• Keine Ergebnisse gefunden

Gericht. Entscheidungsdatum. Geschäftszahl. Spruch. Text BVwG G G /6E IM NAMEN DER REPUBLIK!

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Gericht. Entscheidungsdatum. Geschäftszahl. Spruch. Text BVwG G G /6E IM NAMEN DER REPUBLIK!"

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 26.05.2017

Geschäftszahl G303 2129866-1

Spruch

G303 2129866-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und die fachkundige Laienrichterin Anita GERHARD als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung", in den Behindertenpass, Passnummer: XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom 17.06.2016, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 42 Abs. 1 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) idgF sowie

§ 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 21.01.2016 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ein. Da die BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung

"Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den Behindertenpass gewertet. Dem Antrag waren ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln sowie die Kopie eines Ausweises gemäß § 29b StVO mit Ausstellungsdatum vom 26.06.1992 angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

(2)

In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Facharzt für Chirurgie, vom 29.02.2016 wurden, nach einer persönlichen Untersuchung der BF am 11.02.2016, folgende Funktionseinschränkungen festgehalten:

* Funktionseinschränkung des linken Fußes mittleren Grades nach angeborenem Klumpfuß und operativer Behandlung

* Funktionseinschränkung des rechten Handgelenkes geringen Grades nach Speichenbruch

Hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel"

wurde folgendes ausgeführt:

Die maßgebliche Funktionseinschränkung betreffe den linken Fuß und sei das Ergebnis operativer Behandlungen des angeborenen Klumpfußes. Auf den ersten Blick zeige der linke Fuß eine normale Form bei Verkürzung um 4 cm gegenüber dem rechten. Die Fersenachse stehe orthograd, das Sprungbein liege exakt in der Sprunggelenksgabel, das Innenfußgewölbe sei geringgradig erhöht im Vergleich zu rechts und gegenüber der Norm. Die Rück- und Mittelfußgelenke (nach funktionellen, nicht nach anatomischen Gesichtspunkten) würden versteift sein, die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes sei eingeschränkt, gewährleiste aber die funktionell wichtigen Bewegungen um die Neutralnullstellung. Durch die orthopädisch adaptierten, knöchelhohen Sportschuhe mit weicher Fußbettung und dicker, weicher Sohle sei die mittelgradige Funktionseinschränkung des Fußes verbessert, sodass ein geringgradig unrhythmischer, leicht links hinkender, jedoch flüssig und sicher wirkender Gang resultiere.

Das Gehvermögen sei im Vergleich mit dem einer Probandin mit funktionstüchtigen Füßen eingeschränkt, jedoch ohne nennenswerte Auswirkung auf die Bewältigung einer kurzen Gehstrecke von 300 bis 400 Metern oder das Begehen von Stufen auf und abwärts. Die BF sei im Stande, in ein öffentliches Verkehrsmittel einzusteigen, aus diesem auszusteigen, in diesem sicher und aufrecht zu stehen oder zu sitzen, gegebenenfalls in einem fahrenden, öffentlichen Verkehrsmittel einige Schritte zu gehen und die in öffentlichen Verkehrsmitteln üblicherweise vorhandenen Haltevorrichtungen zu benützen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.03.2016 wurde der Antrag vom 21.01.2016 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, oben angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten vom 29.02.2016, das als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei.

Danach würden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen.

4. Gegen den oben genannten Bescheid brachte die BF fristgerecht mit Schreiben vom 04.04.2016 Beschwerde ein. Darin führte die BF aus, sie habe im Jahr 2014 beim Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel einen Kreuzbandriss mit Einriss des Meniskus erlitten und sei in weiterer Folge im XXXXoperiert worden. Im Jahr 2015 sei sie beim Gehen mit Gehstock infolge einer "Umkippung" des Klumpfußes ausgerutscht und habe sich dabei die rechte Schulter ausgerenkt und leide noch immer an Schmerzen diesbezüglich. Auch der rechte Fuß bereite der BF Schmerzen, da dieser überstrapaziert werde. Das Festhalten an den in einem öffentlichen Verkehrsmittel angebrachten Haltevorrichtungen bereite der BF aufgrund von Schmerzen im Rücken- und Halswirbelbereich große Probleme, das Sitzen im öffentlichen Verkehrsmittel sei immer mit unsicherem Aufstehen und Angst auszurutschen verbunden. Die bei der BF an beiden Händen vorliegende Arthrose sei im Sachverständigengutachten nicht berücksichtigt worden. Die BF führte zudem aus, dass das nächstgelegene öffentliche Verkehrsmittel rund einen Kilometer von ihrer Wohnung entfernt sei. Die BF sei nicht imstande, problem- und schmerzlos sowie ohne Zuhilfenahme eines Gehstockes ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Das Bewältigen von Treppen gelinge nicht gefahr- und komplikationslos und sei mit Schmerzen verbunden.

Im Rahmen der Beschwerdeerhebung wurden ein Attest von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 31.03.2016, in Vorlage gebracht.

5. Die belangte Behörde holte im Zuge eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eine medizinische Stellungnahme von XXXX ein.

(3)

In dieser erstatteten medizinischen Stellungnahme vom 07.06.2016 wurde seitens des Sachverständigen ausgeführt, dass sich durch die Beschwerde und das in Vorlage gebrachte Attest der BF keine Änderungen zu dem Gutachten vom 29.02.2016 ergeben würden und er sein Gutachten unverändert aufrecht halten würde. So sei das linke Kniegelenk der BF funktionstüchtig genauso wie beide Schultergelenke. Die Funktionseinschränkung des linken Fußes bewirke keine Überstrapazierung des rechten Fußes. Die Arthrosen an den Händen der BF würden keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen können. Die BF habe um in die Ordination des Sachverständigen kommen zu können 6 Stufen auf- und abwärts gehen können. Das seitens der BF in Vorlage gebrachte ärztliche Attest von XXXXsei für die Beurteilung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht relevant.

6. Mit Bescheid vom 17.06.2016 wurde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung seitens der belangten Behörde abgewiesen und damit der angefochtene Bescheid bestätigt. In der Begründung wurde auf die eingeholte, oben angeführte, ärztliche Stellungnahme von XXXX verwiesen. Danach würden die Voraussetzungen für die Aufnahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen.

7. Mit binnen offener Frist bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben vom 05.07.2016 stellte die BF einen Vorlageantrag und brachte weitere medizinische Beweismittel in Vorlage.

8. Die gegenständliche Beschwerde, der Vorlageantrag und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde mit Schreiben vom 06.07.2016 vorgelegt und sind am 12.07.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

9. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

9.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 11.01.2017, wurden basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag, folgende Funktionseinschränkungen festgehalten:

• Angeborene Klumpfußbildung links mit Funktionseinschränkung deutlichen Ausmaßes und immer wiederkehrenden Hautdefekten an der Ferse

* Chronische Polyarthritis mit Deformierung der Fingergelenke und dadurch bedingter Grobkraftminderung

* Abnützung der Wirbelsäule mit Fehlhaltung mitterlen Ausmaßes ohne neuromotorische Funktionseinschränkung

* Geringgradige Schultergelenkfunktionsminderung rechts nach Luxation in erster Linie bei Über-Kopf- Hantieren

* Geringe Funktionseinschränkung des rechten Handgelenkes nach Bruch

* Kniegelenksschmerzen links bei Sehnenüberlastungssymptomatik nach nicht operiertem Kreuzbandriss

Hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel"

wurde ausgeführt, dass aktuell eine deutliche Gangfunktionsstörung, die auch durch orthopädisches Schuhwerk nicht vollständig kompensiert werden könne, vorliege. Eine relevante Wegstrecke könne selbst unter zur Hilfenahme einer Unterarmstützkrücke maximal im Ausmaß von 200 bis 300 m überwunden werden. Zusätzlich sei festzuhalten, dass aufgrund der Standfunktionseinschränkung beziehungsweise durch das eingeschränkte Heben der Beine im Stehen (nur unter Anhalten im Ausmaß von max. 15 cm möglich) relevante Niveauunterschiede ohne Hilfe nicht sicher überwunden werden können. Zuletzt würden sich deutliche Gelenksveränderungen im Bereich sämtlicher Fingergelenke beider Hände mit einer deutlichen Fehlstellung zeigen, diese sei bedingt durch die chronische Polyarthritis, sodass die grobe Kraft gemindert und der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel mit Anhalten nicht gegeben sei, wobei auch zusätzlich zu beachten sei, dass eine Unterarmstützkrücke von Nöten sei.

Die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erscheine aufgrund der Untersuchung und der bestehenden Funktionsminderungen nicht gegeben.

Bei der BF würden keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

(4)

neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen noch schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vorliegen.

10. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 03.04.2017 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

10.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung wurde dazu seitens der Verfahrensparteien nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

* Angeborene Klumpfußbildung links

* Chronische Polyarthritis mit Deformierung der Fingergelenke

* Abnützung der Wirbelsäule mit Fehlhaltung mittleren Ausmaßes

* Geringgradige Schultergelenkfunktionsminderung rechts

* Geringe Funktionseinschränkung des rechten Handgelenkes

* Kniegelenksschmerzen links

Bei der BF liegt eine deutliche Gangfunktionsstörung vor. Sie ist lediglich in der Lage, unter Zuhilfenahme einer Unterarmstützkrücke, eine Wegstrecke von maximal 200 bis 300 Metern zurückzulegen.

Das Heben der Beine ist der BF nur eingeschränkt möglich. Niveauunterschiede, welche in der Regel beim Einsteigen in beziehungsweise beim Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen, können von der BF nicht sicher ohne Hilfe überwunden werden.

Durch die chronische Polyarthritis der BF besteht eine Deformierung ihrer Fingergelenke und es kommt hier zu einer Grobkraftminderung, wodurch ein sicheres Anhalten im öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet ist.

Der sichere Transport der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen ist nicht gegeben.

Zum Entscheidungszeitpunkt ist der BF die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde, dem Vorlageantrag und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

In dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX vom XXXX, das auf einer persönlichen Untersuchung der BF basiert, wurde auf die Art der Leiden der BF und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.

(5)

Der Inhalt dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder von der BF noch von der belangten Behörde erstattet.

Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Aus dem vorliegenden Gutachten ergibt sich, dass die BF unter einer deutlichen Gangfunktionsstörung leidet und sie selbst mit einer Unterarmstützkrücke lediglich eine Wegstrecke von maximal 200 m bis 300 m zurückzulegen kann.

Insbesondere wurde im Gutachten auch nachvollziehbar ausgeführt, dass relevante Niveauunterschiede durch die vorliegenden Funktionseinschränkungen bei der BF nicht sicher überwunden werden können. Aufgrund dessen sowie der Tatsache, dass die BF sich durch die bestehende Polyarthritis an den Fingergelenken im öffentlichen Verkehrsmittel nicht sicher anhalten kann, und unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes der BF insgesamt, kann aus Sicht des erkennenden Senates in der vorliegenden Rechtssache ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel nicht festgestellt werden.

Daher konnte in Gesamtbetrachtung der Umstände festgestellt werden, dass der BF die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist.

Das oben angeführte Sachverständigengutachten von XXXX vom 11.01.2017 wird der gegenständlichen Entscheidung daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Abweichend davon beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 46 BBG zwölf Wochen.

(6)

Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Verfahrensgegenständlich hat die belangte Behörde von der Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch gemacht. Die BF stellte mit Schreiben vom 05.07.2016 binnen offener Frist einen zulässigen Vorlageantrag.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte) entgegenstehen.

Der Rechtsprechung des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geeignet ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt, ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen gekennzeichnet und wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint und unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(7)

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweise idgF ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung der BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung"

verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2 ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, als nachvollziehbar und widerspruchfrei gewertete Sachverständigengutachten von XXXX vom 11.01.2017 zugrunde gelegt.

Auch wenn die BF direkt an keine Einschränkungen und Erkrankungen im Sinne der anzuwendenden Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen leidet, bedingt die Gesamtheit

(8)

aller gesundheitlichen Einschränkungen, dass ihr die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist.

Dem steht die demonstrative ("insbesondere") Aufzählung der Fälle in § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, in denen die Feststellung der genannten Unzumutbarkeit gerechtfertigt erscheint, nicht entgegen (vgl. VwGH 09.11.2016, Ra 2016/11/0137; 21.04.2016, Ra 2016/11/0018 zur demonstrativen Aufzählung).

Es konnte in der vorliegenden Rechtssache konkret festgestellt werden, dass die BF nicht in der Lage ist, ein öffentliches Verkehrsmittel aufgrund der bei ihr bestehenden Gesundheitsschädigungen sicher zu benützen.

Insbesondere ist es ihr nicht möglich, Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen sicher zu überwinden oder sich im öffentlichen Verkehrsmittel im ausreichenden Maße anzuhalten. Dadurch ist auch der sichere Transport der BF im öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet.

Da die BF auch Inhaberin eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Angemerkt wird, dass der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung mit dem Verweis auf den § 64a Abs. 3 AVG, welcher im gegenständlichen Verfahren nicht zur Anwendung kommt, ein rechtlicher Begründungsmangel unterlaufen ist.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:G303.2129866.1.00

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Beschwerdeführer ist seit 08.06.2017 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. Der Beschwerdeführer brachte am 19.04.2017 bei der belangten

Drei Jahre nach seinem ursprünglichen Entwurf hat das Parlament Ende des Jahres 2009 einstimmig das Gesetz einer parlamentarischen Kontrolle auf dem Gebiet der Sicherheit

3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden

99/01/0256, ausgesprochen, dass mangelnde Schutzfähigkeit des Staates nicht bedeute, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art

Eine Rückkehrentscheidung sei zulässig und verletze Art 8 EMRK nicht, weil der BF versucht habe, mit einem gefälschten Dokument zu reisen, durch sein Verhalten

Letztlich war zu berücksichtigen, dass die BF in der Beschwerde den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen

ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen

1 AlVG ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines