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Archiv "Biomedizinische Ethik in Europa: Auf der Suche nach einem Konsens" (06.06.1994)

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THEMEN DER ZEI BERICHTE

Biomedizinische Ethik in Europa

Auf der Suche nach einem Konsens

Am Beispiel von Frankreich, Großbritannien und Deutsch- land wurden auf einem Robert-Schuman-Symposium im Mai in Bonn die unterschiedlichen Ansätze in der medizini- schen Ethik vorgestellt. Außerdem diskutierten die Teilneh- mer der von der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität

Bonn in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wissenschaft und Ethik sowie der Forschungsgemeinschaft Bioethik in Nordrhein-Westfalen veranstalteten Tagung „Biomedizini- sche Ethik in Europa" über die Aktivitäten des Europarates, der eine Bioethik-Konvention vorbereitet.

E

ine Engländerin brachte nach ihrer Menopause Ende vergan- genen Jahres Zwillinge auf die Welt. Um dies zu ermöglichen, hatte die 59jährige erfolgreiche Geschäfts- frau, die erst sehr spät geheiratet hat- te, eine italienische Klinik für eine Implantation aufgesucht.

Am Beispiel dieser Frau, deren Fall im In- und Ausland diskutiert worden sei, stellte David Shapiro vom Nuffield Council an Bioethics in Lon- don einige Aspekte der medizini- schen Ethik in Großbritannien vor. In England bestehe keinerlei Regelung, die sich auf diesen speziellen Fall an- wenden ließe. In seinem Heimatland gebe es vielmehr ein System, welches erlaubt, innerhalb eines Rahmens ge- nereller Anwendungsregeln die ein- zelnen Umstände eines Falls immer wieder neu zu durchleuchten.

Dieser Ansatz, den Shapiro als

„britischen Pragmatismus" bezeich- net, habe bei Implantation nach der Menopause durchaus sein Verdienst.

Würde man für den Zweck der Im- plantation alle Frauen gleicherma- ßen betrachten, wäre dies irrefüh- rend und unangemessen.

Einen französischen Entwurf zur Bioethik, der im Januar vom Senat in Frankreich gebilligt wurde, stellte Jean Michaud, Vizepräsident des

„Comit6 Consultatif National d'Ethi- que", vor. Nach diesem Entwurf sol- len Bedingungen für die In-vitro-Fer- tilisation genau festgelegt werden.

Der Gesetzgeber will außerdem ver- hindern, daß wissenschaftliche Fort- schritte im Bereich der künstlichen Befruchtung und der Gentechnik zu eugenischen Zwecken ausgenutzt werden. Deshalb sollen Diagnosen am Embryo vor dessen Einpflanzung in den Uterus grundsätzlich verboten

werden. Ausnahmen können nur in begründeten Fällen mit Erlaubnis der Betroffenen gewährt werden (da- zu auch Deutsches Ärzteblatt, Heft 7/1994).

Der Parlamentarische Staatsse- kretär im Bundesministerium für For- schung und Technologie, Bernd Neu- mann, wies auf die besondere Situati- on Deutschlands in der europäischen Diskussion hin: „Wenn wir in man- chen Fällen denkbare Anwendungs- möglichkeiten des biomedizinischen Fortschritts früher, vorsichtiger oder auch schärfer regeln als in anderen Staaten, so ist dies sicher auch ein Ausdruck der eigenen Erfahrungen mit dem Mißbrauch der Forschung durch den Nationalsozialismus." Er begrüßte es, daß in den Gremien des Europarates derzeit an einer Bio- ethik-Konvention gearbeitet werde.

Die „Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Würde des Menschen in bezug auf die An- wendung von Biologie und Medizin", die Ende Juni vom Ministerrat zur öffentlichen Diskussion freigegeben wird, wurde von Carlos de Sola Llera vom Comit6 Directeur pour la Bio- ethique, des Europarates (CDBI), vorgestellt.

Weitgehend akzeptiert werde von allen Mitgliedsstaaten, daß das Interesse des Menschen Vorrang hat vor dem bloßen Interesse der Gesell- schaft und der Wissenschaft. Sämtli- che Eingriffe im Bereich der Biologie und der Medizin müßten unter Ach- tung der Berufsnormen und -pflich- ten ausgeführt werden. Eingriffe in das menschliche Genom seien nur aus therapeutischen oder diagnostischen Gründen erlaubt. Das CDBI habe sich entschlossen, Eingriffe, die die Keimbahn beeinflussen, zu verbieten.

Die Regelung der Embryonen- forschung wird dem nationalen Recht überlassen. Falls das nationale Recht sie zulasse, sei die Forschung nur an Embryonen erlaubt, „die sich nicht über den 14. Tag hinaus entwik- kelt haben". Die Herstellung aus- schließlich zu Forschungszwecken soll verboten werden. „In dem Maß, wie bestimmte Staaten Schwierigkei- ten mit der Bestimmung haben, wird die Möglichkeit geprüft werden müs- sen, einen Vorbehalt zuzulassen", räumte de Sola Llera allerdings ein.

Diese Bioethik-Konvention stieß in der Podiumsdiskussion auf teilwei- se scharfe Kritik. Entrüstung unter den zahlreichen — vorwiegend gut vorbereiteten — Zuhörern hat vor al- lem der Artikel 6 ausgelöst, der die Forschung an behinderten oder hilf- losen Menschen („incapacitated per- sons") regeln soll. Danach sollen Eingriffe erlaubt sein, wenn sie dem unmittelbaren therapeutischen Nut- zen des Patienten oder einem „über- geordneten Interesse" dienen. Auch, daß ein nur achtköpfiges Gremium diesen Entwurf unter Ausschluß der Öffentlichkeit ausgearbeitet habe, wurde bemängelt.

Prof. Dr. Ludger Honnefelder, Leiter des Bonner Instituts für Wis- senschaft und Ethik, nahm zu den Vorwürfen Stellung. Es sei wichtig, die Unverletzlichkeit der Menschen- würde und der daraus erwachsenden Grundrechte für den zu findenden Konsens hervorzuheben. Dabei sehe auch er die Gefahr, daß die europäi- sche Konvention zu wenig sagt und damit die Erwartungen an eine über- zeugende Grenzziehung nicht erfüllt.

Daß der Entwurf noch nicht veröf- fentlicht sei, habe völkerrechtliche Gründe. Kli

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 22/23, 6. Juni 1994 (39) A-1603

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