Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 403. Oktober 2003 AA2541
S E I T E E I N S
J
ahrelang haben die Praxis-EDV- Anbieter Ärzte und Psychothera- peuten umworben, die Vorteile der modernen Informations- und Kom- munikationstechnik für die medizi- nische Routine gepriesen und auf ei- nem engen Markt um jeden ärztli- chen EDV-Ein- und -Umsteiger hart gekämpft. Die Kassenärztlichen Ver- einigungen haben EDV-Beratungs- stellen eingerichtet, Statistiken ver- öffentlicht und die Verwaltungsbei- träge für papierbasierte Abrechnun- gen erhöht, um ihre Mitglieder mit sanftem Druck zur elektronischen Abrechnung zu bewegen.Bei mindestens 15 Prozent der KV- Mitglieder haben diese Bemühungen jedoch nichts gefruchtet, denn immer noch arbeiten nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) rund 20 000 Ärzte und Psy-
chotherapeuten ohne Praxisverwal- tungssysteme. Das Gesetz zur Moder- nisierung der Krankenversicherung (GMG) wird dies ändern: Auch hart- näckige Verweigerer werden in den sauren Apfel beißen und sich ein Pra- xisverwaltungssystem zulegen müs- sen. Nach § 295 Abs. 4 GMG dürfen künftig die „an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, ärztlich geleiteten Einrichtungen und medizinischen Versorgungszentren“
nur noch „im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern“ ab- rechnen. In der Regel seien davon kleine Praxen betroffen, für die ein Einzelsystem ausreiche, meinte dazu Heinz-Theo Rey, Leiter der IT-Abtei- lung der KBV, auf dem 10. KBV-An- bietermeeting in Köln. Allerdings geht es für EDV-Neulinge nicht nur
um die finanzielle Investition, son- dern auch um den Aufwand für die Einarbeitung in das System. Über eine Übergangsfrist und mögliche Ausnahmeregelungen wird die KBV daher noch entscheiden.
Das GMG treibt an vielen Stellen die informationstechnische Weiter- entwicklung im Gesundheitswesen voran – anders sind Reformvorhaben wie die Umsetzung der Disease-Man- agement-Programme, die hausarzt- zentrierte und die integrierte Versor- gung praktisch nicht machbar. Ab 2006 stehen die flächendeckende Ein- führung der elektronischen Gesund- heitskarte und des elektronischen Heilberufsausweises im Rahmen des
„BIT4Health“-Projekts der Bundes- regierung an. Nüchtern betrachtet heißt das: Ohne EDV geht künftig nichts mehr. Heike E. Krüger-Brand
Praxiscomputer
Aus für EDV-Muffel D
as GKV-Modernisierungsgesetzhat den Bundestag passiert – mit den Stimmen der Unionsfraktion, aber auch mit einer knappen eigenen Mehrheit der rot-grünen Bundesre- gierung (dazu „Reform beschlossen“
in diesem Heft).Während sich die Po- litiker der beteiligten Parteien zufrie- den über den Konsens zeigten, mach- te der Präsident der Bundesärzte- kammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, auf einen kleinen Schönheits- fehler der Reform aufmerksam. Es bedürfe weiterer Anstrengungen, um die strukturelle Einnahmeschwäche der Gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) dauerhaft zu beheben.
Auch die Krankenkassen treibt die Sorge um, dass die mühsam geborene Reform die finanzielle Not der GKV nicht nachhaltig beheben wird. Selbst Regelungen, die dem Wettbewerb
dienen, bergen für die Kassen finan- zielle Risiken. So begrüßt der Bun- desverband der Betriebskrankenkas- sen zwar die neuen Wahloptionen für die Versicherten, bezweifelt aber zu- gleich, ob sich diese Maßnahmen mit kurzfristigen Einsparungen aus- zahlen werden.
Die Kassen können Bonuszah- lungen in ihren Satzungen vorsehen:
für freiwillig Versicherte bei Nicht- inanspruchnahme von Leistungen und für Versicherte, die an besonde- ren Versorgungsformen teilnehmen – etwa dem Hausarztmodell oder der integrierten Versorgung.
Da das Gesetz diese Optionen vorsieht, werden die Krankenkassen im Wettbewerb gezwungen sein, sie auch anzubieten. Von der Präventi- on weiß man allerdings, dass Ein- sparungen erst nach längerer Zeit
zu erwarten sind. Zusätzliche Lei- stungsaufwendungen und Bonus- zahlungen fallen jedoch sofort an.
Die Krankenkassen werden spitz rechnen und schwierige Abgrenzun- gen vornehmen müssen. Wie hoch soll die Beitragsermäßigung für Ver- sicherte ausfallen, die sich für ein Hausarztmodell entscheiden? Wie hoch für diejenigen, die als chronisch Kranke ein Disease-Management- Programm wählen? Wie viel bleibt da noch für die integrierte Versorgung?
Es ist wahrscheinlich, dass die Wahlfreiheiten der Versicherten die Einnahmen kurzfristig weiter sinken lassen, während die erhofften Ein- sparungen bei den Ausgaben noch auf sich warten lassen.Wie dem auch sei: Die Kassen haben keine Wahl, sie stehen mehr denn je im Wett-
bewerb. Josef Maus