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Archiv "Eisenstoffwechsel und Eisenmangel" (23.03.1978)

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(1)

Beim erwachsenen Mann beträgt der Gesamtbestand des Organismus an Eisen 4 bis 5 Gramm; mehr als zwei Drittel davon sind im Hämoglo- bin gebunden (Darstellung 1). Die täglichen Verluste, zum Beispiel durch abgeschilferte Epithelzellen im Magen-Darm-Trakt werden nor- malerweise durch die Zufuhr mit der Nahrung ausgeglichen.

1. Eisenmangel

Mangelzustände an Eisen stellen sich während des Wachstums ein.

Unter den Erwachsenen sind vor al- lem Frauen infolges des Zyklus und der Schwangerschaft besonders ge- fährdet.

1.1 Wachstum

Nimmt man an, daß das Blutvolumen 6,5 Prozent des Körpergewichts aus- macht und geht man weiter davon aus, daß rund 70 Prozent des Kör- pereisens im Hämoglobin gebunden sind, dann kann der Eisenbedarf pro Kilogramm Gewichtszunahme mit 45 Milligramm veranschlagt werden.

Die in den verschiedenen Entwick- lungsphasen des Menschen nötige tägliche Eisenzufuhr ist der Tabel- le 1 zu entnehmen.

1.2 Menstruation

100 Milliliter Blut entsprechen 14 Gramm Hämoglobin, das 47,6 Milli- gramm Eisen enthält. Der gesamte Blutverlust während der Menses von normalerweise 30 bis 60 Milliliter entspricht einem Verlust von 15 bis

30 Milligramm Eisen. Bei Hyperme- norrhöen oder beim Uterus myoma- tosus werden bis zu 800 Milliliter bis 1200 Milliliter Blut verloren; das ent- spricht Eisenverlusten von rund 400 bis 600 Milligramm.

1.3 Schwangerschaft

Die Bilanz des Eisenhaushalts in der Schwangerschaft ist in Tabelle 2 wiedergegeben. Die Aufstellung be- sagt, daß für eine Schwangerschaft rund 0,7 Gramm Eisen zusätzlich er- forderlich sind. 0,3 Gramm davon können den Depots entnommen werden, der Rest muß zusätzlich von außen zugeführt werden.

Möglicherweise kommt dem Eisen- mangel auch als einem unter mehre- ren ursächlichen Faktoren für die Auslösung einer Frühgeburt und für die Sterblichkeit der Frühgeborenen eine Bedeutung zu. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Ursache für den Eisenmangel und die eine Frühge- burt auslösenden Faktoren im glei- chen sozialen Milieu beheimatet sein können, ohne einander zu bedingen.

1.4 Mangelernährung

Bei ausgewogener Zusammenset- zung der Ernährung kann der durch Wachstum, Zyklus oder Schwanger- schaft bedingte Eisenmangel auf- grund der gesteigerten resorptiven Ausnutzung des Eisenangebots in der Nahrung ausgeglichen werden.

Das ist jedoch nicht möglich, wenn — wie immer häufiger zu beobachten — die Ernährung einseitig ist.

Zu Beginn der vierziger Jahre wurden die experimentellen Grundlagen für die Deutung der Vorgänge bei der Resorp- tion von Eisen aus dem Darm gelegt: Sie haben zum Begriff des „Mukosablocks" geführt.

Daran ist so viel richtig, als im Mukosaepithel bestimmter Darmabschnitte ein Trans- portsystem für Eisen existiert, dessen Aufnahmekapazität li- mitiert ist. Das System eignet sich jedoch eher dafür, das Angebot an Eisen aus der Nahrung, vor allem beim Ei- senmangel des Organismus, optimal zu nutzen, als dafür, den Organismus vor einer möglicherweise iatrogen be- dingten Eisenüberladung zu schützen. Sonst dürfte es wohl keine Vergiftungen mit Eisen geben.

Bekannt ist ein alimentär bedingter Eisenmangel bei der Bevölkerung unterentwickelter, tropischer Gebie- te. Manchmal liegt in der Nahrung nicht einmal ein niedriger Eisenge- halt vor, das Eisen wird aber in einer für die Resorption ungünstigen Form (Hydroxide, Phosphate) aufge- nommen. Das ist beispielsweise im- mer dann der Fall, wenn die Nah- rung vorwiegend aus gekochten Ve- getabilien, aus wenig Obst und we- nig Frischgemüse besteht. Die An- ämie ist in diesen Bevölkerungs- gruppen oft die Folge eines Protein- mangels. In zunehmendem Maße spielt der Eisenmangel aber auch in den sogenannten Überflußgesell- schaften eine Rolle. Das ist auf die oft einseitige Ernährung vor allem Jugendlicher zurückzuführen. So wird heute schon hin und wieder die Chlorose junger Mädchen beobach- tet, die mit der Verbesserung der Ernährungsbedingungen und der Hebung des allgemeinen hygieni- schen Standards fast völlig aus un- serem Gesichtskreis verschwunden war. In diesem Zusammenhang muß auch die Tatsache berücksichtigt werden, daß in wachsendem Um- fang „processed food" konsumiert

Eisenstoffwechsel und Eisenmangel

Günter Becker und Wolfgang Forth

Aus dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Ruhr-Universität Bochum

(Leiter: Professor Dr. med. Wolfgang Forth)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 12 vom 23. März 1978 687

(2)

Funktionseisen (eisenhaltige Enzyme, Myoglobin)

Erythrozyten

at

Knochenmark (Erythroblasten)

Transferrin M.M1.1111. Depot-Eisen .4116.■

enterale Resorption

3g 0,5 g 0,8 g 0,004 g Hämoglobineisen

Funktionseisen Depoteisen Transferrineisen Fe-Verluste/Tag 0,001 g Fe-Resorption/Tag 0,001 g

( = 10% des Fe-Angebots in der Nahrung)

Darstellung 1: Einfaches Schema des Eisenstoffwechsels. Die Zahlenwerte beziehen sich auf einen erwachsenen Mann (1)*)

Eisenstoffwechsel

wird. Viele Fertignahrungsmittel und sogenannte niederkalorische Diäten enthalten Alginate oder ähnliche Kohlenhydratpolymere, die die Ver- fügbarkeit von Eisen und übrigens auch anderer biologisch wichtiger Elemente, wie zum Beispiel Zink, er- heblich verringern können.

2. Regulation

des Eisenstoffwechsels

Eisen wird nur in geringem Umfang wieder ausgeschieden. Der Aus- gleich der Bilanz muß demnach durch Adaptation der Eisenaufnah- me aus der Nahrung an den Bedarf des Organismus hergestellt werden.

Deshalb wird verständlich, warum der Mechanismus der intestinalen

Resorption von Eisen von besonde- rem wissenschaftlichen Interesse ist.

3.

Transfersystem für Eisen in der Mukosa oder Mukosablock?

Jeder Arzt ist damit vertraut, daß Überdosierungen von oral verab- reichtem Eisen mitunter lebensbe- drohliche Vergiftungserscheinun- gen hervorrufen können. Die Muko- sa des Dünndarms verfügt demnach offensichtlich nicht über eine Ein- richtung, die in der Lage ist, die Re- sorption von Eisen vollständig zu unterbinden, ganz im Gegensatz zu dem, was der heute noch in vielen Lehrbüchern persistierende Begriff des „Mukosablocks" für Eisen, der

Ende der dreißiger Jahre, Anfang der vierziger Jahre von P. F. Hahn geprägt wurde, suggeriert. Hahn hat ursprünglich damit umschreiben wollen, daß in der Mukosa des Dünndarms ein System begrenzter Aufnahmekapazität existiert, durch dessen Vermittlung Eisen in den Or- ganismus geschleust wird. Deshalb sollte das, was ursprünglich unter dem Begriff „Mukosablock" ver- standen wurde, heute damit um- schrieben werden, daß in der Muko- sa des Darms ein Transfersystem mit der Fähigkeit existiert, die Resorp- tion von Eisen an den Bedarf des Organismus zu adaptieren. Das Transfersystem in der Mukosa ge- währleistet im Fall eines Eisenman- gels eine hohe Resorptionsquote;

umgekehrt ist die Resorptionsquote für Eisen bei geringem Bedarf klein.

Es leuchtet ein, daß das Transfersy- stem vor allem für die Utilisation ei- nes geringen Angebots von Eisen in der Nahrung von Bedeutung ist. Bei hohem Angebot besteht wie für alle durch das Dünndarmepithel aufge- nommenen Stoffe die Möglichkeit der diffusiven Inkorporation, gewis- sermaßen am gesättigten Transfer- system vorbei (Darstellung 2).

3.1 Die Natur

des Transfersystems für Eisen Die Argumente, die für die Existenz eines Transfersystems für Eisen sprechen, sind in Tabelle 3 zusam- mengefaßt. Die Natur des Transfer- systems für Eisen in der Mukosa ist weitgehend unbekannt. Es gibt je- doch Hinweise darauf, daß Proteine Bestandteile des Systems sind (Ta- belle 4). Dabei spielt, wie neueren UntersuChungen (17)*) zu entneh- men ist, vor allem für die Adaption der Resorption von Eisen an den Be- darf des Organismus ein mukosales Transferrin eine Rolle (Darstellung 3). Wie heute bei Mensch und Tier übereinstimmend feststeht, ist das Transfersystem für Eisen vor allem im Duodenum und oberen Jejunum lokalisiert (Lit. siehe bei 10). Im Ei- senmangel weitet sich der haupt- sächliche Ort der Resorption nach

*) Die in Klammern stehenden Zahlen bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

(3)

C) Die Kapazität der intestinalen Resorption ist begrenzt

© Der Transfer von Eisen ist gerichtet von der Mukosa- zur Serosaseite des Darmes

® Der Transfer ist stoffwechselabhängig

® Das Transfersystem reagiert zwar mit Metal- len, die dem Eisen chemisch nahestehen (Co, Ni, Cr, Mn, Zn). Es hat jedoch einen hohen Spezifi- tätsgrad für Eisen

3, 4

5, 6

7-9 10

Tabelle 4: Argumente für eine Beteiligung von Proteinen am Transfer von Eisen durch das Mukosaepithel

Argument Literatur')

C) Inhibitoren der Proteinsynthese hemmen die 11-13 intestinale Resorption von Eisen

C Die intestinale Resorption von Eisen ist mit 14 Phenobarbital induzierbar

® Die Fähigkeit des Organismus, die intestinale Lit. siehe bei Resorption von Eisen an den Bedarf anzupassen, 15, 16 ist genetisch bestimmt

Darstellung 2:

Schematischer Kurvenverlauf der Resorption einer Substanz S (zum Beispiel Glukose, Amino- säure, Eisen) in Abhängigkeit vom Angebot.

Die ausgezoge- ne Kurve ist die Summe aus Transport und Diffusion von S durch das Muko- saepithel (2) Resorption

Transport

Resorptionsrate von S

Angebot, Konzentration von S

Diffusion Tabelle 1: Der tägliche Eisen-

bedarf des Menschen in ver- schiedenen Lebensaltern (Committee an Iren Deficien- cy, JAMA 203 [1968] 407)

mg/Tag Kleinkind 0,5-1,5

Kind 0,4-1

Jüngling, Mädchen 1-2 Mann, nicht-

menstruierende Frau 0,5-1 menstruierende Frau 0,7-2 Frau in der

Schwangerschaft 2-5 Tabelle 2: Eisenhaushalt in der Schwangerschaft (1)

Fötus 0,4 g

Plazenta 0,1 g

Blutvolumenzunahme

(Mutter) 0,5 g

zusätzlicher Bedarf 1,0 g errechnete Einsparung durch Ausbleiben

der Menstruation 0,3 g tatsächlicher Bedarf 0,7 g

Fe-Verluste:

Blutverlust 0,1 g

Plazenta 0,1 g

Fötus 0,4 g

insgesamt 0,6 g

distal bis in die Schleimhaut des oberen Ileums aus, das heißt die Epi- thelfläche mit der Fähigkeit zur be- sonderen resorptiven Utilisation ge- ringer Eisenmengen in der Nahrung wird größer (18).

4. Schlußfolgerungen für die Pharmakotherapie mit Eisen

Die Therapie mit Eisen wird ganz überwiegend oral durchgeführt. Für

die parenterale Anwendung von Ei- sen besteht praktisch keine zwin- gende Indikation. Ist eine Anämie le- bensbedrohlich, dann ist die Blut- transfusion indiziert.

4.1 Die Bedeutung der Wertigkeit von Eisen für die Resorption An der lange gehegten Vorstellung, daß Eisen nur in zweiwertiger Form resorbiert werden kann, ist so viel richtig, als zweiwertige Eisen-Ionen

im Milieu des Magen-Darm-Traktes sehr viel besser löslich sind als drei- wertige (19). Die Löslichkeit zwei- wertiger Eisen-Ionen im Neutralbe- reich der pH-Skala wird mit 10 -2

Mo1/1 veranschlagt, die für dreiwerti- ge Eisen-Ionen dagegen nur mit 10-18 Mo1/1 (20). Die Beeinträchti- gung der Verfügbarkeit von Eisen

1) Die Zahlen dieser Spalte beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 12 vom 23. März 1978

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(4)

Eisenstoffwechsel

für die Resorption im Magen-Darm- Trakt durch die Bildung unlöslicher Hydroxide, Phosphate und Sulfide ist bei der therapeutischen Zufuhr besonders zu berücksichtigen. So betrachtet, ist zweiwertiges Eisen für die Resorption besser verfügbar als dreiwertiges. Wenn, wie unter experimentellen Bedingungen, drei- wertiges Eisen in ionisierter Form angeboten werden kann, besteht kein Unterschied in der Resorbier- barkeit gegenüber dem zweiwerti- gen Eisen (10). Übrigens ist im mu- kosalen Transferrin, das möglicher- weise ein epitheliales Transportpro- tein für Eisen ist, Eisen in dreiwerti- ger Form gebunden.

4.2 Resorption

komplex-gebundenen Eisens In der Nahrung liegt Eisen nur zum geringsten Teil in ionisierter Form vor. Der überwiegende Teil des Nah- rungseisens ist in Gegenwart eines hohen Überschusses von Liganden komplex gebunden. Als Komplex- bildner in der Nahrung sind neben F roteinen und Peptiden vor allem Aminosäuren und Polycarbonsäu- ren sowie Zucker und Phosphate zu nennen.

Eisenkomplexe lassen sich physiko- chemisch hinsichtlich ihrer Stabili- tät charakterisieren. Ein Beispiel für einen stabilen Eisenkomplex ist Häm, in dem Eisen außerordentlich fest gebunden ist. Weniger stabile Komplexe mit Eisen bilden Ami- nosäuren, Polycarbonsäuren oder Ascorbinsäure, um nur einige Kom- plexbildner zu nennen, die auch the- rapeutisch verwendet werden.

4.2.1 Resorption stabiler Eisenkomplexe

Die Gesetzmäßigkeiten für die Re- sorption stabiler Eisenkomplexe sind die gleichen wie die für die Re- sorption von Pharmaka und Fremd- stoffen: Voraussetzung für gute Re- sorbierbarkeit ist ein optimales Ver- hältnis zwischen einer hinreichen- den Wasserlöslichkeit der Verbin- dung, die die Verfügbarkeit für die Resorption im Darmlumen gewähr-

leistet, und ihrer Lipidlöslichkeit, die die Penetration durch die biologi- schen Membransysteme des resor- bierenden Mukosaepithels ermög- licht. Stabile Eisenkomplexe diffun- dieren demnach, ohne ihr Eisen an das Transfersystem für Eisen abzu- geben, durch das Mukosaepithel.

Gegenwärtig spielt in der Reihe der stabilen Eisenkomplexe nur das Häm eine gewisse Rolle. Es hat sich nämlich gezeigt, daß Häm-Eisen zur Blutbildung utilisiert wird; es wird zum Teil bereits in der Mukosa des Dünndarms enzymatisch aus dem Häm freigesetzt. Der Anteil, der nach der Resorption unverändert im Blut erscheint, wird schließlich in der Le- ber gespalten. Häm beziehungswei- se Hämoglobin ist demnach in die Reihe der wichtigen (eisenhaltigen) Nahrungsbestandteile einzureihen, deren Eisen als gut verwertbar gilt.

Möglicherweise kommt dem außer- ordentlich stabilen Porphyrin-Eisen- Komplex auch eine therapeutische Bedeutung zu, zum Beispiel für den Bereich der Pädiatrie, wo die Eisen- therapie wegen des abhorrierenden Geschmacks vieler Eisenverbindun- gen oft auf Widerwillen stößt.

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, lipophile und deshalb gut resorbier- bare Eisenkomplexe dafür zu nut- zen, größere Eisenmengen in den Organismus einzuschleusen. Diese Versuche sind bislang ohne greifba- ren therapeutischen Erfolg geblie- ben. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, daß einmal die Gefahr der iatrogen verursachten Eisenüberla- dung zu groß ist. Darüber hinaus verläßt in der Regel der nicht utili- sierte Anteil des komplex gebunde- nen Eisens den Organismus wieder über die Nieren. Das gilt beispiels- weise für den vorzugsweise parente- ral verabreichten Eisen-Sorbit-Ci- trat-Komplex. Infolge des unter Um- ständen sauren pH-Wertes des Pri- märharns kann es in den Nierenka- nälchen zu einer Freisetzung aus dem Komplex kommen. Bei länger andauernder Anwendung derartiger Verbindungen ist eine Nierensidero- se die unausweichliche Folge. Das ist auch bei der länger dauernden Verwendung des Äthylendiamin-Te-

traessigsäure-Eisenkomplexes (ED- TA-Fe) zu befürchten. Dieser Kom- plex ist gut wasserlöslich, er wird enteral nicht einmal besonders gut resorbiert, und der größte Teil des intakt aufgenommenen Komplexes wird über die Nieren wieder ausge- schieden. Gegenwärtig gibt es Über- legungen, diesen Komplex zur Forti- fikation der Nahrung in Gebieten zu benutzen, in denen ein alimentärer Eisenmangel besteht. Davon ist ab- zuraten.

4.2.2 Die Resorption von

Eisenkomplexen mittlerer Stabilität Komplexe mittlerer Stabilität geben Eisen an die Bindungsstellen des Transfersystems in der Mukosa frei.

Ihnen kommt mit anderen Worten eine Donorfunktion für Eisen zu. Im Tierexperiment konnte gezeigt wer- den, daß die obere Grenze der ther- modynamischen Stabilität für eine mögliche Donorfunktion der Kom- plexe für das Transfersystem in der Mukosa bei Konstanten von 10 -12 bis 10 -13 zu veranschlagen ist. Liegt die Stabilitätskonstante eines Eisen- komplexes in diesem Bereich, dann ist es möglich, daß dieser Komplex als Eisendonor für das Transfersy- stem in der Mukosa fungieren kann.

Liegt die Stabilitätskonstante jedoch höher, dann ist von vornherein zu erwarten, daß ein derartiger Eisen- komplex sein Eisen nicht oder nur in sehr geringem Umfang an das Transfersystem in der Mukosa ab- gibt. Es ist festzustellen, daß alle ge- genwärtig in der Therapie zur oralen Applikation verwendeten Eisenkom- plexe zu der Gruppe der Verbindun- gen, die eine mittlere Stabilitätskon- stante aufweisen, gehören. Dement- sprechend war es nicht verwunder- lich, daß in kontrollierten Experi- menten am Menschen, die Resorp- tionsraten dieser Eisenverbindun- gen etwa gleich groß waren (21).

Unmittelbar nach Verlassen des Ma- gens wird der pH-Wert des Speise- breis durch Zumischung der alkali- schen Verdauungssäfte des Pan- kreas neutralisiert und im weiteren Verlauf der Passage auf Werte bis zu pH 7,8 bis 8 gebracht. Dementspre-

(5)

Nahrungsbrei

im Duodenum: 5-6,8 beim Verlassen des Magens: 2

(III) (OH)j x Lig-Fe (III)

(II) (OH)23x Lig-Fe (II)

MIM

mucosales Transterrin

Im »8

ei 11.11

Fe 2+, Fe af + Lig

Fe (III)

Verfügbarkeit des Eisens:

schlecht

gut ph-Wert:

im Jejunum: 6,8-7

Lig-Fe (hydrophil)

Lig-Fe (lipohil) z. B. Häm

Apoferritin

11.

Fertitin Darmlumen

Bürstensaum

Mucosazelle

Basalmembran

Blut

Darstellung 3: Schematische Darstellung der intestinalen Resorption von Eisen.

In den Mukosazellen des Duodenums und des oberen Jejunums existiert ein System, das vom Zellstoffwechsel abhängig den Transport von Eisen durch die Zellen von Lumen ins Blut besorgt. Ein wichtiger Bestandteil dieses Systems ist das mukosale Transferrin, das offenbar in der Region des Bürstensaumes der Zellen Eisen aufnimmt. Im mukosalen Transferrin ist Eisen in dreiwertiger Form gebunden. Bei Eisenmangel ist es maßgebend an der Durchschleusung des Eisens durch das Epithel zum Blut hin beteiligt. Bei ausgeglichenem Eisenhaushalt verbleibt ein Teil des in die Epithelzellen aufgenommenen Eisens dort, wird im mukosalen Ferritin deponiert und dann schließlich mit den abgestoßenen Zellen nach wenigen Tagen ausgeschieden.

Im Duodenum und im oberen Jejunum (pH-Wert 6,8 bis 7) wird das ionisierte zwei- und vor allem das dreiwertige Eisen rasch in Hydroxide überführt, die für die Resorption schlecht verfügbar sind. Deshalb werden bei extremem Eisenmangel von einer therapeutischen Einzeldosis von 50 mg Fe — das entspricht 250 mg FeSO 4 * ) — selten mehr als 30 Prozent, initial bis zu 50 Prozent, resorbiert. Ein Teil des Eisens bildet mit Liganden im Nahrungsbrei wiederum Komplexe, die, sofern sie hydrophil oder gar negativ geladen sind, schlecht das Mukosaepithel durchdringen. Lipophile Eisenverbindungen, wie zum Beispiel Häm, können ohne ihr Eisen an das Transportsystem abzugeben, die Mukosazellen durchqueren. In der Leber wird dann das Eisen aus dem Häm metabolisch herausgelöst. Ein Teil des Hämeisens kann allerdings bereits in den Mukosazel- len enzymatisch freigesetzt werden.

Das Eisen-Transfer-System in der Mukosa dient der optimalen Nutzung der in der Nahrung vorhandenen, geringen Eisenmengen, vor allem bei gesteigertem Bedarf des Organismus, das heißt im Wachstum, während der Schwangerschaft usw. Es schützt den Organismus keineswegs vor übergroßem Angebot, beispielsweise bei Eisenvergiftungen. Unter diesen Bedingungen wird nicht nur die Kapazität des Transfersystems überschritten, sondern das Epithel wird schwer geschädigt oder gar zerstört. Das Eisen diffundiert dann ungehindert ins Blut (1)

*)

als

Heptahydrat

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom

23.

März 1978

691

(6)

Tabelle 5: Mögliche Wechselwirkungen von Arzneistoffen und Nah- rungsbestandteilen mit Eisen im Gastrointestinaltrakt

Stoff enthalten in Mechanismus

a) Verringerung der Verfügbarkeit für die Resorption durch:

Phytin

Oxalate

Alginate

Tannin Tetrazykline Cholestyramin (organ. Anionen- austauschharz) CaCO3 , Magnesia usta

Aluminiumhy- droxid Mg-Al-Silikate

Getreide und Getrei-'

\

deprodukten, Reis, Sojamehl

Vegetabilien, vor al- lem Spinat, Rhabar- ber, Sauerampfer Puddingpulver, In- stantsuppen, Speise- eis, niederkalori- schen Nahrungsmit- teln

Tee Antibiotika Quantalan ® , Cuemid ®

neutralisierenden Antazida

adsorbierenden Antazida

Bildung schwerlösli- cher bzw. schwerre- sorbierbarer

verbindungen

b) Steigerung der Verfügbarkeit für die Resorption durch:

Alkohol Steigerung der

Frequenz der Ma- genentleerung und/oder Steige- rung der Säurese- kretion

Parasympatholy- Spasmolytika Hemmung der

tika Darmmotilität

Eisenstoffwechsel

chend nimmt die Tendenz zur Bil- dung schwerlöslicher Eisenhydro- xidverbindungen zu. Der reichliche Phosphat- und Phytatgehalt der

Nahrung ist ein weiterer Ansatz für die Bildung schwerlöslicher, für die Resorption nicht geeigneter Eisen- verbindungen im Speisebrei. In den

unteren Abschnitten des Darmes kommt schließlich die Bildung schwerlöslicher Eisensulfide hinzu.

Die für die orale Therapie mit Eisen geeigneten Komplexbildner müssen demnach in der Lage sein, Eisen vor allem in den oberen Abschnitten des Dünndarms, in denen das Transfer- system für Eisen lokalisiert ist, für die Resorption zur Verfügung zu halten und dort an die Bindungsstel- len des Transfersystems in der Mu- kosa abzugeben.

5. Dosierung von Eisen

Normalerweise ist davon auszuge- hen, daß maximal 10 Prozent einer Eisendosis resorbiert werden. Im Ei- senmangel steigt die Resorptions- quote auf initial 30 bis höchstens 50 Prozent der Dosis an. Mit der Verrin- gerung des Grades des Eisenman- gels sinkt die resorptive Utilisation einer Eisendosis im Magen-Darm- Trakt wieder ab. Der Versuch, die geringe Resorptionsrate durch ein höheres Angebot auszugleichen, sollte unterbleiben. Glücklicherwei- se nimmt die Fläche des Mukosaepi- thels mit adaptiv gesteigerter Re- sorptionskapazität im Eisenmangel zu. Soweit tierexperimentelle Stu- dien einen Rückschluß zulassen, ist es wohl auch deshalb nicht zu be- fürchten, daß die gegenwärtig übli- chen Dosen von 50-100 Milligramm Eisen-Ionen die Aufnahmekapazität des Dünndarms übersteigen. Die Ei- sendosierung wird vornehmlich durch die Verträglichkeit limitiert (21). Deshalb sollten mehrmals täg- lich kleinere Dosen von nicht mehr als 50 Milligramm Eisenionen bevor- zugt werden. Dieser Empfehlung steht die allgemeine ärztliche Erfah- rung entgegen, daß die mehrmals täglich vorzunehmende Dosierung von Arzneistoffen an der mangeln- den Disziplin der Patienten schei- tert. Kann sie jedoch durchgesetzt werden, dann ist der Vorteil der mehrmals täglichen Verabfolgung kleiner Eisendosen in der geringe- ren Gefahr von Nebenwirkungen wie Nausea, Erbrechen, Schwindel, Kol- laps und ähnlichem zu sehen, über die die Patienten nach Verabfolgung einer höheren Eisendosis zuweilen

(7)

klagen. Es ist daran zu erinnern, daß die Einnahme von Eisenpräparaten zusammen mit der Nahrung die Fre- quenz der Nebenwirkungen deutlich senkt. Die Verfügbarkeit des Eisens im Speisebrei läßt sich dadurch stei- gern, daß den Patienten empfohlen wird, gleichzeitig einen möglichst sauren, an Ascorbinsäure reichen Fruchtsaft, zum Beispiel Grapefruit- saft, zu trinken.

Der Dosierungsplan kann quantitativ veranschlagt werden. Zur Bemes- sung des Eisenmangels dient ge- wöhnlich der Hämoglobingehalt des Blutes, wobei 14 g/100 ml Blut als

„normal" betrachtet werden. Auf- grund des Eisengehalts des Hämo- globins läßt sich die Eisendosis überschlagen, die gebraucht wird, um den Hämoglobinmangel zu be- heben.

Dabei hat sich folgende Faustregel als praktisch ausreichend erwiesen:

Eisendosis (g) = (14 2) — aktueller Hämoglobingehalt 3)) x 0,255. Die de- taillierte Erklärung einer Formel zur Berechnung der zu ersetzenden Ei- senmenge aufgrund des Hämoglo- bindefizits ist anderenorts publiziert (1). Bei der oralen Zufuhr ist diese Dosis als Minimalwert zu betrach- ten. Einmal ist die Resorptionsquote unbekannt; ihre Bestimmung ist für eine Routinebehandlung zu aufwen- dig, zum anderen gibt es bis heute noch keine befriedigende, für die Praxisroutine geeignete Methode zur Beurteilung des Füllungszustan- des des Eisendepots.

Es besteht begründete Hoffnung da- für, daß die Plasma-Ferritin-Bestim- mung in naher Zukunft ein geeigne- tes Maß abgeben wird.

Zu der aufgrund des Hämoglobinde- fizits berechneten Dosis kann rund ein Viertel bis ein Drittel der Gesamt- dosis an Eisen hinzugerechnet wer- den, die zur Auffüllung der Eisende- pots dienen soll. Von Zeit zu Zeit kann der Therapieerfolg aufgrund

2) = normaler Hämoglobinwert in g/100 ml Blut

3) = in g/100 ml Blut

der Hämoglobinwerte im Blut über- prüft und das Ergebnis zu einer Kor- rektur des Dosierungsplans benutzt werden.

6. Wechselwirkungen von Ei- sen mit anderen Arzneistoffen und Nahrungsbestandteilen während der Resorption

Die in Tabelle 5 aufgeführten Wech- selwirkungen von Eisen mit Nah- rungsbestandteilen beziehungswei- se Arzneistoffen im Gastrointestinal- trakt verringern fast alle die Verfüg- barkeit von Eisen für die Resorption.

Die Folge ist eine Unterdosierung von Eisen.

Nur für Alkohol und einige Parasym- patholytika wie Phenoxybenzamin und Atropin ist eine Steigerung der Resorption beschrieben worden.

Die Beobachtungen über die Steige- rung der Resorption von Eisen durch Alkohol und Parasympatholy- tika sind unter experimentellen Be- dingungen gemacht worden; welche Bedeutung ihnen für die in der Pra- xis durchgeführte Eisentherapie zu- kommt, muß vorläufig noch offen- bleiben.

Literatur

Gabbe, E. E.: Quantitative Aspects of Iron Defi- ciency and Iron Therapy, in: Iron Metabolism and Its Disorders (Kief, H., Ed.) S. 278-297, Excerpta Medica, Amsterdam-Oxford, Ameri- can Elsevier Publ. Comp. Inc., New York (1975)

— Forth, W., Rummel, W.: Iron Absorption, Phy- siol. Rev. 53 (1973) 724-792 — Forth, W., Rum- mel, W.: Eisen, Pharmakotherapie des Eisen- mangels, in: Allgemeine und Spezielle Phar- makologie und Toxikologie (W. Forth, D.

Henschler und W. Rummel, Hgb.) S. 304-309, Bibliographisches Institut, Mannheim 1977

—Heinrich, H. C.: Intestinal Iron Absorption In Man — Methods of Measurement, Doserelation- ship, Diagnostic and Therapeutic Applications, In: Iron Deficiency (L. Hallberg H.-G. Harwerth and A. Vannotti, Eds.) Academic Press, London and New York, 1970 S. 213-294 — Weitere Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:

Dr. rer. nat. Günter Becker

Professor Dr. med. Wolfgang Forth Ruhr-Universität Bochum

Institut für Pharmakologie und Toxikologie

Postfach 10 21 48, Im Lottental 4630 Bochum

Neue Einheiten in der Labordiagnostik

Zum Beitrag

von Dr. med. Wilfried Ehnert in Heft 49/1977, Seite 2905 ff.

Im Gegensatz zur Fußnote 3 der Ta- belle 2 ist die molare Angabe laut ihrer Definition immer unmißver- ständlich und in ihrem Aussagewert identisch mit der Massenangabe, sollte jedoch gegenüber letzterer in der klinischen Chemie bevorzugt werden, wenn es sich um chemisch eindeutig definierte und bestimmba- re Stoffe handelt (H. Lippert: „Sl- Einheiten in der Medizin", Seite 15, Verlag Urban u. Schwarzenberg, 1976). Zwar ist es richtig, daß die Angabe in mmo1/1 keine Unterschei- dung zwischen Ca+ und Ca ++ zu- läßt, aber die Angabe in mg/dl er- laubt dies genausowenig! Dieser Unterschied kann nur durch Einbe- ziehung der Wertigkeit gemacht werden, das heißt durch val/1, womit wir bei dieser für Chemiker klaren, aber im Medizinjargon völlig verwa- schenen Einheit wären. Wohlweis- lich kommt das Äquivalent in oben genanntem Buch nur einmal an un- tergeordneter Stelle vor und ist in der Ausführungs-Verordnung vom 26. Juni 70 nicht enthalten, was für die Nutzlosigkeit dieser abgeleiteten Einheit sprechen dürfte. Was das Calcium betrifft, so ist wohl nur die Angabe des gesamten und des freien Ca++ von Belang, wobei bei- des in Stoffmengen- oder Massen- konzentration ausgedrückt werden kann.

Dr. med. Stefan Halbach Ernsdorfer Straße 89 8210 Prien

II.

Bezugnehmend auf den genannten Übersichtsaufsatz Wilfried Ehnert bitte ich um Beantwortung folgen- der Fragen:

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom

23. März 1978 693

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