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Archiv "Börsebius: Pöhls Demission — geht wieder ein Lotse?" (30.05.1991)

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Kapitalgüterhersteller mit Kurspotential

Börsebius: Pöhls Demission — geht wieder ein Lotse?

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

D

ie Ertragsaussichten für amerikanische Ka- pitalgüterhersteller sind in diesem Jahr nicht sehr rosig. Dies dürfte sich auch noch bis zum Ende des ersten Halbjahres im Abschneiden dieser Aktiengruppe wider- spiegeln. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, daß die Kursentwicklung einer Erho- lung der relativen Gewinne in dieser Branche etwa sechs Mo- nate vorauseilt. Dieser Auffas- sung ist jedenfalls das Invest- menthaus Prudential Securi- ties. Es rechnet bei einer Reihe von Unternehmen für 1992 mit außerordentlich günstigen Er- gebnissen, so daß die entspre- chenden Papiere auf längere Sicht über beträchtliches Kurspotential verfügen. Die Analyse im einzelnen:

Die Nachfrage nach Kapi- talgütern bei amerikanischen Herstellern dürfte bis zum Ende der ersten Jahreshälfte

US-Börsen

allenfalls maßvoll und in eini- gen Fällen sogar beträchtlich niedriger sein. Der Preis- kampf dürfte härter werden.

Allerdings werde das Klima wohl bei weitem nicht so schwierig werden wie in den Jahren 1982 bis 1986, als der amerikanische Dollar stark überbewertet war und auslän- dische Importe eine scharfe Konkurrenz darstellten.

Mit Beginn des Jahres 1992 dürften sich nach An- sicht des Investmenthauses die Aussichten jedoch deut- lich bessern. Selbst wenn man nur von einer sehr maßvollen Wiederbelebung der Kon- junktur in den Vereinigten Staaten ausgehe, würden die

Produktion steigen, die Flexi- bilität in der Preisgestaltung wieder zunehmen und die Exportnachfragen wachsen.

Verglichen mit den Ergebnis- sen des Jahres 1991, sei dann ein durchschnittliches Er- tragswachstum von 15 bis 25 Prozent im Jahr durchaus möglich, wobei einige Unter- nehmen deutlich besser als die gesamte Branche ab- schneiden könnten.

Angesichts des vermut- lich recht langsam voran- schreitenden Wirtschaftsauf- schwungs wird die Ertrags- entwicklung bei den Kapital- güterherstellern ein sehr un- einheitliches Bild bieten, heißt es in der Analyse wei-

ter. Drei Merkmale dürften dabei die Gewinner von den Verlierern unterscheiden.

Unternehmen, die ihre Ge- winnspannen aus innerbe- trieblichen Gründen auswei- ten können, dürften auch bei einer maßvollen Umsatzstei- gerung ein deutliches Ge- winnwachstum erzielen. Ge- sellschaften, zu deren Abneh- mern Branchen gehören, die ihre Bestände weitgehend ab- gebaut haben, dürften kräftig expandieren, wenn diese Lä- ger wieder aufgefüllt werden.

Und schließlich werden Un- ternehmen, deren Absatz- märkte in hohem Maße von der Industrieproduktion und weniger von den Investitio- nen abhängen, besser ab- schneiden als andere. Zu den Favoriten des Investmenthau- ses gehören vor diesem Hin- tergrund Caterpillar, Inger- soll-Rand und Cooper Indu- stries. EB

E

iner alten Börsenregel zufolge sollen die Ak- tienmärkte ein gutes Gespür für die wirtschaftliche Entwicklung auf Sicht der nächsten zwölf Monate ha- ben.

Sagt man, aber bewiesen ist das nicht. Vermutlich lie- gen die vielgerühmten Senso- ren nicht selten mit ihren Meinungen völlig daneben, und manchmal stimmt's halt.

Wahr ist, daß die Börsen vergleichsweise häufig auf Strukturbrüche nicht oder nur sehr spät reagieren. Wor- an das liegt? Im Zeitalter des sekundenschnellen Informa- tionsaustausches verfügt (fast) jeder Marktteilnehmer über die gleichen Informatio- nen und handelt auch sofort nach dem äußeren Gehalt der Meldung.

Nachdenken ist nicht mehr gefragt

Was aber wirklich hinter einer — oftmals gelifteten

—Nachricht steckt, welche grundlegenden Veränderun- gen den Markt bestimmen werden, wird oft nicht be-

merkt. Das liegt schlicht dar- an, daß die jungen Burschen, Devisenhändler, Börsenmak- ler und auch Analytiker in den Banken keine Zeit mehr haben, gründlich nachzuden- ken, und sie vielleicht auch nicht mehr haben wollen.

Mit großer Freude und ge- hörigem Respekt denke ich dabei an einen Wertpapierex- perten einer Frankfurter Bankzentrale, der morgens — nach der intensiven Lektüre des Nachtgeschehens, wohl- gemerkt — erst mal drei Stun- den im Stadtwald spazieren geht und die neuen Erkennt- nisse auf Wichtigkeit und Nichtigkeit durchkaut. Daran anschließend trifft der Mann dann seine Anlageentschei- dungen, oder er läßt auch die Finger von seichten Sachen.

Und ich weiß, er ist weitaus häufiger auf der Trefferseite als seine so modernen com- puterchartlinienunterstützten Kollegen.

Pöhls Demission

Übrigens sind wir zwei ei- nig in der Einschätzung, daß die Demission des Bundes- bankpräsidenten genauso ei- nen Strukturbruch darstellt, den die Märkte völlig falsch einschätzen. Viele Börsen- profis achten bloß darauf, wie die Finanzmärkte den Ab- schied verdauen; starren ner- vös auf den Dollarkurs und die Bewertung der Deutsch- mark. Daß sich hier aber ein struktureller Bruch schon vollzogen hat, übersehen die meisten völlig. Wahr ist, daß hier ein historischer Abgang eines renommierten Mannes zu beklagen ist. Und erst recht ist zu konstatieren, daß Kohls kurzfristige wähler- gunstorientierte Schnaufer- politik über finanzpolitische Stabilitätserfordernisse einen ruppigen Sieg davongetragen hat. Auf welcher Seite des po- litischen Spektrums man auch

immer stehen mag, wirt- schaftspolitisch gesehen steht uns eine Inflationsentwick- lung ins Haus, die für deut- sche Verhältnisse um die fünf Prozent am Jahresende ge- waltig sein wird. Und da ver- grätzt man sehenden Auges den aufrechten Hüter der sta- bilen Mark. Welche staats- männische Tat der Verant- wortlichen!

Konsequenzen

Wie ich aus gut unterrich- teten Kreisen höre, soll der Kanzler noch nicht mal mehr auf Pöhls Briefe geantwortet haben. Wenn das wahr sein sollte: welch ein Verfall poli- tischer Sitten!

Aber auch wenn das nicht wahr sein sollte: Karl Otto Pöhls Abschied bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß ein erfahrener Lotse von Bord geht, und dieser Schritt — des bin ich gewiß — ist ihm sicher nicht leicht ge- fallen. Da muß eine Menge vorgefallen sein, und da wird noch eine Menge vorfallen.

Börsebius

Dt. Ärztebl. 88, Heft 22, 30. Mai 1991 (77) A-2005

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