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Archiv "Cadmium — Bewertung eines Schadstoffs: Analytische Daten und biologische Risiken" (29.10.1982)

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Cadmium —

Bewertung eines Schadstoffs

Analytische Daten und biologische Risiken

Siegfried G. Schäfer und Wolfgang Forth

Aus dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie (Vorstand: Professor Dr. med. Wolfgang Forth) Medizinische Fakultät

der Ludwig-Maximilians-Universität München

Bei der Beurteilung toxi- scher Wirkungen von Gift- stoffen befinden wir uns oft in einer merkwürdigen Si- tuation: Auf der einen Seite sorgt die schier explosions- artige Entwicklung der Ana- lytik dafür, daß Stoffe in ge- ringsten Konzentrationen quantitativ bestimmt werden können, auf der anderen Sei- te werden die analytischen Daten ohne vernünftige Be- wertung des biologischen Risikos in der Laienpresse nicht nur verbreitet, sondern in vielen Fällen auch drama- tisiert. Cadmium kann als ein Lehrbeispiel für derartige Fehlentwicklungen dienen.

Was es damit auf sich hat, soll nachstehend kritisch er- örtert und diskutiert werden.

1. Chemie

Cadmium ist erst 1817 entdeckt worden. Es ist — von den wenigen Ausnahmen abgesehen, wo es als Cadmiumblende (Cadmiumsulfid) in reiner Form gefunden wird (Schottland, USA) — eine mehr oder weniger unvermeidliche Ver- unreinigung, beispielsweise von Zinkerz, das bis zu 5 Prozent Cad- mium enthält.

Über 50 Prozent der Produktion von Cadmiumlegierungen werden in der Bundesrepublik Deutsch- land zum Schutz von korrosions- anfälligen Metallen benutzt, wenn man die Produktion von Cad- miumpigmenten, das in der Galva- notechnik benutzte Cadmium und die Cadmiumlegierungen zusam- menrechnet. Cadmium wird au- ßerdem in zunehmendem Maße zur Herstellung von Trockenbatte- rien (15 Prozent) und vor allem als Stabilisator zur Steigerung der Witterungsbeständigkeit von PVC- Produkten eingesetzt (18 Prozent).

Der Rest von 12 Prozent entfällt auf die Herstellung verschiedener

Produkte wie Gleichrichter, Glas- waren oder auch von Brems- und Regelstäben in der Reaktortech- nik. Diese Zahlen sind dem UBA- Bericht 1981 zu entnehmen (.12) 1 )

2. Zur Toxikologie von Cadmium Von toxikologischer Bedeutung sind vor allem ionogene Verbin- dungen mit Cadmium. Beim Schmelzen cadmiumhaltiger Me- talle, bei der Verarbeitung von Le- gierungen oder beim Schweißen bildet sich infolge der vergleichs- weise niedrigen Verdampfungs- temperatur (F = 321° C) Cadmium- dampf. Bei starker Hitze „ver- brennt" Cadmium; der gelblich- bräunliche Rauch besteht aus Cadmiumoxid.

Während die Exposition gegen- über Cadmiumdampf in der Regel zu einer akuten Vergiftung führt, die heute nur noch ganz selten vorkommt, besteht die Möglich- keit der chronischen Vergiftung vor allen Dingen bei der ständigen Exposition gegenüber geringeren

Cadmiumkonzentrationen in der Atemluft, beispielsweise in der Galvanotechnik, in Cadmium- schmelzen usw., wenn, aus wel- chen Gründen auch immer, die Si- cherheitsbestimmungen nicht ein- gehalten werden. Der MAK-Wert für Cadmium ist in der Bundesre- publik Deutschland mit 0,05 mg/m 3

festgelegt worden.

Cadmiumvergiftungen über die Nahrung kommen hierzulande praktisch nicht vor. Wegen der Ak- kumulation von Cadmium in unse- rer Umwelt ist es aber nicht ab- wegig, vorsorglich Maßnahmen zu ergreifen, damit Vergiftungen die- ser Art auch in Zukunft unter- bleiben.

Cadmium existiert nur in der zwei- wertigen Form. Zwar sind organi- sche Cadmium-Alkyl- bzw. -Aryl- Verbindungen bekannt (Literatur siehe bei 8 a). Sie spielen offen- sichtlich jedoch keine besondere Rolle, jedenfalls keine so große

1) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

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Rolle wie die Verbindungen von Quecksilber und Blei, deren Giftig- keit durch die Lipophilie der orga- nischen Metallverbindungen ganz besonders gefürchtet ist.

2.1. Die akute Vergiftung mit Cadmium

Cadmium-Ionen denaturieren Pro- teine und führen zum Zellunter- gang. Betroffen sind — wie oft durch Schwermetalle — kapilläre Strukturen beziehungsweise Ge- webe mit Grenzflächenfunktionen.

Je nach dem Zufuhrweg wird das Vergiftungsbild entsprechend der ersten Kontaktstelle im Organis- mus vornehmlich durch Schäden im Bereich der Lungen bzw. im Gastrointestinaltrakt bestimmt. Ei- ne umfassende Darstellung des Vergiftungsbildes findet sich bei Prodan (59).

2.1.1. Die inhalative Vergiftung

Nach der Exposition gegenüber Cadmiumoxid kann es bis zu 24 Stunden und länger dauern, ehe ein toxisches Lungenödem ein- setzt. Der Verlauf ist typisch. Wenn die akute Phase lebend überstan- den wird, treten im Anschluß dar- an gelegentlich obliterierende fi- bröse Bronchiolitiden auf, die als Ursache für Spättodesfälle in Fra- ge kommen. In der älteren Litera- tur wird nach Cadmiumexposition oft eine fiebrige Bronchopneumo- nie beschrieben (Giessfieber?).

Sie soll auf den nichtoxidierten Cadmiumdampf zurückzuführen sein. Da immer auch Zinkdämpfe mit inhaliert werden, ist die Ursa- che dieser Symptomatik heute nicht mehr eindeutig festzustellen.

2.1.2. Die ingestive Vergiftung

Früher kam es durch cadmierte Metallgeschirre und Aufbewah- rungsbehälter im Kühlschrank zum Übertritt von Cadmium-Ionen in Nahrungsmittel, das vor allem wenn die Speisen einen niedrigen pH-Wert hatten, wie z. B. Frucht- säfte, Speiseeis usw. Die Cadmie-

rung von Wasser- und Speisebe- hältern ist deshalb verboten wor- den. Die Symptomatik einer Cad- miumvergiftung über den Eintritts- weg Magen-Darm-Trakt ist durch Brechdurchfälle und kolikartige Schmerzen charakterisiert. Glück- licherweise bleibt es dabei. In der Regel kommt es nicht zur systemi- schen Aufnahme größerer Cad- miummengen, da die Resorption von Cadmium aus dem Magen- Darm-Trakt gering ist.

2.2. Die chronische Cadmium-Vergiftung

Auch hier ist in der Regel die Lun- ge und weniger der Magen-Darm- Trakt die Eintrittspforte. Nach Ex- position über Jahre hin zeigen sich die charakteristischen gelbli- chen Ringe aus Cadmiumsulfid an den Zähnen. Oft klagen die Betrof- fenen über entzündliche Verände- rungen der Schleimhäute im Be- reich des Nasen- und Rachenrau- mes. Typisch ist der sogenannte Cadmiumschnupfen, der im Laufe der Zeit durch degenerative Ver- änderungen im Bereich des Riech- epithels zur Hyposmie und Anos- mie führen kann.

Cadmium ist in erster Linie ein Parenchymgift. Das empfindlich- ste Organ ist die Niere. Friberg et al. (22) haben die Grenzkonzentra- tion mit 200 1.1g Cadmium pro g Nierenrinde angegeben, oberhalb deren toxische Auswirkungen auf die Funktion des Organs zu be- fürchten sind.

Zunächst kommt es zu einer ge- steigerten Ausscheidung von Glo- bulinen von 20-30 000 Dalton Mo- lekulargewicht, die sich durch Ko- chen nicht ausfällen lassen. Wäh- rend diese sogenannte tubuläre Proteinurie, darunter auch (3 2-Mi- kroglobulin, zunächst als spezi- fisch für Cadmiumintoxikationen betrachtet wurde, so muß doch heute festgestellt werden, daß auch durch eine Zinkbelastung ei- ne derartige Proteinurie ausgelöst wird. Fraglich ist allerdings, ob der tubulären Proteinurie überhaupt

ein Krankheitswert zukommt. Sie soll auch bei älteren Menschen verbreitet sein. (72).

In den Sektionsprotokollen von Vergifteten aus früheren Zeiten tauchen neben den Veränderun- gen der Lungen, die als Broncho- pneumonie bzw. Lungenemphy- sem beschrieben wurden, ent- zündliche Veränderungen der Nie- ren sowie entzündliche Infiltratio- nen der Milz und weiter fettige De- generationen der Leber und des Herzens auf (46).

2.2.1. Itai-Ital

1946 wurde in der Umgebung der Stadt Fuchu ein merkwürdiges Leiden bekannt, das vor allem weibliche Patienten zwischen 40 und 70 Jahren betraf; unter ihnen waren auffallend viele mehrgebä- rende Frauen. Die Symptomatik, rheumatische Beschwerden und Myalgien, belegte Dr. Hagino mit dem Namen Itai-Itai, das sich wohl am besten mit „Autsch-Autsch"

übersetzen läßt. Die nähere Unter- suchung ergab eine massive Osteoporose mit nachfolgender Skelettdeformation und auffälliger Schrumpfung der Körpergröße.

Bagatelltraumen führten oft zu Knochenbrüchen; die mit dem Lei- den verbundenen unerträglichen Schmerzen waren Anlaß zu Selbst- morden. Der Tod einiger Patienten wurde durch Nierenversagen ver- ursacht, andere erlagen Infek- tionskrankheiten und man vermu- tet deshalb, daß die Infektabwehr eingeschränkt war. Viele Patien- ten litten an einer Enteropathie, die den Symptomen nach einer pankreatischen Diarrhoe gleicht.

Die Mukosa des Dünndarms war atrophisch und zeigte submukös zelluläre Infiltrationen. Im Plasma war die Konzentration von Cad- mium hoch, die von Zink jedoch im Vergleich mit Werten Gesunder erniedrigt (50 a). Der Verdacht kam auf, daß die rätselhafte Er- krankung mit der Aktivität der

„Mitsui Mining and Smelting Com- pany" zusammenhängen könne,

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die ihre Abwässer in den Jintsu- Fluß einleitet. Die Reisbauern in der näheren Umgebung bewäs- sern nämlich ihre Felder mit Was- ser aus diesem Fluß.

Die lange Vorgeschichte soll hier nicht weiter vertieft werden, zumal die Behandlung der Itailtai-Kata- strophe nicht gerade als beispiel- haft für die Krisenbewältigung ähnlich gelagerter Fälle betrachtet werden kann. Erst 1968 wurde der Zusammenhang zwischen der Cadmium-Emission durch die

„Mitsui Mining and Smelting Com- pany" und der Itai-Itai-Erkrankung prinzipiell anerkannt. Diese Dar- stellung folgt im wesentlichen der uns im westlichen Sprachraum zu- gänglichen Literatur (27, 71).

Interessant ist, daß in den älteren Berichten über chronische Cad- mium-Vergiftungen aus dem europäischen und amerikani- schen Raum ähnliche Vergiftungs- symptomatiken nicht bekannt wa- ren. Außerdem ist die Prädilektion der Cadmiumaufnahme in das Skelett nicht typisch. Zwar wird Cadmium auch im Knochen ge- funden, jedoch nicht etwa in be- sonders hohem Maße (11, 23) wie etwa Blei, das deshalb auch als

„Knochensucher" bezeichnet wird. Es gibt aber einige Hinweise in der älteren Literatur aus Frank- reich (10, 42, 51, 61) bzw. in der jüngeren englischen (cf. 11 a), de- nen zufolge bei langjähriger Expo- sition (5-14 Jahre) Kreuzschmer- zen und Schmerzen in den Extre- mitäten auftraten, zunächst nur bei Bewegung, später auch in Ru- he. Die röntgenologischen Kon- trollen ergaben die Zeichen von Pseudofrakturlinien, insbesonde- re in den Beckenschaufeln und den Scapulae, die für das soge- nannte Milkman-Syndrom typisch sind. Vitamin-D-Gaben, Parathyro- idhormon und Kalzium führten zur Ausheilung (10, 42, 51, 61).

Bei Ratten konnte durch Cad- miumgaben und Kalziummangel lediglich eine Osteomalazie er- zeugt werden (34, 55). Experimen- tell ist es nie gelungen, durch

chronische Cadmiumgaben allein ein der Itai-Itai-Krankheit ähnli- ches Krankheitsbild zu erzeugen (2, 17). Dies war nur dann möglich, wenn zum Beispiel bei Ratten Vit- amin-D-Mangel und eine gleich- zeitige Eiweißmangel-Ernährung vorlagen (74).

Man muß angesichts dieser Sach- lage wohl Verständnis dafür auf- bringen, daß die „Mitsui Mining and Smelting Company" nicht so ohne weiteres an einen direkten Zusammenhang zwischen dem Cadmiumgehalt der Abwässer und der rätselhaften Erkrankung glau- ben wollte. In der Zwischenzeit ist soviel klargeworden, daß das Cad- mium der Abwässer in die Nah- rung — insbesondere wohl in den Reis der dort lebenden Bauern — gelangt ist und so mit der Nahrung aufgenommen wurde. Die auffal- lende Häufung der Itai-Itai-Sym- ptomatik bei mehrgebärenden Frauen deutet darauf hin, daß möglicherweise bei den Betroffe- nen entweder eine genetische Prä- disposition oder eine alimentär bedingte marginale Versorgung mit Vitamin D und/oder Kalzium bzw. gleichzeitig ein Proteinman- gel vorlag (51).

Die in der englischen Literatur kürzlich zusammengefaßten chro- nischen Cadmiumvergiftungen mit Skelettbeteiligungen werden übrigens als Fanconi-Syndrom bei Erwachsenen interpretiert (11 a).

Die Kombination des Kalzium-.und Vitamin-D-Mangels wird auf die Tubulusschädigung durch Cad- mium zurückgeführt. Sie hat pri- mär eine verringerte Synthese von 1 a, 25-Dihydroxycholecalziferol zur Folge, woraus sich unschwer eine eingeschränkte Resorption von Kalzium ableiten ließe. Aber auch diese Autoren (11 a) nehmen zusätzlich eine verringerte exoge- ne Zufuhr von Kalzium und Vit- amin D an, die es erklärlich macht, daß die Knochenbeteiligung nur in einigen wenigen Fällen der chro- nischen Cadmiumvergiftung ma- nifest wird. Tierexperimentell er- gaben sich keinerlei Hinweise dar- auf, daß die Resorption von Vit-

amin D aus dem Gastrointestinal- trakt, oder der Stoffwechsel dieses Vitamins durch Cadmium gestört wird (38).

Da Cadmium in Osteoblasten nachgewiesen wurde, wird auch diskutiert, ob unter bestimmten Bedingungen Cadmium mögli- cherweise die Knochenneubil- dung inhibieren könnte (11).

Eine interessante, bisher beim Menschen noch nicht weiter über- prüfte Möglichkeit für die Entste- hung von Skelettdeformitäten be- steht angesichts der erwiesenen Interferenz von Cadmium und Kupfer, die mit Reproduktionsano- malien, mit nichtinfektiöser Abort- neigung und Skelettdeformitäten besonders der vorderen Extre- mitäten sowie mit Wachstumsstö- rungen bei Kälbern und Ziegen einhergeht (5, 30).

Diese Symptome gleichen auffal- lend denjenigen, die man beim Kupfermangel der Tiere beobach- ten kann (5, 6). Skelett-Deformitä- ten sind dabei für eine Reihe Tier- spezies beschrieben worden (Lit.

s. bei 77). Cadmium soll schon bei der intestinalen Resorption mit Kupfer interferieren und so dessen Aufnahme in den Organismus be- hindern (4, 29).

2.3. Das karzinogene Potential von Cadmium

Mutagenität, Teratogenität und Schädigung der Leibesfrucht durch Cadmium wurden im Tier- versuch nachgewiesen. Die Karzi- nogenität von Cadmium gilt als er- wiesen, seit im Tierversuch nach parenteraler Applikation an der In- jektionsstelle Sarkome bzw. inter- stitielle Tumoren der Hoden beob- achtet wurden (Literatur bei 44).

Die chronisch orale Zufuhr von Cadmium ergab bei Nagetieren je- doch keinen Hinweis auf neopla- stische Veränderungen im Bereich der Reproduktionsorgane, insbe- sondere auch nicht der Prostata der Tiere (Literatur bei 44, 54). 1>

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Wenn auch die Affinität des Cad- miums für die reproduktiven Orga- ne, die im Tierversuch belegt ist, auf den Menschen übertragen werden kann, so bleibt es doch fraglich, ob dies auch für die karzi- nogene Wirkung des Metalls gilt.

Hierzu ist kürzlich eine umfassen- de Bestandsaufnahme von Pisca- tor (54) erschienen, die zu dem Schluß kommt, daß allenfalls bei hbchexponierten Personen, wie sie etwa vor 30 Jahren unter den Cadmiumschmelzern vorgekom- men sein mögen, ein erhöhtes Ri- siko für die Ausbildung von Pros- tatakarzinomen gegeben ist. Dies ist keineswegs auf eine direkte Cadmiumwirkung zurückzufüh- ren, sondern vielmehr auf eine in- direkte Wirkung auf die Testoste- ronsynthese, hervorgerufen durch eine Zink-Cadmium-Wechselwir- kung. Der Autor stellt endlich fest, daß bei niedrigexponierten Perso- nen Cadmium als kausaler Faktor für die Ausbildung eines Prosta- takarzinoms ausgeschlossen wer- den kann.

Ein zuweilen diskutierter Zusam- menhang zwischen anderen Krebsarten, z. B. dem Bronchial- krebs, und der Cadmiumbela- stung, ließ sich mit epidemiologi- schen Methoden nicht sichern (33, 36, 40, 43, 49, 54).

Dagegen ist das karzinogene Po- tential von Cadmium an der Lunge im Tierversuch erwiesen. Ratten, die über einen Zeitraum von 18 Monaten kontinuierlich einem Aerosol von 12,5-50 2) mcg/m 3 CdCl 2 ausgesetzt waren, entwik- kelten mit einer dosisabhängigen lnzidenz primäre Lungentumoren (70 b).

2.4. Cadmium als ursächlicher Faktor der Hypertonie?

Der Zusammenhang zwischen Cadmium und Hypertonie wurde in den 60er Jahren vehement dis- kutiert (13, 31, 68). Er konnte je- doch bis heute noch nicht zwei- felsfrei erwiesen werden und wird gegenwärtig in der Literatur zu- nehmend skeptisch beurteilt (27).

3. Aufnahme und Verteilung Cadmium wird durch alle Grenz- flächen des Organismus, auch über die Haut, aufgenommen (44).

Bei der Aufnahme über den Respi- rationstrakt ist zwischen der Re- tention von schwerlöslichen Cad- miumverbindungen in den Lungen und der nachfolgend daraus in den Organismus aufgenommenen Menge an ionisiertem Cadmium zu unterscheiden. Nur wenige Un- tersuchungen über die Aufnahme unterschiedlicher Formen von Cadmium in Abhängigkeit von sei- ner Konzentration in der Atemluft sind verfügbar.

Offensichtlich wird Cadmiumoxid bzw. Cadmiumchlorid schneller als Cadmiumsulfid in den Organis- mus inkorporiert. Im Mittel bewe- gen sich die in der Literatur ange- gebenen Retentionsraten zwi- schen 10 (%) und 40 (%) (9, 21, 50, 56, 58). Die Angaben über die Re- sorption von Cadmium aus den in der Lunge retinierten Mengen sind schwer zu beurteilen, da sie von der Beobachtungszeit abhängen.

Bei Ratten wurden 32 Tage später in den Lungen noch über 70 Pro- zent der am Ende der Expositions- zeit gemessenen Konzentrationen nachgewiesen (54).

Die Resorption von Cadmium aus der Nahrung wird beim Menschen zwischen 3 bis 8 Prozent angege- ben (22, 65). Bei Tieren ergaben sich bei unterschiedlicher, zum Teil chronischer Zufuhr Resorp- tionsquoten von 1 bis 3 Prozent (15, 22, 26, 47, 64). Die Resorption von Cadmium ist allerdings je nach den experimentellen Bedin- gungen Schwankungen unterwor- fen. So ist ein niedriger Kalzium- und Proteingehalt der Nahrung unter experimentellen Bedingun- gen förderlich für die Cadmiumre- sorption (70).

Andere Autoren haben im Fall von steigendem Proteingehalt in der Nahrung eine gesteigerte Verfüg- barkeit von Cadmium für die inte- stinale Resorption beschrieben (40 a, 61 a).

Vitamin D steigert bei Küken die intestinale Cadmiumaufnahme (82), außerdem ist die Cadmiumre- sorption bei Eisenmangel gestei- gert (19, 20, 26, 79). Die Resorp- tion von Eisen kann durch Cad- mium verringert werden (66). Cad- mium kann offensichtlich auf dem Weg aus dem Darm in den Orga- nismus von bekannten Transport- einrichtungen Gebrauch machen, beispielsweise von derjenigen für Kalzium oder für Eisen (32 a, 66).

Nach der Aufnahme in den Orga- nismus findet sich Cadmium in al- len parenchymatösen Organen wie Milz, Pankreas, Schilddrüse, Nebennieren und Hoden, wobei die höchsten Konzentrationen in der Leber und in der Niere gefun- den werden.

Nach subkutaner Injektion wurden im Gehirn, in der Lunge, im Herz, im Intestinaltrakt sowie in der Muskulatur und in den Knochen nur kleine Mengen von Cadmium nachgewiesen (cf. 27, 44).

Die nähere Untersuchung der Ver- teilung hat ergeben, daß Cadmium vornehmlich in Leber und Niere an ein Protein gebunden wird, des- sen Molekulargewicht etwa 10 000 Dalton beträgt (35). Des hohen Schwefelgehaltes wegen hat das Protein den Namen Metallothio- nein erhalten. Es wurde erstmals aus der Pferdeniere isoliert (45) und später dann in allen parenchy- matösen Organen inklusive den Erythrozyten nachgewiesen (1).

Da es eine Reihe von möglicher- weise organspezifischen !so-Pro- teinen gibt, spricht man heute von Metallothioneinen. Sie binden ne- ben Cadmium vor allem Zink und Quecksilber, aber auch Silber, Zinn und Kupfer (65) sowie Wis- muth (70 a). Die Synthese von Me- tallothioneinen kann durch Cad- mium, Kupfer, Zink und Quecksil- ber induziert werden. Cadmium ist dabei am wirksamsten. Möglicher-

2) entspricht dem gegenwärtig gültigen MAK- Wert 0,05 mg/m 3 Luft, was zu einer Herab- setzung des MAK-Wertes für diese Cad- miumverbindung führen dürfte.

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weise ist der induktive Effekt in verschiedenen Organen unter- schiedlich stark ausgeprägt (14, 53, 65, 69).

Die Rolle von Metallothioneinen wird noch nicht vollständig ver- standen. Es ist sicherlich zu ein- fach, in ihnen ein Schutzprotein, möglicherweise auch noch spe- ziell vor Cadmium, zu sehen.

Schon während der intestinalen Resorption kann Cadmium von Metallothionein in den Mukosazel- len festgehalten werden. Die nicht inkorporierten Anteile von Cad- mium werden am Ende der Le- bensspanne der Mukosazellen mit ihnen zusammen in das Darmlu- men abgestoßen. Man hat zu- nächst angenommen, daß Metallo- thioneine Cadmium fixieren und dadurch unschädlich machen.

Das ist jedoch nur zum Teil richtig, denn es konnte nachgewiesen werden, daß Cadmium an Metallo- thioneine gebunden nach i. v. Ga- be eine höhere Toxizität besitzt als anorganische Cadmiumsalze (24).

Die Erklärung dieses auf den er- sten Blick widersprüchlichen Er- gebnisses ist einfach. Metallo- thioneine wirken bei der intrave- nösen Gabe des Komplexes für Cadmium als Träger, und Cad- mium wird genau dorthin trans- portiert, wohin es normalerweise nicht so ohne weiteres kommt, nämlich in die gegenüber Cad- mium besonders empfindlichen Nieren.

Aufgrund des niederen Molekular- gewichtes der Metallothioneine wird der Cadmium-Protein-Kom- plex offensichtlich glomerulär fil- triert. Im tubulären Primärharn ist die Wasserstoffionen-Konzentra- tion in der Regel so hoch, daß pH- Werte bis zu 5,8 erreicht werden können. Bei diesem Säuregrad scheinen Cadmiumkomplexe nicht mehr stabil zu sein und dis- soziieren. Das hat zur Folge, daß rasch toxische Konzentrationen von Cadmium im Bereich der Tu- bulusepithelien erreicht werden.

Dieser Mechanismus gilt übrigens nicht nur für Cadmium, das an Me-

tallothioneine gebunden ist, son- dern auch für eine Reihe anderer Cadmiumkomplexe, beispielswei- se diejenigen von BAL (Dimercap- topropanol) und EDTA (Ethylen- diaminetetraacetat) (cf. 27).

Hierin dürfte der Grund dafür zu suchen sein, daß offensichtlich al- le Versuche, Cadmium mit Kom- plexbildnern zu mobilisieren und aus dem Organismus auszu- schleusen, mit einem hohen Risi- ko wegen der nephrotoxischen Wirkungen verbunden sind (52).

Rätsel gibt die Akkumulation von Cadmium in den Nieren während der verschiedenen Lebensalter auf (Darstellung). So hat sich gezeigt, daß bis zum 50. Lebensjahr Cad- mium in der Niere akkumuliert wird. Danach nimmt der Gehalt an Cadmium in der Niere wieder ab (22, 25).

Andere Organe akkumulieren Cadmium in ähnlicher Weise, je- doch ist der Höhepunkt der Akku- mulation zum Teil früher erreicht.

Da normalerweise Cadmium bei nicht beruflich Exponierten vor- nehmlich über die Nahrung zuge- führt wird, wurde der gegenläufi- gen Bewegung des an Metallo- thioneine gebundenen Cadmiums in der Leber und der Akkumula- tion in der Niere besondere Be- deutung beigemessen (80).

Diese Bewegung könnte so ge- deutet werden, daß Cadmium zu- nächst während bzw. nach der Re- sorption an Metallothioneine im Darm oder in der Leber gebunden und fixiert wird, dann aber im Lau- fe der Zeit langsam zu den Nieren wandert.

Bei exponierten Personen hat sich gezeigt, daß Cadmium bis zu einer gewissen Grenzkonzentration kei- ne toxischen Wirkungen in den Nieren entfaltet, sofern es dort an Metallothioneine gebunden ist.

Oberhalb dieser Konzentration ist damit zu rechnen, daß Cadmium nephrotoxisch wirkt. Auffallend ist, daß nephrotoxische Auswir- kungen von Cadmium in der Regel

mit einer Abnahme des Gehaltes an Cadmium in den Nierenrinden einhergeht.

Diese Beobachtung wurde so ge- deutet, daß nach Überschreiten der Aufnahmekapazität der Niere für Cadmium die nephrotoxischen Wirkungen einsetzen und der nachfolgende Gewebsuntergang dann zu einer Abnahme des Cad- miumgehalts im Gewebe führt.

Die Halbwertzeit von Cadmium im menschlichen Organismus ist lang (27, 44) und überdies altersabhän- gig (vgl. Darstellung): sie beträgt beim Säugling 35 Jahre und sinkt beim 80jährigen auf 11 Jahre ab (25). Im Vergleich dazu ist anzu- merken, daß für Hämoglobin-Ei- sen die Halbwertzeit mit rund 8 Jahren ermittelt wurde (18).

Die Besonderheiten der Aufnahme und Verteilung des Cadmiums in den Organismus machen es ver- ständlich, daß der Frage, welche Cadmiumbestimmungen sinnvoll im Hinblick auf eine vernünftige Risikobeurteilung sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wur- de. Infolge der über Jahrzehnte andauernden Akkumulation von Cadmium in den Organismus ist die Bestimmung der Cadmium- ausscheidung im Urin nicht be- sonders geeignet.

Eine ähnliche Überlegung gilt zwar auch für die Cadmiumbe- stimmung im Serum, weil sich auch bei dauernder Zufuhr sehr rasch durch Deponierung in ver- schiedenen parenchymatösen Or- ganen Gleichgewichte einstellen, die zu einer Unterschätzung der Körperbelastung mit Cadmium führen können.

Gegenwärtig wird zur Überwa- chung Cadmium-exponierter Per- sonen die Bestimmung von Cad- mium im Blut angewendet. Im Ery- throzyten ist Cadmium an Hämo- globin und Metallothionein ge- bunden; man geht davon aus, daß die Cadmiumbestimmung im Blut eine Beurteilung der aktuellen Be- lastung zuläßt (cf. 16).

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(6)

80

0 20 40 60 80

Alter (Jahre) -c r_

c 60 2 .c.)

CD CD

-C3 0) .0 0 _C cf) (II Lt CY)

2 0 -E 13

40

(34) (44) (31 )

Ios

\

11 (8 ) (15)

(2)

Darstellung: Die Altersabhängigkeit des Cadmiumgehalts im Gewebe der Nierenrinde

— Der Übersichtlichkeit halber sind nur die Mittelwerte von 221 US-Bürgern (1967) in die Graphik eingezeichnet worden (nach 25). Die Zahlen in Klammern geben die Anzahl der je Altersgruppe untersuchten Individuen an. Die Autoren haben die gefundenen Zahlen mit denjenigen der rechnerisch ermittelten Retention von Cad- mium verglichen. In die Modellrechnung (1 Kompartiment) wurde eine altersabhän- gige Kalorienzufuhr, die Zunahme der Cadmiumbelastung der Umwelt in den letzten Jahren und die Rauchgewohnheiten mit einbezogen. Wegen Geringfügigkeit wurde die Cadmiumzufuhr über Trinkwasser und Atemluft vernachlässigt. Die Analyse hat gezeigt, daß die Abnahme des Cadmiumgehalts der Nierenrinde im Alter nichts mit der in den letzten Jahren zunehmenden Cadmiumbelastung zu tun hat. Vielmehr müssen zur Erklärung funktionelle und morphologische Änderungen der Nierenrinde im Alter angenommen werden

Die Bestimmung von Cadmium in der Rindenzone der Niere ist aus naheliegenden Gründen zur routi- nemäßigen Bestimmung nicht ge- eignet, wenngleich sie eine direkte Beurteilung der Belastung des Or- ganismus mit Cadmium zuließe (cf. 27, 44).

Gute Erfahrungen liegen mit der Bestimmung von Cadmium in Kör- perhaaren vor; bei Mensch und Tier korreliert der Haargehalt recht gut mit der Belastung emp- findlicher Organe wie Leber und Niere (8).

Erwähnt werden muß, daß eine Firma bemerkenswert behende ei- ne Methode zur Bestimmung der

(32-Mikroglobuline nach der noch zu erörternden Pressekonferenz des Bundesministers ausbot, in der im Januar 1981 der Bericht des Umweltbundesamtes vorgestellt wurde. Weil die Ausscheidung die- ser Proteinfraktion keineswegs spezifisch für 'eine Cadmiumbela- stung ist (vergleiche Seite 40 (36) unter 2.2), mag ihre Bestimmung dort sinnvoll sein, wo es darum geht, den Verlauf einer erwiese- nen Cadmiumvergiftung insbe- sondere auf einen drohenden Nie- renschaden hin zu beurteilen.

Zunächst muß aber die Cadmium- vergiftung durch Bestimmung des Metalls im Organismus nachge- wiesen werden.

4. Zur Exposition der

Menschen gegenüber Cadmium in einer Industriegesellschaft

— Versuch einer Risikoabschätzung

Die Exposition gegenüber Cad- mium im Bereich der industriellen Gewinnung und Verarbeitung die- ses Metalls ist bekannt. Unter Ein- haltung der gesetzlichen Vor- schriften zum Schutz der Arbeit- nehmer darf davon ausgegangen werden, daß keine besondere Ge- fährdung resultiert. Nach Auskunft der Berufsgenossenschaften sind zwischen 1975 und 1980 insge- samt 41 Verdachtsmeldungen über Schädigungen, die durch Cadmium verursacht sein könn- ten, eingegangen. In einem einzi- gen Fall wurde erstmals eine Ent- schädigung als begründet angese- hen. Im Vergleich mit der durch Blei, Quecksilber oder Chrom und Phosphor hervorgerufenen Schä- digungen am Arbeitsplatz er- scheint die durch Cadmium ge- genwärtig selten zu sein (3).

Besondere Aufmerksamkeit hat das Cadmiumproblem durch den Cadmiumbericht des Bundesum- weltamtes (12) im Januar 1981 er- fahren. Es ist hier nicht der Ort, sich mit diesem Bericht extensiv kritisch auseinanderzusetzen. Ihm ist in den meisten wesentlichen Punkten gut begründet widerspro- chen worden (75). Im Cadmiumbe- richt des Umweltbundesamtes wird unter Zugrundelegung der Hochrechnung einer schwedi- schen Arbeitsgruppe (37) für die über Fünfzigjährigen in der Bun- desrepublik Deutschland eine Zahl von 10- bis 100 000 Nieren- kranken durch die Cadmium-Ex- position angenommen.

Wir wollen die Sache nicht ernster nehmen als sie ist, sie muß jedoch ins richtige Licht gerückt werden.

Derartige Berechnungen sind zwar in der Wissenschaft üblich, zumal sie dort mit klaren Angaben über die Annahmen versehen sind, die notwendigerweise für eine der- artige Hochrechnung gemacht werden müssen. Derartige Hoch-

(7)

2,5 4g 0,18 1,4

0,2 wg resorbiert aus der

Nahrung

aufgenommen mit dem Wasser

aufgenommen mit der Luft

1,25 1,tg

0,18 .tg 0,2 1.4

Angenommener Gehalt an Cadmium der täglichen Nahrung aus einer wenig belasteten

Region 25 tig

höher belasteten Region

50 1,4

insgesamt aufgenommene Menge:

a) Nichtraucher

b) Raucher (10 Zigaretten/Tag) c) Raucher (60 Zigaretten/Tag)

1,63 .tg 2,33 f,tg 5,85 it4

2,88 !.4 3,58 7,10 1,4 Tabelle 1: Abschätzung der täglichen Cadmiumaufnahme (nach 16) — Der Beitrag von Wasser und Luft zur täglichen Cadmiumbelastung ist gering. Außerdem wird deutlich, daß Rauchen ganz erheblich zur Cadmiumbelastung beiträgt. Die Resorption von Cadmium aus der Nahrung wurde mit 5 Prozent veranschlagt. —Zwei Bereiche für den Cadmiumgehalt in der Nahrung wurden herausgegriffen. 1.) 25 µg/Tag: Der Gehalt an Cadmium in der Nahrung aus nicht besonders belasteten Regionen wird mit Werten zwischen 20 und 30 4 angenommen; mit ihm werden gerade 40 bis 50 Prozent der von der WHO gegenwärtig als unschädlich betrachteten wöchentlichen Aufnahme von Cadmium in den Organismus errechnet. 2.) 501.tg/Tag: Bei dieser Annahme würde der Wert der unbedenklichen wöchentlichen Belastung zu 70 bis 90 Prozent ausge- nützt. Zur Abschätzung der Cadmiumaufnahme vgl. Text

rechnungen sind jedoch nie zu ei- ner Verallgemeinerung mit dem Anspruch auf absolute Richtigkeit gedacht. Sie dienen in der Regel als Anhaltspunkt dafür, eine be- stimmte Annahme durch die spä- ter zu erfolgende Überprüfung an den Realitäten zu stützen oder zu verwerfen. Ein schönes Beispiel für einen derartigen Vergleich von Beobachtung und berechnetem Modell ist die Analyse der Alters- abhängigkeit der Cadmiumgehal- te in der Nierenrinde (25 und Dar- stellung).

Die Hauptquelle für Cadmium in der Nahrung ist der pflanzliche Anteil unserer Kost (16, 48, 62, 63).

Hier wiederum gibt es Schwan- kungen, je nach den Standorten, wo die Pflanzen wachsen. Pflan- zen aus exponierten Gebieten zeichnen sich durch höhere Ge-

halte an Cadmium aus als Pflan- zen aus weniger exponierten Ge- bieten. Zu Unrecht werden be- stimmte Pilze als erhebliche Quel- le für die Cadmiumaufnahme

in

den menschlichen Organismus betrachtet. Sie kommen deshalb kaum in Frage, weil sie nur gele- gentlich oder zumindest oft nur saisonabhängig gegessen wer- den. Außerdem ist eindeutig er- wiesen, daß der Aufschluß des Pilzgewebes im Magen-Darm- Trakt so schlecht ist, daß nur ein geringer Anteil des in den Pilzen vorhandenen Cadmiums über- haupt in den Organismus aufge- nommen werden kann (67).

Bei Tieren finden sich die höch- sten Cadmiumgehalte in den Inne- reien, z. B. in Leber und Niere (8), das gilt auch für Wild (7). Trotz- dem wird der Beitrag der Nahrung

tierischer Herkunft zur Gesamtauf- nahme an Cadmium durch den Menschen, z. B. in den USA, durch Weißbrot und durch Frischgemü- se um fast das 8fache bzw. das 4fache übertroffen; das hängt ein- fach mit den Mengen zusammen, die gegessen werden (28). In Ta- belle 1 ist die tägliche Cadmium- aufnahme eines Mitteleuropäers für 2 angenommene Cadmiumge- halte der Nahrung überschläglich berechnet. Die Mengen liegen in- nerhalb der Bandbreite, die für die USA als Durchschnitt der Cad- miumaufnahme mit der Nahrung angegeben wurde (78). Dabei dürf- te der 50-µg/Tag-Wert wohl an der oberen Grenze liegen, denn es gibt sowohl für die USA (41) wie für Großbritannien (32) Studien, wonach die durchschnittlichen Mengen an Cadmium, die mit der Nahrung zugeführt werden, wohl nicht mehr als 20 µg/Tag betragen.

Kürzlich hat auch Piscator (54) darauf hingewiesen, daß wohl bis- lang eher zu hohe Schätzungen für die Cadmiumzufuhr mit der Nahrung zugrunde gelegt wurden.

Er geht für die westlichen Indu- strieländer von durchschnittlich 30 µg/Tag aus. Der Tabelle 1 kann der hohe Anteil an der Cadmium- Zufuhr durch Rauchen entnom- men werden: 10 Zigaretten/Tag entsprechen 0,70 !,4 inkorporier- tem Cadmium (78).

Erwiesen ist auch, daß Cadmium vom Plankton und von Algen in den nächsthöheren Organismen, die sich aus diesen Stoffen näh- ren, akkumuliert wird (Tabelle 2).

Dementsprechend sind die Mol- lusken, beispielsweise Muscheln im Salzwasser, ganz besonders cadmiumhaltig. Merkwürdigerwei- se sind die Cadmiumgehalte der entsprechenden Organismen im Süßwasser gar nicht so auffällig.

Dagegen sind die Cadmiumgehal- te in Crustaceen in Süß- und Salz- wasser hoch, ohne daß sie jedoch diejenigen der Mollusken errei- chen. Festgehalten werden soll, daß die Cadmiumgehalte in Fi- schen sowohl im Süß- wie im Salz- wasser nicht extrem hoch sind.

52 Heft 43 vom 29. Oktober 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

(8)

Cadmiumgehalt in ppm (mg/kg), bezo- gen auf das Trockengewicht von Salz- wasser- und Süßwasserorganismen

Salzwasser Süßwasser Phyto- und

Zoo-Plankton 5 — 19,5 0,35 — 2,5

Algen 0,5 — 20,8 0,05 —22,9

Mollusken 0,2 —1120 0,1 — 1,4

Krustaceen 0,4 — 12,1 0,5 — 3

Fische 0,002— 5,4 0,001— 0,1

Tabelle 2: Minimal- und Maximal-Gehalte an Cadmium in Organismen, die im Wasser leben (nach 60) — Die Streubreite der gemessenen Cadmiumgehalte ist zwar groß, dennoch kann den Zahlen entnommen werden, daß bei den für menschliche Nah- rungszwecke in Frage kommenden Organismen Muscheln und Krebse aus der See die Gefahr einer Kontamination am größten ist. Obgleich Mollusken und Krustaceen auch aus belasteten Flüssen untersucht wurden, sind die Cadmiumgehalte deutlich niedriger als im Salzwasser. Auffallend ist der vergleichsweise geringe Cadmiumge- halt in Fischen, vor allem aus dem Süßwasser, wobei wiederum Proben aus belasteten Flüssen enthalten sind. Da weder Mollusken noch Krustaceen und Fische zu den täglich in großen Mengen verzehrten Grundnahrungsmitteln gehören und da außer- dem die für den Verzehr bestimmten Tiere in der Regel nicht aus belasteten Gebieten stammen, besteht keine Veranlassung dafür, diese Leckerbissen etwa grundsätzlich zu meiden. Diese Feststellung enthebt uns allerdings nicht der Verpflichtung, alles zu tun, die Belastung unserer Gewässer mit Cadmium, soweit es irgend möglich ist, abzubauen

Hierbei ist anzumerken, daß das vorhandene Zahlenmaterial durchaus von Proben aus belaste- ten Flüssen oder Salzwasserge- bieten stammt (60).

Es gibt Abschätzungen der Cad- miumaufnahme mit der Nahrung, die auf Messungen der Cadmium- gehalte in den üblichen Nahrungs- mitteln beruhen (62, 63). Auch auf- grund dieser Abschätzungen kommt man zu dem Schluß, daß die tägliche Cadmiumaufnahme aus der Nahrung mit etwa 20 1.4 pro Tag zu veranschlagen ist.

Rechnet man eine Inkorporation von 20-30 iag/Tag auf die wöchent- liche Belastung hoch, dann er- reicht man zwischen 140 und 210 flg Cadmium. Die maximal to- lerierbare wöchentliche Cad- miumaufnahme wird gegenwärtig mit 400-50014 angegeben (81).

Die so berechnete Belastung kommt also gerade eben an die Hälfte dessen heran, was als tole- rabel betrachtet wird.

Eine Aufgabe für die Chemie und Technologie der Zukunft dürfte es sein, Ersatzwerkstoffe zu entwik- keln, die ein gefährliches Schwer- metall wie Cadmium mehr und mehr überflüssig machen. Dabei ist die stillschweigende Vorausset- zung gemacht worden, daß die neuen Werkstoffe weniger toxisch sind als die Stoffe, mit denen wir bereits umzugehen gelernt haben.

Außerdem sind wir gefordert, eine Entsorgung aus unserer Umwelt zu gewährleisten, die zur geringst- möglichen Belastung von Luft, Wasser und Nahrungsstoffen mit Cadmium führt. Eine schöne Auf- gabe, wenn man sie als wissen- schaftliche Herausforderung be- trachtet.

Dies alles ist indes nicht übers Knie zu brechen und einige Cad- miumquellen werden auch dann nicht versiegen, so z. B. die Quelle Phosphat-Dünger. Folgt man den Zahlen des Umweltbundesamtes (12), dann machen die über Phos- phat in die Erde der Bundesrepu-

blik gelangenden Mengen fast 14 Prozent der gesamten Cadmium- Immission aus. Es nützt nicht viel, wenn wir wissen, daß das russi- sche und amerikanische (Florida) Phosphat mit 1 g Cd/T bzw. 8 g Cd/

T die geringsten Gehalte aufwei- sen (75), weil beide Länder uns nicht beliefern. Das senegalesi- sche Phosphat (75 g Cd/T) und das aus Togo (65 g Cd/T) haben die höchsten Gehalte, die übrigen Qualitäten bewegen sich zwischen 20 und 30 g Cd/T.

Der Kontrolle des Klärschlamms haben sich bundesweit die Behör- den angenommen; er wird dort, wo hohe Cadmiumgehalte (>

30 ppm') Cd) nachgewiesen wor- den sind, als Dünger nicht mehr zugelassen.

Immerhin ist dem Problem der Cadmiumimmission durch Dün- gung auch in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken, weil hier eine permanente Cadmiumzu- fuhr vorab nicht zu unterbinden

ist, die über die Kette Boden—Nah- rungsmittel auf uns wirkt. Der Vollständigkeit halber muß aller- dings hinzugefügt werden, daß das per Düngung in den Boden verbrachte zu dem dort schon be- findlichen Cadmium in der Regel in einem Verhältnis von 1 : 1000 und mehr steht, eine normale Verbringung von Dünger von 20-30 mg Phosphorpentoxid/

100 g Boden vorausgesetzt. Mit anderen Worten heißt das, daß die geforderte Aufmerksamkeit ein Gebot der Voraussicht für Jahr- zehnte und Jahrhunderte ist und nicht etwa dafür, einer akuten Ge- fahr zu begegnen.

In diesem Zusammenhang kann nicht unerwähnt bleiben, daß selbstverständlich auch je nach geologischer Herkunft unserer Böden die Cadmiumgehalte unter- schiedlich groß sind. In manchen Landstrichen sind auch die Sün- den unserer Vorfahren zu bewälti-

3) Abkürzung für „parts per million", ent- spricht mg/kg

(9)

gen. Das ist z. B. für Shipane in Südwestengland durch ein For- schungsprojekt kürzlich in Erinne- rung gebracht worden (73). Die dort gemessenen Gehalte an Cd (800 ppm) bzw. Zn (70 000 ppm!) gehen eindeutig auf den Berg- werksbetrieb in dieser Gegend zwischen 1700 und 1850 zurück.

Wir dürfen sicher sein, daß es auch in unserem Lande derartige Relikte gibt, nur werden hierzulan- de im Gegensatz zu Großbritan- nien oder zu den USA, wo bereits beispielhafte Aufarbeitungen die- ser Art Vergangenheit existieren (14 a, 18 a, 73), diese Probleme eher zerredet oder in den Gazetten teils verniedlicht, teils zu Scena-

rien des Schreckens aufgebauscht als tatkräftig gelöst. Je ein Drittel der Cadmiumimmission stammt aus den Abwässern bzw. aus den Abfällen aus Industrie, Gewerbe und Haushalt. Rund 19 Prozent werden durch die Abluft von den gleichen Adressaten an die Um- welt abgegeben (12).

Auch hier ist anzumerken, daß die absoluten Zahlen des Umweltbun- desamtes erheblich in Zweifel ge- zogen worden sind; nach der BDI- (Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.-)Entgegnung be- trägt die Cadmiumimmission in der Abluft weniger als ein Viertel des Wertes, den das Umweltbun- desamt angegeben hat (75).

Unter den Emittenten fallen vor al- lem auch die Kraftwerke auf, die fossile Brennstoffe verbrauchen, sowie Müllverbrennungsanlagen;

auf ihr Konto gehen mehr als 40 Prozent der insgesamt an die Luft abgegebenen Cadmiummenge. 22 Prozent gehen zu Lasten der Stahlerzeugung, die durch neue Technologien in den letzten Jah- ren zu einer erheblichen Entla- stung der Cadmiumimmission in der Abluft beigetragen hat.

Der Rest von rundgerechnet 34 Prozent geht auf das Konto sonsti- ger Emittenten inklusive der Er- zeuger von sogenannten Nicht-Ei- senmetallen (75).

In allen genannten Bereichen ist damit zu rechnen, daß mit Hilfe besserer Verfahren und organisa- torischer Maßnahmen Abwasser und Abluft noch weiter entlastet werden können. Indes ist es eine Illusion zu glauben, die Immissio- nen können auf 0 gesenkt werden.

Leider stehen aber auch Hiobsbot- schaften ins Haus: In Großbritan- nien sind Billigkosmetika aus Tai- wan aufgetaucht, die vor allem we- gen ihres Gehaltes an Blei (30 000 ppm!) zusätzlich aber auch wegen ihres Gehaltes an Chrom und Cadmium aufgefallen sind.

Der niedersächsische Sozialmini- ster fürchtet, daß derartige Pro- dukte auch bei uns auftauchen können (76). Was dann damit tun?

Sie in den Abfalleimer zu werfen, ist offensichtlich nicht die richtige Lösung des Problems.

Literatur zur Vertiefung

Altmann, H.-J.: Bundesgesundheitsblatt 21 (1978) 317 - Anke, M.; Risch, H.: Haaranalyse und Spurenelementstatus VEB, G. Fischer Verlag, Jena (1979) - Aylett, B. J.: The Chemi- stry and Bioinorganic Chemistry of Cadmium, in: The Chemistry, Biochemistry and Biology of Cadmium (Webb, M., Hrsg.), Elsevier/North Holland Biomedical Press, Amsterdam (1979) - Cadmium Bericht, Umweltbundesamt, Texte 1/81 Berlin (1981) - Ecotoxicology of Cad- mium, Report of the Ecotoxicology Section of the Scientific Advisory Committee to Examine the Toxicity and Ecotoxicity of Chemical Com- pounds, Eur. 7499 EN u. GSF Bericht 0-629, Brüssel, Luxemburg u. Neuherberg (1981)

-Hammond, P. B.; Beliles, R. P.: Cadmium, in:

Toxicology (Doull, J.; Klaassen, C. D.; Amdur, M. 0., Eds.), MacMillan Publ. Comp. Inc., New York (1980) 428-435 - Luftqualitätskriterien für Cadmium, Umweltbundesamt, Berichte 4f77, Berlin (1977) - Piscator, M.: Environm. Health Perspect. 40 (1981) 107 - Takeuchi, J.: Jap. J.

Clin. Med. 81 (1973) 132 - Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. zum Cadmiumbericht des Umweltbun- desamtes (1981)

Professor Dr. med.

Wolfgang Forth

Vorstand des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie Medizinische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität Nußbaumstraße 26

8000 München 2

Indometacin zur Dosisreduktion

von Narkoanalgetika

In einem prospektiven, randomie- sierten Doppelblindversuch wurde die Wirksamkeit von Indometacin nach Unterleibsoperationen unter- sucht. 44 Patienten erhielten post- operativ 3 Tage lang alle 8 Stun- den 100 mg Indometacin-Supposi- torien; 46 Patienten erhielten Pla- cebo-Suppositorien über den glei- chen Zeitraum. Alle Patienten er- hielten postoperativ bei Bedarf al- le 4 Stunden 0,15 mg/kg KG Mor- phium intramuskulär. Gemessen wurde die subjektive postoperati- ve Schmerzbeurteilung, der Be- darf an Analgetika sowie die Atem- funktion. Die Patienten der Indo- metacin-Gruppe benötigten im Vergleich zur Placebo-Gruppe be- deutend geringere Dosen Mor- phium über einen insgesamt kür- zeren Zeitraum und hatten in den ersten 4 Tagen nach der Operation weniger Schmerzen. Nach Ansicht der Autoren wirkte Indometacin zusammen mit Morphium bei der Schmerzbekämpfung nach größe- ren Unterleibsoperationen besser als die alleinige Gabe von Mor- phium intramuskulär. Dpe

Reasbeck, P. G.; Rice, M. L.; Reasbeck, J. C.:

Double-Blind Controlled Trial of Indomethacin as an Adjunct to Narcotic Analgesia after Major Abdominal Surgery, The Lancet 11(1982), 115-118; P. G. Reasbeck, Department of Surgery, University of Otago Medical School, P.O. Box 913, Dunedin, New Zealand.

Konservative oder operative

Ulkusbehandlung?

Die Zahl der Magenoperationen we- gen eines Geschwürleidens hat seit der Einführung der H 2-Blocker ein- deutig abgenommen, zeigt jedoch wieder eine steigende Tendenz. 55 Patienten, die ursprünglich für eine Elektivoperation wegen rezidivieren- der Ulzera vorgesehen waren (bei einem Drittel waren eine Perforation bzw. eine transfusionsbedürftige Blutung vorausgegangen), wurden fünf Jahre lang mit Cimetidin behan-

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 43 vom 29. Oktober 1982 57

Referenzen

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