibt es überhaupt kei- nen Grund“, hatte Dr. med. Carl- Heinz Müller einen Tag nach Niko- laus während der Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ange- merkt. Der KBV-Vorstand geht fest davon aus, dass es zumindest von 2009 an mehr Honorar für nieder- gelassene Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten geben wird.

Doch die Skepsis angesichts des neuen Einheitlichen Bewertungs- maßstabs (EBM) ist groß. Das gilt selbst bei denen, die kurz vor Weih- nachten noch ein kleines Extrapaket zugestellt bekamen. Am 18. Dezem- ber einigte sich ein Arbeitsgremium des Gemeinsamen Bewertungsaus- schusses von Krankenkassen und KBV auf eine Verbesserung für Ärz- tinnen und Ärzte in hausärztlich tätigen diabetologischen Schwer- punktpraxen. Sie können seit dem 1. Januar zusätzlich zur halben Ver- sichertenpauschale (zwischen 450 und 535 Punkte) einen Chroniker- zuschlag abrechnen, wenn sie Pati- enten versorgen, die deren Hausarzt DER NEUE PAUSCHALEN-EBM 2008

Die Kritik hält an

Die Hausärzte kritisieren die Höhe der Pauschalen. Die Psychologischen Psychotherapeuten befürchten Hono- rarverluste von 2009 an – noch überwiegt die Skepsis.

A8 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 1–2⏐⏐7. Januar 2008

Rosig sind die Honoraraussichten nicht, aber besser als zuvor. Mehr dazu fin- det man in der KBV- Broschüre, die Heft 50 beigelegt war. Sie ist auch nachzulesen im Internet unter www.kbv.de.

Rechnung ausgestellt, die sie bezah- len und bei ihrer Kasse zur Erstat- tung einreichen müssten.

Den ärztlichen Notdienst für die teilnehmenden Versicherten will die AOK aus „Praktikabilitätsgründen“

durch die Regelversorgung abde- cken lassen, das heißt durch den von den KVen organisierten Notdienst.

Diese Leistungen würden bei der Bereinigung der Gesamtvergütung ausgenommen – eine Option, die das SGB V ausdrücklich vorsieht und über die die AOK nun mit der KV verhandeln muss. Man darf ge- spannt sein, wie diese Runden aus- gehen, denn KBV-Chef Köhler kri- tisiert: „Weil der Gesetzgeber nicht sicher ist, ob in selektiven Verträgen die Versorgungssicherheit gewähr- leistet werden kann, setzt er auf die KVen als Rückversicherungen. Die KVen werden zum Resteverwalter degradiert.“

Außerdem warnte Köhler die Ärzte ausdrücklich vor den finanzi- ellen Risiken des AOK-Vertrags.

Dieser verweise auf das derzeitige Vergütungsniveau und den neuen EBM 2008. Bei einer langen Lauf- zeit könnten die Ärzte mit dieser Festlegung von Vergütungserhö- hungen abgekoppelt werden, wie sie die Orientierung an der Morbidität der Versicherten von 2009 an ver- spricht. Dagegen behauptet die AOK, die Vergütung der haus- arztzentrierten Versorgung werde höher sein als die Regelvergütung, die im Südwesten von 2009 an auf Bundesdurchschnitt abfallen werde.

Ähnlich sieht das der Vorsitzende von Medi Baden-Württemberg, Dr.

med. Werner Baumgärtner: „Mit diesem Vertrag werden bessere Ar- beitsbedingungen und kalkulierbare Honorare für die teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen er- reicht.“ Der NAV-Virchow-Bund begrüßte ebenfalls die Entscheidung der AOK. „Nicht die KVen haben aus alter Gewohnheit den Zuschlag erhalten, sondern diejenigen, die mit dem besseren Konzept überzeu- gen konnten“, sagte dessen Bundes- vorsitzender, Dr. med. Klaus Bitt- mann. Die Entscheidung zeige ein- mal mehr, dass das Vertrauen in die Selbstverwaltung schwinde. I Heike Korzilius

überwiesen hat. Dafür sind 495 Punkte im neuen EBM vorgesehen.

Die Regelung ist allerdings zu- nächst bis zum 30. Juni befristet. Bis dahin wollen Kassen und KBV er- mitteln, wie sich der Zuschlag aus- wirkt. Dass auch andere Schwer- punktpraxen den Zuschlag erhalten, ist derzeit nicht vorgesehen.

Dr. med. Hans-Martin Reuter, Vorstandsmitglied im Berufsver- band niedergelassener Diabetolo- gen, sieht den zugestandenen Chro- nikerzuschlag differenziert: „Er be- friedigt uns nicht, aber er schafft erst einmal Luft.“ Die circa 750 haus- ärztlich tätigen Diabetologinnen und Diabetologen hatten im No- vember gewarnt, der neue EBM be- wirke finanzielle Einbußen. In Fol- ge der halben Versichertenpauscha- le für überwiesene Patienten könn- ten sie nur noch etwa ein Drittel der bisherigen Punktzahl abrechnen, das heißt zwischen 1 200 und 1 600 Punkte. Reuter kritisiert, der Zu- schlag kompensiere diesen Punkt- mengenverlust nicht. Er biete zu- dem keine Planungssicherheit. Der Berufsverband will sich deshalb dafür einsetzen, dass bald angemes- sene diabetologische Leistungs- komplexe vereinbart werden.

Auch die Hausärzte sind nach wie vor unzufrieden mit dem EBM. Der Vorsitzende des Deutschen Hausärz- teverbands (HÄV), Ulrich Weigeldt, ist verärgert darüber, dass die Chro- nikerzuschläge nun auch in fachärzt- lichen Kapiteln zu finden sind. So entstehe eine Dynamik, die mit dem zur Verfügung stehenden Geld nicht bedient werden könne. Weigeldt be- unruhigt zudem, dass mancher dar- über philosophiert, ob die Kosten für hausärztliche Praxen derzeit nicht zu hoch angesetzt seien.

Der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Andreas Köhler, bestätigt,

(2)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 1–2⏐⏐7. Januar 2008 A9

P O L I T I K

dass der Bewertungsausschuss sämtliche Kostenstrukturen über- prüfen will. Falsch findet Köhler das nicht: „Der EBM lebt davon, dass wir Einnahmen und Ausgaben in Praxen so realistisch wie mög- lich abbilden.“ Dass Bundesregie- rung und Parlament nach wie vor Wert auf eine wohnortnahe haus- ärztliche Versorgung legen, eröff- net aus Sicht des KBV-Vorstands auch Chancen, die Kostendebatte in Zukunft weniger einseitig zu führen. „Ich kann doch nicht stetig Kosten absenken, ohne zu beden- ken, dass ein Hausarzt seinem Auf- trag auch in der Fläche nachkom- men können muss“, sagt Köhler.

Wenn Hausärzte beispielsweise Hausbesuche machen sollten, dann müsse diese Leistung angemessen bezahlt werden. Hier gebe es in Zu- kunft durchaus Verhandlungsspiel- räume.

Nach Ansicht des ehemaligen HÄV-Vorsitzenden, Rainer Kötzle, nutzen alle schönen Aussichten nichts, solange die Vergütung unzu- reichend ist. Die Kollegen sorgten sich doch nicht in erster Linie um eine flächendeckende Versorgung, sondern darum, wie sie über die Runden kämen: „Dass im System die Vergütung nicht stimmt, das liegt ihnen auf der Seele.“

Die Vergütung, die die neuen Pauschalen nach sich zögen, sei auf jeden Fall zu niedrig, findet Kötzle.

Er rechnet mit durchschnittlich 45 Euro im Jahr 2008, das seien nur fünf Euro mehr als zuvor. Dass die Pauschalen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte dazu bewegen könnten, weniger Leistungen zu er- bringen, hält er dennoch für ein weit hergeholtes Argument: „Sie werden es sich im Wettbewerb gar nicht leis- ten können, bestimmte Leistungen nicht mehr zu erbringen.“ Ärgerlich findet er auch die Vergütung der we- nigen Einzelleistungen, wie zum Beispiel der Hausbesuche: „Wir werden zu schlechteren Bedingun-

gen Hausbesuche fahren als in den Jahren zuvor.“

Dass die stärkere Pauschalierung im neuen EBM zu weniger Bürokra- tie führt, kann er auch nicht erken- nen. Statt umfangreiche Teilleis- tungsdokumentationen vorzugeben, solle man lieber gezielt Versor- gungsforschung betreiben und stich- probenartig erfassen, was Haus- und Fachärzte an Leistungen erbrächten.

Dass es in künftigen Honorarver- handlungen wichtig ist, den Ver- sorgungsumfang und die Versor- gungstiefe durch niedergelassene Ärzte nachweisen zu können, wie es KBV-Vorstand Köhler immer wie- der betont, leugnet Kötzle nicht.

Ausgewogener fällt das Urteil aufseiten der Psychologischen Psy- chotherapeuten aus. „Mit dem EBM

kann man 2008 leben“, sagt Dieter Best, Mitglied im Beratenden Fach- ausschuss Psychotherapie der KBV und Bundesvorsitzender der Deut- schen Psychotherapeutenvereini- gung. Für die Kollegen werde sich nicht allzu viel ändern. Dass 2009 durch die Einführung des Orientie- rungswerts die regional ungleiche Honorierung ein Ende habe, sei po- sitiv.

„Von 2009 an sehen wir aber auch ein Riesenproblem auf uns zukom- men“, ergänzt Best. Zwar ist er über- zeugt, dass die Politik Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten insgesamt mehr Honorar zugestehen will. Doch „wir sind in Sorge, dass

sich das für unsere Berufsgruppe nicht positiv auswirkt“. Bisher liegt der Punktwert der Psychologischen Psychotherapeuten bei rund 5,1 Cent.

Der Orientierungswert für 2009 dürfte nach Bests Kenntnis aber eher bei 3,7 Cent liegen. Angesichts die- ser Diskrepanz würden die Psycho- therapeuten nicht einmal von der Punktmengenerhöhung profitieren, die sie an sich schon in diesem Jahr als Folge der Umsetzung aktueller Kostenstudien verbuchen können.

Im Gegenteil: „Wenn der Orientie- rungswert in dieser Höhe liegt, wür-

den wir 2009 einen Honorarverlust von rund zehn Prozent hinnehmen müssen.“ Da es mit großer Sicher- heit nur einen Orientierungswert ge- ben wird, könnte eine Lösung aus Bests Sicht darin bestehen, für psy- chotherapeutische Leistungen einen Zuschlag von mindestens zehn Pro- zent vorzusehen: „Sonst kommen wir nicht auf eine angemessene Ver- gütung.“

Was als angemessen anzusehen ist, bleibt umstritten. Auch der neue EBM schafft ein altes Problem nicht aus der Welt: Die Psychologischen Psychotherapeuten haben vor dem Bundessozialgericht erstritten, dass ihr Einkommen bei maximalem Einsatz mindestens dem Durch- schnittseinkommen der Fachärzte entsprechen muss. Nach einem Be- schluss des Bewertungsausschusses ist es aber nicht möglich, dieses Mindesteinkommen zu überschrei- ten. Best findet, es solle auf Dauer keine Höchstgrenze geben: „Das Bundessozialgericht hat nicht ver- boten, dass ein Psychotherapeut mehr verdienen darf.“ I Sabine Rieser Findet die Pauscha-

len für Hausärzte viel zu niedrig: Rainer Kötzle

Warnt davor, dass der Punktmengen- zuwachs sich nicht positiv auswirkt:

Dieter Best

Wenn der Orientierungswert bei 3,7 Cent liegt, würden wir einen Honorarverlust von rund zehn Prozent hinnehmen müssen.

Dieter Best, Deutsche Psychotherapeutenvereinigung

Foto:privat Foto:Bernhard Eifrig

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Übrigens sind auch Menschen, die als Kind gegen Windpocken geimpft wurden, nicht vor einem Ausbruch des Herpes Zoster in späteren Jahren gefeit. Die Erkrankung verläuft dann

Die Vertreterver- sammlung wies die Vor- standsvorlage zurück, sprach sich aber zugleich mit großer Mehrheit ge- gen einen Antrag aus, der auf die Beibehaltung der jetzigen

Es wird gefolgert, daß das PPS sich am stärksten auf die Medicare- Krankenhausausgaben auswirkt, und daß die Einsparungen nicht durch ei- nen Anstieg der Ausgaben in ambu-

Der Unterricht in den Zeiten der Pandemie Auch am Ettlinger Heisenberg-Gymnasium findet zurzeit der Unterricht zu Hause statt. Doch dank der digitalen Technik klappt das

August dieses Jah- res muss der Bewertungsausschuss Beschlüsse zur Berechnung der erstmaligen Leistungs- menge für die regionalen Gesamtvergütungen, zur Bestimmung des

In der Humanmedizin hat sich die Messung des C-reaktiven Proteins (CRP) zum raschen Nachweis einer bakteriellen Infektion und als Entscheidungshilfe für oder gegen den Einsatz

Im Jahre 2007 wurden rund zwanzig Sommerweizensorten aus dem Zuchtpro- gramm der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW erfolg- reich auf 110'000 ha Land ausserhalb

Hiermit erkläre ich, dass alle Angaben korrekt gemacht wurden und ich den Nachweisbeleg (siehe Auszahlungsbeleg Anhang) über den Erhalt der Aufenthaltspauschale in