Entwicklungen im Zeitungsdruck und Auswirkungen auf die Deinkbarkeit
E. HANECKER
1 Zusammensetzung der Deinkingware
In der Bundesrepublik Deutschland wird der mengenmäßig größte Teil der Altpapiere, die für die Produktion von graphischen Papieren zum Einsatz kommen, in Deinkinganlagen aufbe- reitet, die deinkten Stoff für Zeitungsdruckpapier herstellen. Als Altpapiereintrag in Deinkin- ganlagen kommt in erster Linie die sogenannte Deinkingware zum Einsatz. Als Deinkingware bezeichnet man eine Altpapiermischung, die etwa je zur Hälfte aus Zeitungen sowie Zeit- schriften und Illustrierten besteht.
Der Hauptteil der in der Bundesrepublik erscheinenden Tageszeitungen und Zeitungsbeilagen wird gegenwärtig im Offsetdruck bedruckt. Da der Anteil an Zeitungen in der Deinkingware hoch ist (Abb. 1), kommt der Deinkbarkeit dieser im Rollenoffset-Coldset-Verfahren bedruck- ten Erzeugnisse hohe Priorität zu (1,2).
53%
28%
7%
7%
5%
Zeitungen
(45-63%)
Illustrierte
(20-43%)
Kataloge
(4-12%)
Beilagen
(3-11%)
Sonstige
Abb. 1: Beispiel für die Zusammensetzung der Deinkingware (Massenprozent)
2 Anforderungen an die optischen Eigenschaften von deinktem Stoff
Ein bedeutendes Qualitätskriterium für deinkte Stoffe sind ihre optischen Eigenschaften, also Weißgrad, Helligkeit, Farbort und Reinheit. Für den Weißgrad deinkter Altpapierstoffe ist das Verhältnis zwischen Zeitungen und Illustrierten in der eingesetzten Deinkingware von Bedeu- tung. Ein steigender Anteil an Zeitungen in der Deinkingware führt in der Regel zu niedrigeren Weißgraden des deinkten Stoffs (3).
Die erzeugten Qualitäten der deinkten Stoffe - und die damit verbundenen Kosten - werden von den Anforderungen nach dem Einsatz im Endprodukt geprägt. Die Anforderungen an den Weißgrad des deinkten Stoffs für den Einsatz bei Zeitungsdruckpapieren liegen im Mittel bei 59 %. Deinkte Stoffe für den Einsatz bei höherwertigen Papieren müssen Weißgrade von 65
% und höher aufweisen (Abb. 2).
55 60 65
70 Weißgrad des deinkten Stoffs (DIP) (%)
Anforderungen an den Weißgrad des DIP für den Einsatz bei
Zeitungsdruckpapieren Aufgebes- serten Sorten 58,5
59,5
64,3
Abb. 2: Anforderungen an den Weißgrad deinkter Stoffe für den Einsatz in verschiedenen Sortengruppen
Störend auf die Reinheit wirken sich Schmutzpunkte aus, vor allem solche, die mit dem Auge sichtbar sind. Auch hier sind die Anforderungen hinsichtlich Freiheit von Schmutzpunkten um so höher, wenn der deinkte Stoff bei aufgebesserten Sorten zum Einsatz kommen soll.
3 Verfahrenstechnische Einflußgrößen auf die Deinkbarkeit
Der Deinkingprozeß wird von den Schritten Druckfarbenablösung und Entfernen der abge- lösten Druckfarbe durch Flotation beeinflußt.
Voraussetzung für die Entfernung ist grundsätzlich die Druckfarbenablösung. Sie wird vom Druckverfahren, der Druckfarbenzusammensetzung und der Druckfarbentrocknung sowie von der Papierzusammensetzung beeinflußt. Grundsätzlich gilt, daß die Druckfarbenablö- sung dann verschlechtert wird, wenn oxidativ trocknende Bindemittelbestandteile mit holzhal- tigen Faserstoffen in direkten Kontakt kommen. Solche oxidativ trocknenden Bindemittelbe- standteile werden bei Bogenoffsetfarben aus technischen Gründen immer, bei Heatsetfarben in Anteilen und in bunten Offsetzeitungsfarben oft anteilig eingesetzt. Direkter Kontakt mit holzhaltigen Faserstoffen findet bei Zeitungen, bei denen in der Regel nicht oberflächenbe- handelte Papiere eingesetzt werden, statt. Aber auch ungestrichene, holzhaltige Druckpapie- re und pigmentierte, nicht geglättete holzhaltige Druckpapiere für den Heatset und Bogenoff- set können zu Wechselwirkungen mit oxidativ trocknenden Druckfarbenbestandteilen führen und damit die Druckfarbenablösung verschlechtern.
Eine schlechte Druckfarbenablösung hat grundsätzlich auch eine unzureichende Entfernung dieser nicht abgelösten Druckfarbenbestandteile zur Folge. Zusätzlich führt die schlechte Druckfarbenablösung zu einer Erhöhung der Verluste. Möglichkeiten zur Verbesserung der Druckfarbenablösung sind vor allem in einer, soweit drucktechnisch möglichen, Veränderung des Druckfarben-Bindemittelsystems zu sehen.
4 Entwicklungen im Bereich des Zeitungsdrucks
Im Bereich des Zeitungsdrucks sind eine Absenkung der flächenbezogenen Masse des Pa- piers und eine Zunahme des Mehrfarbendrucks bei gleichzeitiger Erhöhung der Druckfarben- dichte feststellbar.
n Reduzierung der flächenbezogenen Masse è Änderung des Verhältnisses
Druckfarbe zu Faserstoff n Zunahme des Mehrfarbendrucks
è Änderung der Druckfarbenbindemittel n Erhöhung der Druckfarbendichte
è Zunahme der Druckfarbenmenge
Abb. 3: Entwicklungen im Zeitungsdruckbereich
Die flächenbezogene Masse von Zeitungsdruckpapieren wurde in den letzten Jahren sukzes- siv reduziert. Vorteile dieser Entwicklung sind die Reduzierung des Gewichts der Druckpro- dukte, was sich u.a. in einer Senkung der Transportkosten auswirkt, aber auch die Rohstoff- einsparung, also die geringeren Mengen an Faserstoffen, die für die Herstellung der Druckpa- piere eingesetzt werden. Als Folge hat sich jedoch das Verhältnis Faserstoffe zu Druckfarben verändert. Daher war zu erwarten, daß sich eine Verschiebung dieses Verhältnisses negativ auf das Deinkingergebnis auswirken würde.
Dies zeigt sich, wenn Laboruntersuchungen betrachtet werden, bei denen der Anteil der Druckfarbe im Fertigprodukt auf den Weißgrad des deinkten Stoffs untersucht wurden. Dazu wurden Deinkbarkeitsuntersuchungen an einer Zeitung durchgeführt, wobei der Anteil der bedruckten Fläche durch gezielte Zugabe von unbedrucktem Papier variiert wurden. In den Schritten 0, 1/3, 2/3 und 1 wurde der Massenanteil des bedruckten Papiers durch unbe- drucktes Papier verringert. Entsprechend ändert sich der Massenanteil Druckfarbe zu Papier von 0 bis 0,027 (Flächenbezogene Masse des Papiers 45 g/m²; Annahme: Druckfarbenauf- trag 1,2 g/m²). Nachfolgende Abbildung 4 zeigt, wie sich mit steigendem Druckfarbenanteil der Weißgrad des deinkten Stoffs verringert. Im praxisrelevanten Bereich von Zeitungsdruck- papieren mit einer flächenbezogenen Masse von 45 - 52 g/m² beträgt dieser theoretische Weißgradverlust in Abhängigkeit vom Verhältnis Druckfarbe zu Papier bei konstantem Druckfarbenanteil (Annahme: 1,2 g/m²) lediglich 1,5 %-Punkte und liegt damit innerhalb der Meßgenauigkeit.
Untersuchungsergebnisse an Modelldrucken mit konstantem Druckbild und variierender flä-
relevanten Bereich der Verringerung der flächenbezogenen Masse im Hinblick auf die Deink- barkeit keine signifikante Bedeutung zukommt. Die Auswirkung der Änderung des Verhältnis- ses Druckfarbe zu Papier ist im praxisrelevanten Bereich (52 g/m² bis 42 g/m²) zu gering, um meßtechnisch erfaßt werden zu können. Entscheidend ist die Druckfarbenablösung. Andere Einflußgrößen wie Farbbelegung und Alterung haben eine wesentlich größere Bedeutung.
Weißgradergebnisse
bei einer
systema - tischen Variation des Verhältnisses
technisch relevanter Bereich
Massenverhältnis [g Druckfarbe/g Papier]
Abb. 4: Weißgrad des deinkten Stoffs in Abhängigkeit vom Verhältnis Druckfarbe zu Papier Im Bereich des Zeitungsdrucks ist neben der Absenkung der flächenbezogenen Masse des Zeitungsdruckpapiers eine Zunahme des Mehrfarbendrucks feststellbar. Der Trend geht hin zum vollflächigen Mehrfarbendruck. Dabei soll nicht nur der Anteil an bunten Druckfarben am Druckbild steigen, sondern auch die Druckfarbenmenge, wodurch auch die gesamte Druck- farbenmenge, die auf den Bedruckstoff aufgetragen wird, zunimmt. Durch den Mehrfarben- druck werden bei Zeitungen andere Pigment/Bindemittelsysteme in den Papierkreislauf ein- gebracht. Dies sollte Auswirkungen auf das Deinkingverhalten dieser Druckerzeugnisse ha- ben.
5 Problematik von Neuentwicklungen auf die Deinkbarkeit
Um die Entwicklungen dieses Trends zum Mehrfarbendruck auf die Deinkbarkeit zu erfassen, wurden Untersuchungen mit konventionellen Offsettageszeitungen mit überwiegend Schwarzanteil sowie Muster mit hohem Buntanteil durchgeführt. Die Proben wurden unter konstanten Bedingungen nach unterschiedlicher Lagerdauer deinkt (Abb. 5).
Beispiele:
Offsetzeitungsdruck
überwiegend schwarz A, B, F, mit hohem Farbanteil C, E
Neuentwicklungen D
(Planzenölhaltig)
unterschiedliche Lagerdauer (1, 3, 6 Monate und beschleunigt gealtert)
Abb. 5: Für die Untersuchungen eingesetzte Beispiele
Die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen erkennen, daß der Anteil an Buntfarben im Zei- tungsdruck zu einer deutlichen Verschlechterung der Deinkbarkeit vor allem mit zunehmen- der Lagerung führt (Abb. 6). Verantwortlich dafür ist die unzureichende Druckfarbenablösung, die im Bindemittelsystem der Buntfarben begründet ist. Der Einsatz von Druckfarben auf der Basis nachwachsender Rohstoffe (Pflanzenölfarben) führt nach längerer Lagerung zusätz- lich zu einer erheblichen Beeinträchtigung der deinkten Stoffe durch sichtbare Schmutz- punkte (Abb. 7 und 8).
40 45 50 55 60 65
A B F C E D
1 mon 3 mon 6 mon 144 h 60°C Anforderung
Weißgrad des deinkten Stoffs [%]
Anforderung an Zeitungsdruckpapiere
Überwiegend schwarz Hoher Buntanteil
Sojaöl- haltig
Abb 6: Deinkbarkeitsuntersuchungen von Offsetzeitungen – Weißgrade der deinkten Stoffe
100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
A B F C E D
1 Monat 3 Monate 144 h 60°C Linie 4
Gesamtzahl der Schmutzpunkte (>50 µm) [in 1000/m²]
Überwiegend schwarz Hoher Buntanteil Anforderung an
Zeitungsdruckpapiere
Abb. 7: Anzahl der Schmutzpunkte im deinkten Stoff
0 10000 20000 30000 40000 50000
A B F C E D
1 Monat 3 Monate 144 h 60°C
Schmutzpunkte (>200 µm) [1/m²]
134000Überwiegend schwarz Hoher Buntanteil
Sojaöl- haltig
Anforderung an Zeitungsdruckpapiere
Abb. 8: Anzahl von störenden, sichtbaren Schmutzpunkten im deinkten Stoff
Allerdings, und auch das belegen die Untersuchungen, ist es durchaus möglich, eine sehr gute Deinkbarkeit auch nach längerer Lagerung sicherzustellen.
Eine signifikante Erhöhung der Druckfarbenauftragsmenge bei bunten Offsetzeitungen, wie sie z.B. durch IR-Trocknung unterstützt und erwünscht wird, wirkt sich daher ebenfalls nega- tiv aus, da durch die IR-Trocknung weit mehr Farbe in das Papiergefüge eindringt und da- durch mehr Druckfarbe in direkten Kontakt mit Faserstoffen kommt. Dadurch wird das Ver- hältnis Druckfarbe zu Papier dahingehend verändert, daß - im Gegensatz zum Einfluß der
flächenbezogenen Masse im für Zeitungsdruckpapier praxisrelevanten Bereich - Auswirkun- gen auf den Weißgrad des deinkten Stoffs erkennbar werden.
6 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Die Auswirkungen der im Bereich des Zeitungsdrucks zu verzeichnenden Trends hinsichtlich Absenkung der flächenbezogenen Masse des Zeitungsdruckpapiers und Zunahme des Mehrfarbendrucks auf die Deinkbarkeit dieser Druckprodukte wurden erfaßt.
Wie die Ergebnisse zeigen, kommt bei Zeitungsdruckpapieren im praxisrelevanten Bereich der flächenbezogenen Masse im Hinblick auf die Deinkbarkeit keine signifikante Bedeutung zu. Entscheidend ist bei Offsetzeitungen die Druckfarbenablösung. Daher wirken sich andere Einflußgrößen wie Farbbelegung und Alterung wesentlich stärker aus.
Der Anteil an Buntfarben im Zeitungsdruck führt zu einer Verschlechterung der Deinkbarkeit.
Der Einsatz von Druckfarben auf der Basis nachwachsender Rohstoffe (Sojaöl und Leinöl) beeinträchtigt die deinkten Stoffe nach längerer Lagerung erheblich durch sichtbare Schmutzpunkte. Auch eine IR-Trocknung ist infolge des höheren Farbanteils als negativ im Hinblick auf die Deinkbarkeit zu bewerten. Aufgrund des hohen Buntfarbenanteils bei Zei- tungsbeilagen sind auch bei solchen Druckprodukten auf nicht oberflächenbehandeltem Pa- pier Probleme zu erwarten.
Während es früher noch möglich war, mit Zeitungen nach 1 Monat Rücklaufzeit in die Dein- kinganlage in der 1. Flotation Weißgrade zu erzielen, die bei 54 % lagen, wird heute schon ein Abfall des Weißgrades um 2 %-Punkte auf 52 % beobachtet, mit weiter fallender Tendenz.
Zielwert 59 % und größer
S/W Druck Bunt-Druck
Früher Heute Morgen ??
Weißgrad DS (1 mon ) (%)
54 %
52 %
50 %
Entwicklungen
Abb. 9: Problematik von Neuentwicklungen im Zeitungsdruckbereich für das Deinken Der Anteil an Zeitungen in der Deinkingware ist hoch, daher kommt der Deinkbarkeit dieser Erzeugnisse hohe Priorität zu. Da die Abnahme der Deinkbarkeit von Offsetdruck-Buntfarben in der mit zunehmendem Alter schlechteren Druckfarbenablösung begründet ist, wird eine
farbenindustrie gefordert, Bindemittelsysteme mit geringerem oxidativ trocknenden Anteil für Buntfarben einzusetzen. Zudem müssen Druckfarben und Papier nicht nur hinsichtlich der Druckqualität, sondern auch hinsichtlich der Deinkbarkeit aufeinander abgestimmt werden.
Dank
Die mitgeteilten Ergebnisse wurden im Rahmen eines von der Arbeitsgemeinschaft indus- trieller Forschungsvereinigungen e.V. (AiF), Köln, mit finanziellen Mitteln des Bundesministe- riums für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Bonn, geförderten Forschungsvorhabens AiF 10 789 N und mit finanzieller Unterstützung der INGEDE (Internationale Forschungsgemein- schaft Deinking-Technik e.V.), München erarbeitet. Für die finanzielle Unterstützung sei an dieser Stelle gedankt.
Weitere Informationen unter: E.Hanecker@pts-papertech.de Literatur
1 HANECKER E., GROSSMANN H. u. W. FÖRSTER
Über die Deinkbarkeit gestrichener und ungestrichener Druckpapiere Wochenblatt für Papierfabrikation 121, 589-595 (1993), Nr. 14
2 RENNER K., PUTZ H.-J. u. L. GÖTTSCHING
Zusammensetzung und Qualität holzhaltiger und holzfreier Deinkingware Wochenblatt für Papierfabrikation 124, 662-666 (1996), Nr. 14/15
3 GROSSMANN H. u. R. KLEIN
Aktuelle Qualitätsprobleme deinkter Altpapierstoffe Das Papier 51, V80-V86 (1997), Nr. 6A